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Full text of "Shakspeare's dramatische Werke"

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Shaflspeare’g 


Dramatiihe Werke 


überfegt 
von 
Aug. Wilh. v. Schlegel 


und 


Ludwig Tieck. 


Dritte Auflage. | 


Keunter Band. 


Die Iuftigen Weiber von Windfor. 
Titus Andronicns. 


Das Wintermährchen. 





Berlin, 
Drud und Berlag von ©. Reimer. 





1844, . * 


— — 








.. 





Die 


luſtigen Weiber von Windfor. 


Perſonen: 


Sir John Falſtaff. 
Fenton. 

Schaal, Friedensrichter. 
Schmächtig, Schaal's Vetter. 
Herr Page, 
Herr Fluth, 
Sir Hugh Evans, ein Walliſiſcher Pfarrer. 
Doctor Cajus. 

Der Wirth zum Hoſenbande. 

Bardolph. 

Piſtol. 

Nym. 

Robin, Falſtaff's Page. 

Wilhelm, des Herrn Page kleiner Sohn. 
Simpel, Schmaäͤchtig's Diener. 

Rugby, Cajus Diener. 

Frau Page. 

Frau Fluth. 

Jungfer Anne Page. 

Fran Hurtig. 

Knechte des Herrn Fluth. 


Scene: Windfor und die umliegende Gegend. 


Bürger von Wirdfor. 


— — — — — 


Eriter Aufzug. 


Erſte Scene. 
Windfor. Straße. 
(Es treten auf Schaal, Shmädhtig und Evans) 


Schaal. 
Sir Hugh, Feine Einrede weiter; das qualificirt ſich 
für die Sternenfammer, und wenn er zwanzigmal Sir 
John Falſtaff wäre, fo foll er nicht zum Narren haben 
Robert Schaal, Esquire, — 
Schmächtig. 
In der Grafſchaft Gloſter, Friedensrichter und 


coram, — 
Schaal. 
Ja, Better Schmächtig, und custalorum. 
Schmächtig. 

Ja, und rotalorum dazu, und einen gebornen Edel⸗ 
mann, Herr Pfarrer, der fi) armigero ſchreibt; auf 
jedem Schein, VBerhaftsbefehl, Quittung oder Schulb- 
brief, armigero. 

Schaal. 


Freilich, ſo halt' ichs, und ſo hab' ichs allzeit ge— 
halten dieſe dreihundert Jahr. 
Schmächtig. 
Alle. feine Descendenten, die ihm vorangegangen, 


6 Die Iufligen Weiber von Windfor. I, 1. 


Habens fo gehalten, und alle feine Ascendenten, bie nach 
ihm kommen, könnens auch fo halten, fie führen alle den 
filbernen Hecht und Leu, feparist vom fihwarzen Gatter 
im Wappen. 
Schaal. 
Das Gatter iſt uralt. — 
Evans. 

Tie ſilberne Läus paſſe ſich kuth für ten alten fchwar- 
zen Kater; ſchreitend nehme ſie ſich wohl aus; es ſeyn 
vertranliche Creature mit dem Menſchen, und ypeten- 
ten Liebe. 

Scha al. 
Hecht und Leu ſind der Trutz, das Gatter der Schutz. 
Schmächtig. 
Ich könnte mir noch mehr Quartiere anſchaffen, 
Vetter. 
Schaal. 
Das könntet ihr auch durch eine Vermählung. 
Evans. 

Was wollt ihr tann mit dem Mehl im Quartier? 
Bermehlt euch Lieber in der Mühle. — Aber tas ifcht 
alles Eins. Wam Sir John ſich Unziemlichfeite Tefen 
euch erlaupt bat, fo kehöre ich zur Kirche, und ſoll mirs 
lieb feyn, euch Wohlkewogenheit zu erzeige und Concor⸗ 
tanzen und Compenfationes zwiſchen euch zu Stante zu 


pringe. 
Schaal. 
Der hohe Gerichtshof ſoll davon hören; 's iſt ein 
Scandal! — | 
Evans. 
'S iſcht wicht wohlfetban, daß der hohe Reriätsef 
- Yon einem Schkantal höre; 's ifcht Feine Furcht Kottes 
in einem Schkantal; der hohe Kerichtshof, feht ihr, wird 
Luſt hape, zu vernehme von ber Furcht Kottes, und nicht 


Die Iufigen Weiber von Windfor. I,1. 7 


zu vernehme von einem Schlental; laßt euch tas zum 
Avis tiene. 
Schaal. 

Ha, bei meinem Leben! Wenn ich wieder jung 

würde, ſollte das Schwert es enden! — 
Evans. 

Biel peßer, wenn Freunde tas Schwert fee, and 
es enden; und ta kommt mir noch andrer Einfall in tie 
Ketanke, ter, wanne klückt, keteihliche Convenienzen mit 
Ah pringt; ta iſcht Anne Page, was iſcht Tochter Yes 
Herrn Keorg Page, was iſcht artiges Fraͤuleinſchaft. 

Schmächtig. 

Jungfer Anne? die hat braune Haare, und ſpricht 
fein wie ein Frauenzimmer. | 
Evans. 

'S iſcht epen felpiges Perfonal, und krate To accu⸗ 
rat, wie ihrs praucht; und ſiepe hundert Pfund und Kolt 
und Silper wollen ihr der Kroßvater aufm Sterpepett 
(Rott ſchenke ihm einen verknugten Auferſtaͤndniß) ver⸗ 
mache, wann ſie capapel iſcht und kann ſiepzehn Jahre 
hinter ſich pringe. Tarum wärs Inter Vorſchlag, wann 
wir abließe von uuſer Wiſche Waſche, und intentirte ein 
Heurath zwiſchen jungen Herrn Apraham und Jungfer 
Anne Page. 

Schmächtig. 
Hat ihr Großvater ihr fiebenhundert Pfund vermacht? 
Evans. 
Ya, und ihr Vater pfuntirt ihr noch mehr Paten, 
Sähmädtig. 

Ich kenne das junge Frauenzimmer, fie bat gute 
Gaben. 

Evans. 

Siepe hundert Pfund und andre Erbprofpekten feyn 
kuthe Gabe. 


8 Die Inftigen Weiber von Windſor. L1. 


Schaal. 
Nun laßt uns zum ehrlichen Herrn Page gehn; iſt 
Falſtaff da? 
Evans. 


Soll ich euch Lügen ſage? Ich verachte, wann einer 
lükt, wie ich verachte, wann einer falſch iſcht, oder wann 
einer nicht wahrhaftig iſcht. Der Ritter Sir John iſcht 
ta, und ich pitte euch, laßt euch rathen von eure wahre 
Freunte. Ich will jebt an tie Thür Elopfe, wegen tem 
Heren Page. He! Hola! Rott pehäte euer Haus hier! — 


(Page fommt) 


Page. 

Wer ift da? 

Evans. 

Hier feyn Kottes Sefen, und euer Freund, und Frie- 
densrichter Schaal; hier ifcht auch junger Herr Schmädh- 
tig, welcher euch vielleicht noch antre Tinge zu perichte 
babe wird, wann Die Sache firh nach euerm Kuſto anftellt. 

Page. 

Ich bin erfreut, euch wohl zu fehn, meine geflrengen 
Herrn; ich danke euch für mein Wildpret, Herr Schaal. 
Schaal. 

Herr Page, ich bin erfreut, euch wohl zu ſehn; recht 
wohl bekomme es euch, recht von Herzen wohl; ich wünſchte, 
euer Wildpret wäre beſſer geweſen, es war ſchlecht ge— 
ſchoſſen. — Was macht denn die gute Frau Page? Ich 
bin euch doch allzeit von Herzen ergeben, ja wahrhaftig, 
von ganzem Herzen. 

Page. 


Sir, ih danke end. 
Schaal. 
Sir, ich danke euch; bei Ja und Nein, das thue ich. 
J Page. 
Sehr erfreut, euch zu ſehn, liebes Junker Schmächtig. 





Die Infigen Weiber von Windſor. I, 1. 9 


Shmädtig. 
Mas macht denn euer gelber Windhund, Sir? Ich 
hörte fagen, er fer in Eotfale geſchlagen worben. 
Page. . 
Es konnte nicht entſchieden werben. 
Schmächtig. 

Ihr wollts nur nicht Wort haben, ihr wollts nicht 
Wort haben! — 

Schaal. 

Das will er nicht; 's iſt euer Schaden, 's iſt euer 
Schaden; ’8 iſt ein guter Hund. 

Page. 

Ein Köter, Sir. 

Schaal. 

Sir, 's iſt ein guter Hund, und ein ſchöner Hund; 
kann man wohl mehr ſagen? Er iſt gut und er iſt ſchön. 
— Iſt Sir John Falſtaff hier? 

Page. 

Sir, er iſt drinnen, und ich wünſchte, ich könnte ein 

gutes Werk zwifchen euch fliften. 
Evans. 
Tas ifcht Tefproche, wie frommer Chriſcht fpreche 
ſollte. 
Schaal. 
Er hat mich beleidigt, Herr Page! 
Page. 
Sir, das geſteht er auch gewiſſermaßen ein. 
Schaal. 

Er hats eingeſtanden, und ich habe es ausgeſtanden; 
iſt das nicht wahr, Herr Page? -Er hat mich beleidigt, 
ja das hat er; auf mein. Wort, das hat er: glaubt mirs, 
Robert Schaal, Esquire, verfichert, er fei beleidigt. 

Page. 

Hier fommt Sir John. 


10 Die Iufigen Weiber von Windſor. I, 1. 


(8 treten auf Sir John Falſtaff, Bardolph, Nym 
und Piſtol) 


Falſtaff. 
Nun, Herr Schaal, ihr wollt mich beim König ver- 
lagen? 
Schaal. 
Ritter, ihr habt meine Leute geprügelt, mein Wild 
erlegt und mein Jagdhaus erbrochen! — 
Falſtaff. 
Aber doch eures Förfters Tochter nicht geküßt? 
Schaal. 


Ei was da! Darauf ſollt ihr mir Antwort geben. 
Falſtaff. 
Die Antwort ſollt ihr gleich haben; ich habe das 
Alles gethan. — Das wäre nun beantwortet. 


Schaal. 

Der Hof ſolls erfahren. — 

Falſtaff. 

Laßts lieber den Keller erfahren; im Hof wird man 
euch auslachen. 

Evans. 

Pauca Verpa, Sir John; tann ich bin Einer, tem 
28 vor pittern Worten Trant. 

Falſtaff. 

Kraut? Kraut und Rüben! — Schmächtig, ich habe 

euch den Kopf zerſchlagen; was kam dabei heraus? 
Schmachtig. 

Dabei kam genug heraus, mein Seel, und das trage 
ih euch auch noch nach, euch und enern langfingrigen 
Schuften Bardolph, Nym und Piſtol. Sie fchleppten 
mich in die Schenke, und machten mich beſoffen, und 
manften mir die Taſchen leer. 

Bardolph. 

Ihr ſchmaler Ziegenfäfe! 


Die Iufigen Weiber von Windſor. I,1. il 


Schmächtig. 
Schon gut. 
Piſtol. 
Was willſt du, Mephiſtophilus? 
Schmächtig. 
Ja, ſchon gut. 
Nym. 
Blitz, ſage ich; pauca, pauca; das iſt mein Humor. 
Schmächtig. 
Wo iſt Simpel, mein Kerl? Wißt ihrs nicht, Vetter? 
Evans. 


Still, ich pitt euch! Jetzt habt wohl Opacht: hier 
ſeyn zwei Schiedsrichter in tieſer Sachen, ſo viel ichs 
pekreife; tas ſeyn Herr Page, fidelicet Herr Page; und 
tas feyn ich felper, fidelicet ich ſelper; und kann feyn 
das tritte Part Tebtlich und pefchließlich mein Herr Wirth 
vom Hofepand. 

Page. 

Wir drei wollens anhören und unter ihnen aus— 
machen. 

Evans. 

Sehr praf; ih will mirs notice in meiner Prief- 
tafchen, und hernach wolle wir zur Procetur fehreite, mit‘ 
krößter Möklichkeit und Tiscretion. 


Falſtaff. 

Piſtol. 
Er tritt hervor und leiht das Ohr. 

Evans. 


Der Teufel und ſeine Großmutter! Was vor Syn⸗ 
tax ſeyn tas: er tritt hervor und leiht tas Ohr? Ei, tas 
ſeyn Affectirunge. | 
Falſtaff. 

Piſtol, haſt du Herrn Schmächtig ſeine Börſe ge— 


mauſt? 


12 Die Iuftigen Weiber von Windfor I1. 


Shmädtig. 

Ja, bei dieſen Handſchuhen, das hat er, oder ich will 
mein Lebtage nicht wieder auf meine große Stube font- 
men! Sieben Grot in alter Münze, und zwei Peilfen- 
thaler von König Eduard her, die mir drittehalb Schil- 
linge das Stück bei Jochen Miller gekoftet haben, bei 
diefen Handſchuhen! — 

Falſtaff. 

Thatſt du das wahrhaftig, Piſtol? 

Evans, 

Nein, tas iſcht nicht wahrhaftig kethan, wann er 

Pörſen mauſ't. 

Piſtol. 
Ha, du Gebirgsfrembling! Sir John und Gönner mein, 
Ich Tampf’ Cartel auf diefes Blechrapier. 
Berläugnungswort in deine Labras dir! 
Berläugnungswort dir; Hef’ und Schaum, du Tügft! 

Schmächtig. 
Bei dieſen Handſchuhen, dann war ers. 

Nym. 

Merkt auf Avis, und laßt guten Humor gelten! Ich 
werde rufen: in der eignen Grube attrapirt, wenn ihr 
euern Nußknackerhumor auf mich loslaßt; das iſt die 
wahre Notiz davon. 

Schmächtig. 

Bei dieſem Hut, ſo iſts der mit dem rothen Geſicht 
geweſen; denn wenn ich mich auch nicht recht mehr be— 
finnen kann, was ich that, als ihr mich betrunken mac- 
tet, fo bin ich doch nicht ganz und gar ein Efel. 

Falſtaff. 
Was ſagt ihr dazu, Scharlach und Hans? 
Bardolph. 

Nun, was mich betrifft, Herr, ich ſage, der junge 

Herr hatte ſich von ſeinen fünf Sünden getrunken. 


Die luſtigen Beiber von Windſor. L1. 13 


Evans. 

Fünf Sinne müßt ihr ſagen; pfui, über ſolche 
Ignoranz! 

Bardolph. 

Und als er caput war, Sir, da warb er, wie wir 
zu fprechen pflegen, auskaffirtz und feine Concluſionen 
gingen mit ihm durch die Lappen. 

Shmädtig. 
Ja, lateiniſch ſpracht ihr damals auch, aber das tft 


Alles Eins; fo lange ich Tebe, will ich mich nicht wieber 


befanfen, als in ehrlicher, Höflicher, guttesfürdhtiger Ge— 
ſellſchaft, weil mir das paffirt iſt; und wo ich mich ein- 
mal wieder befaufe, da will ichs mit folchen thun, bie 
da Gottesfurcht haben, und nicht mit verfoffnen Schelmen. 
' Evans, 
Sp wahr Kott helfe, tas iſcht ein tugenphaftes Kind. 
Falſtaff. 
Ihr hört, wie man das Alles läugnet, meine Herrn; 
ihr hört es. 


(Sungfer Anne Page kommt mit Wein; Frau Fluth und 
Frau Page) 


Page. 
Nein, Tochter, trag’ ven Wein ins Haus, wir wollen 
drinnen trinfen. (Anne Page geht) 
Shmädtig. 
D Himmel! das ift Jungfer Anne Page! — 
Page. 
Wie gehts, Fran Flut? — 
Falſtaff. 


Fran Fluth, bei meiner Treu, ihr kommt recht zur 
guten Stunde: mit eurer Erlaubniß, liebe Fran! 
| (Er füßt fie) 
Page. 
Fran, heiß diefe Herrn willlommen: — Tommt, wir 


14 Die Inftigen Weiber von Windſor. I,1. 


haben eine warme Wilbpaftete zu Mittag; kommt, ihr 

Seren, ich hoffe, wir laſſen allen Mißmuth im Glaſe. 

(Sie gehn Hinein; Schaal, Shmädtig und Evans bleiben) 
Shmädtig. 

Ich wollte vierzig Schillinge dram geben, wen ich 

mein Buch mit Liedern und Somnetten bier Hätte, 
(Simpel fommt) 
Na, Simpel, wo haft du geſteckt? ich ſoll mir wohl felbft 
aufwarten, fag einmal? Haft du vielleicht das Raͤthſel⸗ 
buch bei dir, haft du's? 
Simpel. 

Das Räthſelbuch? Ei, Habt ihre nicht der Eife 
Kleinfemmel geliehen, auf lebten Allerheiligen, vierzehn 
Tage vor Migaclis? 

Schaal. 

Kommt, Vetter, kommt, Vetter, wir warten auf euch. 
Ein Wort mit euch, Better; Hört einmal an, Vetter; es 
ift gleihfam ein Antrag, eine Art von Antrag im Werk, 
der von fernher von unferm Sir Hugh ausgeht; verſteht 
ihr mich? — 

Schmächtig. 
Ja, Herr, ihr ſollt mich vernünftig finden; wenn 
das iſt, werde ich thun, was vernünftig iſt. 
Ä Schaal. 
Nein, verſteht nur erſt. 
Schmächtig. 
Das thue ich auch, Sir. 
Evans, 

Kebt feiner Motion Kehör, Junker Schmächtig, ich 
werte euch tie Sache pefchreiplich mache, wann ihr bie 
Caparität dazu peſitzt. 

Schmächkig. 

Nein, ich werde es machen, wie mein Vetter Schaal 
fagt, nehmt mirs nicht vor ungut; denn für mein beſchei⸗ 
den Theis ift er Friedensrichter in der Graffchaft, feht ihr. 


Die Infligen Weiber von Rindfer IL 15 


Evans. 

Aber tavon feyn nicht die Rete; tie Rete feyn in 
Petreff eurer Heurath. 

Schaal. 

Ja, das iſt der Punct, Sir. 

Evans. 

Ya, mein Seel, tas ſeyn es auch; ter Tanz eigent- 

liche Punct; und mit Yuntfer Anne Page. 
Schmädtig. 

Sa, wenn das if, — die will ich heiratben, auf 

irgend vernünftige Bedingungen. 
Evans. 

Aber könnt ihr auch Affectionirungen fpüren für tag 
Irauenzimmer ? Laßt mich tag in Erfahrung pringen, 
aus euerm Mund, oder aus euren Tippen; tann unter- 
ſchiedliche Philoſophe pehaupte, die Lippe formire Tewiffer- 
maßen Beflandtheil des Mundes; teshalp alfo präcis: 
konnt ihr tiefem Mädchen eure Neigung zuwerfen? — 

Schaal. 
Vetter Abraham Schmächtig, könnt ihr ſie lieben? 
Schmächtig. 

Ich hoffe, Vetter, ich werde es zu Stande bringen, 
wie es ſich für Einen ſchickt, der gern nach der Vernunft 
zu Werke geht. 

Evans. . 

Ei, Kotts Erzengel und Holzengell Ihr müßt wie 
ein Bofitif ſprechen; könnt ihrs tahin für fie pringe, taß 
ihr euer Verlangen auf fie werft? 

Schaal. 

Das müßt ihr. Wollt ihr fie mit einer guten Aus- 
ſteuer heirathen? 

Schmächtig. 

Wenn ihr mirs vorſtellt, Vetter, könnt ihr mich zu 
noch viel größern Dingen bringen, wenn fie nur Balb- 
wege grundlos ſind. 


16 Die Infligen Weiber von Windſor. L1 
Schaal. 

Nein, verſteht mich recht, verſteht mich recht, mein 
engliſcher Vetter: was ich thue, iſt nur euch zu Gefallen, 
Better; könnt ihr das Mädchen lieben? 

Schmächtig. 

Ich will ſie heirathen, Sir, wenn ihrs verlangt, und 
wenn ſich dann auch anfänglich keine große Liebe einfin- 
bet, fo wird der Himmel fie ſchon bei näherer Bekannt⸗ 
ſchaft diminuiren Laffen, wenn wir erfi Mann und Frau 
find, und mehr Gelegenheit haben, uns einander kennen 
zu lernen. Ich hoffe, mit der Vertraulichkeit wird fich 
auch die Geringfchägung einftellen. Wenn ihr mir aber 
fagt, heirathe fie, fo heirathe ich fie; dazu bin ich 
völlig difſolvirt und ganz diſſolut. 

Evans. 

Tas ifcht Tanz überfelegte Antwort, pis auf ten 
Schnitzer im Peiwort tiſſolut; das Peiwort heißt nach 
unferm Petünfe: refolut; allein tie Meinung iſcht kuth. 

Schaal. 
Freilich, ich denke, der Vetter meint es gut. 
Schmächtig. 

Ja wahrhaftig, ſonſt wollte ich mich eben ſo gern 
hängen lafſen. 

(Anne Page kommt wieder) 
Schaal. 

Da kommt die ſchöne Jungfer Anne; ich wollt', iq 

wäre noch jung, um euretwillen, Jungfer Anne! — 
Anne. 
Das Effen fieht auf dem Tiſch; mein Vater bittet 
um Euer Geftrengen Gefellfchaft. 
Schaal. 
Ich werbe ihm aufwarten, fchöne Jungfer Anne! 
Evans. 

Kott heiliges Kepot! Ich darf nicht auspleipen, 

wanns zum Kratias keht. (Schaal und Evans gehn hinein) 


Die Infligen Weiber von Windfor. I, 1. 17 


ane. 
Bolten Euer Befzengn nicht Hineinfommen? 
Shmädtig. | 
Nein, ich bedanke mich recht ſchönſtens, mein Seel, 
ich bin fehr wohl fo. 
Anne. 
Das Effen wartet auf euch, Junker. 
Schmädtig. 

Ich bin nicht hungrig, ich bevanfe mich meiner Seel. 
Geh, Kerl, obgleih du eigentlich mein Bedienter biſt, 
seh und warte meinem Better Schaal auf. (Simpel 
geht ad) Ein Friebensrichter kann fchon einmal feinem 
Freunde Dank wiffen für einen Bedienten. — Ich halte 
jegt nur drei Kerls und einen Jungen, bis meine Mut- 
ter todt feyn wird; aber was thuts? ich lebe doch wie 
ein armer geborner Edelmann. 

Anne. | | 

Ich darf nicht ohne Euer Geſtrengen hineinkommen, 
fie werden fich nicht feten, bis ihr kommt. 

Schmächtig. 
Meiner Tren, ich eſſe doch nichts; ich danl euch eben 
ſo, als hätt' ichs genoſſen. 
Anne. 
Bitt' euch, Junker, ſpaziert doch hinein. 
Schmächtig. 

Ich ſpaziere lieber hier draußen, ich danke euch; ich 
ward neulich am Schienbein getroffen, als ich mit dem 
Oberfechtmeiſter auf Degen und Dolch rappirte, drei 
Gänge um eine Schüſſel geſchmorte Pflaumen, und auf 
Ehre, ih Tann feitvem den Geruch von warmen Eſſen 
nicht ausſtehen. Barum bellen eure Hunde fo? Sind 
Bären in der Stadt? — 

Aune. 
Ich glaube ja, Sir; ich hörte davon reden. 
IX. | 2 


18 Die lufigen Weiber von Windſor. L1. 


Shmädtig. 

Die Bärenhetze ift mein Leibſpaß; aber ich gerathe 
fo fchnell darüber in Händel, als jemand in England. 
Ihr fürchtet euch wohl vor dem Bären, wenn ihr ihn 
los feht? nicht wahr? 

Anne. 

Sa freilich, Junker. 

Shmädtig. 

Das ift nun Effen und Trinfen für mich, feht ihr, 
den Saderfon habe ich wohl zwanzig Mal Ios gefehn, 
und habe ihn bei der Kette angefaßt; aber das muß wahr 
feyn, die Weiber haben fo gequieft und geſchrien, daß 
es eine Art hatte; aber die Weiber Tönnen fie überhaupt 
nicht ausſtehn; es find recht garflige rauhe Dinger. 

(Page fommt wieder) 
Page. 

Kommt, Lieber Junker Schmädhtig, wir warten. 

auf euch. 


Shmädtig. 
Ich mag nicht effenz ich dan? euch, Herr. 
Page. 
Ei was Tanfend, ihr müßt; kommt, Junker. - 
Schmächtig. 
Run, ſo bitt' ich euch, geht voran. 
Page. 
Nur zu, Junker. 
Schmächtig. 
Jungfer Aune, ihr müßt voran gehn. 
Anne. 
Nicht doch, Junker, ich bitte euch, geht nur. 
Schmächtig. 


Gewiß und wahrhaftig, ich will nicht vorangehn, 
nein, wahrhaftig, ich will euch nicht ſo zu nah thun. 


Anne, 
Ich bitte ſehr! 


Die Iufligen Weiber von Windſor. I, 2.3 79 


Shmädtig. 
Sp will ich denn Tieber unhöflich als befchwerlich 
ſeyn; ihr thut euch felbft zu nah, wahrhaftig! — 
(Sie gehn hinein) 


Zweite Scene. 
Ebendaſelbſt. 
(Evans und Simpel treten auf) 


Evans, 

Run keh, und frag den Wek aus nach Toctor Cajus 
Haus, frag fein Haus, wo der Wek keht; und tort wohnt 
fewiffe Frau Hurtig, welche Heichfam feine Amme ifcht, 
oder feine Wartfrau, over feine Köchin, oder feine Wäſche⸗ 
rin, feine Seiferin und feine Spülerin. 

Simpel. 

Gut, Herr. 

Evans, 

Nein, es kommt noch peffer: kiep ihr tiefen Brief, 
tann tiefe Fran ifcht kar kenaue Pelanntfchaft mit Jungfer 
Anne Page; und ter Prief ifcht, fie zu pitten und requi- 
riren teines Herren Anliegen pei ter Jungfer Anne Page 
auszurichten. Ich pitte tich, keh: ich muß jet mit der 
Mahlzeit Ente machen, es komme noch Aepfel und Käfe. 

(Sie gehn zu verſchiednen Seiten ab) 


Dritte Scene, 
Zimmer im Gafthof zum Hofenbande. 
(TFalſtaff, der Wirth, Bardolph, Nom, Piſtol um 
Robin) 


Salftaff. 
Mein Wirth vom Hofenbande, — 


20 Die Infigen Weiber von Windfor. I, 3. 


Wirt. 
Was fagt mein Rodomont? Sprich gelahrt und 
weislich. 
Falſtaff. 


Wahrhaftig, mein Wirth, ich muß Einige von mei- 
nem Gefolge abfchaffen. 
| Wirth, 
Laß fahren, Roland Herenles; dank' ab, laß fie tra- 
ben! marfh! marfh! — 


Falftaff. 
Sch branche zehn Pfund die Woche! — 
Wirth. 
Du bift ein Imperator und Dietator, ein Kaiſer und 
ein Weifer: Ich will den Bardolph nehmen, er ſoll teih- 
tern und zapfen. Sprach ich fo regt, mein Roland 


Hector? Ä 
Salftaff. 
Thu das, mein guter Wirth. 
Wirth. 


Ich babe gefprochen; laß ihn mitgehn, Laß mich 
dich ſchäumen und Ieimen fehn. Ein Wort, ein Mann! 
Komm mit! — (Geht ab) 

Falftaff. 
Bardolph, geh mit ihm, — Ein Bierzapf iſt ein 
gutes Gewerbe, ein alter Mantel giebt ein neues Wamms, 
und ein verwelfter Lakei einen frifchen Zapfer. Geh! 
Leb wohl! 


Bardolph. 
'S iſt ein Leben, wie ich mirs gewünſcht habe: ich 
werde ſchon fortkommen. (Geht ab) 
Piſtol. 


O ſchnöd' hungar'ſcher Wicht! Willſt du den Zapfen 
ſchwingen? 


Die Infligen Weiber yon Windſor. 1,9. 2 


Nym. 

Er wurde im Trunk erzeugt: iſt das nicht ein ein⸗ 

geflelfiter Humor? — 
Falſtaff. 

Ich bin froh, daß ich die Zunderbüchſe fo los ge⸗ 
worden bin: ſeine Diebereien waren zu offenbar; ſein 
Maufen war wie ein ungeſchickter Sänger, er hielt kein 
Tempo. 


Nym. 
Der rechte Humor if, im wahren Monument zu 
ſtehlen. 
Piſtol. 


Aneignen nennt es ber Gebildete: — Stehlen? 
o pfui! 'ne Feige für die Phrafel — 
Falſtaff. 
Ya, ihr Herrn; ich fange an auf die Neige zu ge- 
rathen. 
Piſtol. 
Kein Wunder, daß du dick und trübe wardſt. 
Falſtaff. | 
»S ift Feine Hülfez ich muß mein Glück verbeffern, 
ih muß Künſte erfinnen. 
Piſtol. 
Der junge Rabe ſchreit nach Fraß. 
Falſtaff. 
Wer von ench kennt Fluth in dieſer Stadt. 
Piſtol. 
Den Wicht kenn' ich: gut iſt er von Gehalt. 
Falſtaff. 
Meine ehrlichen Jungen, ich will euch ſagen, was 
mir vorſchwebt. 
Piſtol. 


Ein Wanſt von hundert Pfund. 
Falſtaff. 
Keine Wortfpiele, Piſtol! Allerdings hat mein Wan 


® 


3 Die Infligen Weiber von Windſor. I, 8. 


es weit in ber Dide gebracht; aber bier iſt bie Rebe 
nicht von Wänften, fondern von Gewinuften, nicht von 
Die, fondern von Tücke. Mit einem Wort, ich habe 
im Sinn einen Liebeshandel mit der Frau Fluth anzu- 
fangen; ich wittre Unterhaltung bei ihr: fie discurirt, fie 
fommt. entgegen, fie fihielt mit dem Seitenblid der Auf- 
fordrung: ich conflruire mir die Wendungen ihres ver- 
tranlichen Styles, und die fchwierigfte Paffage ihres Be- 
tragens in reines Englifch überfegt, lautet: ich bin Sir 
Sohn Falſtaffs. 
/ Piftol. 


Er Hat ihr Borhaben ſtudirt, und dann verfirtz aus 
der Sprache der Züchtigleit ins Englifhe., 
Nym. 
Der Anker iſt tief: ſoll dieſer Humor gelten? 
Falſtaff. 

Nun, das Gerücht fagt, daß fie den Knopf auf ihres 
Mannes Beutel regiert; er befibt ein Regiment von 
Engeln. 

Ä Piſtol. 
Nimm gleichviel Teufel dir in Sold, und auf ſie los, 

mein Sohn! — 


Nym. 
Der Humor ſteigt; recht gut, humoriſirt mir dieſe 
Engel! — 
Talftaff. 


Ich babe bier einen Brief an fie gefchrieben, und 
bier einen zweiten an Page’s Frau, die mir jebt eben 
gleichfalls verliebte Augen zuwarf, und meine Statur 
mit höchſt Fritifchen Blicken mufterte. Zuweilen vergol- 
bete der Strahl ihres Anfchauens meinen Fuß, und zu- 
weilen meinen flattlichen Bauch. 


Piftol. 
So ſchien die Sonn’ auf einen Düngerhaufen | 


Die Iufligen Weiber von Windfor I, 8. 23 


Nym. 
Ich danke dir für den Humor. 


Falſtaff. 

O, ſie überlief meine Außenſeite mit ſo gieriger 
Aufmerkſamkeit, daß das Verlangen ihres Auges mich zu 
verſengen drohte wie ein Brennglas. Hier iſt auch ein 
Brief für dieſe; fie führt gleichfalls die Börfez fie iſt 
eine Küfte von Guiana, ganz Gold und Fülle Diefe 
beiden follen meine Schäße werben, und ich will fie 
brandſchatzen; fie folfen mein Oſt- und Weftindien feyn, 
und ich will nach Beiden Handel treiben. Geb, trag du 
biefen Brief an Fran Page, und du jenen an Frau Fluth: 
unſer Weizen blüht, Kinder, unfer Weizen blüht. 


Piftol. 

Sol ich Herr Pandarus von Troja werben, 

Die Seite flahlbewehrt? dann, Lucifer, Hol’ Alles! 
Nym. 

Ich will feinen ſchofeln Humor ausfpielen; da nehmt 
den Humorsbrief wieder; ich will das Decorum mani⸗ 
fefliren. 

Falftaff. (zu Robin) 

Hör, Kleiner, trag’ die Briefe mir geſchickt; 
Segl' als mein Frachtfchiff zu den goldnen Küſten. 
hr Schurfen, fort! Zergeht wie Schloßen, lauft, 
Trabt, plackt euch, rührt die Ferfen, fucht euch Schutz; — 
Falftaff Iernt jetzt franzöfifche Manier 
Nach neufler Art: ich, and mein Page bier. 

(Falſtaff und Robin ab) 

Piftol. 

Die Geier packen dein Gedärm, denn Würfel falſch, 
Und Sehe und AB Hilft durch, preilt Reich und Arm. 
Mir fchwellt ver Sa von Dreiern, wenn du darbft, 
Du phryg'ſcher, nieberträcht’ger Türke du! 


3 Die lnfigen Weiber von Windſor. 1, 4. 


Nym. 
Ich habe Operationen im Kopf, die der Humor der 
Rache find. 
Piftol, 
Willſt Rache? 
Nym. 
Sa, beim Firmament und feinem Stern 
Piſtol. 
Mit Witz? mit Stahl? 
Nym. 


Mit beiderlei Humoren ich; 
Dem Page bedeut' ich dieſer Liebsanſtalt Humor! — 
Piſtol. 
Und Fluth von mir die Kund' erhält,« 
Wie Falſtaff, ſchnöder Knecht, 
Die Taub' ihm raubt, ums Gelb ihn prellt, 
Und kraͤult ſein Ehbett ächt. 
Nym. 

Mein Humor ſoll nicht abkühlen: ich will Page zu 
Giftgedanken irritiren: ich will ihn mit Gelbſucht durch⸗ 
glühen, denn die Explauſion der Mine iſt furchtbar: das 
iſt mein wahrer Humor. 

Piſtol. 

Du biſt der Mars der Malcontenten, ich ſiehe dir 

bei. Marſch, fort! (Sie gehn ab) 


Vierte Scene. 
Im Hauſe des Doctor Cajus. 
(Brau Hurtig, Simpel und John Rugby treten auf) 


Frau Hurtig. 
He, John Rugby! Sei fo gut, geh ans Fenſter, 
and fich, ob du meinen Herrn kommen ſiehſt, Herrn Doc- 
tor Cajus: wenn er fommt, und findet Jemand im Haufe, 


Die Infigen Weiber von Windfor. I, 4. 25 


fo wird er bes Lieben Gottes Geduld und bes Könige 
Engliſch einmal wieder ſchön zurichten. 
Rugby. 
Ich will gehn und aufpaffen. (Rugby ab) 
Frau Hurtig. 

Geh; wir wollen auch einen Nachttrunk dafür zu- 
fammenbrauen, wenns mit dem Steinfohlenfeuer zu Ende 
get. — Ein ehrlicher, williger, guter Burſch, wie nur 
je Einer einen Dienſtboten im Haufe verlangen Tann; 
und das muß ich fagen, fein Plappermaul, und lein Hän- 
delmacher: fein ſchlimmſter Fehler it, daß er fo erpicht 
aufs Beten if; in dem Stüd ift er ein bischen wunder- 
lich; aber wir haben alle unfre Fehler. — Nun, das 
mag fo hingehn. — Peter Simpel, fagt ihr, iſt euer Name? 

Simpel. 
Ya, in Ermangelung eines beffem. 
Braun Hurtig. 
Und Herr Schmädtig iſt euer Herr? 
Simpel. 
Ya meiner Tren. 
ö rau Hurtig. 

Trägt er nicht einen großen runden Bart, | wie eines 

Handſchuhmachers Schabmeffer ? 
Simpyel. 

Ei bewahre, er hat nur fo ein Eeines dünnes Ge- 
ſichtchen, mit einem Feinen gelben Bart; ein zimmtfarb’- 
nes Baͤrtchen. 

Frau Hurtig. 
Ein friedfertiger, tranguiler Mann, nicht wahr? 
Simpel. 

Ja, das iſt er: aber dabei iſt er mit ſeinen Fauften 
ſo bei der Hand, als nur irgend Einer zwiſchen ſeinem 
und meinem Kopf: er Hat ſich einmal mit einem Flur⸗ 
[hüten geprügelt. 


26 Die Inftigen Weiber von Windſor. I, 4. 


Krau Hurtig. 
Was ihr fagt! Ad, nun befinne ich mich auf ihn: 
Wirft er die Nafe nicht, fo zu fagen, in die Luft? — 
und flapft, wenn er geht? 
Simpel. 
Ja, mein Seel, das thut er. 
Frau Hurtig. 

Nun, der Himmel beſcheere Annchen Fein fchlimme- 
res Glück. Sagt dem Herren Pfarrer Evans, ich werde 
für feinen Heren thun, was ich kann; Anne iſt ein gu⸗ 
tes Mädchen, und ich wünfche, — i 

(Rugby fommt wieder) 
Rugby. 
Ab, Herr Ze! da kommt mein Here! — 
Fran Hurtig. 
Nun wird es über ung Alle bergen. Lauft hier 
hinein, Lieber junger Menfch, geht in dieß Cabinet. 
(Sie ſchiebt Simpel ins Cabinet) 
Er wirb nicht ange bleiben. — He, John Rugby! Sohn! 
be, John, fag’ ih! Geh, John, und frage nach deinem 
Herrn: ich fürchte, es ift ihm was zugefloßen, daß er 
nicht heimkommt. (ſingt) Tralldaldera! tralldalderal — 


(Doctor Cajuse kommt) 


Cajius. 

Was fingen ihr da? > nik lieben ſolken Poß: — 
ik bitten, geht, und 'ohlen mik in meine Cabinet un boitier 
verd, einen Büchs, einen grünen Büchs: Entendez Vous? 

Frau Hurtig. 

Ja wohl, ich werd's euch holen. Ich bin froh, daß 
er nicht ſelbſt hinein geht; wenn er den jungen Men- 
Then gefunden hätte, wäre er eiferfüchtig geworben. 

Cajus. 

Ouf, ouf, ouf, ouf! ma foi, il fait fort chaud. Je 

m’en vais a la Cour la grande affaire. — 


Die Infigen Weiber von Windſor. I, 4. 27 


Fran Hurtig. (jurüdlommend) 
Iſts diefe, Herr Doctor? 
Eajns. 
Oui, mettez le in mein Tafchen, depechez, artig. 
Bo ſteck' die Schelm Rugby? 
Frau Hurtig. 
He, Zohn Rugby! yo 


Rugby. 

Hier! hier! 

Cajus. 

Ihr ſeyn John Rugby, und ihr ſeyn ’ans Rugby: 
fommt, nehmt das Degen, und folgen mir nak anf bie 
Fuß, naf ’ofe. 

Rugby. 
Ich babe ihn bei der Sa Herr, bier im Borfaal. 
Gaius. 

Bei mein’ Ehre, ik ſögern fu lang. Mortdieu, 
quai-je oublie! Da feyn gewiffe Simple in mein Ca- 
binet, das ik nik wollt laffen da für die Welt. 

Frau Hurtig. 

D weh, nun wird er den jungen Menfchen bort fin⸗ 
den, und rafend werben. 

Cajus. (öffnet vas Eabinet) 

Oh diable! diable! was feyn ’ier in mein Cabinet? 
Spitenbub, Larron; Rugby, meine Degen. 

(Sr führt Simpel aus dem Gabinet) 
Tran Hurtig. 
Befter Herr, gebt euch zufrieden. 
Gaius, 
Und weswegen fol if mir geben fufrieven? heim? 


Tran Hurtig. 
Der junge Menfch ift ein ehrlicher Menſch. 
Cajus. 
Was ’at der hehrlik —* fu thun in mein Ca- 


8 Die Inftigen Weiber von Windſor. I, 4. 


binet? da is Keine hehrlik Menſch, bas fo kommen in 
mein. Eabinet. 
Frau Hurtig. 

Ich bitte euch, feid nicht fo phlegmatiſch, Hört nur 
das Wahre von der Sache. Er kam und brachte mir 
einen Auftrag vom Pfarrer Evans, 

Cajus. 
Gut! — 
Simpel 
Ja, du lieber Gott, um ſie zu erſuchen, daß — 
Frau Hurtig. 
Still voch, ich bitte euch! — 
Cajus. 

Still ſeyn ihr mit enre Sung; ſprecken ihr wei— 
ter eure commission. 

Simpel. 

Um dieſe ehrliche Frauensperſon, eure Jungfer, zu 
erſuchen, daß ſie ein gut Wort bei der Jungfer Anne 
Page für meinen Herrn einlegte, um die Heirath rich⸗ 
fig zu machen. 

Fran Hurtig. 

Das iſt alles, wahrhaftig; ja, aber ich werbe meine 

Finger nicht ins Feuer ſtecken, ich brauche das nicht. 
Cajus. 

Der Pasteur Hevans 'aben enf geſchickt? Rugby, 
baillez-moi hetwas Papier; ihr warten ’ier ein bisfen. 
Frau Hurtig. 

Ich bin froh, daß er fo ruhig if; wenn er recht 
durch und durch in Aufruhr gefommen wäre, da hättet 
ihr ihn einmal recht laut und melancholiſch fehn follen. 
Aber mit alle dem, mein Freund, will ich für euern Herrn 
thun, was ich nur kann, und das wahre Ja und Nein 
ift, daß der franzöfffehe Dortor, mein Herr, — ich Tann 
ihn fchon meinen Heren nennen, feht ihr, denn ich führe 
ihm feine Wirthſchaft, und ich waſche, ſpüle, brame, bade, 


Die Infigen Weiber von Windſor. I, 4. 29 


ſcheure, koche ihm Eſſen und Trinken, mache die Betten, 
und thue Alles ſelbſt. 
Simpel. 

'S iſt eine große Laſt, wenn man unter frembe 
Hände Iommıt. 

Frau Hurtig. 

Wiht ihr das auch ſchon? Ya wahrhaftig, eine 
tidhiige Left, und dabei früh auf ſeyn, und ſpaͤt zu Bett; 
— aber mit alle dem, (ih fage euch das ins Ohr, ich 
möchte nicht viel Gerede davon Haben) — mein Herr iſt 
ſelbſt verliebt in Iungfer Anne Page; — aber mit alle 
dem, — ich weiß, wie Annchen beuftz es iſt weber hier 
noch dort was. 
| Saius. 

Du ’ans Aff: gieb diefen Billet an Pasteur Uge; 
pardieu, es feyn eine ’erausforberung; if will ihm hab⸗ 
fneiden feinen Kehl in die Thierfart’; und if will lehren 
fo eine ’afenfuß von: Prieſt'r, ſik ſu melir’ und fu miſche. 
Du kannſt dir paden; es feyn nik gut, daß bu ’ier blei- 
ben. Pardieu, if will im babfneiden halle fein fwei 
Stein, pardieul Er ſoll nik behalt eine Stein fu fmeiße 
naf ferne 'und. (Simpel geht ab) 

Frau Hurtig. 

Ah Lieber Himmel, er ſpricht ja nur für feinen 
Freund! 

Cajus. 

Das thute nix fur Sakl ’aben ihr nik geſagt, da 
it fol ’aben Anne Page vor mir ſelbſt? Pardieu, if will 
todtmaken die ’ans Priefl’r und if ’aben beſtellt meine 
Birth de la Jarretiere fu meß unfre Waff: — Pardieu! 
ik will felber ’aben Anne Page. 

Frau Hurtig. 

Herr, das Maͤdchen liebt eu, und alles wirb gut 
gehn. Wir müflen die Leute reden laffen, was zum 
Element! 


30 Die luſtigen Weiber von Windfor. 1, 4. 


Cajus. 

Rugby, komm mit mik an bie 'of. Pardieu, wenn 
ik nik kriegen Anne Page, if ſmeißen eure Kop aus ben 
’ans: folgen mir auf mein Fuß, Rugby. 

(Doctor Cajus und Rugby ab) 
Grau Hurtig. 

Anne lange Nafe follt ihr Friegen! — Nein, darin 
weiß ich, wie Annchen denkt: Teine Frau in Windſor 
weiß beffer, wie Annchen denkt, als ich, oder kann mehr 
mit ihr aufftelfen, Gott fei Danf! — 

Fenton. (draußen) 

Iſt Jemand drinnen? he? 

Frau Hurtig. 

Wer muß nur da ſeyn? Kommt doch näher! Nur 
herein! — 


(Benton tritt auf) 


Kenton. 
Nun, liebe Frau, wie gehts? 
Frau Hurtig. 
Deſto beffer, weil Euer Gnaden beliebt danach zu 


fragen. 
Fenton. 

Was giebts Nenes? Was macht die hübſche Yung- 
fer Anne? 

Frau Hurtig. 

Ya, wahrhaftig, Herr, hübſch iſt fie auch, und ehr- 
bar, und artig; und ift eure gute Freundin, das Tann 
ich euch nebenbei verfichern, dem Himmel ſei Danf. 

Tenton. 
Wird mirs denn gelingen, meinft du? Werbe ih 
nicht vergeblich werben? 
Frau Hurtig. 

Freilich, Herr, der da droben bat Alles in feiner 

Hand; aber mit alle dem, Herr Fenton, will ich end 


Die Infligen Weiber von Windſor. I, 4. 31 


hoch und theuer ſchwören, daß fie euch liebt. Hat Euer 
Gnaden nicht eine Warze überm Auge? 
Fenton. 
Ja freilich, die habe ich. Was ſoll uns die? 
Frau Hurtig. 

Ei, davon wäre viel zu erzählen. Deiner Treu, 
fie it mir die rechte, das Annchen: aber fo viel kann ich 
detefliren, fo ein ehrliches Mädchen, als jemals Brod 
gegeflen bat. Wir plauderten wohl eine Stunde von 
der Warze: fo lache ich in meinem Leben nicht, ale wenn 
ih bei dem Mädchen bin. Freilich, fie iſt allzu Tang- 
kohliſch und Eopfhängerifch, das ift wahr; aber was euch 
betrifft, — nun! nur immer guten Muth! — 

Fenton. 

Nun, ich werde ſie heut noch ſehn. Wart, da haſt 
du eine Kleinigkeit; ſprich ein gutes Wort für mich. 
Sollteſt du ſie eh'r ſehn, als ich, ſo empfiehl mich. — 

Frau Hurtig. 

Euch empfehlen? Ja, mein Seel, das ſoll geſchehn; 
and will Eu'r Gnaden noch mehr von der Warze er⸗ 
zählen, fobald. fih wieder eine Confidenz findet; und noch 
von andern Liebhabern. 

Tenton. 
Gut, lebe wohl, ich Habe jetzt große Eil. 
Frau Hurtig. 

Biel Glück, Eu'r Gnaden. — (Benton geht) Wahr- 
baftig ein nobler Herr aber Annchen Tann ihn nicht lei⸗ 
den; ich weiß, wie Aunchen denkt, beffer als irgend Je⸗ 
mand. — Pot tauſend! Was habe ich vergeffen! — 

(Sie gebt ab) 





Zweiter Aufzug. 


Erſte Scene. 
Straße. 
(Frau Page tritt auf mit einem Brief) 


Frau Page. 

Was! Bar ich in den Feiertagen meiner Schönheit 
Liebesbriefen emtgangen, und bin jett ein Inhalt für fie? 
Laßt doch fehn: — (ſie lie) „Fordert feine Bernunft- 
„gründe von mir, warum ich euch liebe: denn wenn gleich 
„Liebe Die Bernunft als verbammenden Inquifitor zu⸗ 
„läßt, kann fie fie doch wicht als Rathgeber brauchen. 
„She feid nicht jung; ich eben fo wenig; wohlen dem, 
„bier iſt Sympathie. Ihr ſeid munter, das bin ich auch: 
„baba! darin Tiegt noch mehr Sympathie. Ihr liebt 
„den Sekt, ich auch: giebts wohl noch beff’re Sympathie? 
„Laß dirs genügen, Frau Page, (wenn anders bie Tiebe 
„eines Soldaten dir genügen fann), daß ich dich Liebe. 
„Ich will nicht fagen, bedaure mich; das ift feine ſol⸗ 
„datenhafte Phraſe; aber ich ſage, liebe mich: 

„Der für dich wacht, 

„Bei Tag und Nacht 

„Aus aller Macht 

„Auf Kampf und Schlacht 


„Für dich bedacht, 
John Falſtaff.“ 


Die Infligen Weiber von Windfor. U, IJ. 93 


Bel ein Herodes von Judaͤa das iſt! O gottlofe, 
gottlofe Welt! — Iſt er doch ſchon vom Alter faf ganz 
aufgetragen, und geberbet ſich wie ein junger Liebhaber! 
Welch unbevachtes Betragen hat denn mit bes Teufels 
Beiftand diefer Hämifhe Trunfenbold aus meinem Ge- 
fpräch aufgeſchnappt, daß er fich auf dieſe Weife an mich 
wagen darf? Wahrhaftig, er ift Saum dreimal in mei- 
ner Gefellfchaft geweien! — Was ſollt' ich ihm fagen? 
Ich war doch damals fparfam mit meiner Luſtigkeit; ver 
Himmel verzeife mirs! — Wahrhaftig, ih will auf eine 
Acte im Parlament antragen, um alle Männer abzu- 
fchaffen. Wie fol ih mich an ihm rächen? denn rächen 
wit sch mich, fo gewiß feine Eingeweide aus lauter 
Pudding zufammen gefebt find. 
(Fran Fluth kommt) 
Frau Fluth. 
Frau Page! Wahrhaftig, ich wollte eben zu euch. 
Frau Page. 
Und wahrhaftig, ich zu euch. Ihr feht recht übel aus! 
Kran Fluth. 

Ei, das glaub’ ich nimmermehrz ich kann das Ge—⸗ 
gentheil beweifen. 

Frau Page. 

Mir kommis aber doch fo vor. 

Fran Fluth. 

Nun gut, fo mags denn ſeyn; aber wie ich fage, ich 
koͤnnte ench das Gegentheil beweiſen. O, Frau Page, 
gebt mir einen guten Rath! 

Frau Page. 

Wovon iſt die Rede, Schatz? 

Frau Fluth. 
O, Schatz, wenn ſichs nicht an einer Kleinigleit ſtieße, 
ſo könnte ich zu großer Ehre kommen! — 
Frau Page. 
Schade was für die Kleinigkeit, Schatz; ſchlag die 
IXx. 3 


34. Die luſtigen Weiber von Winbfor. II, 1. 


Epre nicht aus: was iſts denn? Kümmre bich wicht um 
die Rleinigkeitz nun, was iſte? 
Kran Flut. 
- Wenn ich nur für eine kurze Ewigkeit zur Höfe 
fahren wollte, fo könnte ich zur Ritterwürbe fommen. 
Frau Page. 

Was, du kügft, Sir Mix Fluthl Nun, um folhe 
Ritterſchaft fichts oft nur flitterhaftz und ich bächte, im 
Buncte deiner Haus- Ehre ließeſt du’s beim Alten. 

Frau Fluth. 

Ich fee, wir verfiehn ung nicht, liebes Kind; ba 
hier, lies, lies: fieh nur, wiel— — Ich werde um fo 
fihlechter von den fetten Mannsleuten denfen, fo Iange 
ieh noch ein Auge habe, der Mannsbilder Geflalt zu un- 
terfiheiven. Und doch fluchte er nicht; lobte die Sitt- 
famfeit der Frauen, und fprach fo anfländige und wohl- 
gefebte Verachtung alles Unſchicklichen aus, daß ich drauf 
gefhworen hätte, feine Gefinnung flimmte zum Ausprud 
feiner Worte: aber die haben nicht mehr Zuſammenhang 
und paffen nicht beffer zu einander, als der hundertſte 
Pſalm und vie Melodie vom grünen Ermel. Welcher 
Sturmwind mußte uns diefen Wallfiſch mit fo viel Ton⸗ 
nen Del im Bauch an die Küſte von Windſor werfen? 
Wie ſoll ich mich an ihm rächen? Ich denke, das Befle 
wäre, ihn mit Hoffnung binzuhalten, bis das gottlofe 
Feuer der böſen Luft ihn in feinem eignen Fett zerſchmol⸗ 
zen hätte. Haft du je fo etwas gehört? 

Frau Page. 

Ein Brief wie der andre, nur daß die Namen Fluth 
und Page verfihieden find. Zu deinem größten Troft 
in biefem Labyrinth von Leichtfertigfeiten ift bier ber 
Zwillingsbruber deines Briefs: aber laß nur deinen zuerft 
erben, denn auf meine Ehre, der meinige folf. es nie. 
Ich wette, er hat ein ganzes Tanfend folcher Briefe mit 
Beeren Platzen für bie verſchiednen Namen; und: gewiß 


Die Infligew Weiber von Bintfor. I, 1. 35 


noch mehr; und biefe find von ber zweiten Auflage. Er 
wird fie ohne Zweifel noch drucken laffen, denn es tfk 
ihm einerlei, was er unter die Preffe bringt, da er und 
beide darunter bringen wollte. Lieber möchte ich eine 
Riefin feyn, und unter dem Berg Pelion liegen! Wahr- 
haftig, ich will ehr zwanzig treulofe Turteltauben finden, 
als einen züchtigen Dann. 
Fran Fluth. 

Seht doch, ganz derfelbige; dieſelbe Handfchrift, 

biefelben Worte: was denkt er nur von uns? 
Fran Page. 

Wahrhaftig, ich weiß nichts es bringt mich faſt fo 
weit, mit meiner eignen Ehrbarkeit zu zanfen. — Ich 
muß mich anfehn, wie eine Perfon, die ich noch gar nicht 
fenne; denn wahrhaftig, hätte er nicht eine Seite an mir 
entdeckt, von der ich felber gar nichts weiß, er hätte es 
nicht gewagt, mit folcher Wuth zu entern. 

Fran Flut ” 

Entern, fagft du? Nun, ich weiß gewiß, ich will ihn 
immer überm Ded halten. 

Fran Page. 

Das will ich auch: Tommt er je unter meine Luken, 
fo will ih nie wieber in See gehn. Wir müffen uns 
an ihm rächen: wir müffen ihm eine Zufammentnnft be- 
flimmen, ihm einen Schimmer von Hoffnung für fein Be- 
gehren geben und ihn mit fein gelöbertem Aufſchub im- 
mer weiter Ioden, bis er unferm Gaſtwirth zum Hofen- 
bande feine Pferde verfeht bat. 

Kran Fluth. 

Ya, ih will die Hand dazu bieten, ihm jeden fchlim- 
men Streich zu fpielen, der nur unfrer Ehre nicht zu 
nahe tritt. Himmel, wenn mein Dann biefen Brief fähe! 
Er würde feiner Eiferfucht ewige Nahrung geben. 

Fran Page. 
Ei fieh, da kommt er; und mein guter Daun auch: 
3 * 


36 Die Infigen Weiber von Windſor. TI, 1. 


er ift To weit entfernt, von aller Eiferfucht, als ich ihm 
Anlaß zu geben; und das, hoffe ich, ift eine unermeß⸗ 


liche Kluft. 
Frau Fluth. 
Um fo glüdlicher ihr! — 
Frau Page 
Laßt uns einen Kriegsrath gegen dieſen feinen Rit⸗ 
ter halten: Kommt bieher. 
(Sie gehn in den Hintergrund der Bühne) 


(Sluth kommt mit Piftol, Page mit Nym) 


Fluth. 
Pan, ich hoffe, es ift nicht fo. 
Piſtol. 
Hoffnung iſt oft ein JZagphund ohne Spur: 
Sir John lockt dein Gemahl. 
Fluth. 
Ei, Herr, meine Frau iſt nicht jung. 
Piſtol. 
Er wirbt um hoch und tief, um reich und arm, 
Um jung und alt, um Ein' und Alle, Fluth: 
Er liebt ſich Mengelmuß. Fluth, Augen auf! — 
Fluth. 
Liebt meine Frau? — 
Piſtol. 
Mit Leber, heiß wie Glut. Wehr's ab, ſonſt lauf'“ 
Wie Herr Actaͤon, rings umklafft vom Jagdgebell; — 
— O ſchaͤndlich tönt das Wort! 
Zluth. 
Was für ein Wort, Herr? 
Piſtol. 
Das Horn, ſag' ich. Leb wohl. 
Hab’ Acht! die Augen auf! denn Diebe ſchleichen Nachts: 
Hab’ Acht! eh Sommer kommt, und Kuckuck⸗Vögel fingen. — 


Die Iufligen Weiber von Windſor. IL 1. 37 


Mic nah, Herr Eorp’ral Nym! — 
Page, glaub’ ihm, denn er fpricht Vernunft! 
(gpiſtol geht ab) 
Fluth. 

Ich will Geduld haben; ich werde ſchon dahinter 
kommen. 

Nym. (zu Page) 

Und dieß iſt wahr; der Humor des Lügens iſt mir 
zuwider. Er hat mich in gewiffen Humoren beleidigt: 
ih babe einen Degen, und der muß bie Zähne zeigen, " 
wanns Noth thut. Er liebt euer Weib, das iſt das 
Kurze und das Lange. Mein Nam’ iſt Eorporal Nym: 
ih rede und agnoseire: 's iſt wahr; mein Nam’ iſt 
Nym, und Falftaff Iiebt euer Weib. — Lebt wohl! Ich 
haffe den Humor von Brod und Käfe, und das iſt der 
Humor davon, Lebt wohl. ( Nym geht ab) 

Fluth. 
Der Humor davon; ei! das iſt mir ein Burſch, der 
unſer Engliſch aus allem Verſtande herausſchreckt. 
Fluth. 
Ich will Falſtaff aufſuchen. 
Pape. 
> Sn meinem Leben hörte ich Keinen fo affectirt ſchlep⸗ 
yenden Schurken, 
Fluth. 


Finde ichs fo, gut! — 
Page. 

Ich werde keinem ſolchen Chineſen trauen, und em⸗ 
pfoͤhle ihn auch der Stadtpfarrer als einen ehrlichen 
Mann. 

Fluth. 
Es war ein wackrer, verſtaͤndiger Burſch: gut! — 
(Frau Page und Frau Fluth treten vor) 
Page. 
Ei, ſieh da, Gretchen! 


BB Dielufigen Weiber von Bindfor. U, 1. 


Tram Page. 
Wo gehſt du Hin, Georg? — höre doch! 
Frau Fluth. 
Was ift denn, Lieber Franz? Warum fo melancholifch ? 
Fluth. 

Ich melancholiſch? Ich bin nicht melanchaliſch! 

Mad, daß du zu Haus kammſt!l — geh! — 
Frau Fluth. 

Gewiß haſt vu wieder Grillen im Ropf. Kommt 
ihr mut, Fran Page? 

Frau Page. 

Ich geh mit end. — Kommf du jetzt zum Eſſen, 
Georg? — (heifeit) Sieh, wer da kommt!l bie ſoll unfze 
Botin an den fanbern Ritter feyn. 

(Frau Hurtig fommt) 
Frau Fluth. 
Wahrhaftig, an die Dachte ich eben; die wird grabe 


seht feyn. 
“ Kran Page. 
Ihr kommt wohl, meine Tochter Anne zu befuchen? 
Frau Hurtig. 
Ya wahrhaftig! und mas macht denn bie liebe Jung⸗ 
fer Anne? 
Frau Page. 
Geht mit uns hinein, und feht felbftz wir haben 
wohl ein Stündchen mit eur zu plaudern. 
(Die drei Frauen geben hinein) 
Page 
Wie nun, Herr Fluthe? — 
Fluth. 
Ihr hoͤrtet doch, was der Kerl mir ſagte? Nicht? 


Page. 

Ja, und hörtet, was der Andre mir ſagte? 
Fluth. 

Glaubt ihr, daß ihnen zu trauen ſei? 





Die Infigen Weiber non Windfor IL,1. SP 


Page. 

Hole ver Henler das Geſiadel! Ich glanbe nid, 
daß der Ritter fo was vor hat; aber dieſe, die ihm eine 
Auſicht anf unſre Frauen ſchuld geben, find ein Gefpann 
von feinen ansgemufterten Bedienten, völlige Spiäbnben, 
feit fie außer Dienft find. 

Flush. 

Warn das feine Bedienten? 

Page. 

Freilich waren ſie's. 

Zluth. 

Mir gefällt das Ding darum noch nicht befler. — 
Wohnt er jebt im Hoſenband? 

Page. 

Ja freilich. Sollte er feinen Cours auf meine Frau 
richten, fo wollte ich fie ihm frank und frei überlaſſen; 
und was er mehr son ihr erbeutet als Karte Reben, das 
will ich auf meinen Kopf nehmen. 

Flut. 

Ich habe eben kein Mißtrauen in meine Fran, aber 
ich möchte fie doch nicht zufammen laſſen. Ein Mann 
fann auch zu ficher ſeyn; ich möchte nichts auf meinen 
Kopf nehmen. Ich kann mich nicht fo leicht zufrieden 
geben. 


Page. 

Sieh da, kommt hier nicht unfer ſchwadronivender 
Wirth zum Hofenbande? Entweder er bat Wein im 
Kopf oder Geld in ber Taſche, wenn er fo Inflig aus- 
ſieht. Nun, wie gehts, mein Gaſtwirth? — 

(Der Saftwirth und Schaal fommen) 
Wirth. 

Wo bleisft du, Rodomont? du bi ein Edemanei 

Caballero Friedensrichter, keomm doch! — 
Schaal. 
Ich komme, mein Gaſtwirth, ich folge dir. — Biel- 


40 Die Infigen Weiber von Windfor. I, 1 


mals guten Tag, lieber Herr Page; Herr Page, wollt 
She mit uns gehn? Wir haben einen Spaß vor. 
Wirth. 

Sags ihm, Caballero Friebensrichter, ſags ihm, 
Rodomont. 

Schaal. 

Herr, es ſoll ein Strauß zwiſchen Sir Hugh, dem 
waliſiſchen Prieſter, und Cajus, dem franzöſiſchen Doc- 
tor, ausgefochten werben. 

Fluth. 
Mein lieber Herr Wirth zum Hoſenbande, ein Wort 
mit euch! — 
| . Birth. 

Was fagft du, Rodomont? 

(Sie gehn auf die Seite) 
Schaal. (zu Page) 

Wollt ihr mit, und es anfehn? Unfer luſtiger Wirth 
hat ihre Waffen meffen müffen, und hat ihnen, glaube 
ich, verfchievene Plätze angewieſen; denn wahrhaftig, ich 
höre, der Pfarrer fpaßt nicht. Gebt Acht, ich will euch 
erzählen, worin unfre Comödie beftehen ſoll. 

- Birth. 

Du haft noch Feine Schuldflage wider meinen Rit- 
ter, mein Gaft- Cavalier? 

Fluth. | 

Nein, auf Ehre nicht. Aber ich will euch eine Flafche 
gebrannten Sekt geben, wenn ihre mir Zutritt zu ihm 
fchafft, und ihm fagt, ich heiße Bachz nur zum Scherz. 

Wirth. 

Da iſt meine Hand, Roland, du ſollſt dich bei ihm 
yräfentiren und abfentiren:s — war’ fo recht? — und 
Bach ſollſt du heißen. Er ift ein Iufliger Ritter. Wollt 
ihr gehn, Rinder? 

Schaal. 

Nehmt mich mit, mein Gaſtwirth. 


Die Infiigen Weiber von Windfor. 1,2. At 


Page. 
Ich Höre, der Franzofe verſteht ſich trefflich auf 
ſein Rapier. 
Schaal. 


Still, Herr, davon wüßt' ich ein Lied zu ſingen. 
Zu jetziger Zeit ſteht ihr in einer Diſtanz, und habt 
eure Menſuren, Paraden, and was weiß ich Alles; aufs 
Herz Tommts an, Herr Page, bier ſitzt es, Hier ſitzt es! 
Ich weiß die Zeit, da hätte ich mit meinem langen De⸗ 
gen vier handfeſte Burfche fpringen Taffen wie die Ratten, 


Wirth. 
Luftig, Burſche, Iuflig: wollen wir ung trollen? 
Page. 
Ich gehe mit euch. Ich hörte ſie lieber zanken als 
fechten. (Der Wirth, Schaal und Page gehn ab) 
Fluth. 


Obgleich Page ein ſorgloſer Narr iſt, und ſo feſt 
auf ſeiner Frauen Schwachheit baut, kann ich doch mei— 
nen Argwohn nicht ſo leicht ablegen. Sie war mit ihm 
in Geſellſchaft bei der Frau Page, und was fie da an- 
gefangen haben, weiß ich niht. Wohlen, ih muß ber 
Sache auf die Spur fommen, und ich weiß eime Ber- 
Heidung, um den Falftaff auszuhorchen. Wenn ich fie 
unfchuldig finde, fo iſt meine Mühe nicht umſonſt; iſt 
fie’s nicht, fo war die Mühe gut angewandt. 

(Er geht ab) 


Zweite Scene 
Simmer im Gafthofe zum Hofenbande. 
(Talſtaff und Pifol treten auf) 
leih' bir ke FE Hall 

’ dir feinen Deu 

Ich leih' dir Fein Fiſtol. 
Dann iſt die Welt mein' Auſter, 

Die ich mit Schwert will öffnen. — 


42 Dis Iufigen Weiber von Windſor. 1,2 


Falftaff. 

Richt einen Deut. Ih Habe nachgegeben, Baurfch, 
daß du meine Autorität als Pfand gebraucht Ha; ich 
babe meine guten Freunde meleflirt, um eine breimalige 
Friſt für dich und deinen Nebengaul Nym zu engastern, 
fouft hättet ihr Durchs Gatter kucken müflen, wie ein 
Zwillingageſtirn von Pavianen. Ich bie ſchon zur Hölle 
verdammt, weil ich ein Paar Cavalieren und gusen Freuu⸗ 
den zugeſchworen habe, ihr wärt brave Soldaten und 
tüchtige Burfhe; und als Frau Brigitie ihres Fächer⸗ 
ftiel verlor, da nahm ichs auf meine Ehre, du haͤtteſt 
ihn nicht. 

Piſtol. 
Halbirt' ichs nicht? Nahmſt du nicht funfzehn Pence? 
Falſtaff. 

Und das mit Recht, du Schurke, ganz mit Recht. 
Denkſt du, ich werde meine Seele gratis in Gefahr 
geben? Mit einem Wort, hänge dich nicht mehr an mich, 
ih bin dein Galgen nicht. Fort! Ein kurzes Meffer 
und ein Gebränge: — fort, auf deinen Ritterfib nach 
Picthatch, fort! du willſt mir feinen Brief beftellen, du 
Schuft? du trumpfft auf deine Ehre? Ei du unermeh- 
liche Niederträchtigkeit! Es geſchieht ja Alles, was ich 
fhne, um die Grenzen meiner Ehre aufs Schärffte ab- 
zumarfen. Ich, ich, ja ich felber, die Furcht Gottes Tin- 
fer Hand Tiegen laſſend, und meine Ehre in mein Be— 
dürfnig einhüllend, muß mich zuweilen zu Praftifen, zu 
Prellereien und Hinterhalten entfchließen; und dennoch 
willſt du Schurfe noch deine Lumpen, beine wilden Raten- 
blide, deine Bierhausphrafen und deine Karrnfchieber- 
flühe unter dem Schirmdach deiner Ehre verfchanzen? 
Du willſt es nicht thun, du? — 


Piſtol. 
Ih hege Reu', was willſt du mehr som Mann? 


Die Iufigem Weiber von Bindfer. II. 2. 43 


(Robin Iommt) 
Robin 
Herr, hier iſt eine Fran, die mit euch ſprechen möchte. 
Falſtaff. 
Führ' fie herein. 
(Frau Hurtig kommt) 
Frau Hurtig. 
Einen fchönen guten Morgen, mein gnäbiger Her. 
Falſtaff. 
Guten Morgen, meine liebe Frau! 
Frau Hurtig. 
Nicht ſo, mit Euer Gnaden Verlaub, — 
Falſtaff. 
Alſo meine liebe Jungfer. 
Frau Hurtig. 
Das will ich beſchwören, wie meine Mutter war in 
der Stunde, da ich zur Welt kam. 
Falſtaff. 
Wer ſchwört, dem glaub' ich. Nun, was bringſt 
du mir? 
Frau Hurtig. 
Soll ih Euer Gnaden wohl ein Paar Worte vor- 
zutragen geruhen? 
Falſtaff. 


Ein Paar tauſend, ſchönes Kind, und ich werde dich 
anzuhören geruhn. 

Frau Hurtig. 

Da iſt eine gewiſſe Frau Fluth, Herr; ich bitte, 
tretet ein wenig näher hieher, — ich felbft wohne beim 
Herrn Doctor Cajus, — 

Falſtaff. 
Gut, weiter; Frau Fluth, ſagt ihr? — 
Frau Hurtig. 

Da haben Euer Gnaden ganz recht; ih hitte Euer 

Guaden, kommt ein wenig näher anf die Seite. 


4 Die Iufligen Weiber von Windſor. II, 2. 


Falſtaff. 
Ich verſichre dich, Niemand hört uns, meine eignen 
Lente, meine eignen Leute. 
Frau Hurtig. 
Sind fie das? der Himmel ſegne fie und made fie 
zu feinen Dienen. 
Falftaff. 


Nun, Frau Fluth, was iſts mit der? 
Frau Hurtig. 

Ah Herr, fie iſt ein gutes Geſchöpf. Liebfler Him- 
mel, Euer Gnaden find ein Schalfz nun, Gott verzeih 
es euch und ung Allen, darum bitt' ih! — 

Salftaff. 
Tran Fluth, — nun alfo, Frau Fluth, — 
Fran Hurtig. 

Ei nun, da habt ihr das Kurze und das Lange da⸗ 
von, Ihr Habt fie in folche Baftion gebracht, daß es 
ein Wunder if. Der beſte Hofcavalier von Allen, ale 
der Hof in Windfor reritirte, hätte fie nicht fo in Ba⸗ 
flion gebracht! Und da gabs doch Ritter und Lords und 
Edelleute mit ihren Kutſchen, das verfichre ich euch, Kut- 
fche auf Kutfche, Brief auf Brief, Geſchenk auf Gefchenf, 
und rohen fo füg — (von lauter Bifam), und raufch- 
ten, ich verſichr' euch, in Gold und Seide; und in fo 
alicanten Ausdrücken, und mit Wein und Zucker von den 
beften, allerfchönften Sorten, daß es euch jedes Frauen- 
zimmer gewonnen hätte; und doch, das verfichr’ ich euch, 
fonnten fie nie auch nur einen Augenwinf von ihr er- 
halten. Mir Haben fie felbft noch diefen Morgen zwan- 
zig Engel gegeben, aber ich biete allen Engeln Troß, 
wenn fie fo was im Sinne haben, und wenns nicht in 
allen Ehren feyn kann, und das verſichr' ich euch, nicht 
einmal fo weit Tonnten fie’s bringen, daß fie mit dem 
Bornehmften von ihnen auch nur aus Einem Becher ge— 
nippt hätte; und doch gabs da Grafen, und was noch 


Die Infiigen Weiber von Windſor. 1,2 AB 


mehr fagen will, Offiziere von der Leibgarde; aber das 
verſichr' ich euch, bei ihr iſt das Alles Einerlei. 
Falſtaff. 

Aber was ſagt fie von mir? Faßt euch kurz, meine 
liebe Frau Mercur. 

Fran Hurtig. 

Ei nun, fie hat enern Brief erhalten, für welchen 
fie euch taufend Dank fagen läßt; und fie läßt euch zu 
wiffen thun, daß ihr Mann nicht zu Daufe feyn wird 
zwifchen Zehn und Eif. 

Salftaff. 

Zehn und Elf! — 

Frau Hurtig. 

Sa wahrhaftig, und dann fönntet ihr kommen und 
das Gemälde befehn, fagt fie, ihr wüßtet ſchon; Herr 
Fluth, ihr Dann, wird nicht zu Haufe ſeyn. Ach! das 
liebe Weibchen führt ein ſchlimmes Leben mit ihm; er 
ift ein recht jalonfer Mann; fle führt ein recht poltri- 
ges Leben mit ihm, das gute Herzchen. 

Falſtaff. 

Zehn und Elf! Frau, empfiehl mich ihr, ich werde 
nicht ausbleiben. 

Frau Hurtig. 

Nun, das iſt ſchön; aber ich habe noch eine andre 
Eonfeifion an Euer Gnaden auszurichten. Frau Page 
Laßt fi) euch gleichfalls von Herzen empfehlen; und, das 
muß ich euch ins Ohr fagen, die ift eine folhe annette 
und repetirlihe hübſche Frau, und Eine, das fage ich 
euch, die ba weder ihren Morgen- noch ihren Abendfegen 
verfänmt, wie's nur Eine in Windſor giebt, wer fie auch 
ſeyn mag; und die trug mir auf, Ener Gnaden zu fagen, 
daß ihr Mann felten außer Haufe feiz aber fie hofft, es 
wird ſchon eine Zeit kommen. Ich babe nie eine Frau 
fo verfeffen auf einen Dann geſehn; weiß Gott, ich 
glaube, ihr müßt hexen Fönnen, gelt? Ja wahrbaftigl — 


4 Die Infligen Weiber von Windſor. I, 2 


Ä Falſtaff. 

Nicht doch, das verſichre ich dir; die Anziehungs- 
kraft meiner edlen Eigenſchaften beiſeit geſetzt, weiß ich 
von keiner Hexerei. 

Frau Hurtig. 

Dafür ſegne euch der Himmel! 

Falſtaff. 

Aber ſag mir doch, haben Frau Fluth und Frau 
Bage es einander gefagt, daß fie in mich verliebt find ? 
Iran Hurtig. 

Das wär’ ein Spaß, meiner Treul Sp dumm find 
fie doch nicht, Hof ih. Das wär’ ein Streih, wahr- 
haftig! Aber Frau Page laßt euch bitten, um Alles, 
was euch lieb iſt, ihr möchtet ihr euern Fleinen Pagen 
ſchicken: ihr Mann hat eine ganz aparte Infection für 
den Meinen Pagen, und wahrhaftig, Here Page iſt ein 
rechtfchaffner Mann. Da iſt weit und breit in Windſor 
feine Frau, die ein bef’res Leben führt; fie thut, was 
fie will, nimmt Alles ein, bezahlt Alles, geht zu Bett, 
wenns ihr gefällt, ſteht auf, wenns ihr gefällt, Alles 
ganz wie fie will; und wahrhaftig, fie verdient es; denn 
wenn es eine liebe Frau in Windſor giebt, fo iſt fie eine. 
Ihr müßt ihr euern Pagen ſchicken, da Hilft nichts vor. 

Salftaff. 

Nun, das will ich and). 

Frau Hurtig. 

Run gut, fo ſchickt ihn ihr; und feht ihr, ver Tamm 
nachher zwifchen euch Beiden ab und zu gehn, und Tamm 
auf alle Fälle fein Parolwort Haben, daß ihr Eins bes 
Anderen Gedanken erfahrt, und der Junge doch nichts: zu 
verſtehn braucht; denn es iſt nicht gut, wenn bie Kinber 
von. folder Gottlofigfeit was wiſſen: alte Leute, wißt 
ihe wohl, find dreffirt, wie man zu fagen pfiggt, und 
kennen die Welt, 


Die Infigen Weiber von Wintfor. N,2. 47 


Falſtaff. 

Gehab dich wohl; empfiehl mich Beiden: da iſt meine 
Boͤrſe; ich bleibe noch dein Schuldner. Burſch, geh mit 
diefer Frau: — die Neuigkeit ſetzt mich in Ekſtaſel — 

(ran Hurtig und Robin ab) 
Piſtol. 
Dieß Jachtſchiff dient wohl in Fortuna's Flotte. 
Mehr Segel her! ſetz nah! Das Schießzeng auf: 
Gieb Fen’r: die Priſ' iſt mein, fonft, Meer, verfchling? 
fie All! — (gpiſtol geht ab) 
‚Salftaff. 

Siehft du nun, alter Hans, nur immer vorwärts] 
Ich will deine alte Figur mehr in Ehren halten, als ich 
bisher gethan. Schielen fie noch nah dir? Willſt du, 
nachden du fo viel Geld verzehrt, auch einmal etwas 
verdienen? ch danke dirs, meine warre Figur: laßt 
fie immer fagen, ich mad’ es zu grob; wenns nur mit 
guter Manier gefchieht. 

(Bardolph tritt auf) 
Bardolph. 
Sir John, da unten ſteht ein gewiſſer Herr Bach, 
ber möchte euch gern ſprechen und eure Belanntfchaft 
machen, und hat Euer Gnaden einen Morgentrunf Sekt 


geſchickt. 
Falſtaff. 
Bach iſt ſein Name? 
Bardolph. 
Ja, Herr. 
Falſtaff. 


Ruf ihn herein. (Bardolph geht) Solche Bäche Heiß’ 
ich willlommen, die von ſolchen Wellen überfirömen! — 
— Aha, Fran Fluth und Frau Page, habe ich euch im 
Netz? Victoria! Via! — 


BB Die Iufligen Weiber von Windſor. II, 2, 


(Barbolph kommt zurüd mit Fluth, der ſich verfleivet hat) 


Fluth. 
Gott grüß euch, Sir. 
Falſtaff. 
Und euch, Sir. Wollt ihre mich ſprechen? 
Fluth. 
Ich bin ſo dreiſt, mich ohne viel Umſtände euch auf⸗ 
zubrängen. 
. Falftaff. 
Ihr feid willkommen. Was iſt ener Begehren? 
Laß uns allein, Küfer. (Barbolyh ab) 
Flut. 


Sir, ih bin ein Mann, ber viel durchgebracht; mein 
Name iſt Dad. 


Falftaff. 
Lieber Herr Bach, ih wünfche eure nähere Be— 
Ffanntfchaft. 
Fluth. 


Werther Sir John, ich bitte um die eurige; nicht 
um euch zur Laſt zu fallen, denn ich muß euch bemerken, 
daß ich glaube, beſſer im Stande zu ſeyn, Geld auszu⸗ 
leihen, als ihr; und das Bat mich einigermaßen dreiſt 
gemacht, euch fo zur Unzeit heimzufuchen. Denn, wie 
man fagt, wo Geld vorangeht, find alle Wege offen. 


Falſtaff. 
Geld iſt ein guter Soldat, mein Herr, und mad 
ſich Dahn. 
Fluth. 


Sehr wahr; und hier Habe ich einen Beutel mit 
Geld, der mir beſchwerlich if. Wenn ihr ihn mir wollt 
tragen helfen, Sir John, fo nehmt ihn ganz oder Halb 
dafür, daß ihr mir die Laſt erleichtert. 

Falſtaff. 

Sir, ich weiß nicht, wie ich dazu komme, euer Laſt⸗ 

träger zu feyn? — 


Die lukigen Weiber von Winbfor LE 49 


Flnth. 
do wills euch ſagen, Sir, wenn ihr mich uhren 


Falſtaff. 

Redet, lieber Herr Bach, ich werde mich glücklich 

ſchaͤtzen, euch zu dienen. 
Fluth. 

Sir, ich höre, ihr ſeid ein Gelehrter, — (ich will 
mich kurz faſſen), — und ihr ſeid ein Mann, den ich 
lange gekannt habe, obgleich ich weniger die Gelegenheit 
als den Wunſch hatte, mir euern Umgang zu verſchaffen. 
Ich werde euch eine Sache entdecken, bei der ich meine 
eigne Schwachheit ſehr oft an den Tag legen muß; aber, 
lieber Sir John, indem ihr euer eines Auge auf meine 
Thorheit richtet, wenn ich ſie vor euch aufdecke, lenkt das 
andre auf das Regiſter eurer eignen, damit ich um fo 
leichter mit meinem Verweife durchkommen möge, als ihr 
ſelbſt wißt, wie leicht es fei, in folhe Fehler zu fallen. 


Falſtaff. 
Sehr gut, mein Herr; fahrt fort. 
Fluth. 
Es wohnt eine Frau hier im Ort; ihr Mann heißt 
Fluth. 
Falſtaff. 
Wohl, Herr. 
Fluth. 


Ich habe ſie lange geliebt, und ich betheure euch, 
viel auf ſie gewandt; bin ihr mit der zärtlichften Auf- 
merffamfeit gefolgt, habe mir Gelegenheiten geichafft, fie 
zu treffen; jeden geringen Anlaß mit Unkoſten erfpäht, 
wo ich fie, wenn auch nur obenhin, fehen konnte; habe 
nicht nur manches Gefchenf für fie gelauft, fonbern Manz 
chem reichlich gegeben, nur um zu erfahren, was fie gern 
gefchentt hatte: kurz, ich habe fie verfolgt, wie mich die 
Liebe verfolgt hat, das heißt, auf dem Fittich aller Ge⸗ 

X. 


50 Die lufigen Weiber von Winpfor. IE, 2. 


legenheiten. Was ich aber auch verbienen mochte, fei’s 
durch meine Leivenfchaft, fei’s durch meinen Aufwand, — 
Lohn, weiß ich gewiß, habe ich feinen erhalten, man 
müßte denn Erfahrung ein Kleinod nennen, die babe ich 
mir zu unerhörtem reife erflanden, und von ihr habe 
ich diefen Spruch gelernt: 
Wie Schatten flieht die Lieb’, indem man fie verfolgt, 
Sie folgt dem, der fie flieht, und flieht den, der 
ihr folgt. 
Salftaff. 
Habt ihr denn von ihr gar Fein Berfprechen ber Er⸗ 
hörung erhalten? 


Fluth. 
Niemals. 
Falſtaff. 
Habt ihr auch nicht in ſolcher Abſicht in fie ge— 
brungen ? 
Zluth. 
Niemals. 
Falſtaff. 
Von welcher ganz beſondern Art war denn alſo 
eure Liebe? 
Fluth. 


Wie ein ſchönes Haus anf fremdem Grund errich- 
tet, fo daß ich mein Gebände eingebüßt habe, weil ich 
einen unrechten Platz wählte, es aufzuführen. 

alftaff. 
Und zu weldem Ende entdeckt ihr mir das Alles? 
Fluth. 

Wenn ich euch das geſagt habe, ſo habe ich euch 
Alles geſagt. Man verſichert mich, daß, obgleich ſie ge⸗ 
gen mich ſehr ehrbar thut, fie anderswo in ihrer Mun- 
terleit fo weit gebt, daß daraus bie fchlimmfte Nachrede 
entfteht. Nun, Sir John, hier habt ihr den eigentlichen 
Kern meines Geſuchs. Ihr ſeid ein Eavalier von treff- 


Die lufigen Weiber von Windſor. I,2 51 


licher Erziehung, von bezaubernder Wohlxebenheit, von 
großen Verbindungen, angefehn durch Rang und Perfön- 
lichkeit, und überall gepriefen für eure mannigfachen Ber- 
dienfte als Krieger, ale Hofmann und als Gelehrter. 
Falftaff. 
O, mein Herr! — 
Fluth. 

Glaubt es, denn ihr wißt es. — Hier iſt Gelb: 
verwendet es; verwendet noch mehr, verwendet Alles, 
was ich habe, nur ſchenkt mir dafür fo viel von eurer 
Zeit, als ihr bebürft, um einen verliebten Angriff auf 
bie Tugend der Frau Fluth zu unternehmen, Gebraucht 
eure Ueberredungskunſt, gewinnt fie, euch zu erhören; 
wenns irgend Jemand vermag, vermögt ihrs eher als 


Einer. 
Falſtaff. 
Würde denn das der Heftigkeit eurer Neigung zu⸗ 
ſagen, wenn ich erhielte, was ihr zu beſitzen wünſcht? 
Mir ſcheint, ihr verſchreibt euch ein ſehr widerſprechendes 


Mittel. 
Fluth. 


O, verſteht nur, worauf ich ziele. Sie fußt fo zu- 
verſichtlich auf die Reinheit ihrer Ehre , daß die Thor⸗ 
heit meines Herzens ſich nicht zu zeigen wagt: fie glänzt 
zu hell, als daß man ihr ins Auge fehn dürfte. Könnte 
ih nun mit irgend einer Entdeckung zu ihr treten, fo 
hätten meine Wünfche Beifpiel und Beweggrund, ſich ihr 
zu empfehlen; ich Fönnte fie dann ans der Verſchanzung 
ihrer Keuſchheit, ihres Rufs, ihres ehlichen Gelübdes 
und tauſend andrer Schutzwehren heraustreiben, die jetzt 
zu echtig wider mich flreiten. Was fagt ihr baztı Sir 


John? 
Falſtaff. 
Herr Bach, ich will fürs Erſte ſo frei ſeyn, euer 
Geld zu nehmen: ſodann gebt mir eure Hand; und end⸗ 
4 “ 


52 Die Infigen Weiber von Windſor. II, 2. 


lich, fo wahr ich ein Edelmann bin, Fluthe Fran ſollt 
a wenn ihr es wollt, befißen. 
Fluth. 
O, werther Sirl — — 
Falſtaff. 
Herr Bach, ich ſage, ihr ſollt. 
luth. 


Am Gelde, Sir John, am Gelde ſolls nicht fehlen. 
Falſtaff. 

An der Frau Fluth, Herr Bach, an der Frau Fluth 
ſolls nicht fehlen. Sie hat mich ſelbſt, daß ichs euch 
nur ſage, ſchon zu ſich beſtellt: eben als ihr zu mir kamt, 
ging ihre Gehülfin, ihre Zwiſchenträgerin, von mir weg; 
ich fage euch, ich werbe mich bei ihr einfinden zwiſchen 
Zehn und Elf, denn um diefe Zeit wird ihr Mann, der 
eiferfüchtige verdammte Kerl, nicht zu Haufe feyn. Kommt 
beut Abend zu mir; ihr follt hören, wie mirs gelingt. 

Fluth. 
Eure Belanntfchaft iſt ein wahrer Segen für mich. 
Kennt ihr dieſen Fluth, Sir? 
Salftaff. 

Zum Henker mit dem armen Teufel son Hahnrei! 
Ich Tenne ihn nicht: indeß, ich thue ihm Unrecht, wenn 
ih ihn arm nenne; man fagt, ber eiferfüchtige behornte 
Kert hat ganze Haufen Gold; und darum fommt mir 
feine Frau auch hübſch vor. Sie ſoll mir der Schlüfiel 
zu des Hahnrei’s Geldkaſten feyn, dort will ich mein 
Erntefeſt halten, 

Fluth. 


Ich wollte, ihr kenntet Fluth, damit ihr ihm aus- 
weichen könntet, wenn ihr ihn ſähet. 
Salftaff. 
Zum Henfer mit dem bürgerlichen, buttermilchigen 
Schuftl — Ich will ihn mit meinen Augen durchbohren, 
daß er son Sinnen kommen ſoll; ich will ihn in Reſpect 


Die Iufligen Weiber von Windſor. I,2 59 


erhaltene mit meinem Prügel; wie ein Meteo? foll ber 
Über des Hahnrei’s Hörnern ſchweben: — ja, Herr Bach, 
du ſollſt's erleben, ich triumphire über den Klegel, und 
du fchläfft bei feiner Frau. Komm nur gleich auf den 
Abend zu mir; Fluth iſt ein Schuft, und ich will feine 
Titel noch weitläufiger machen; du, Herr Bach, ſollſt 
ihn als Schuft und Hahnrei begrüßen. Komm nur gleich 
hent Abend zu mir. (Geht ab) 
Fluth. 

Was für ein verdammter epicuräͤiſcher Schurke das 
iſt! Mein Herz möchte vor Ungeduld zerfpringen. Wer - 
will nun noch fagen, dieß fei unzeitige Eiferfucht? Meine 
Frau bat zu ihm gefhidt, die Stunde ift beflimmt, der 
Handel gefchloffen: — wer hätte fo etwas denken follen! 
da feht, welche Hölle es ift, ein falfches Weib zu haben! 
Mein Bett fol entehrt, meine Koffer gebrandfchagt, mein 
guter Name zernagt werben: und nicht genug, daß ich 
diefe nichtswürdige Kränkung erdulde, fol ich mich noch 
mit den verruchteflen Benennungen fehelten laſſen, und 
war von bem, der mir diefen Schimpf anthut. Und 
welche Namen! welde Titel! Amaimon Flingt gut, Lu⸗ 
eifer gut, Barbafon gut, und doch find es Teufelstitu- 
Iaturen, die Namen böfer Geiſter; aber Hahnrei? Hör- 
nerträger? Der Teufel felbft führt nicht ſolche Namen. 
— Gage ift ein Efel, ein forglofer Eſel; er verläßt fi 
auf feine Fran: er weiß nichts von Eiferfucht. Lieber 
will ich einem Holländer meine Butter, Pfarrer Hugh, 
dem Wallifer, meinen Käfe, einem Irlaͤnder meine Aqug= 
sitflafehe, und einem Diebe meinen Wallach, ven Pah- 
gänger zu reiten anvertrauen, als meine Frau ſich feldft. 
Da Fabalirt, da finnt und grübelt fie, — und was fie 
in ihrem Herzen befchließen, das müffen fie ausführen, 
und follte ihr Herz darüber brechen, fie müſſens ausfüh- 
ven. Dem Himmel fei Dank für meine Eiferfuht! Um 
Elf ift die Stunde; ih will dem Dinge zuvorkommen, 


54 Die lufligen Weiber von Windſor. 11,3. 


mein Welb .entlarven, mich an Falſtaff rächen und Page 
auslachen. Gleich will ich daranz beffer drei Stunden 
zu früh, als Eine Minute zu fpät! — Pfnui, pfui, pfui! 
— Hahnrei, Hahnrei, Hahnreil — (Geht ab) 


Dritte Scene. 
Bari von Windſor. 
(Cajus und Rugby treten auf) 


Cains. - 
ans Rugby! 

Rugby. 
Herr Doctor! 

Eajus, 
Was is die Klock, 'ans? 

Nugbp. 


Die Stunde iſt fihon vorbei, Herr, wo Sir Hugh 
fi einftellen wollte. 

Cajus. 

Pardieu, er 'aben kerett' ſein Seel, weil er nik is 
gekomm; er 'aben kuth gepett' feine Bibel, daß er nik ie 
gekomm; pardieu, 'ans Rugby, er ſeyn ſchon todt, wann 
er ſeyn gekomm. 

Rugby, 

Er ift geſcheidt, Herr Doctor, er wußte, Eu’r Gna- 

den würben ihn umbringen, wann er kaͤme. 
Caius, 

Pardieu, das ’ering is nit fo tobt, als ik ihm will 
todt malen. — Nimm deine Degen, ’ans, if will dir wei- 
fen, wie if will ihn tobt malen. 

Rugby. 
Ah, Herr, ich Tann nicht Fechten. 
Eaius, 
Coquin, nimm beine Degen. 


Die Iufigen Weiber von Windſer. I,3. 55 


Rugby. 
Stil doch! Hier kommen Rente. 
(86 kommen der Wirth, Schaal, Schmächtig und Page) 

Wirth. 

Gott grüß dich, mein Rolands - Doctor. 
Schaal. 

Euer Diener, Here Doctor Cajus. 
Page. 

Guten Tag, lieber Herr Doctor | 

Schmächtig. 

Schön guten Morgen, Sir. 
Gaius. 

Was feyn ihr AN, Ein, Swei, Drei, Bier, gelomm’ 
ieher? — 

Wirth. 

Dip fechten zu fehn, dich Iegiren zu fehn, dich tra⸗ 
verfiren zu fehn, dich bier zu fehn, dich da zu fehn, dein 
Punto, deine Stoccata, dein Renvers, deine Diſtanz, dei⸗ 
nen Montant zu fehn. Iſt er todt, mein Aethiopier ẽ 
Iſt er tobt, mein Franzmann? Ha, Rodomont! Was 
fagt mein Aesculap? mein Galen? mein Holfundermarf? 
Sf er tobt, mein Harnmonarch? — Iſt er tobt? 

Eaius. 

Pardieu, er feyn die größte Memmenpriefler von die 
Welt; er ’aben nif geweifen fein Visage. 

Wirth. 

Du bift ein König von Eaflilien, Don Orinal; Hec⸗ 
for von Oraecia, mein Junge! 

Caius. 

Ik Hitten, mir fa atteſtir', daß wir ihm 'aben ge- 
wartet, wir fechs oder fieben, fwei bis drei Stunde, und 
er feyn nif gefomm. 

Schaal. 

Er iſt der Klügſte, Herr Doctor: er iſt ein Arzt der 

Seelen, und ihr ein Arzt der Leiber; wenn ihr euch ſchla⸗ 


56 - Die luſtigen Weiber von Windſor. I 8. 


gen wolltet, fo ſtrichet ihr gegen das Haar eurer Voca⸗ 
tion. Iſt das nicht wahr, Herr Page? 
Page. 

Herr Schaal, ihr ſeid felbft ein großer Fechter ge⸗ 

wefen, obgleich jezt ein Mann bes Friedens. 
Schaal. 

Sapperment, Herr Page, obgleich ich jetzt alt bin, 
und ein Friedensmann, wenn ich einen bloßen Degen ſehe, 
ſo jucken mir die Finger, einen Gang zu machen. Wenn 
wir gleich Friedensrichter and Doctores find, und Diener 
Gottes, Herr Page, fo fpüren wir doch einiges Salz der 
Sugend in uns; ja, Herr Page, wir find vom Weibe 
gehauen. 

Page. 

Das iſt wahr, Herr Schaal. 

Schaal. 

Es wird ſich ſo ausweifen, Herr Page. Mein Herr 
Doctor Cajus, ich bin hergekommen, euch nach Haufe zu 
holen. Ich bin ein gefchworner Friedensrichter — ihr 
habt euch verhalten wie ein kluger Arzt, und Sie Hugh 
wie ein Muger und frienfertiger Seelforger. Ihr müßt 
mit mir gehn, Herr Doctor. 

Wirth. 

Mit Berlaub, Gaft Sriedensrichter: — He, Monſieur 
Wafferforfcher! 

Eaius. 

Waſſerforſcher! Was 'eißt das? 

Wirth. 

Waſſerforſcher in unfrer englifchen Sprache bedeutet 

einen Helden, du Rodomont. 
Cajus. 

Pardieu, ſo bin if eine fo große Waſſerforſcher, als 
die Anglass: — du Lump von eine 'ans Aff Prieſter! 
Pardieu, wie wollen ihm babfneide feine Ohr. 


Die Infigen Weiber von Windfſor. IH 3 57 


Birth. 
Er wird dich rechtfchaffen herummeurangen, Robomont. 
Cajus. 
erum curanzen? was 'eißt das? — 
Wirth. 
Das heißt, er wird dir Satisfaction geben. 
Gaius, 
Pardieu, ihr ſollen fehn, er wird mir ’erumenran- 
zen; denn, pardieu, wir wollen bag ’aben. 
Wirth, 
Und ich will ihn Dazu aufforbern, ober er foll mir 
zappeln. 
Cajus. 
Mir danlen euf vor das. 
Wirth. 
Und überdem, calfatern. (heimlich zu den Andern) 
Aber erfi, Herr Gaft, und Herr Page, und beffelbigen 
gleichen ihr, Caballero Schmächtig, gebt Alle durch die 
Stadt nah Frogmore. 


Page. 

Sir Hugh ift dort, nicht? 

Wirth. 

Er ift dort; feht, in welchem Humor er ıfl, und ich 
will den Doctor auf dem Umweg übers Feld hinbringen. 
Iſts ſo recht? 

Schaal. 


Das wollen wir thun. 
Alle. 

Lebt wohl, lieber Herr Doctor. 

(Page, Schaal und Schmaͤchtig ab) 

Eajus. 

Pardieu, wir wollen todtmak die Brief’; denn er 

fprift en faveur von eine Maulaff bei Anne Page. 

Wirth. 

Schlag ihn tobt: aber vorher ſteck' deine Ungebulb 


58 Die Iufigen Weiber von Windfor. II, 8. 


in die Scheide, gieß kalt Waffer auf deinen Zorn; geh 
mit mir übers Feld nach Frogmore, ich will dich bin- 
führen, wo Anne Page if, nach einem Meierhof, wo fie 
einen Schmaus halten, und da ſollſt bu um fie werben. 
Nun, du Allerweltskerl, iſts fo recht? — 
Eajus. 

Pardieu, mir danfen euf vor das, pardieu, mir lie- 
ben euf, und will euch verfchaff gute Gaſten, die Graf, 
die Chevalier, die Lord, die Edelleut, meine Patient. 

Wirth. 
Dafür will ich dein Widerpart bei Aune Page wer- 
benz wars fo recht gefagt? — 
Caius. 
Pardieu, das ſeyn gut, ſehr gut geſagt. 
Wirth. | 
Sp wollen wir uns hintrollen. 
Caius. 

Folgen mir nal, ’ans Rugby. 

(Sie gehn ab) 


Dritter Aufzug. 


Erfie Scene, 


Grogmore. 
(Evans und Simpel treten auf) 


Evans. 
Nun fagt mir, ich pitt euch, Kieper Tienfipote des Herr 
Schmädtig, und Freund Simpel mit euerm Namen, — 
nah welcher Seite bin habt ihr ausgeſchaut nach tem 
Herr Eajus, welcher fich nennt Toctor der Arzneien ? 
Simpel. 

Mein Seel, Herr, nah Pittywary, nach dem Park⸗ 
weg, allenthalben hin, nur nicht die Straße nad der 
Stadt Hin. 

Evans. 

Ich pitt euch recht mit Inprunft, ſchaut auch einmal 
tort hinunter. 

Simpel. 

Recht wohl, Here Pfarrer. 

Evans, 

Rott pehüte mir! wie voller Zornhaftigkeit pin ich, 
wie voller Seelenzagen! Ich werde erfreut feyn wann 
er mir anfeführt bat. Ad, wie ich melandholifirel — — 
Ich werte ihm feine Urinfläfer um feine Schelmefopf 
fhmeiße, wenn ich Euthe Kelegenheit zu tem Ting erfehe. 
Rott pehüte mir! — (fingt) 

Am flille Bach, zu teſſen Fall 
Ertönt der Voͤkel Matrifal, 


60 Die Infligen Weiber von Windſor. II, 1. 


Laß uns ein Pett von Rofe ſtreun, 
Und taufend würz’ge Plume fein, — 
Am ftille Pach,... 
D du Himmlifche Küte! Sch Habe pefontre Tispofition 
zu weinel.... 
Ertönt der Vökel Matrikal ... 
An Waſſerflüſſen Papplon, — — — 
Und tauſend würz'ge Plume fein, — — 
Am ſtille .. 
Simpel. 
Dort kommt er! dorther, Sir Hugh! — 
Evans. 
Er iſcht willkomme! 
Am ſtille Dach, zu teſſe Fall ... 
Kott ſchütze ten Kerechte! — Was vor Wafferäüſtung 
kommt? 
Simpel. 

Keine Waffenrüſtung, Herr! Hier kommt mein Herr, 
Herr Schaal, und noch ein andrer Herr von Frogmore, 
dort über den Steg, von diefer Seite, 

Evans, 

Pitt euch, Fept mir meinen Chorrod, oter nein, pe= 
haltet ihn nur unterm Arm. 

(88 kommen Schaal, Shmädhtig und Page) 
Schaal. 

Sieh da, Herr Pfarrer! Guten Morgen, lieber 
Sir Hughl haltet mir einen Spieler von feinen Würfeln 
und einen fleißigen Schüler von feinem Buch ab, und 
ich will von Wundern ſprechen. 

Schmädtig. 

Ad, füße Anne Page! 


Page. 
Gott grüß euch, Lieber Ste Hugh! — 


Die luſtigen Weiber von Windfor. II, 3. 61 


Evans, 
Er pehüte euch, um feiner Parmherzigkeit wille, all- 
zumal. 
Schaal. 


Was? das Schwert und das Wort? Studirt ihr 


Beides, Herr Pfarrer? 
Page. 


Und immer noch fo jugendlich in Wamms und Hoſen 
an biefem rauhen, fohnupfigen Tage ? 
Evans. 
Tas hat feine Krünte und Beranlaffunge. 
Page. 

Wir find Hergefommen, euch einen guten Dienft zu 
erweifen‘, Herr Pfarrer. 

Evans. 

Recht ſchön, was iſchts tann? 

Page. 

Da drüben iſt ein ſehr würdiger Herr, der vermuth- 
Ih von Jemand beleidigt worden, und darüber mit fei- 
ner Würde und Geduld fo zerfallen iſt, wie man fie 
nur denfen kann. 

Schaal. 

Ich Habe nun ſchon achtzig Jahre gelebt und drü—⸗ 
ber, aber noch nie ſah ich einen Mann von ſeinem Stande, 
von feiner Gravität und Gelehrfamfeit, ver fo ſehr alle 
Haltung verloren hätte. 

Evans. 

Wer iſchts tann? 


Page. 
Ich glaube, ihr kennt ihn, der Herr Doctor Cajus, 
der berühmte franzöfifche Medieus. 
Evans. 
Um Chriſchti Wunte wife! Ich hätte epen fo Fern 
von Inter Schüffel Suppen erzähle Fehört. 


62 Die Inftigen Weiber von Windſor. UL, J. 


Page. 


Evans. 

Er verfieht euch nicht mehr vom Hibocrates und 
Calenus, — und außerdem iſcht er ausgemachte Memme, 
— fo ſchurkiſche Memme, als ihr euch immer wünfde 
möft mit umzukehe. 


Wie dag? 


age. 
Ich wette, das ifl der Dann, ber fih mit ihm ſchla⸗ 
gen follte, 
Ä Shmädtig. 
O füße Anne Page! — 
(Der Wirth, Cajus und Rugby treien auf) 
Schaal. 
Sp ſcheints, nach feinem Degen. Haltet fie von 
einander; bier fommt Doctor Cajus. 
age. 
Richt doch, Lieber Herr Pfarrer, laßt die. Klinge 
ſtecken! 
Schaal. 
Und ihr gleichfalls, lieber Herr Doctor! 
Wirth. 
Entwaffnet fie und laßt fie ſich expliciren; laßt ſie 
ihre Haut heil halten und unſer Engliſch zerhacken. 
Caius. 
Ik bitten, laß mil reden eine Wort mit heuer Ohrz 
warum feyn ihr nit kommen auf den Rendez-Vous? 
Evans. 
Ich pitte euch, verliert die Ketult nicht! Ums Him- 
mels willen! 
€ ajus. 
Pardieu, ihr feyn die Memme, die ’ans 'aſenfuß, 
die ’ans Aff. 
Evans. 
Ich pitte euch, laßt uns tene Spottvöfel nicht zum 


Die Iufigen Weiber von Windfor. 1,1 63 


Kelächter tiene; ich pefchwöre euch in kuter Freundſchaft⸗ 
lihfeit, und will euch auf tiefe oder jene Manier Satis- 
faction kepen; — ich will euch eure Waflerfläfer um 
fhurkifchen Kopf ſchmeiße, weil ihr eure Peflimmung und 
Berabretungen nicht in Opacht genommen hapt. 
Cains. 

Diable! ’ans Rugby, — meine Gaſtwirth de la 
jarretiere, — ’aben mir nif gewart nak ihm, um ihn fu 
erterminie Y_ ’aben if das nik auf Die appointirte Place? 


Evans. 
Sp wahr ich Chriftefeele pin, feht, das hier iſcht 
verabredeter Platz; tas ſoll Fleich der Laſwirth zum Ho— 
ſepand hier hinrichten. 
Wirth. 
Still, ſag' ich, Gallia und Wallia, Franzmann und 
Welſchmann, Seelendoctor und Leibesdoctor! — 


Gaius. 
Ah, das feyn fehr gut, — excellent! — 


Wirth. 

Friede, fag’ ich, hört meinen Gaftwirth zum Hofen- 
band. Bin ih ein Politicus? bin ich ein feiner Kopf! 
bin ich ein Machiavel? Soll ich meinen Doktor verlie- 
ven? Nein, er giebt mir bie Potionen und die Mo— 
tionen. Soll ich meinen Pfarrer verlieren? meinen Brie= 
fer? Meinen Sir Hugh? Nein, er giebt mir die 
Sprigwörter und bie Nicdhtswörter. Deine Hand her, 
Erdenmann! fol — deine Hand her, Himmelsmann! — 
fl — — Nun, ihr Söhne der Kunft, ich babe euch 
Beide angeführt, ich Habe euch auf falfche Plätze beſtellt; 
eure Herzen find wader, eure Haut iſt ganz, und ge= 
brannter Seft fei das Ende. Kommt, gebt die Degen - 
als Pfand. — Folg mir, du Kind des Friedens; folgt, 
folgt, folgt. 


64 Die Iufligen Weiber von Windſor. II, 2 


Schaal. 
Wahrhaftig, ein toller Wirth! Kommt Alte mit, ihr 
Herrn, Tommt mit. 
Schmaͤchtig. 


O, ſüße Anne Page! 

( Schaal, Schmaͤchtig, Page und Wirth gehn ab) 
Caius,. 

Ak! merken if das? ’aben ihr gefpielt die Narr mit 
uns? ab, ahl — 

Evans. 

Tas ifcht fein? Hat er uns zum Pefte kehabt? Ich 
pitt euch, laßt uns Freundfchaftlichkeit Schließe, und laßt 
uns Köpf zufammenftoße, um ung zu räche an frindichten, 
ſchaͤpigten, ſpitzbübiſchen Kefellen, tiefem nämliche Kaft- 
wirth zum Hoſepand. 

| Caijus. 

Pardieu, von fanz mein 'erz. Er ’at mir verſpro⸗ 
fen, mir fu bring, wo i8 Anne Page; pardieu, er betrü- 
gen mir gleikfalls. 

Evans, 

Schön, ich werte ihm feinen Hirnteckel einfchmeiße. 

Pitt’ euch, kommt mit. (Sie gehn ab) 


— Zweite Scene 
Straße in Windſor. 
(Braun Page und Robin treten auf) 


Frau Page. 

Nun, geb nur immer voran, mein Heiner Junker, 
fonft warft du gewohnt nachzufoigen, jetzt aber bift ba 
der Vorläufer. Was ift dir nun lieber? Meine Blicke 
zu leiten, oder auf deines Herrn Ferſen zu blicken? 

Robin. 

Ich werde doch Lieber vor ench bergehn, wie em 

Mann, als ihm nachfolgen, wie ein Zwerg? — 


Die Infigen Weiber von Windſor. UL2 65 


Frau Page. 
Ei, da biſt ein Heiner Sömeihler; ich ſehe ſchon, 
du wirſt einmal ein Hofmann. 


( Fluth lommt) 


Fluth. 

Willkommen, Frau Pagel Wohinaus? 

Frau Page. 

Ich wollte grade eure Frau beſuchen. Iſt ſie zu 
Hauſe? 

Fluth. 

Ja, und ſo müßig, daß ſie vor Langeweile nur noch 
eben zufammenhängt. Ich denke, wenn eure Männer tobt 
wären, ließt ihr Beide euch trauen, 

Frau Page. 
Ganz gewiß, mit zwei andern Männern, 


Fluth. 

Woher Habt ihr denn dieſen allerliebſten Wetterhahn? 

Frau Page. 

Ich weiß nicht mehr, wie zum Kucknck doch ber 
Mann heißt, von dem mein Dann ihn bat, — wie heißt 
euer Ritter doch mit Namen, Kleiner? 

Robin. 

Sir John Falſtaff. 

Fluth 

Sir John Falſtaff! — 

Frau Page. 

Ya, ja, ih kann mich nie auf feinen Namen befin- 
nen, Er und mein guter Mann find ſolche beſondre 
Freundel Iſt eure Frau wirklich zu Haufe? 

Fluth. 


Frau Page. 
So erlaubt, Herr Fluth, ich bin ganz krank, ſie zu ſehn. 
(Frau Page und Robin ab) 
1X. 5 


Allerdings. 


68 Bier Infigen Weiber von Windſor. IH,2. 


Fluth. 

Hab der Page kein Gehirn? Hat er keine Augen? 
hat er Feine Gedanken? Wafrhaftig, das Alles ſchlaͤft 
bei ibm, er weiß es nicht zu gebrauchen. Der Junge 
da wird fo leicht einen Brief zwanzig Meilen weit tra- 
gen, als eine Kanone zwanzig Dutendmal ins Weiße 
trifft. Er ſchneidert felbft die Kiebesthorheit feiner Frau 
zurecht; er thut ihr Borfhub, and macht ihre Gelegen- 
heit, und num gebt fie zu meiner Frau und Falflaff’s. 
Burſche mit ihr, — dieß Hagelwetter Tann man wahr- 
haftig ſchon von weitem pfeifen hören! Und Falſtaff's 
Burſche mit ihr! Ein hübſches Complott! Gefchmiebet 
haben ſie's, und unfre rebelliſchen Weiber theilen bie 
Verdammniß mit einander. Run, ich will ihn fangen, 
und hernach meine Frau recht tüchtig quälen, der ſchein— 
Heiligen Fran Page den Schleier ihrer Sittfamfeit ab- 
reißen, ihren Mann als einen forglofen und gutwilligen 
Aetäon zur Schau flellen, und zu diefem ſtürmiſchen Ver— 
fahren fol die ganze Nachbarſchaft Beifall rufen. Die 
Uhr giebt mie das Zeichen, und meine Zuverficht heißt 
mich ſuchen; den Falflaff muß ich dort finden Man 
wird mich gewiß eher darum Toben als verſpotten, denn 
es ift fo ausgemacht, als die Erde feftfteht, daß Falftaff 
dort iſt. Sch will hingehn. 


( Es fommen Bage, Schaal, Schmaͤctis, Wirth, Evans 


und Cajus) 
Alle. 
Ei, willkommen Herr Fluth! — 
Fluth. 


Nun, wahrhaftig, eine hübſche Bande! Mein Tiſch 
ift heut gut befett, ich bitte euch, daß ihr Alle bei mir 
einfprecht. 

Schaal. 


Ich muß mich entſchuldigen, Herr Fluth. 


Die Inftigen Weiber von Bintfer NI,2. 67 


Shmädtig. 

Das muß ih auch, Herr Fluth. Wir haben ver- 
ſprochen, mit Jungfer Anne zu fpeifen, und ich möchte 
mein Wort nicht brechen um alles Geld, das Leben hat. 

Schaal. 

Wir haben ſchon lange eine Heirath zwiſchen Anne 
Page und meinem Vetter Schmächtig auf dem Korn, 
und heute ſollen wir das Jawort holen. 


Schmächtig. 
Ich hoffe doch, ich habe eure Einwilligung, Vater 
Page? 
Page. 


Die habt ihr, Herr Schmächtig, ich ſtimme ganz für 
euch; aber meine Frau, Herr Doctor, ift allerdings auf 
eurer Seite. 

Eaius. 

Oui pardieu, und die Mädel lieben mir, mein. Wart- 

frau ’urtig ’aben mil das gefagt. 
Birth. 

Und was fagt ihr zu dem jungen Herrn Fenton? 
Cr fpringt, er tanzt, er bat junge, feurige Augen, er 
fchreibt Verſe, er fpricht Kefltagsworte, er buftet wie 
April und Mai; der führt fie heim, der führt fie heim, 
der hat das Gläck in der Taſche, ver führt fie heim. 

Page. 

Nicht mit meinem Willen, das verfichr' ich euch. 
Der junge Menfch Hat Fein Vermögen. Er bat in bes 
wilden Prinzen Gefellfchaft gelebt; er iſt aus einer zu 
hohen Region, er weiß au viel, Rein, der foll mit dem 
Finger meines Reichthums Teinen Knoten in fein Glück 
fnüpfen, will er fie nehmen, fo mag er fie ohne Aus- 
flener nehmen; das Vermögen, das mir gehört, wartet 
auf meine Einwilligung, und meine Einwilligung geht 
dieſes Wegs nicht. 

5 v 


68 Die Infiigen Weiber von Windfor. II, 3. 


| Fluth. 

Ich bitt' euch inſtändigſt, Einige von euch müffen 
mit mir effenz außer einer guten Mahlzeit ſteht euch 
ein Spaß bevor: ich will euch ein Monftrum zeigen. 
Herr Doctor, ihr müßt mitgehn, ihr auch, Here Page, 
und ihr, Sir Hugh. 

Schaal. 
Nun, ſo lebt wohl, wir koͤnnen dann unſre Werbung 
um fo beſſer beim Herrn Page anbringen. 
Cajus. 
Gehn du naf’anf’, ’ans Rugby, ik kommen bald nal. 
Wirth. 

Lebt wohl, Kinder, ich will zu meinem ebrfamen 
Ritter Falftaff und eine Flafche Sekt mit ihm umbringen. 
Fluth. (beiſeit) 

Und ich will vorher noch Eins mit ihm umſpringen, 
denn er ſoll dießmal nach meiner Pfeife tanzen. — Wollt 
ihr mitkommen, liebe Herrn? 

Alle. 

Wir gehn mit, das Monſtrum zu ſehn. 

(Sie gehn‘ ab) 


Dritte Scene. 
Zimmer in Fluths Haufe. 
(Frau Sluth, Frau Page und Knechte mit einem Waſch⸗ 


korb treten auf) 
Fran Fluth. 
He, John! He, Robert! — 
Frau Page. 
Geſchwind, geſchwind! Iſt ver Waſchkorb .... 
Frau Fluth. 
Ja doch! — He, Robin, ſag' ich .... 
Frau Page. 
Macht fort! Macht fort! 


Die Infligen Weiber von Windfer. IL 3. 69 


Frau Flut. 
Hier fest ihn hin. 
Frau Page. 
Sagt euern Leuten, was fie thun follen; wir müf- 
fen ſchuell machen! 
Frau Fluth. 


Run alfo, John und Robert, wie ich euch vorhin 
fagte, haltet euch Hier nebenbei im Brauhauſe fertigz 
und wenn ich eilig rufe, kommt herein und nehmt ohne 
Berzug und Bedenken diefen Korb auf eure Schultern. 
Wenn das gefchehn iſt, trabt mir damit in aller Haft, 
und bringt ihn zu den Bleichern auf die Datchetwiefe, 
und da fchüttet ihn ans in den fehlammigen Graben 
nicht weit von der Themfe. 

Frau Page. 

Wollt ihre das thun? 

Frau Fluth. 

Ich hab's ihnen ſchon Yang und breit auseinander 
geſetzt, fie brauchen Feine weitre Anweifung. Geht nun, 
and kommt auf den erften Aufruf 

(Die Knechte gehn ab) 
Fran Page. 
Hier kommt der Feine Robin. 
(Robin fommt) 
Frau Fluth. 

Nun, wie gehts, mein Heiner Zeiſig? Was bringfl 
dn Neues? — 

Robin, 

Mein Herr, Sir John, ift zur Hinterthür herein- 
gefommen, Frau Fluth, und wünfcht euch aufzumwarten. 
Fran Page. 

Du Meiner Gelbfchnabel, biſt du uns auch treu ge- 
wefen ? 

Robin. 
Ya, das ſchwör' ich; mein Herr weiß nicht, daß ihr 


r 


70 Die Iufligen Weiber von Windfor LII, 8. 


bier fein, und hat mir gebroßt, mich in ewige Freiheit 
zu verfeben, wenn ich euch davon fage; dens ex ſchwoört, 
er will mich fortjagen, 

Frau Page. 

Du bift ein guter Zunge; diefe deine Berfägwie- 
genheit fol dein Schneider werben, und bir ein neues 
Wamms und Hopfen machen. Ich will mich verſtecken. 

Frau Fluth. 

Das thut. — Geh, fag deinem Herrn, ich fei al⸗ 

lein. Frau Page! vergeßt euer Stichwort nicht! — 


(Robin ab) 
Frau Page. 
Sorge nur nicht; wenn ich meine Rolle nicht gut 
fpiele, fo zifche mich aus. (Geht ab) 


Frau Fluth. 

Run wohlan: wir wollen ſchon mit dir fertig wer- 
ben, bu ungefunde Feuchtigkeit, du großer wäflriger Kür- 
bis] wir wollen dich lehren, Tauben von Krähen zu un- 
terfcheiden. 


| ( Falſtaff tritt ein) 


Falſtaff. 

Hab' ich dich errungen, mein himmliſches Juwel? 
Hal Jetzt, Götter, laßt mich ſterben, denn ich habe lange 
genug gelebt. Dieß iſt das Ziel meines Ehrgeizes! O 
die ſüße Stunde! — 

Frau Fluth. 

O, liebſter Sir John! — 


Falſtaff. 

Frau Fluth, ich kann nicht ſüß thun, ich kann nicht 
deklamiren, Fran Fluth. Nun laß mich einen ſündlichen 
Wunſch ausſprechen: ich wollte, dein Mann wäre todt. 
Ich wills dem erſten Lord ins Angeſicht ſagen: ich würde 
dich zu meiner Lady machen. 


Die Iufigen Weiber von Windfor. ULB. 74 


Frau Zlutl. 

Ich enre Lady, Sir John? AG, ich würde eine 

Aaͤgliche Lady abgeben! — 
Kalktaff. 

Laß mir" den franzöſiſchen Hof einmal eine zweite 
ſolche aufweiſen! Ich fehe, wie dein Ange mit dem 
Diamant wetteifern würde, Du Haft geabe bie feinge- 
ſchwungne Schönheit der Augenbrauen, die zu jebem 
Aufſatz gut Heivet; zum großen Segelauffag, zum Ama⸗ 
zonenaufſatz, oder zum Venetianifchen Auffas. 

Fran Fluth. 

Eine fimple Haube, Sir John; meinen Augenbrauen 

fteht fonft nichts, und auch das nicht einmal recht. 
Salftaff. 

Du übft Kelonie, wenn du fo ſprichſt. Eine voll⸗ 
tommene Hofdame gäbft du ab; und der feſte Accent 
deines Fußes würde deinem Gange eine herrliche Be— 
wegung geben in einem halbrunden Reifrock. Ich Tebe, 
was du feyn wärbeft, wenn Fortuna die nicht als Fein- 
din widerfirebte: Natur iſt deine Freundin: ja, ja, das 
tannft du nicht verbergen. 

. Kran Fluth. 

Glaubt mir, davon if nichts in mir. 

Salftaff. 

Was machte mich in dich verlicht? Daraus kannſt 
du den Schluß ziehn, du feift etwas Außerorbentliches. 
Komm, ich kann nicht ſüß thun und fagen, du ſeiſt dieß 
and das, wie fo manche lispelnde Weißdornblüthen, die 
wie Weiber in Mannskleivern gehn, und riechen wie ein 
Apothekerladen znr Zeit der Kränterlefe: ich kanns nicht; 
aber ich Tiebe dich, Feine als dich, und Du verdienſt es. 

Fran Fluth. 

Hintergeht mich nicht, Sir; ich fürdte, ihr liebt 

Frau Page. 


73 Die Infligen Weiber von Windſor. III, 3. 


Falſtaff. 

Du Tönnteft eben fo gut ſagen, ich liebe einen Spa- 
ziergang auf den Schuldthurm, der mir eben ſo ver⸗ 
haßt iſt, als der Rauch aus einem Kallofen. 

Frau Fluth. 
Nun, der Himmel weiß, wie ich euch liebe; und ihr 
werbet einft noch erfahren... . 
Falſtaff. 
Bleibt bei der Geſinnung: ich werde ſie verdienen. 
Frau Fluth. 

O, ich muß euch ſagen, daß thut ihr ſchon, ſonſt 

würde ich dieſe Gefinnung nicht hegen. 
Robin. (draußen) 

Frau Fluth, Frau Fluth, hier iſt Frau Page vor 
der Thür, und ſchwitzt und Feucht, und ſieht ganz ver— 
flört ans: fie will gleich mit euch fprechen. 

Salftaff. 

Sie fol mich nicht fehn, ich will mich hinter ber 
Tapete verſchanzen. 

Srau Fluth. 


Ach ja, thut das, fie ift eine gar zu ſchwatzhafte Fran. 
(Falſtaff verfteckt fi) hinter der Tapete) 


(Braun Bage tritt ein) 


Run, was giebts?t Was if? 
Grau Page. 
D, Frau Fluth, was habt ihr gemadt! Ihr ſeid 
befchimpft, ihr ſeid verloren, ihr feid anf ewig zu Grunde 


gerichtet! — 
Frau Fluth. 
Was giebts, liebe Frau Page? 
Frau Page. 
Recht allerliebſt, Frau Fluth! — Sp einen ehrlichen 
guten Dann zu haben, und ihm folchen Anlaß zum Arg- 
wohn geben! — 


Die Infligen Weiber von Windſor. NL3. 73 


Frau Flut. 
Bas für einen Anlaß zum Argwohn? 
Grau Page. 
Was für einen Anlaß zum Argwohn? Schämt eu 
doch! Wie Hab’ ich mich in euch geirrt! — 
Frau Fluth. 
Nun, mein Gott, was giebts denn? 
Frau Page. 

Ever Mann fommt ber, Frau, mit allen Gerichte- 
dienern aus Windfor, um einen Herrn zu fuchen, der, 
wie man fagt, jegt mit eurer Einwilligung bier im Hauſe 
ik, um fich feine Abwefenheit auf unerlaubte Art zu 
Rute zu machen. Ihr fein verloren! — 

Frau Fluth. (leiſe) 

Sprich lauter! (laut) Mein Gott, ich will nicht 
hoffen? — 

Frau Page. 

Gebe Gott, daß ſichs nicht fo verhalte, und daß ihr 
nicht fo Jemand bier habt; aber das iſt ganz gewiß, 
euer Mann fommt mit Halb Windſor hinter fih, um fo 
Jemand anfzufuchen. Ich Tief voran, es euch zu ſagen; 
habt ihr aber einen Freund hier, fo macht, macht, daß er 
wegfommt. Berliert die Faffung nichts; ruft alle eure 
Lebensgeifter zuſammen; vertheidigt euern Ruf, oder fagt 
euern guten Tagen anf ewig Lebewohl. 

Frau Fluth. 

Was fol ich thun? Freilich ift ein Herr hier, ein 
fehr werther Freund, und ich fürchte meine eigne Schande 
nicht fo fehr, als feine Gefahr. Mir wär’s lieber als 
taufend Pfund, wenn ich ihn außer Haufe wüßtel — 

Tran Page 

Ei, gebt mir jet mit eurem: mir wär’s lieber! 
mir wär’s Iieber! Euer Mann wird gleich zur Stelle 
ſeyn; denkt, wie ihr ihn fortfchafft: — im Haufe Tönnt 
ihr ihm nicht verſtecken. — O, wie ich mich in euch geirrt 


74 Die Iufigen Weiber von Windſor. HI, 3. 


Habe — — Seht, Hier fleht ein Korb: wenn er nur 
irgend von gefcheibter Statur if, kann er hier hinein⸗ 
kriechen; und dann werft ſchmutzige Wäfche auf ihn, als 
ging’ es zum Einweichen; ober, es iſt gerabe Bleichens⸗ 
zeit, ſchickt ihn durch eure zwei Knechte anf die Datchet⸗ 
wieſe. 
Frau Fluth. 

Er iſt zu dick, um da hineinzugehn: was fang' 

ich au? — 
(Falſtaff kommt hervor) 
Falſtaff. 

Laßt einmal ſehn! laßt einmal ſehn! O laßt mich 
einmal ſehn! Ich will hinein, ich will hinein; folgt dem 
Rath eurer Freundin; ich will hinein. 


Frau Page. 
Was! Sir John Falſtaff! Sind das eure Briefe, 
Ritter? 
Salßaff. 


Ich liebe wich, — Hilf mir nur wegl — laß mich 
va hineinfriechen, ich will niemals, — — 

(Sr friecht iu den Korb, fie deden ihn mit ſchmntziger Mäfche zu) 
Frau Page. 

Hilf deinen Deren zudecken, Kleiner! Ruft eure 

Rente, Frau Fluth! Ihr heuchlerifcher Ritter] 
Fran Zluth. 

He, Johann! Robert! Johann! bringt mir bie 
Wäſche fort, hurtigl Wo iſt die Tragſtange? Geht, 
wie ihr trödelt! — Tragts zur Wäfcherin anf die Datchet⸗ 
wieje; hurtig! macht fort! — 

(Fluth, Bage, Cajus und Evans fommen) 
Fluth. 

Ich bitt' euch, kommt herein. Wenn ich ohne Grund 
Verdacht hege, fo foppt mich und treibt euern Spott mit 
mir! es geſchieht mir recht. — Holla! — wo wollt ih 
damit hin? 


} 


Die Infiigen Weiber von Windſor. ML, 8. 76 


"ran Fluth. 

Ei, was gehts dich denn an, wohin ſie's tragen? 

Dr willſt dich wohl auch um meine Körbe kümmern? 
Fluth. 

Körbe? Ja, ich wollte, du verſtändſt dich drauf, einen 
Korb zu geben; wahrhaftig, ein Korb wäre hier recht an 
der Zeit geweſen. (Die Knechte tragen deu Korb hinaus) 
Ihr Herrn, mir traͤumte die Nacht etwas; ich wid euch 
meinen Traum erzählen. Hier, hier, bier find meine 
Schlüffel; gebt hinauf in alle Zimmer: fucht, forfcht, 
fpürt aus; ich Beh? euch dafür, wir flöbern ben Fuchs 
ons feinem Bau. Ich will ihm Bier den Weg vertreten: 
fo, jet grabt ihn aus. 


Page. 
Lieber Herr Fluth, * ruhig, ihr tut euch ſelbſt 
an nah. 
Fluth. 


Ihr Habt Recht, Herr Page. Hinauf, ihr Derm; 
ihr follt gleich euern Spaß erleben; kommt nur mit, ihr 


Deren. (Er geht ab) 
Evans. 
Tas Abt Far phantafifce Krillen unb Eiferſuchten. 
Eains. 


Pardieu, tas is nik la mode in Frankreik; man feyn 
nit jaloux in Frankreik. 
Page. 
Run kommt, ihr Herren; wir wollen fehn, wie dies 
Suchen abläuft. (Sie gehn ab) 
' grau Page. 
Iſt Has nicht ein doppelt Föniglicher Spaß? 
Fran 5 uth, 
Ich weiß nicht, was mir befler gefällt , dag mein 
Mann angeführt if, oder Sir John. 


76 Die Iufigen Weiber von Windfor. 1,3. 


Frau Page. 
Wie ihm wohl zu Muth war, als euer Mann fragte, 
was im Korbe fei! 
Fran Fluth. 


Ich fürdte faft, daß eine Wäfche ihm ganz zuträg- 
lich ſei; und fo wirds ihm eine Wohlthat, wenn fie ihn 
ins Waffer werfen. | 

Frau Page. 

An den Galgen mit. dem ehrvergeßnen Schurfen! 

Ich wollte, daß alle von dem Gelichter in gleicher Noth 


fledten! — 
Frau Fluth. 

Ich glaube, mein Mann muß einen befondern Ver— 
dacht auf Falftaffs Hierſeyn Haben; denn nie fah ich ihn 
fo wild in feiner Eiferfucht, als dießmal. 

Fran Page. 

Ich will Schon etwas ausdenken, um das herauszu⸗ 
bringen; und wir müſſen dem Falſtaff noch mehr Streiche 
ſpielen; ſein Liebesfieber wird ſchwerlich dieſer einen 
Arznei weichen. 

Frau Fluth. 


Sollen wir ihm das alberne Thier, die Frau Hur- 
tig zuſchicken, um uns zu entfchuldigen, daß man ihn ins 
Waſſer geworfen? und ihm noch einmal Hoffnung geben, 
um ihn noch einmal abzuftrafen? — 

Frau Page. 

Das wollen wir thun; wir wollen ihn auf morgen 

früh um Acht berbeftellen, um ibn ſchadlos zu halten. 


(Fluth und Page fommen mit den Andern zurüd) 


Fluth. 
Ich kann ihn nicht finden; vielleicht prahlte der 
Schurke mit Dingen, die er nicht erlangen konnte. 
Ä Frau Page. 
Hört ihr wohl? 


Die Iufligen Weiber von Windſor. IM, 3. 77 


Frau Fluth. 
Ya, ja; nur flille. — Ihr behandelt mich recht ar- 
fig, Here Fluth; in der That! — 
Fluth. 
Nun ja, das thu' ich auch. 
Frau Fluth. 
Der Himmel mach' euch beſſer, als eure Gedanken 


find! 

Fluth. 

Amen! 

Frau Page. 

Ihr thut euch ſelbſt recht zu nah, Herr Fluth! — 
Fluth. 

Ja, ja, ich muß es ſchon hinnehmen. 
Evans. 


Wann hier Creatur im Hauſe iſcht und in tene Zim⸗ 
mer, auf tene Pöten, in tene Kiſten und Kaſten, fo ver⸗ 
fepe mir binmlifche Küte meine Sünden am Tafe tes 
Kerichts. 

Cajus. 
Pardieu, mir auk nik; da is nik ein Seel. 
Page. 

Pfui, pfui, Here Fluth, fehämt ihr euch nicht? Wel- 
her Geiſt, welcher Teufel bringt euch auf ſolche Einbil- 
dungen? Ich möchte diefe eure Verſtimmung nicht haben, 
nicht für alle Schäte von Windſor Schloß. 


Fluth. 
Das iſt mein Fehler, Herr Page; ich büße dafür. 
Evans. 


Ihr püßt für euer böfes Kewiſſe; Euer Weib iſcht 
fo ehrliche Frau als man fich wünfche kann unter fünf- 
tanfend und fünfhundert vpe trein. 

Cajius. 
Pardieu, if ſehn, es is ein hehrlik Frau. 


78 Die Inufigen Weiber von Windſor. II, 8. 


Fluth. 

Schon gut! Ich verſprach euch eine Mahlzeit; 
kommt, kommt, geht mit mir in den Park. Ich bitt' euch, 
verzeiht mir; ich will euch hernach erzählen, warum ich 
fo verfahren habe. — Komm, Franz Tommt, Iran Page; 
ich bitt’ euch, verzeiht mir, ich bitte herzlich drum, ver- 
zeiht mir, 

Page. 


Laßt ung gehn, ihr Herren; aber verlaßt euch drauf, 
wir wollen ihn aufziehn. Ich lade euch fammtlih ein, 
morgen in meinem Haufe zu frühſtücken; hernach wollen 
wir auf die Vogeljagd; ich habe einen herrlichen Wald⸗ 
falfen; ſeid ihrs zufrieden ? 

Evans. 

Wann Einer ta iſcht, fo will ih in ter Compagnie 
ten Zweiten abfepen. 
Eaius. 

Wenn da feyn Ein oder Swei, will if fie habgeben 
den Tritt. 

Fluth. 

Ich bit? euch, kommt, Herr Page. 

Evans. . 

Run pitt ich euch, tenft mir auf Morke an Ianfigen 
Schurfen, unfern Herrn Raftwirth ! 

Cajius. 
Das iſt ſehr gut; pardieu, von ganz mein ’Exz. 
Evans, 

'S iſcht Ianfiger Schurfe, mit feinen Spotthaftig- 

feite und Stichelworte! — (Sie gehn ab) 


Die Iuffigen Weiber von Winbfor. HL, 4. 79 


Vierte Scene. 
Zimmer im Hanfe bes Herrn Bage. 
(Fenton und Sungfer Anne Bage treten auf) 


Fenton. 
Nein, deines Vaters Gunſt gewinn' ich nicht; 
Drum nicht an ihn verweiſe mich, mein Annchen. 


Anne. 
Doch ach! was dann? 
enton. 


Sei nur einmal du ſelbſt. 
Er wendet ein, ich ſei zu hoch von Abkunft; 
Und weil Verſchwendung mir mein Gut beſchädigt, 
So woll' ichs nur durch ſein Vermögen heilen. 
Dann ſchiebt er andre Riegel mir entgegen; 
Mein vorig Schwärmen, meine wilden Freunde; 
Und ſagt mir, ganz unmöglich dünk' es ihn, 
Daß ich Dich anders liebt', als um dein Geld. 
Anne. 
Wer weiß, er bat wohl Recht? 
Tenton. 
Nein, fteh mir fo der Himmel fünftig bei! 
Zwar Täugn’ ich nicht, daß deines Baters Reichthum 
Der erftie Anlaß meiner Werbung war: 
Doch werbend fand ih dich von höherm Werth 
Als Goldgepräg’, und Beutel wohl verfiegelt; 
Und deines Innern ächte Schäte finds, 
Wonach ich einzig trachte. 
Anne. 
D, Herr Fenton, 
Sucht doch des Vaters Gunſt; o ſucht fie, Lieber, 
Und wenn demüthig Flehn und günſt'ge Zeit 
Ihn nicht gewinnt, — nun dann, — — hört, kommt 
hieher. 
(VFenton und Anne gehn auf die Seite) 


89 Die Infigen Weiber von Windſor. III, 4. 


(Schaal, Shmädhtig und Fran Hurtig fommen) 


Schaal. 
Fallt ihnen in die Rede, Frau Hurtig; mein Better 
ſoll für fich felbft reden. 
Sähmädtig. 
Ich werbe mir einmal ein Herz anfaſſen; Blitz, es 
will nur gewagt feyn. 
Schaal. 
Laß dich nicht angſt machen. 
Schmächtig. 
Rein, ſie ſoll mich nicht angſt machen; davor iſt mir 
gar nicht bange; es iſt nur, daß ich mich fürchte. 


Frau Hurtig. 
Hört einmal; Junker Schmaͤchtig hätte euch ein Wort 
zu ſagen. 
Anne. 
Ich komme. — (zu Fenton) Dieß iſt meines Vaters Wahl. 
O welche Mafſe häßlich ſchnöder Fehle, 
Sieht ſchmuck aus bei dreihundert Pfund des Jahrs! — 
Frau Hurtig. 
Nun, was macht denn der liebe Herr Fenton? Ich 
bitt' euch, auf ein Wort! 
Schaal. 
Da kommt ſie; nun mach' dich an ſie, Vetter; ach, 
Junge, du hatt'ſt einen Vater,... 


Schmächtig. 

Ich hatt' einen Vater, Jungfer Anne, — mein On- 
Tel kann euch hübſche Späße von ihm erzählen: bitt' euch, 
Onkel, erzählt Jungfer Anne 'mal den Spaß, wie mein 
Vater zwei Bänfe aus einem Stalle geſtohlen hat, lie— 
ber Onkel! 

Schaal. 
Jungfer Anne, mein Better liebt euch! — 


Die Infigen Weiber von Windſor. UI, a. SL 


Schmächtig. 
Sa wohl, fo ſehr als irgend eine Franensperſon in 
Gloſterſhire. 
Schaal. 
Er wird euch halten wie eine Edelfrau. 
Schmächtig. 

Ja, wie ſichs ein Menſch wünſchen kann; aber unter 

dem Stande eines Squire. 
Schaal. 

Ein Witthum von hundert und funfzig Pfund wird 
er euch ausſetzen. 

Anne. 

Lieber Herr Schaal, laßt ihn für ſich ſelbſt werben. 

Schaal. 

Ei wahrhaftig, ich danke euch; ich danle euch für 
den guten Troſt. — Sie ruft euch, Better; ich will eu 
allein laſſen. 

Anne. 

Nun, Herr Schmädtig? 

Schmädtig. 
Nun, liebe Jungfer Anne? 
Anne - 
Was ıft euer Wille? 
Shmädtig. 

Mein Wille? Mein letzter Wille?! O GSapper- 
mentchen! das iſt ein hübſcher Spaß, mein Seell Mei- 
nen Willen babe ich noch nicht aufgefeßt, Gott fer Dank 
nein, fo eine kraͤnkliche Ereatur bin ich noch nicht, dem 
Himmel ſei Dank! 

Anne. ‚ 
Ich meine, Herr Schmächtig, was ihr von mir wollt? 
Schmächtig. 

Mein Seel, ich für meine Perſon, ich will wenig 
oder nichts von euch. Euer Vater und mein Onkel ha— 
bens in Gang gebracht: wenns mir beſcheert iſt, gut, 

IX. 6 


82 Die Infligen Weiber von Windſor. IH,4. 


wenns mir nicht befcheert it, — nun, wers Glück bat, 
führt die Braut heim. Die fünnen euch erzählen, wie’s 
gekommen ift, befier als ich. Fragt einmal enern Vater; 
bier kommt er. 


(Page tritt auf mit feiner rau) 


Page. 
Nun, mein Herr Schmaͤchtig? Lieb’ ihn, Tochter Anne. — 
Ei, was iſt das? Was macht Herr Fenton hier? 
Ihr Fränft mich, daß ich euch fo oft Hier finde; 
Ich fagt’ euch, Herr, mein Kind fer ſchon verfprochen. 
| Fenton. 
Nun, mein Herr Page, ſeid nicht ungeduldig. 
Frau Page. 
"Lieber Herr Fenton, laßt das Mädchen gehn, 
Page. 
Sie ift euch nicht beftinmt. 
Kenton. 
Wollt ihr mich hören? 
Page. 
Nein doch, Herr Fenton. 
Kommt jetzt, Herr Sthaal, fomm mit, Sohn Schmächtig, 
komm! 
Da ihr Beſcheid wißt, kränkt ihr mich, Herr Fenton. 
(Page, Schaal und Schmaͤchtig ab) 
Frau Hurtig. 
Spyrecht mit Frau Page. 
Fenton. 
Liebſte Frau Page, weil ich für eure Tochter 
So lautre Abfiht heg' und treu Gemüth, 
Muß ich, unhöflich dieſem Schelten trotzend, 
Borwärts die Fahne meiner Liebe tragen, 
Und nimmer weichen; gönnt mir euern Beiſtand. 
Anne. 
D Mutter, gebt mich nicht dem Narrn zur Fran! 


Die Infigen Weiber von Windſor. I, a. 83 


Frau Page. 
Ich wills auch nicht; ih weiß ’nen beffern Mann. 
Frau Hurtig. 
Das ift mein Herr, der Herr Doctor. — 
Anne, 
Ach, Lieber grabt mich doch Iebendig ein, 
Und werft mich. tobt mit Rüben. 
Frau Page. 
Geh, mach’ dir Feine Sorge. Hört, Herr Fenton, 
Ich will euch Feindin nicht noch Freundin feyn; 
Das Mäpchen frag’ ich erft, wie fie euch liebt, 
Und wie ichs finde, lenk' ich meinen Sinn. 
Bis dahin lebt mir wohl; — fie muß nun gehn, 
Sm ſchilt der Vater uns. 
(Frau Page und Anne gehn ab) 
Fenton. 
Lebt wohl denn, werthe Fraul leb wohl, mein Annchen! 
Frau Hurtig. 
Das hab' ich gemacht. — Nein, ſagt' ich, wollt ihr 
euer Kind an ſo 'n Narın wegwerfen und an fo 'n 
Doctor? Seht euch einmal den Herrn Fenton an! Das 


hab' ich gemacht. 
Fenton. 


Ich dan?’ dir; und ich bitt' Dich, noch heut Abend 
Gieb Annchen diefen Ring. — Rimm das für dich. 
(Geht ab) 
Frau Hurtig. 

Nun, der Himmel ſchenke dir feinen Segen! Ein 
liebreiches Herz hat er, unfer Eins Tiefe ja gern durchs 
euer und Waffer für fo ein Liebreihes Her, — Aber 
ih wollte do, daß mein Herr Zungfer Anne befäme, 
ober ich wollte, daß Herr Schmädhtig fie befäme, — ober, 
mein Seel, ich wollte, daß Herr Fenton fie befäme. Ich 
will für alle drei thun, was ich kann: denn das hab’ ich 
veriprochen, und ich will auch ehrlich Wort halten; aber 

6 L 3 


84 Die luſtigen Weiber von Winpfor. II, & 


recht fpeciftfch dem Herrn Fenton. — Nun, jet muß ich 
ja noch mit einem andern Gewerbe von meinen beiden 
Frauen zu Sir John Falſtaff; was fürn Schaaf bin ich, 
fo was zu vertröbeln! (Sie geht ab) 


Sünfte Scene. 
Simmer im Bafthofe zum Hoſenband. 
(88 treten auf Falſtaff und Bardolph) 


Falſtaff. 
Bardolph, ſag' ih, — 
Bardolph. 
Hier, Herr. 
Falſtaff. 


Geh, hol mir ein Quartier Sekt; leg ein Stück ge⸗ 
röftet Brod hinein. — (Bardolph ab) Mußte ich das er- 
Ieben, daß man mich in einem Wafchforb wegtrug, wie 
eine Tracht Kaldaunen vom Metzger, und mich in bie 
Themfe warf? Meiner Treu, wenn mir noch einmal fo 
mitgefpielt wird, fo foll man mir das Gehirn ausneh- 
men und es in Butter braten, und es einem Hunde zum 
Neujahrsgeſchenk geben. — Die Schurken ſchmiſſen mich 
in den Fluß und machten nicht mehr Umftände, als hät- 
ten fie die blinden Jungen einer Hündin erfäuft, funf- 
zehn auf einen Wurf; und man kann mirs an meiner 
Statur anfehn, daß ich eine gewilfe Behendigkeit im Un⸗ 
terfinfen habe; wäre der Grund fo tief wie bie Hölle, 
ich müßte hinunter. Ich wäre ertrunfen, wäre nicht das 
Ufer ſeicht und fandig gewefenz ein Tod, ven ich verab- 
ſchenel denn das Waffer ſchwellt den Menſchen auf; und 
was für eine Figur wäre aus mir geworben, wenn ich 
ins Schwellen gerathen wäre? Ich wäre ein Gebirg 
von einer Mumie geworben! — 


Die Iufigen Weiber von Windſor. I,5 85 


(Bardolph kommt zurüd mit dem Wein) 


Bardolph. 
Hier iſt Fran Hurtig, Herr, die euch ſprechen will. 
Salftaff. 

Komm her, Laß mich etwas Sekt zu dem Themfen- 
waſſer fchütten, denn mein Bauch iſt fo kalt, als hatt 
ich Schneebälle wie Pillen verſchluckt, um die Nieren ab⸗ 
zufühlen. — Ruf fie herein. 

Bardolph. 

Komm herein, Fraul — 


(Frau Hurtig kommt) 


Frau Hurtig. 
Mit Vergunſt, — ich bitt' um Verzeihung! — ich 
wünſch' Euer Gnaden einen guten Morgen, — 
Salftaff. 
Nimm die Reldhgläfer weg; geh, braue mir eine 
Flaſche Sekt und fänberlich. 


Bardolph. 
Mit Eiern, Sir? 
Falſtaff. 
Simpel, ohne Zuſatz; ich will keinen Hühnerſamen 
in meinem Gebräu. — Nun? 
Fran Hurtig. 
Ach, lieber Sir, ich komme zu Euer Gnaden von 
der Frau Fluth, — 
Falftaff. ⸗ 
Frau Fluth! Ich habe genug von der Fluth ge— 
koſtet! Man hat mich hineingeworfen in die Fluth; ich 
habe den Bauch voll von Fluth. 
Frau Hurtig. 
Ach, lieber Gott, das arme Herz kann ja nichts da⸗ 
für, Sie hat ihre Rente recht heruntergemacht; bie haben 
ihre Srrigirung falfch verſtanden. 


86 Die Infligen Weiber von Windſor. IL5. 


Falftaff. 

Und ich die meine, daß ich auf das Berfprechen eines 

albernen Weibes baute. 

Frau Hurtig. 
Mun gut; jet Iamentirt fie drum, Sir, daß es euch 
das Herz umkehren würde, wenn ihre anfühlt. Ihr Mann 
geht heut Morgen auf den Bogelheerd, fie erfucht euch, 
ihe möchtet noch einmal zwifchen Acht und Neun zu ihr 
fommen; ich fol ihr Hurtig Antwort bringen, fie wird 
euch ſchadlos Halten, das verfichr” ich euch. 
Falſtaff. 

Nun, ich will ſie beſuchen, ſag ihr das, und laß ſie 
bedenken, was der Menſch ſei, laß ſie ſeine Schwachheit 
erwaͤgen, und dann mein Verdienſt beurtheilen. 

Frau Hurtig. 
Ich wills ihr ſagen. 
Falſtaff. 
Das thu. — Zwiſchen Neun und Zehn ſagſt du? — 
Frau Hurtig. 
Acht und Neun, Sir. 
Falſtaff. 
Gut, geh nur, ich werde nicht ausbleiben. 
Fran Hurtig. 
Friede ſei mit euch, Sir! (Sie geht ab) 
Salftaff. 

Mich wundert, daß ich nichts vom Heren Bach höre; 
er ließ mir fagen, ih möge zu Haufe bleiben; — fein 
Gold behagt mir wohl! — O, hier kommt er. — 


( Fluth Eommt) 


Fluth. 
Gott grüß euch, Sir. 
Falſtaff. 
Nun, Herr Bach? ihr wollt wohl hören, was zwi⸗ 
ſchen mir und Fluth's Frau vorgefallen iſt? 


Die Inftigen Weiber von Bindfor. IM, 6. 87 


Fluth. 
In der That, Sir John, darum kam ich her. 
Falſtaff. 
Herr Bach, ich will euch nichts vorlügen: ich war 
in ihrem Hauſe zur beſtimmten Stunde. 
Fluth. 
Und wie gings euch da? 


Falſtaff. 
Sehr unglückſeliger hen, Herr Bach. 


uth. 
Wie fo, Sir? Henberte fie ihren Entfchluß? 
Falſtaff. 

Nein, Herr Bach; aber der jämmerliche Cornuto, 
ihr Mann, Herr Bach, der in einem ewigen Allarm von 
Eiferſucht lebt, kommt mir juſt im Anugenblick unfrer 
Schäferſtunde, nachdem wir einander umarmt, geküßt, 
uns ewige Liebe geſchworen, und fo zu ſagen, ben Pro⸗ 
Iogus unfrer Comöbie recitirt hatten, und ihm auf dem 
Fuß ein ganzes Rudel feiner Sameraben, rottirt und 
herbeigefchleppt durch feinen Aberwig, um fein Haus, — 
denkt einmal! — nad feiner Frauen Liebhaber zu durch⸗ 


fuchen. 
Fluth. 
Was, während ihr noch da wart? 
Falſtaff. 
Während ih da war. 
Flut. 
Und fuchte er nach euch und konnte euch nicht finden ? 
Salftaff. 

Ihr follt hören. Das gute Gläck fügte es fo, daß 
eine gewiffe Frau Page hereinkommt, und Fluths An⸗ 
tunft meldet; und auf ihre Erfindung, und bei der Ver⸗ 
gweiflung der Frau Fluth, ſteckten fie mich in einen 
Waſchkorb. 


SB Die Infigen Weiber von Windſor. DL 


Flut. 

Ya einen Waſchlorb! 

Falftaff. 

Ya, in einen Waſchkorbz bepackten mich mit ſchmutzigen 
Hemden und Schürzen, Soden, ſchmutzigen Strümpfen und 
fhmierigen Tifchtüchern; wahrhaftig, Herr Bach, es war 
die abfchenlichfte Compofition von nieberträchtigem Ge- 
Hanf, die je ein Geruchsorgan entrüftet. 

Fluth. 
Und wie lange lagt ihr darin? — 
Falſtaff. 

O, ihr ſollt hören, Herr Bach, was ich ausgeflan- 
den habe, um dieſe Frau zu eurem Beſten zum Böſen 
zu verleiten. Nachdem ich ſo in den Korb eingepfercht 
war, wurden ein Paar von Fluth's Kerlen, ſeine Knechte, 
von ihrer Frau herbeigerufen, um mich als ſchmutzige 
Wäſche auf die Datchetwieſe zu tragen; fie nahmen mich 
auf die Schultern, begegneten dem eiferfüchtigen Kerl, 
Ihrem Herrn, in ber Thür, der fie ein paarmal fragte, 
was fie im Korbe hätten? — ich zitterte vor Furcht, der 
verrüdte Kerl möchte nachfuchen, aber das Fatum, das 
einmal befchloffen hat, ex folle ein Hahnrei werden, hielt 
feine Hand zurüd. Nun gut, weiter ging er als‘ Spion, 
und fort ging ih als ſchmutzige Waͤſche. Aber habt 
Acht auf das, was jebt folgt, Herr Bach: ich erlitt die 
Dual dreier verfchiedener Todesarten, erftlich eine uner- 
träglihe Furcht, von dem eiferfüchtigen, verfaulten Leit- 
hammel entdeckt zu werben; zweitens, im Cirkel gefrümmt 
zu liegen wie eine gute Klinge im Umfreife eines Vier- 
telſcheffels, Heft an Spite, Sohle an Kopf; und endlich, 
verkorkt zu feyn, wie ein ſtarker Aquavit, mit ſtinkendem 
Leinzeng, das in feinem eignen Fette gohr; denkt eu 
nur, ein Mann von meinen Nieren, benft nur, — der 
fo wenig Hiße verträgt, als Butter: en Mann, der in 
ewigem Aufthauen und Evaporiren lebt; es war ein 


Die Infigen Weiber von Windſor. II, s. 89 


Bunder, dem Erſticken zu entgehn. Und im Siedepunkt 
dieſes Bades, als ich fehon über die Hälfte in Fett ge- 
fhmort war wie ein hofländifches Gericht, in die Themfe 
geworfen zu werben, und glühend heiß in der Fluth ab- 
zufühlen wie ein Hufeiſen, — denkt euch nur, zifchend 
heiß, — denkt nur, Herr Bach. 

Fluth. 

In allem Ernſt, Sir, es thut mir leid, daß ihr um 
meinetwillen das Alles ausgeſtanden. Mein Prozeß iſt 
alſo verloren? Ihr macht euch wohl nicht zum zweiten 
Male an ſie? — 

Falſtaff. 


Herr Bach, ich will mich in den Aetna werfen laſſen, 
wie ich in bie Themſe geworfen bin, eh’ ich fie fo ver- 
laffe. Ihr Mann ift diefen Morgen auf die Vogelbeize 
gegangen, ich habe vie Botfchaft zu einem zweiten Stell« 
bishein von ihr; zwifchen Acht und Neun iſt die Stunde, 
Herr Bach. 

Flut. 

Es ift ſchon Acht vorbei, Sir. 

Salftaff. 

Wirklich? Nun fo geh ich auf meinen Poſten. Kommt 
zu mir, ſobald's euch eben gelegen ift, und ihr werbet 
oon meinen Siegen hören, und die Krone von Allem fol 
feyn, daß fie euer wird. Lebt wohl. hr follt fie be- 
fiten, Herr Bach; Herr Bach, ihr ſollt dem Fluth Hör- 
ner aufſetzen. (Geht ab) 

| Flut, 

Hm! — Hal — Iſt das eine Erfheinung? Iſts 
ein Traum? Schlaf ih? Freund Fluth, wach auf, 
wach auf, Freund Fluth; es iſt ein Loch in deinem beften 
Rod, Freund Fluth. Das fommt vom Heirathen! Das 
kommt davon, Linnen und Wafchlörbe zu haben! Nun, 
die Welt foll erfahren, wie's mit mir ſteht; ich will den 
lockern Zinten jest ſchon faffen; er ıft in meinem Haufe, 


90 Die Infigeu Beiber von Windſor. IV, 1. 


‘er kann mir nicht entgehn, es iſt nicht möglich, Daß ers 
fönnte; er kann doch nicht in eine Pfennigbüchfe Friechen, 
oder in eine Pfefferdoſe; aber damit der Teufel, der ihn 
ſchützt, ihm nicht durchhilft, will ich auch Die unmöglichen 
Pläge durchſuchen. Ich kann zwar nicht dem entgehn, 
was ich einmal bin; aber daß ich bin, was ich nicht ſeyn 
möchte, ſoll mich nicht zahım machen. Wenn ich Hörner 
habe, die Einen toll machen kömen, fo will ich dem 
Sprichwort Ehre machen und horntoll feyn. (ab) 





Bierter Aufzug. 


Erſte Scene. 
Zimmer der Frau Bage. 
(Frau Page, Iran Hurtig und Wilhelm treten auf) 


Frau Page. 
Iſt er ſchon in Fluth's Haufe, was meinſt du? 
Frau Hurtig. 
Ganz gewiß iſt er jetzt dort, oder er kommt gleich 
Hinz aber wahrhaftig, er iſt ganz feparat toll, daß man 
ihn ins Waſſer gefchmiffen bat. Frau Fluth laͤßt euch 
bitten, gleich zu ihr zu kommen. 
Frau Page 
Gleich will ich bes ihr feyn, ich will nur meinen 
Heinen Dann bier in die Schule bringen. — Sieh, ba 
fommt fein Schulmeifter; ’8 ift ein Spieltag, wie ich ſehe. — 
(Sir Hugh Evans kommt) 
Nun, Sir Hugh? — Fein Schultag deut? — 


Die Infligen Weiber von Windfor. IV, 2. 91 


Evans. 

Rein; Herr Schmädtig hat Kintern zum Spiel Per⸗ 
miffionen Tefepen. 

Frau Hurtig. 

Ah, das rechtſchaffne Herz! 

Frau Page. 

Sir Hugh, mein Mann fagt, mein Sohn lernt nit 
das Geringfte aus feinem Buch; thut ihm doch ein Paar 
Tragen aus feinem Donat. 

Evans. 
Komm ber, Wilhelme; halt Kopf Trate; komm ber! 
Frau Page. 

Luſtig, Junges halt den Kopf grade; antworte dei- 

nem Lehrer; fürchte dich nicht. 
Evans. 

Wilhelme! Wie viel fann man numeri im nomen 
hape? — 

Wilhelm. 

Zwei. 

Frau Hurtig. 

Dummheit! Zwei Kannen im Ohm? Achtzig we- 
nigflens. 

Evans. 

Still ta euer Keplapper. — Was beißt Tulend, 
Wilhelme ? 

Wilhelm. 

Virtus. 

Frau Hurtig. 

Wirthshaus? da pflegts doch nicht immer fehr tu- 
gendhaft herzugehn. 

Evans. 

Ihr feit kanze Einfältigkeiten, ich pitt' euch, ſtill. 
Bas ifcht Lapis, Wilhelme? 

Wilhelm. 
Ein Stein. 


9% Die Iufigen Weiber von Windſor. IV, L 


Eyans. 
Und was ifcht alfo ein Stein, Wilhelme? 
Wilhelm. 
Ein Riefel. 
Evans. 


Rein, 's iſcht Lapis; erinnere tas in teinem Hirn- 
kaſten, Wilbelme, ich pitte dich. 


Wilhelm, 

Lapis. 

Evans. 

Tas iſcht, Tuter Wilhelme. Was iſcht tas, Wil- 
helme, wovon man Articulos porkt? — 

Wilhelm. 

Articuli werben geborgt vom Pronomen, und fol- 
gendermaßen beclinist: Singulariter, nominativo, hic,, 
haec, hoc. 

Evans. 

Nominativus, hic, haec, hoc; pitt tich, Fiep Acht: 
Kenitivo, hujus; nun, wie iſcht num casus accusativus? 
Wilhelm, 

Accusativo, hinc. 

Evans, 

Ich pitt tich, hap teine Pewußthaftigleiten pei ein- 

anter, Kint; Accusativo: hinc, hanc, hoc. 
Frau Hurtig. 

Hing, Hang, Hang? J das ift ja eine Sprade für 

Spitzbuben und Galgen. 
Evans, 

Ihr feit wahrhaftife Plautertafchen, Frau. — Was 
iſcht casus Focatifus, Wilhelme? 
| Wilhelm. 

O! vocativus, o. 
Evans. 
Peſinne tich, Wilhelme, Focatifus caret. 


Die InBigen Weiber von Windſor. IV,i. 93 


Fran Hurtig. 
Natürlih, wenn er nicht am Galgen hängt, karrt 
fo’n Vocativus. 


Evans. 
Fran, hepe tich weil — 
Fran Page. 
Stil — 
Evans, 


Bas ifcht taun Teeclination des Kenitivus im Plurali, 
Wilhelme? 
Wilhelm. 
Des zweiten Falls? 
Evans. 
Ya, tes zweiten Falls, oter tes Kenitif. 
Wilhelm. 


Genitif: horum, harum, horum. 


Fran Hurtig. 

Sälimm genug mit der Geſchichte vom erſten Fall; 
muß der Junge auch noch von einem zweiten hören? 
Und was heißt das, wenn ihr fprecht, ſo'n Fall geh nit 
tief? — Und erzählt ihm da von Huren und von ihren 
Haaren und Ohren? 

Evans. 

Shäm tir tech, Frau! — 

Fran Hurtig. 

Ihr thut übel, daß ihr dem Kinde ſolche Sachen 
beibringt; lehrt ihr da zu boden und zu hecken, als wenn 
er das nicht zeitig genug von felbft thun würde; und 
nach Huren zu fchrein, ſchämt euch! 

Evans. 

Weib, pifcht tu nicht Mondſuchten? Haft tu wirk- 
lich fein Mitwiffen von der Tekkelnation und ihren Fel- 
len? Tu pifcht fo aperwitziges Kefchöpf unter alle Ehrifch- 
tenmenfche, als man nur wünfche kann. 


94 Die luſtigen Weiber von Windſor. IV, 2. 


Fran Page. 

Schweigt doch fill, Re Hurtig. 

Evans, 

Safe mir nun noch etwas, Wilhelme, von ter Pie- 
funf ter Praenominum. 

Wilhelm, 

Ah Gott, die habe ich vergeflen. 

Evans, 

Es ifcht ki, kae, kot; wann tu verkeſſen haſcht teine 
kis, teine kaes und teine kotts, fo ſollft tu kotts jammer- 
liche Ruthe pekomme. Jetzt keh nur hin und ſpiele, keh. 

Frau Page. 
Er hat doch mehr gelernt, als ich gedacht habe. 
Evans. 

'S iſcht kuther, anſchlakhaftiker Kopf. Kott pefob- 

len, Frau Page. 
Frau Page. 
Lebt wohl, lieber Sir Hugh. — Junge, geh nach 


auſe. Kommt, wir warten zu lange. 
banſ g (Sie gehn ab) 


Zweite Scene 
Zimmer in Fluth's Haufe | 
(Balftaff und Fran Fluth treten auf) 
Falftaff. 
Fran Fluth, ener Kummer hat mein Leid aufgezehrt. 
Sch febe, ihr fein voll frommer Rüdfiht in eurer Liebe, 
und ich verfpreche euch Erwiedrung bis auf die Breite 
eines Haars; nicht allein, Frau Fluth, in der gemeinen 
Hfliht der Liebe, fondern in allen ihren Ornamenten, 
Ausftaffirungen und Ceremonien. Aber fein ihr jebt vor 
enerm Dann recht fiher? 
Frau Flut. 
Er ift auf der Bogelbeize, lieber Sir John. 


Die Inftigen Weiber von Windſor. IV, 2 95 


- Fran Page. (drangen) 
He dal ho! Gevatterin Fluth! He, hollal — 
Frau Flut. 
Tretet in die Kammer, Sir John.  CBalflaff ab) 
(Frau Page fommt) 
Frau Page. 
Nun, wie flehts, mein Kind, wer iſt außer euch im 


Haufe? 

Frau Fluth. 

Ei, Niemand, als meine Leute. 
Frau Page. 

Wirklich? 
Frau Fluth. 

Nein, im vollen Ernſt! — (leiſe) Sprich lauter! 
Frau Page 

Nun, das freut mich ja, daß ihr Niemand hier habt. 
Frau Fluth. 


Frau Page. 

Ei, Frau Fluth, euer Mann hat wieder ſeine alten 
Schrollen; er macht da ſolchen Lärm mit meinem Mann, 
Tchimpft fo auf alle Ehemänner, flucht fo auf alle Eva’s- 
töchter, von welcher Farbe fie auch feyn mögen, und giebt 
fi ſolche Püffe vor die Stirn, und fchreit dabei: Wachſt 
heraus! Wachſt heraus! — daß alle Tollheit, bie 


Wie fo? 


ich noch je erlebt Habe, nur Sanftmuth, Zahmheit und. 


Geduld gegen diefe feine jetzige Raſerei if. Ich bin 
froh, daß ihr den fetten Ritter nicht hier habt. 
Frau Fluth. 
Wie, fpricht er von ihm? 
Frau Page. 

Don Niemand, als von ihm: und ſchwört, er fei 
das letzte Dial, als er ihn gefucht, in einem Korbe her⸗ 
ausgefchafft, verſichert meinem Dann, jest fei er bier, 
und bat ihn und feine übrige Geſellſchaft von ihrer Jagd 


j 


A 
96 Dielufligen Weiber von Windfor. IV, 2. 


abgerufen, um einen zweiten Berfuch feiner Eiferfucht 
anzuftelen. Aber ich bin froh, daß Der Ritter nicht bier 
it, nun foll er feine Thorheit inne werden. 
Frau Fluth. 
Wie nah iſt er, Frau Page? — 
Fran Page 
Ganz dicht, am Ende der Straßes er muß gleich 


ba feyn. | 
Frau Flut, 
Ich bin verloren! ver Ritter iſt bier. 
Tran Page. 

Nun, fo wirft du aufs Aeußerſte beſchimpft, und er 
iſt ein Kind des Todes. Was das für eine Frau iſt! 
Fort mit ihm! Fort mit ihm! Lieber Schimpf als 
Mord! — 

Frau Fluth. 

Wo ſoll er Hin? Wie ſoll ich ihn fortſchaffen ? 

Soll ich ihn wieder in den Korb fledien ? 
(Falftaff kommt herein) 
Salftaff. 

Nein, ich will nicht wieder in ben Korb. Kann ich 

nicht Hinaus, eh’ er Tommi? — 
Fran Page. 

Ah drei von Herrn Fluths Brüdern halten mit 
Piſtolen Wache an der Hausthür, daß Keiner entwifchen 
möge; fonft Fönntet ihr wegfchleichen, eh’ er käme. — 
Aber was macht ihr denn hier? — 

Falſtaff. 

Was ſoll ih anfangen? Ich will in den Schorn- 

ftein binauffriechen. 


Frau Fluth. 
Da ſchießen ſie immer ihre Vogelflinten ab; triecht 
ins Ofenloch. 
Falſtaff. 


Wo iſt es? 


Die Infligen Weiber von Windfor. W,2. 97 


Fran Fluth. 

Er wird auch da fuchen, glaubt mir! Da iſt weder 
Schrank, Koffer, Kiſte, Lade, Brunnen, noch Keller, von 
denen er nicht das Verzeichniß im Kopfe führt und fie _ 
nach der Lifte durchgehn wird. Hier im Haufe könnt 
ihr euch nicht verſtecken. | 

Salftaff. 

Sp will ih hinaus. 

Frau Fluth. 

Wenn ihr in eurer eignen Geftalt hinausgeht, fo 
feid ihr des Todes, Sir John, ihr müßt verfleidet Kin- 
ausgehen. Wie könnten wir ihn wohl verkleiden? — 

Fran Page. 

Ab, liebe Zeit, das weiß ich nicht. Kein Weiber- 
rock wird weit genug für ihn feyn, fonft Fönnte er einen 
Hut auflegen, ein Backentuch umthun, einen Kragen über- 
hängen und fo entkommen. 

Salftaff. 

Riebfte Engel, denkt euch etwas aus; Tieber Alles 
verfügt, als ein Unglüd. 

Frau Fluth. 

Die Muhme meiner Magd, die dicke Frau aus Brent⸗ 
ford, hat einen Rock oben. 

Frau Page. 

Auf mein Wort, der wird ihm paſſen. Sie iſt ſo 
dick als er; und da iſt auch ihr Schlapphut und Baden⸗ 
tuch. Rennt hinauf, Sir John. 

Frau Fluth. 

Eilt, eilt, liebfter Sir John! Frau Page und ih 

wollen nach Leintüchern für euern Kopf fuchen. 
Frau Page. 

Gefhwind, geſchwind, wir wollen gleich kommen, 

und euch anfleiven. Zieht derweil ven Rod an, 


_ (Falſtaff geht Hinauf) 
IX. j 7 


GB Die Infiigen Weiber von Windfor. IV, 2. 


Frau Fluth. 

Ich hoffe, mein Mann begegnet ihm in biefem Auf- 
zuge; er kann das alte Weib von Brentforb nicht aus- 
ſtehn; er fihwört, fie fei eine Hexe, hat ihr das Haus 
Yerboten und gebroht, fie durchzuffopfen. 

Frau Page 
Der Himmel führe ihn zu deines Mannes Prügel, 
und der Teufel führe bernach den Prügell — 
Frau Fluth. 
Kommt denn mein Dann wirkfid ? 
Frau Page. 

Sa, in allem Ernſt; und fpricht noch dazu vom 

Korbe, wie ers nun auch erfahren haben mag. 
Frau Fluth. 


Das müſſen wir herausbringen, denn ich will meine 


Leute beftellen, daß fie den Korb wieder hinaustragen - 


und ihm an der Thür begegnen, wie das lebte Mal. 
Frau Page. 

Recht, aber er wird den Augenblid da feyn; komm 
mit, wir wollen ihn anfleiden wie Die Hexe von Brentford. 
Frau Fluth. 

Ich will erſt meinen Leuten Beſcheid fagen, was fie 
mit dem Korbe anfangen follen. Geh hinauf, ich will 
ihm gleich die Leinentücher bringen. 

Frau Page 
An den Balgen mit dem unverfihämten Knecht! Wir 
Tonnen ihm nicht übel genug mitfpielen. 

Dur unfer Beifpiel Ieucht’ es Allen ein, 

Ein Weib kann Iuftig und doch ehrlich feyn. 

Spaß iſt nicht Ernſt; wohl fprach ein weifer Mund: 

Das ftillfte Waffer hat den tiefflen Grund. 

(rau Fluth und Frau Page ab) 
(Die Knechte fommen mit dem Waſchkorb) 
Erfter Knecht. 
Komm, nimm ihn auf. 


Die Iußigen Weiber von Windfor. IV, 2. 99 


Zweiter Rnedt. 
Der Himmel gebe, daß uicht wieder ein Ritter brin 
ſtecke! 
Erſter Knecht. 
Das hoff' ich nicht; ich wollte lieber eben ſo viel 
Blei tragen. 


(Es kommen Fluth, Schaal, Page, Evans und Cajus) 


Fluth. 

Gut; wenns aber wahr iſt, Herr Page, wie wollt 
ihrs dann rechtfertigen, daß ihr mich als Narren behan⸗ 
delt? — Seht den Korb nieder, Schurfen! — Ruf mir 
einer meine Frau, — Prinz im Korbel — O ihr Tupp- 
leriſchen Schurken, — es iſt ein Eomplott, eine Partei, 
eine Verſchwörung wider mich; nun fol der Teufel be- 
fhämt werden! Heda, Kran, fag’ ich! komm, komm ber- 
aus; fieh nur, was für artige Wäfche du auf die Bleiche 
ſchickſt! — 

Page. 


Nun, das geht zu weit! Herr Fluth. Ihr dürft 
nicht laͤnger frei umhergehn, man muß euch in Ketten 
legen. | 

Evans. 

Ei, das ifcht wahre Mondſuchten, das iſcht fa tal 
als toller Hund! 

Sqaal. | 

In der That, Herr Fluth, das iſt nicht recht, in ber 
That nicht. 

(Tran Fluth fommt) 
Fluth. 

Das ſag' ich auch. Kommt einmal her, Frau Fluth, 
— Frau Fluth, die ſittſame Frau, das tugendhafte Weib, 
das ehrbare Gemüth, das den eiferſüchtigen Narren zum 
Manne hat! Ich habe keinen Grund zum Arowohr, 
nicht wahr? — 

7 * 


100 Die Infligen Meiber von Windfor. IV, 2. 


Frau Fluth. 
Der Himmel fei mein Zeuge, daß du feinen haft, 
wenn du mir eine Untreue zutrauft. 
Fluth. 
Recht ſo, eiſerne Stirn, führe das nur ſo durch. 
Heraus mit dir, Burſch! — 
(Er reißt die Wäſche aus dem Korb) 
Page. 
Das gebt zu weit! — 
Frau Flut. 
Shämft du dich niht? Laß doch das Zeug in 


Ruh! — 
Fluth. 
Gleich werd' ich dich finden. 
Evans. 
Das ſeyn Unvernunften! Wollt ihr eurer Frauen 
Kleider aufnehmen? Kommt doch weg! — 
Fluth. 
Schüttet den Korb aus, ſag' ich! — 
Frau Fluth. 
Aber lieber Mann, — — — 
Fluth. 
Herr Page, ſo wahr ich ein Mann bin, ward geſtern 
Einer in dieſem Korbe aus meinem Haufe geſchafft; 
warum könnt' er nicht wieder darin ſtecken? In meinem 
Hanfe ift er gewiß, meine Kundſchaft ift ficher, mein 
Argwohn if gegründet; werft mir alle Wäfche heraus. 
Frau Fluth. 
Wenn du Jemand drin finveft, fo ſollſt du ihn tobt 
machen, wie einen Floh. 
Page. 
Hier iſt Niemand. 
Schaal. 
Bei meiner Cavaliersparole, das iſt nicht recht, Herr 
Fluth, das bringt euch keine Ehre. 


Die Iufligen Weiber von Windfor. IV, 2. 101 


Evans. 
Herr Fluth, ihr müßt peten, und nicht tenen Phan- 
taflereien eures Herzens folfen; tas feyn Eiferfuchten. 
Fluth. 
Nun gut, hier iſt er nicht, den ich ſuche. 
Page. 
Nein, und ſonſt nirgend, als in euerm Gehirn. 
Fluth. 

Helft mir nur dießmal mein Haus durchſuchen, wenn 
ich nicht finde, was ich ſuche, verlange ich keinen Firniß 
für meine Schwäche; ihr ſollt mich auf ewige Zeiten zu 
euerm Tifchgefpött machen; die Leute ſollen von mir fa- 
gen, fo eiferfüchhtig als Fluth, der den Galan feiner Frau 
in einer hohlen Wallnuß ſuchte. Thut mie noch einmal 
ven Gefallen; noch einmal geht mit mir auf das Su⸗ 


hen ans, 
Frau Fluth. 


Heda, Frau Page! fommt doch mit der alten Frau 
herunter, mein Mann will ins Zimmer hinauf, 

Fluth. | 

Alte Fran? Was ift das für eine alte Frau? — 

Frau Fluth. 
Run, die Muhme meiner Magd aus Brentford. 
Fluth. 

Die Hexe, die Vettel, die alte ſpitzbübiſche Vettel! 
habe ich ihr nicht mein Haus verboten? Sie hat ein 
Gewerbe hier auszurichten, nicht wahr? Wir find ein⸗ 
fältige Männer, wir merfen nicht, was Alles unter dem 
Borwand des Wahrfagens mit unterläuft. Sie giebt 
fih mit Zaubereien, Befprechungen, Zeichendeuten, und 
andern folchen Schelmereien ab; das Alles geht über 
unfern Horizont, wir wiffen von nichts. Komm herunter, 
dn Here, du Zigeunerin; fomm herunter, fag’ ich. 


102 Die Infligen Weiber von Windfor. IV, 2 


Frau Zluth. 

DO, mein Lieber, füßer Moun| — liebe Herren, laßt 

doch die alte Frau nicht ſchlagen! — 
(Falſtaff kommt in Frauenkleivern, geführt von Traun Page) 
Frau Page. 
Kommt, Mutter Klatſch, Fommt, gebt mir die Hand. 
Fluth. 
Ich will fie klatſchen! Aus meinem Hauſe, du Herel 
— (Schlägt ihn) Du Zigennerin, du Vettel, du Meerfage, 
‚du garfliges Thier! fort mit biel Ich wii dich wahr- 
fagen und befprechen Kehren! — (ſchlagt ihn) 
(Balflaff ab) 
Frau Page. 

Schämt ihre euch nicht? Ich glaube, ihr Habt die 
arme Fran tobt gefchlagen! — 

Frau Flut. . 

Wahrhaftig, das wirb er noch thun, das wird bir 
recht viel Ehre bringen, 

Fluth. 
An den Galgen wit ver Hexel — 
Evans, 

Hei meiner Treu, ich Haupe, tas Weib ifcht wahr- 
baftige Here; ich hap's nicht Fern, wann Weipspilt kro— 
Ben Part hat, ich ſah kroßen Part unter ihrem Packentuch. 

Fluth. 

Wollt ihr mitkommen, meine Herrn? Ich bitt' euch, 
bommt mit; ſeht nur einmal zu, wie meine Eiferſucht 
ablaufen wird. Wenn ich dießmal ohne Fährte anfchlage, 
fo traut mir nie wieder, wenn ich den Mund aufthue. 

Page. 

Laßt uns feiner Griffe noch ein wenig nachgeben; 
fommt, ihr Herren. 

(Sie gehn ab) 
Fran Page. 
Wahrhaftig, er hat ihn ganz erbärmlich geprägelt. 





Die Infligen Weiber von Windſor. WV, 103 


Frau Fluth. 

Nein, beim Himmel, das hat er nicht, er ſchlug ihn 

ganz erbarmungsios, wie mir ſchien. 
Frau Page. 

Der Brügel foll geweiht und in der Kirche aufge- 

Hängt werben; er hat ein verbienftliches Werk gethan. 
Frau Fluth. 

Bas meint ihr, konnen wir wohl als ehrliche Frauen 
und mit gutem Gewiſſen ihn noch weiter mit unfrer 
Rache verfolgen? — 

Frau Page. 

Der Teufel ber Lüfternheit iſt gewiß gang ans ihm 
Gerandgebannt; wenn er dem Satan nicht durchaus ver⸗ 
fallen iſt, mit Handgeld und Neukauf, fo denk’ ich, ver⸗ 
fucht ers nicht wieder, ung zum Böfen zu verführen. 

Fran Flut, 

Sollen wire unfera Männern fagen, wie wir ihm 
mitgeſpielt haben? 

Frau Page. 

Ja, auf alle Weiſe; wär's auch nur, um deinem 
Mann die Fratzen aus dem Kopf zu ſchaffen. Wenn ſie 
es übers Herz bringen können, ben armen untugendlichen 
dien Ritter noch ferner zu plagen, fo wollen wir ihnen 
wieder die Dand dazu bieten. 

Frau Flut. 

Ich wette, fie werben ihn noch öffentlich befchimpft 
haben wollen, und mir fcheint auch, der Spaß wäre nicht 
vollſtaͤndig, wenn er nicht Öffentlich befchimpft würde. 

Gran Page. 

Komm nur gleich in die Schmiede damit, ehe das 

Eifen kalt wird. (Sie gehn ab) 


104 Die Iufligen Weiber von Windſor. IV, 3. 4. 


Dritte Scene 
Gafthof zum Hofenband. 
(Wirth und Bardolph treten auf) 


Bardolph. 

Herr, die Deutſchen verlangen drei von euren Pfer— 
den; der Herzog ſelbſt kommt morgen an den Hof, und 
fie wollen ihm entgegen reiten. 

Wirth. 

Was für ein Herzog follte das feyn, der fo insge-- 
heim anfommt? ch habe nichts von ihm bei Hofe ge— 
hört. Sch muß felbft mit den Leuten reden; fie fprechen: 
doch englifch? 

Bardolph. 


Herr, ich will ſie euch rufen. 
Wirth. 

Sie ſollen meine Pferde haben, aber fie müſſen mir 

dafür blechen; ich will fie zwiebeln. Sie Haben mein 

Hans eine ganze Woche Iang inne gehabt; ich habe alle 

meine andern Gäſte abgewiefen; nun follen fie daran, ide 
will fie zwiebeln. (Sie gehn ab) 


Vierte Scene. 
Fluths Hans. 
(88 fonmen Page, Fluth, Frau Page, Frau Flut 
und Evans) 

Epans. 

S iſcht fo kroße Tugendwerthigkeit von Fran, als 
ich —** ankekucket hape. 

Page. 

Und ſchickte er euch die beiden Briefe zur ſelben Zeit 


Die Infligen Weiber von Winpfor. IV, 4 105 


Frau Page. - 
In der nämlichen PViertelftunde. 

Fluth. 
Bergieb mir, Frau; hinfort thu', was bu willſt. 
Die Sonne werb’ ich eh der Kälte zeihn, 
Als dich des Leichtfinns. Deine Ehre wurzelt 
Ber dem, der. eben noch ein Ketzer war, 
So feft als Glaube. 

Page. 

Gut, fehr gut; nicht mehr. 
Treib nicht die Unterwerfung jebt fo weit 
As die Beleid’gung. — 
Doch, führen wirs zu Ende; laß die Frau'n 
Noch ein Mal, uns zum allgemeinen Scherz, 
Den alten fetten Burſchen berbeftellen, 
Daß wir ihn fangen und ihn derb verfpotten. 
Fluth. 

Kein beſſ'res Mittel giebts, als ihren Plan. 

Page. 
Was! ihn beſtellen ſolln ſie in den Park 
Um Mitternacht? Ei, geht, er kommt uns nie. 

Evans. 

Ihr ſagt, er ſei in die Kewäſſer keworfen und er- 
paͤrmlich mit Schlaͤken pehantelt als alte Franz mir pe- 
tünft, er müffe feyn voller Angftbaftigfeit und Schred- 
niß, tas er nicht werte kommen; mir fcheint, fein Fleiſch 
ifcht Tezüchtigt und wird aplaflen von aller pöfen Luſcht. 

Page, 
Das dene ich auch. 

Frau Fluth. 
Sinnt ihre nur, was ihr thun wollt, wenn er fommt, 
Wir beid’ erfinnen fehon, ihn berzufchaffen. 

Frau Page. 
Man Hat ein Mährlein, daß der Jäger Herne 
(Bor Alters Förfter Hier im Windſorwald), 


106 Die Tufligen Weiber von Windfor. TV, 4. 


Im ganzen Winter jede Mitternacht 
Um eine Eiche geht mit großen Hörnern. 
Dann fehädigt er den Baum, behext das Vieh, 
Verwandelt trächt’ger Kühe Milch in Blut, 
Und raffelt mit der Kette wild und gräufich. 
Ihr Alle Hörtet von dem Spuf, und wigt, - 
Daß unfre fhwarhen, abergläub’fchen Alten 
Die Mähr vom Jäger Herne fo überfamen, 
Und unfrer Zeit als Wahrheit überliefert. 
Bage. 

Ya wohl; noch giebt es Manchen, der fich ſcheut, 
In dunkler Nacht fih Herne’s Baum zu nahen. 
Doch wozu ſoll's? 

Frau Fluth. 


Nun feht, dieß ift der Plan: 
Daß Falſtaff an der Eich’ ung treffen fol, 
Berfappt wie Herne, mit großem Hirſchgeweih. 
Page. 
Wohlan, wir zweifeln nicht, er ſtellt fich ein, 
Und in der Tracht; doch, wenn er angelangt, 
Was fol mit ihm gefchehn? Was habt Ihr vor? 
Grau Page 
Auch das iſt abgerevet. Hört nur weiter. 
- Mein Heiner Sohn und meine Tochter Aunchen, 
Und drei, vier andre Rinder Heiden wir 
Als Zwerge, Feen und Elfen, grün und weiß, 
Wachskerzen auf dem Kopf als Feuerkronen, 
Und Klappern in der Hand; dann ſolln ſie ploͤtzlich, 
Wenn Falftaff, fie und ich ung juſt gefunden, 
Aus einer Sägegrub’ hervor fich flürgen 
Mit gellendem Gefang. Sobald fie nahn, 
So fliehn wir beide mit Entfeben fort; 
Dann _fchließen fie im Rreife rings ihn ein, 
Und zwiden, Seen gleich, den fanbern Ritter, 
Und fragen, wie ers wagt, auf heil'gen Pfaden 





⸗ 


Die Infiigen Weiber von Windfor. V, 4. 107 


Der Eifen mädt’ge Spiele zn entweihn 
In niedrer Hülle! 
Frau Fluth. 


Bis ers eingefteht, 
Laßt die vermeinten Kern ihn tüchtig kueipen, 
Und mit ben Kerzen brennen, 
Kran Page. 
Iſts zu Ende, 
Dann zeigen wir uns AM, enthörnen ihn, 
Und fpotten ihn nach Haus. 
Fluth. 
Man muß die Rinder 
Sorgfältig üben, fonft gelingt es nie. 
Evans. 

Ich werte ten Rintern ihr Petrafen einlehren, und 
will mir auch wie ein Dansaff Tepärten und ten Ritter 
mit Karzern prennen. 

Fluth. 
Vortrefflich! Ich will gehn und Masten kaufen. 
Frau Page. 
Mein Annchen ſpielt der Feien Königin; 
Wir kleiden ſchmuck fie in ein weiß Gewand. 
Page. 
Den Atlas kauf' ich ihr; und mittlerweil 
Entführt Herr Schmächtig Annchen ſich, und läßt 
Sich traun zu Eton. Schickt fogleich zu Falfleff! — 
Fluth. 
Nein, ich geh' ſelbſt, als Bach, noch einmal zu ihm; 
Er theilt mir Alles mit; gewiß, er kommt. 
Frau Page. 
Seid unbeſorgt; ſchafft allen Zubehör 
Und Putz für unfre Fein. 
Evans. 

Wir wollen kleich tran kehn; tas ſeyn allerliepſte 
Erkoͤtzlichkeiten und prafe Schelmſtückchen. 

(Bage, Fluth und Cvaus ab) 


108 Die Infligen Weiber von Bindfor. IV, 5. 
Frau Page. 

Geht, Fran Fluth, 
Lat ihn die Hurtig fragen, ob er kommt. 

( Frau Fluth ab) 
Ich will zum Doctor; er empfing mein Wort, 
Und Keiner wird mir Annchen’s Mann, als er. 
Schmädtig hat Güter zwar, doch iſts ein Tropf; 
Den wünſcht vor Allen ſich mein Mann zumeift. 
Cajus ift reich, und feine Freunde gelten 
Bei Hofe viel; drum unfer Eidam fei er. 
Und kämen auch noch taufend beff’re Freier. 

(Geht ab) 


Sünfte Scene. 
Gaſthof zum Hofenbande. 
(Der Wirth und Simpel treten auf) 


Wirth. 

Was willſt ou, Bauer? Was giebts, Didkopf? 
Sprich, perorire, trag vor; kurz, raſch, friſch, flinkl — 
Simpel. 

Ach Herr je, Herr, ich ſoll etwas an Sir John Zal— 
ſtaff von Herrn Schmächtig beſtellen. 

Wirth. 

Hier iſt ſein Zimmer, ſein Haus, ſeine Burg, ſein 
großes Bett und ſein Feldbett; rund herum die Hiſtorie 
vom verlornen Sohn gemalt, friſch und nagelnen; geh, 
klopf und ruf, er wird dir Antwort geben in anthropo⸗ 
phagianifcher Manier. Klopf, fag’ ich bir. 

Simp el. 

S iſt eine alte Frau, eine dicke Freu zu ihm auf 
die Stube gegangen; ich will ſo frei ſeyn, und warten 
Herr, bis ſie herunter kommt; eigentlich habe ich der 
etwas zu ſagen. 





Die Iufligen Weiber von Windfor. IV, 5. 109 


Wirth. 

Hal eine die Frau? der Ritter Tönnte beflohler 
werden; ich will rufen. Rodomont! Sir John Eifen- 
herz! Sprich ans deiner Bruft, der Triegstapfern! — 
Bi du da? Dein Wirth iſts, dein Ephefier, der 


dir ruft. 
(Balftaff oben) 
Salftaff. 
Was giebts, mein Gaſtwirth? — 
Wirth, 


Hier iR ein tartarifcher Bohemier, der auf die Her- 
niederfunft deiner dicken Frau harrt. Entlaß fie, Rodo⸗ 
mont, entlaß fie; meine Zimmer find Wohnfiße ver Ehre; 
pfui! Heimlichfeiten? pfui! 

(Falſtaff kommt) 
g Salftaff. 

Allerdings, mein Gaſtwirth, war eben eine bide 

Frau bei mir, allein jest ift fie fort. 
Simpel. 

Sagen Ener Gnaden mir doch, wars rich die kluge 

Frau aus Brentford? — 
Falſtaff. 

Freilich war ſie's, Muſchelſchale; was wolltſt du 
mit ihr? 

Simp el. 

Mein Herr, Sir, der Junker Schmächtig hat nach 
ihr geſchickt, Sir, weil er ſie über die Gaſſe gehn ſah, 
um zu erfahren, ob ein gewiſſer Nym, Sir, der ihn um 
eine Kette betrogen hat, die Kette hat oder nicht. 

| Salftaff. 
Ich Habe mit ihr davon gefprochen. 
j Simpel. 
Run, und was fagt fie, Sir? — 
Salftaff. 
Nun, fie fagt, daß eben derſelbe Menfch, der Herrn 


110 Die Iufigen Weiber von Windſor. 'IV, 5 

Shmädtig um feine Kette beirog, ihn auch baum 

prellte. | 
Simpel. 


Ich wollte, ich hätte die Frau ſelber ſprechen kön⸗ 
nen, ich hatte noch über allerlei Dinge mit ihr zu reden 


von ihm. 

Falſtaff. 

Nun, worüber denn? Laß hören. 
Wirth. 

Ja, mach geſchwind. 
Simpel. 

Es darf aber nicht occult bleiben. 
Falftaff. 

Mach es occult, oder du ftirbfil — 
Simpel. 


Nun, Herr, es war bloß wegen Jungfer Anne Page: 
obs wohl meines Herrn Glück wäre, fie zu befommen 
oder nicht? 


Salflaff. 

'S if, 's if fein Glück. 
Simpel. 

Was, Sir? j 
Salftaff. 


Sie zu befommen over nicht. Geh nur, fag, das 
hätte die Frau mir anvertraut. 
Simpel. 
Darf ich ſo frei ſeyn, und das ſagen, St? 
alftaff. 


Ya, Kerl, fo dreift du immer willſt. 
Simpel. 
Ich danf’ Euer Gnaden, ich werde meinem Herrn eine 
rechte Freude machen mit diefen Zeitungen. (Geht ab) 
Wirth, 
Du bift ein Gelahrter, Sir John; du biſt .ein Ge⸗ 
lahrter. Iſt denn eine kluge Fran bei dir geweſen? — 


Die Infigen Weiber von Windſor. IV,5. 111 


Falſtaff. 

- 3a, das iſt fie, mein Gaſtwirth; eine, die mir mehr 
Weisheit beigebracht bat, als ich jemals in meinem Le- 
ben gelernt; und noch dazu habe ich nichts dafür bezahlt, 
fondern ich warb obendrein für mein Lernen bezahlt. 

(Bardolph kommt) 
Bardolph. 
Ach, Herr Je! Ach, Herr! Spitzbüberei, pure 
Spitzbübereil — 
Wirth. 


Wo find meine Pferde? Laß mic Ontes von ihnen 
hören, briccone! — 

Bardolph. 

Davon gelaufen find fie mit den Spitzbuben: denn 
als wir eben jenfeits Eton waren, fo fohmiffen fie mich 
rũcklings hinter dem einen herunter in eine Dredpfüße: 
und nun bie Sporen gegeben, und fort wie drei deutſche 
Teufel, drei Doctor Fauſtuſſe. 

Wirth. 

Sie wollen ja nur dem Herzog entgegen, Schurfe: 
ſprich nicht gleich von Davonlaufen: bie Deutfchen find 
ehrliche Lente. 

(Evans fommt) 
Evans. 
Wo iſcht mein Herr Kaftwirth. 
Wirth. 
Was giebts, Sir Hugh? 
. Evans. 

Hapt Opacht auf eure Rundfchaftungen: 's ifcht ku⸗ 
ter Freund von mir zur Stadt Tommen, ber fait, es 
feien trey teutfche Tiebs-Prüter anfelanft, tie hätten in 
Reatinks, Maitenheat und Coleproof mit tem Kelt und 
ten Räulen ihrer Wirthe Brüterfhaft kemacht. Ich er⸗ 
zähle euch tas aus futem Herzen, ſeht ihr; ihr hapt Ver⸗ 
fand und feit voller Streiche und Kimpelfchaften, und 


112 Die lufigen Weiber von Windſor. IV,5. 


es wäre nicht Tepürlich, wann man euch prellte, Rott pe⸗ 


hüt' enhl — (Geht ab - 
(Doctor Eajus kommt) 
Cajius. 
Wo is mon höte de la jarretiere ? 
Wirth. 


Hier, Herr Doctor, in Eonflernation und Dilemma 

zweifelhaft. - 
Eajus. 

Ik weißen nif, was tas feyn; aber man kommt, mif 
fu fagen, daß ihr malen eine groß Preparation vor ein 
Erfog von Allemagne: auf mein Hehe, da is Fein Erfog, 
was man weiß bei 'Of, der kommen: — if fagen das 
Haus guten Erzen: adieu. (ab) 

Wirth. 

Schrei Mord und Zeter, Schurke, lauf! helft mir, 
Ritter, ich bin verloren: — lauf, eil dich, ſchrei, mach 
Lärmen, Schurke: Ich bin verloren! — (ab) 

Falſtaff. 

Ich wollte, die ganze Welt würde geprellt, denn ich 
bin geprellt und geprügelt dazu. Sollte dieſe Metamor⸗ 
phoſe dem Hof zu Ohren kommen, und wie meine Ber- 
wandlungen gewafchen und gewalkt worben find, fie 
fchmölzen mich aus meinem Fett heraus, Tropfen bei 
Tropfen, und ſchmierten Fifcherftiefel mit mir: ich wette, 
fie geißelten mich mit ihrem flachlichten Wis, bis ich ein- 
gefchrumpft wäre wie eine Backbirne. Mein Stern iſt 
son mir gewichen, feit ich beim Primero falſch gefchwo- 
ren: wahrhaftig, hätt’ ich nur Athem genug, um ein 
Gebet zu fprechen, fo wollt’ ich bereuen. (Krau Hurtig 
kommt) Nun, woher kommſt du? — 

Fran Hurtig. 
Mein Seel, von beiden Parteien. 
| Falftaff. 
Hole der Teufel die eine Partei, und feine Groß- 


. 





Die Infigen Beiber von Windſor. IV,5. 113 


mutter bie andre, fo haben fie Beide, was ihnen zufommt. 
Ich habe mehr um ihretwillen gelitten, ja, mehr als der 
nichtswürdige Unbeftand menſchlicher Kräfte zu ertragen 
vermag. 

Fran Hurtig. 

Und haben file denn nichts gelitten? Ja, das ver- 
ſichre ich euch, befonders bie eine: — Frau Fluth, die 
arme Seele, ift braun und blau gefchlagen, daß man kei⸗ 
nen weißen Fle an ihr fehen Tann. 

Balftaff. 

Was ſchwatzeſt du mir von braun und blau? Mir 
ſelbſt find alle Karben des Regenbogens angeprügelt, und 
ih war drauf und bran, ale die Here von Brentford 
eingeftedt zu werben; hätte ich mich nicht durch die be- 
wundbernswürbige Gewandtheit meines Witzes gerettet, 
indem ich die Geberben eines alten Weibes nachahmte, 
fo Hätte ver Schurfe von Eonflabel mich in ben Block 
geſetzt, in ben Stadtblock, wie eine Hexe. 

Fran Hurtig. 

Sir John, laßt mich anf euerm Zimmer mit euch 
reden; ihr ſollt hören, wie bie Sachen ſtehn, und das 
verfichre ich euch, ihr follt eure Freude dran haben. Hier 
iſt ein Brief, der ſchon was fagen wird. Ihr Tieben 
Kinder, was das für eine Noth if, euch zufammen zu 
bringen! Wahrhaftig, einer von euch muß dem Himmel 
nicht recht dienen, weils euch immer fo fchief geht. 

Falſtaff. 


Komm hinauf in mein Zimmer. (Sie gehn ab) 


1X. 8 


114 Die Iufigen Weiber von Windſor. IV, 6. 


Sehste Scene. 
Ebendaſelbſt. 
(Der Wirth und Herr Fenton treten auf) 


Wirth. 
Laßt mich gehn, Herr Fenton; ich bin ganz miß— 
müthig, ich mag mich um nichts kümmern. — 
Fenton. 
So hör' mich nur. Hilf mir in meinem Plan, 
Und auf mein Ehrenwort, ich zahle baar 
Dir hundert Pfund in Gold, mehr als dein Schade. 
Wirth. 
Ich will euch anhören, Herr Fenton, und will euch 
wenigftens reinen Mund halten. 
Fenton. 
Bon Zeit zu Zeit hab’ ich dir ſchon erzählt, 
Wie Sehr ich unfer ſchönes Annchen Liebe: 
Und fie erwiedert gleihfalls meine Neigung 
(Sp weit fie felber für fich wählen darf) 
Nach Herzenswunſch. Sie fchrieb ein Briefchen mir 
Bon folhem Inhalt, daß dichs wundern wird. 
Der Spaß verknüpft fih fo mit meiner Sache, 
Daß keins von beiden einzeln deutlich wird, 
Erklär' ich beides nicht. Der dicke Falftaff 
Hat eine große Scene: lies umftändlich 
Den Plan des Scherzes hier. Nun, liebſter Wirth, 
Bei Herne’s Eiche, grab’ um Mitternacht, 
Tritt Annchen auf als Feenkönigin; 
Weshalb, das findft du Hier. In diefer Maske, 
Derweil noch andrer Spaß im Schwange geht, 
Befiehlt ihr Vater, fol fie insgeheim 
Mit Schmächtig fort fich fehleichen, und in Eton 
Si trauen Iaffen: fie Hat eingewilligt. 


Die Infligen Weiber von Windſor. IV,6. 115 


Nun, Freund, 
Die Mutter, diefer Heirath ganz entgegen, 
Und eifrig für den Doctor, hat im Sinn, 
Daß der fie gleichfalls heimlich weg ſoll fehlen, 
(Weil Spaß und Luſt der Andern Sinn zerftreut), 
Und in der Dechanei ſich trauen laſſen, 
Wo fihon ein Priefler harrt. Dem Plan der Mutter 
Scheinbar gehorfam Hat fie au dem Doctor 
Ihr Wort gegeben. Nun verhält ſichs fo: 
Der Bater will, daß fie fich Fleiv’ in Weiß; 
Und in der Tracht, wann Schmächtig feine Zeit 
Sich auserfehn, foll fie die Hand ihm geben, 
Und mit ihm gehn. Die Mutter aber fordert, 
Um beffer fie dem Doctor zu bezeichnen,. 
(Denn Altes fol vermummt feyn und masfirt) 
Daß Hübfeh in Grün ein weites Kleid fie ſchmücke, 
Mit weh’nden Bändern, flatternd um das Haupt; 
Und find’t der Doctor die gelegene Zeit, 
Soll er die Hand ihr kneipen: auf den Winf 
Verſprach das Mädchen, mit ihm fortzugehn. 
Wirth. 
Und wen betrügt fie? Vater oder Mutter? 
Fenton. 
Nun, beide, Freund, und geht davon mit mir. 
Und jetzt das Hauptſtück. Schaffe du den Pfarrer 
Uns in die Kirche, zwiſchen Zwölf und Eins, 
Der mit der Ehe heil'gem Siegel ung 
Die Herzen unauflöslich ſoll vereinen. 
Wirth. 
Gut, fördert euern Plan: ich geh’ zum Pfarrer; 
Bringt nur die Braut, am Priefter ſolls nicht fehlen. 
Tenton. | 
So werd’ ich dir auf ewig dankbar feyn 
Und außerdem. noch veich Dich erſt befchenten. 
" (Sie gehn ad) 
8 * u 


116 Die Infiigen Weiber von Windſor. IV, 7. 


Siebente Scene 
Ebendaſelbſt. 
(Falſtaff und Fran Hurtig treten auf) 
Falſtaff. 

Bitt' dich, kein Geplauder mehr: es bleibt dabei. 
Das iſt das dritte Mal; ich hoffe, die ungrade Zahl 
bringt Glück. Fort, geh: man ſagt, die ungrade Zahl 
ſei eine heilige bei Geburt, bei Schickſalen und beim 
Sterben. Fort! — 

Frau Hurtig. 

Ich beſorg' euch eine Kette; und ich will thun, was 

ich Tann, euch ein paar Hörner zu verfchaffen. 
Salftaff. 
Fort, fag’ ich, die Zeit verläuft. 
(rau Hıntig gebt ab) 
Halt den Kopf in die Höhe und mache dich niedlich! — 
( Fluth kommt) 
Nun, Herr Bach? — Herr Bad, heut Nacht muß bie 
Sache zu Stande fommen, oder nie. Seid nur im Parf 
um Mitternacht bei Herne’s Eiche, und ihr ſollt Wun⸗ 
ber fehn. 
Fluth. 


Gingt ihr nicht geſtern zu ihr, Sir, wie ie n mir 

fagtet, e8 fei verabrebet? — 
Falftaff. 

Ich ging zu ihr, Here Bach, wie ihr mich feht, als 
ein armer, alter_ Mann; aber ich Fam von ihr, Herr 
Bach, wie eine arme, alte Frau. Diefer verdammte 
Schurke Fluth, ihr Mann, iſt beſ eſſen vom liſtigſten tollen 
Teufel der Eiferſucht, der je einen verrückten Kopf re— 
giert hat. Hört nur! er hat mich jämmerlich durchge—⸗ 
prügelt in der Geſtalt eines Weibes: denn in der Ge— 





Dielnfigen Weiber von Windſor. V,L 117 


Halt eines Mannes, Herr Bach, fürdte ich mich nicht 
vor dem Goliath mit feinem Weberbaum: weil ich wohl 
eingebenf bin, daß das menfchliche Leben nur eine MWe- 
berfpule iſt. Ich Habe Eile; geht mit mir, ich will euch 
Alles erzählen, Herr Bach. Seit ih Gänfe gerupft, die 
Schule gefhwänzt und Kreifel gepeitfcht, wußt' ich nicht, 
was Prügel feien, bis nenlih. — Kommt mit, ich will 
eu feltfame Dinge von dem Schurken, dem Finth er- 
zählen, an dem ich heute Nacht Rache nehmen und euch 
feine Frau in die Hände liefern will. Kommt mit mir, 
wir haben feltfame Dinge vor, Herr Bach! Folgt mir! — 
(Sie gehn ab) 





Sünfter Aufzug. 


no 


Erſte Scene. 
Sm Park von Windſor. 
(Es treten auf Page, Shaal und Shmädtig) 


Page. 
Kommt, fommt, wir wollen im Schloßgraben lauern, bie 
wir das Licht unfrer Feen fehn. Gedenkt eurer Braut, 
Sohn Schmädtig, meiner...» 
Schmädtig. 

Ei natürlich! ich babe mit ihr gefprochen, und wir 
haben ein Merfwort, woran wir einander erfennen. Ich 
gehe zu der in Weiß und fage: Schnipp! fie fagt: 
Schnapp! und dabei Tennen wir einander. 

Schaal. 
Das iſt recht gut: aber was brauchts dein Schnipp 


118 Die Infigen Weiber von Windfor. V, 2. 


und ihr Schnapp? Das Wei macht fie ſchon Tenntlich 
genug. — Es hat Zehn gefchlagen. 


Page. 

Die Nacht iſt finfler, Lichter und Elfen werben fi 
gut ausnehmen. Der Himmel gebe unferm Spaß Ge- 
deihen; Niemand meint es fohlimm, als der Teufel, und 
den fennen wir an feinen Hörnern. Laßt uns gehn; 
kommt mit. (Sie gehn ab) 


Zweite Scene 
Ebendaſelbſt. 
(Es treten auf Frau Page, Frau Fluth und Doctor Cajus) 


Frau Page. 

Here Doctor, meine Tochter iſt in Grün: wenn ihr 
eure Zeit erfeht, faßt fie bei der Hand, fort mit ihr zur 
Dechanei, und machts in aller Schnelligkeit ab. Geht 
voraus in den Park; wir beide müffen zuſammengehn. 

Caijius. 
Ik weiß, was ik 'aben ſu thun: Adieu! (ab) 
Frau Page. 

Lebt wohl, Herr Doctor. Mein Mann wird ſich 
nicht ſo über Falſtaffs Beſtrafung freuen, als er über 
des Doctors Heirath mit meiner Tochter zanken wird: 
aber das thut nichts. Beſſer ein wenig Verdruß als eine 
Menge Herzeleid. 

Frau Fluth. 


Wo iſt denn Annchen und ihr Feentrupp? Und der 

walliſiſche Teufel Evans? — 
Frau Page. 

Sie lauern alle in einer Grube, dicht an Herne's 
Eiche, mit verdeckten Lichtern, die ſie, nachdem Falſtaff 
und wir zuſammen gekommen find, plötzlich in der Dun- 
kelheit werben leuchten lafſen. 


Bun 


Die Inftigen Weiber von Windſer. V, 8.4. 119 


Frau Fluth. 
Das muß ihn durchaus erfchreden. 
Frau Page. 
Erſchreckts ihn nicht, fo wird er gefoppt, und er⸗ 
ſchrickt er, fo wird er um fo viel mehr gefoppt. 
Fran Fluth. 
Wir wollen ihn recht ausbündig verrathen! 
Frau Page. 
Rechtmäßig iſt Verrath und dünkt uns ritterlich, 
Und träf’ er ſolche Löffler noch fo bitterlich. 
Frau Fluth. 
Die Stunde naht: Zur Eiche Hin] zur Eichel — 
(Sie gehn ab) 


Dritte Scene. 
Ebendaſelbſi. 
( Es kommen Sir Hugh Cvans, Feen und Elfen) 


Evans. 

Kommt jetzt anketrippelt, ihr Feen: verkeßt eure 
Rollen nicht: ſeid dreiſt, das pitt' ich euch. Folkt mir 
zur Krupe, und wann ich Stichwort kepe, ſo thut, wie 
euch anketeutet. Kommt, trip! trap! — (Sie gehn ab). 


Vierte Scene. 
Eine andere Gegend des Parks. 
(Falſtaff, mit einem Hirfchgeweih auf dem Kopf, tritt auf) 
Faalſtaff. 
Die Windſorglocke Hat zwölf geſchlagen: der Augen- 
blick rüct heran. Nun, ihr heißblütigen Götter, ſteht 


mir bei: Erinnre dich, Inpiter, wie du für Europa ein 
Stier wurdeſt; Liebe feste bir deine Hörner auf. — DO, 


120 Die Iufigen Weiber von Windſor. V, 4. 


allmaͤchtige Liebe! die auf gewiffe Weile das Vieh zum 
Menfchen macht, und auf andre den Menfchen zum Vieh! 
fo warbft auch du, Yupiter, ein Schwan ans Liebe zu 
Leda. D, allgewaltige Liebel Wie nah ftreifte der Gott 
an die Geflalt einer Sans! — Deine erfie Sünde ver- 
wandelte dich in ein Vieh: fi Jupiter! und für die zweite 
geberveteft du dich als Schwan: — fihwante dir nicht, 
Jupiter, wie nichtsnutzig du warf? — Wenn Götter fo 
hitiges Blut haben, was follen die armen Menſchen an- 
fangen? Ich, meines Theils bin hier ein Windforhirſch, 
und der feiftefte im Forſte, dent’ ih. Schie® mir eine 
fühle Brunftzeit, Zupiter! — Wer kommt hier? Deine 
Hindin? — - 
(Brau Fluth nnd Fran Page fommen) 


Frau Fluth. 
Sir John? biſt du da mein Thierhen? mein aller- 
liebſter Hirſch? — 
Falſtaff. 


Meine ſchlanke Ricke? Nun mag der Himmel Kar⸗ 
toffeln regnen: er mag donnern nach der Melodie vom 
grünen Ermel; er mag Gewürznelken hageln und Mufcat- 
kuchen ſchneien; es erhebe fi ein Sturm von Berfuchun- 
gen: — Hier iſt mein Obdach! — 

Frau Fluth. 
Frau Page ift hier bei mir, mein Herzchen! — 
Falftaff. 

Theilt mich, wie einen Präfenthirfch, jede ein Vier- 
tel: meine Seiten will ich für mich behalten, meine Schul- 
tern für den Wärter diefes Parks, und meine Hörner ver- 
mach’ ich euern Männern. Bin ich ein Weidmann, he? 
Sprech’ ich wie Herne, der Jäger? Diegmal iſt Cupido 
ein Rind, das Gewiffen bat; er bringt Schadloshaltung. 
Sp wahr ich ein ehrlicher Geiſt bin, willlommen! — 

(Lärm, hinter der Scene): 


Die Infigen Weiber von Windſor. V.4. 121 


Frau Page. 
Himmel! welch ein Laͤrm? 
Frau Fluth. 
Gott verzeih' uns unfre Sünden! 
Falſtaff. 
Was kann das ſeyn? 
Frau Fluth und Frau Page. 
Fort! Fort! — (Die Frauen laufen davon) 
Salftaff. 

Ich denfe, ver Teufel will mich nicht verdammt fehe, 
damit das Del, das ich in mir habe, nicht die Hölle in 
Brand ſtecke: fonft kaͤm' er mir nicht fo in die Quer, 
(Eine Menge Elfen und Geifter erfcheinen; unter dieſen Sir 

Hugh und Anne Page. Sie tragen Fadeln und Kichter) 
Seeulönigin. 
Seien, ſchwarz, grün, weiß und grau, 
Ihr Schwärmer in des Mondſcheins feuchtem Than, 
Verwaiſ'te Pflegefinder ew'ger Mächte, 
Thut eure Pflicht, ſchirmt eure heil'gen Rechte! 
Herold Hobgoblin! heiß’ die Feien fchweigen. 
Hobgoblin. 
Ihr Elfen, horcht! Sei ſtill, du Geiſterreigen. 
Heimchen! Du ſchlüpf' in Windſors Eſſen ein; 
Wo noch die Aſche glimmt, der Heerd nicht rein, 
Da kneip' die Magd wie Heidelbeeren blau, 
Denn jeden Schmutz haßt unſre lichte Frau. 
| Salftaff. 
Feen find es: ſpraͤch' ih, wär's um mich gefchehn; 
Drum deck' ich mich: ihr Werk darf Niemand fehn, 
(Sr legt fi) aufs Geſicht nierer) 
Evans. 
Geh Put, und find'ſt du fchlafend eine Magd, 
Die dreimal fleißig ihr Gebet gefagt, 
Der flimme füß den Sinn der Fantaſei. 
Sie ſchlumm're wie die Kindheit forgenfrei. 


122 Die Iufligen Weiber von Winpfor. V,4. 


Doc die entfihlief, der Sünden nicht gedenk, 
Die kneip' an Arm, Bein, Fuß und Handgelenk. 
Feenkönigin. 

Hort, Elfen-Troß, 

Durchſucht von inn’ und außen Windfors Schloß; 

Streut Glück in alle heil'gen Raum’, ihr Feen, 

Daß fie bis an den jüngſten Tag beftehn! — 

In würb’ger Zier, gefund und unverfehrt, 

Der Herrfcher ihrer, fie des Herrfchers werth. 

Die Ordensſeſſel reibt mit Balfamfraft, 

Und jeder edeln Blume würz’gem Saft: 

Der neuen Ritter Tracht, Helmzier und Kleid, 

Und ehrenwerthes Wappen fei geweiht; 

Ihr Wiefenelfen, fingt in nächt’ger Stunde, 

Und gleich dem Knieband frhließt im Kreis die Runde; 

Laßt, wo der Ring fich zeichnet, üpp’ges Grün 

Und frifhern Wuchs als fonft im Feld’ erblühn, 

Und hony soit qui mal y pense malt 

Mit Blütenfchmelz, blau, weiß und roth durchſtrahlt, 

(Wie Perl’ und Sapphir hell in Stickerei'n 

Dem Knie der tapfern Ritter Zierde leihn; 

Denn nur mit Blumenlettern fehreiben Fei'n.) 

Nun fort! hinweg! Doch bis es Eins gefchlagen, 

Laßt den gewohnten Tanz uns nidht verfagen, 

Und Herne, des Jägers, Eiche raſch umfreifen. 

Evans, 

Schließt Hand in Hand, nach unfern alten Werfen: 

Zwanzig Glühwürmer folfn Laternen feyn, 

Zu leuchten unterm Baum dem Ringelreih’n. 

Doch Halt! ich wittr' ein Kind der Mittelwelt! 
Falftaff. 

D Himmel! ſchütz' mich vor dem wälfhen Kobold, 

Daß er mich nicht verhert in ein Stück Käſe. — 
Evans. 

Wurm, den Geburt ſchon niedrig hingeſtellt! 


- 


Die Iufigen Weiber von Windfor. V,4 123 


Feenkönigin. 
Mit Prüfungsfeu'r rührt feine Fingerſpitze, 
Denn ift er keuſch, dann weicht der Gluten Hitze, 
Und’ Taßt ihn unverfengtz doch fühlt er Schmerz, 
Sp dient der Sünde fein verberbtes Herz. 


Evans.. 
Die Probe: — wird das Holz wohl Feuer fangen? 
Salftaff. 
D, o! es 
Feenlönigin. 


Berberbt, verberbt durch fünbliches Verlangen! 
Umringt ihn, Feen! mit fpött’fchen Verfen plackt ihn, 
Und wie ihr ihm vorbeifchweht, Eneipt im Takt ihn! — 
tie». 

Pfui der fünd’gen Fantaſei! 

Pfui der Luft und Buhlerei! 

Luft iſt Feu'r im wilden Blunt, 

Angefacht durch üpp’gen Muth; 

Tief im Herzen wohnt die Glut, 

Und gefhürt wird ihre Wuth 

Bon fündiger Gedankenbrut. 

Kneipt ihn Elfen nach der Neid’, 

Kneipt ihn für die Büberei; 

Kneipt ihn und brennt ihn, und laßt ihn fich drehn, 

Dis Kerzen und Sternlicht und Mondſchein vergehn. 


(Während des Geſanges Fneipen fie ihn. — Cajus fommt 
von der einen Seite und fchleicht mit einer See in Grün da⸗ 
von; Shmädtig von der andern und bolt fi eine Fee in 
Weiß; dann fommt Fenton nnd geht mit JZungfer Anne Page 
ab. Sagdgefchrei hinter ver Bühne; alle Seen laufen davon. 
Falſtaff nimmt fein Hirfchgeweih ab und fteht auf) 


(Page und Fluth mit ihren Frauen treten auf) 
Page. indem er ihn fefthält) 
Rein, lauft nicht fortz wir haben euch ertappt. 
Iſt Herne, der Jäger, eüre lebte Kunſt? 


124 Die Iufigen Weiber von Windſor. V, 4. 


Frau Page. 
Ich bitt' euch, kommt; treibt doch den Scherz nicht weiter. 
Nun Ritter, wie gefall'n euch Windſor's Frau'n? 
Sieh, lieber Mann, paßt nicht der hübſche Kopfſchmuck 
Biel beffer für den Forft als für die Stadt? — 


Fluth. 

Nun, Sir, wer iſt jetzt Hahnrei? Herr Bach, Fal⸗ 
ſtaff iſt ein Schurke, ein hahnreiiſcher Schurke; hier ſind 
ſeine Hörner, Herr Bach; und Herr Bach, er hat von 
Fluth's Eigenthum nichts genoſſen als ſeinen Waſchkorb, 
ſeinen Prügel und zwanzig Pfund in Geld; und die 
müſſen an Herrn Bach bezahlt werden; ſeine Pferde ſind 
dafür in Beſchlag genommen, Herr Bach. 


Frau Fluth. 

Sir son, es ift ung recht unglädtih gegangen, wir 
fonnten nie zufammen fommen. Zu meinem Cavalier will 
ich euch nicht wieder nehmen, aber mein hier ſollt ihr 
immer bleiben. | 

Salftaff. 


Ich fange an zu merken, daß man einen Eſel aus 
mir gemacht hat. 
Fluth. 


Ja, und einen Ochſen dazu; von beidem r ber Be⸗ 
weis augenscheinlich. 
Salftaff. 


Und das find alfo Feine Feen? Drei- oder viermal 
fam mir in den Sinn, es wären feine Feen; und doch 
ftempelte das Bewußtſeyn meiner Schuld, die plößliche 
Betäubung meines Urtheils den handgreiflichen Betrug 
zum ausgemachten Glauben, allem gefunden Menfchen- 
verfiande zum ſchnöden Troß, daß es Feen feien. Da 
feht, wel ein Hanswurſt aus dem Berflande werben 
ann, wenn er auf verhotnen Wegen ſchleicht. 


Die Infigen Weiber von Windfor. V, a. 128 


Evans. 
Sir John Falſtaff, tient Rott, und eutſalt böfer 
Lufcht, fo werden Feien euch nicht kneipen. 
Fluth. 
Wohlgeſprochen, Elfe Hugh. 
vans. 
Und ihr laſcht ab von Eiferſuchten, ich pitte euch! 
Fluth. 


Ich will nie wieder an meiner Frau irre werden, bis 
du im Stande biſt, in gutem Engliſch um ſie zu werben. 
Falſtaff. 

Habe ich denn mein Gehirn in der Sonne gehabt 
und es getrodnet, daß es nicht vermochte, einer fo gro⸗ 
hen Mebertölpelung zu begegnen? Muß mid nun auch 
eine wallififche Ziege anmedern? Muß ich eine Kappe 
von wälſchen Fried tragen? Nun fehlte mir noch, daß 
ich an.einem Städt geröfteten Kaͤſe erſtickte; — 

Evans, 

Käße iſcht nicht zum Puttern zu prauchen; euer Pauch 
ſeyn pure Putter. 

Falſtaff. 


Pauch and Putter! Muß ichs erleben, mic haͤn⸗ 
ſeln zu laſſen von Einem, der das Engliſche radebricht? 
Das iſt genug, um allen Uebermuth und Nachtſchwär—⸗ 
merei im ganzen Königreich in Verfall zu bringen. 

Frau Page. 

Ei, Str John, glaubtet ihr denn, und Hätten wir 
auch alle Tugend über Hals über Kopf aus unfern Her- 
zen herausgejagt, und uns ohne Scrupel der Hölle ver- 
fhrieben, — daß der Tenfel felbft euch für ung Hätte 
reizend machen können? — 

Fluth. 
Solchen Wurſiberg? ſolchen Wollſack? 
Frau Page. 
Solch einen Wulf von Mann? 


126 Die Infigen Weiber von Windſor. V, 4. 


Page. 

Alt, kalt, und von außen und innen unleiblich? 
Fluth. 

Und ſo verlaͤumderiſch, wie der Satan? 
Page. 

Und ſo arm wie Hiob? 
Fluth. 

Und ſo gottlos wie Hiob's Weib? 

Evans. 

Und hinkekepen ter Fleiſchesluſcht, und tene Kelake, 
tem Sekt, tem Wein, tem Meth, tem Saufe und tem 
Raufe, tem Kikel und tem Kakel? — 

Falſtaff. 

Nun ja, ich bin ener Text, und ihr ſeid im Vor— 
fprung, ich bin in der Hinterhand, ich bin nicht im Stande 
dem wallifer Flanell da zu antworten; die Dummpeit 
ſelbſt will mir die Richtſchnur anlegen, macht mit mir, 
was ihr wollt. 

Fluth. 

Ich dächte, Sir, wir führten euch nach Windſor zu 
einem gewiſſen Herrn Bach, den ihr um fein Geld ge- 
preift habt, und dem ihr einen Kupplerdienſt verfpracht. 
Nach Allem, was ihr bisher ausgeflanden habt, wird die 
Rückzahlung des Geldes euch noch der bitterfte Schmerz 


ſeyn. 
Page. 
Demungeachtet, Ritter, ſei guter Dinge. Du ſollſt 
heut Abend in meinem Hanfe einen Nachttrunk befom- 


men, und da magft du meine Frau auslachen, die jebt - - 


über dich lacht. Sag ihr, Herr Schmächtig habe ihre 
Tochter gebeirathet. 
Frau Page. Cbeifeit) 
Die Dortoren bezweifelns noch; wenn Anne Page 
meine Tochter ift, fo ift fie jetzt ſchon Doctor Cajus 
Fran. 


ST 


Die Iufligen Weiber von Windfor. v, 4. 127 


(Schmächtig kommt) 


Schmächtig. 
He! Holla! Holla! Vater Page! — 


Page. 

Sohn, was giebts? Was giebts, Sohn? Haſt 
du's ſchon abgethan? 

Schmächtig. 

Abgethan? Alle hübſchen Leute in Gloſterſhire ſollens 
zu hoͤren kriegen, wahrhaftig, oder ich will mich hängen 
laſſen, ſeht ihr, — 

Page. 


Was iſt denn, Sohn? 
Schmächtig. 

Ich komme da hinunter nach Eton, um Jungfer 
Anne Page zu heirathen; und fo wars ein großer Lüm⸗ 
mel von Jungen. Wenns nicht in der Kirche geweſen 
wäre, da hätt’ ich ihn durchgewichſt, oder er hätte mich 
durchgewichſt. Wo ich nicht gewiß und wahrhaftig 
glaubte, es fei Anne Page gewefen, fo will ich fein 
Glied mehr regen, und da wars ein Junge vom Pofl- 
meifter.. 

Page. 
Nun, wahrhaftig, fo Habt ihr euch vergriffen. 
Schmächtig. 

Was braucht ihr mir das noch lange zu ſagen? 
Freilich vergriff ich mich, als ich einen Jungen für ein 
Mäpdchen nahm Wenn ich ihn geheirathet hätte, mit 
allem feinen Weiberputz hätte ich ihn doch nicht haben 
mögen. 

Page. 

Ei, daran ift eure eigne Thorbeit ſchuld. Sagt’ 
ichs euch denn nicht, wie ihr meine Tochter an ihren 
Kleidern Tennen folltet? — 


128 Die Infligen Weiber von Windſor. V, 4. 


Shmädtig. 

Ich ging zu der in Weiß und fagte Schnipp, und 
fie fagte Schnapp, wie Annchen und ich ausgemacht hat- 
ten; und da wars doch nicht Annchen, ſondern ein Pofl- 
meiſtersjunge. 

Page. 

O ich bin recht verdrießlich; was iſt nun da zu 

machen? | 
Fran Page. 

Liebſter Georg, fer nicht böfe. Ich wußte von 
deinen Plänen, that meine Tochter in Grün an, und 
jest ft fie mit dem Doctor in der Dechanei und fchon 
getraut. 

(Dortor Cajus fommt) 
Cajus. 

Wo ſeyn Madame Page? Pardieu, it feyn geführt 
anz if 'aben geheirath un garcon, heine Jong; un pay- 
san, pardieu, heine Jong; es feyn nit Anne Page, par- 
dieu, if feyn geführt an! — 

Frau Page. 

Was! nahmt ihr nicht die in Grün? 

Eajus. 

Oui pardieu, und es feyn heine Jong; pardieu, if 

will revoltir! ganz Winbfor. (Scht ab) 
Fluth. 

Das iſt ſeltſam! Wer bat nun die recthte Anne 

Page befommen ? 


Page 
. Mir wird ganz fhwül zu Diuth: hier kommt Herr 
Fenton. 
(Fenton und Anne Page treten auf) 
Nun, mein Herr Fenton? — 
Anne 
Berzeibung, lieber Vater! liebe Mutter! 


Die Inkigen Weiber von Windſor. V, 4. 129 


Page. 

Nun, Jungfer, warum folgft du nicht Herrn 
Sdmädtig | 
Frau Page. 

Sag, Mädchen, warum nahmft du nicht den Doctor 

Fenton. 
Ihr macht fie ſchüchtern; Hört den ganzen Hergang. 
Ihr wolltet fie aufs Schimpflichfte vermäßlen, 
Wo fein Berhältniß in der Neigung war. 
Sp wißt denn, fie und ich, ſchon laͤngſt verlobt, 
Sind jetzt fo Eins, daß nichts uns löſen Fann. 
Die Sünd’ ift heilig, die fie heut’ begangen, 
Und ihre Lift verliert des Truges Namen, 
Berletter Pfliht und Findliher Empörung, 
Beil fie dadurch entflohn und vorgebeugt 
Biel taufend böfen und verwünſchten Stunden, 
Die ein erzwungnes Band ihr auferlegt. 

Fluth. 
Seid nicht beſtürzt, hier hilft kein Mittel mehr. 
Dem Himmel muß man Liebesnoth vertrauen, 
Gold ſchafft uns Land, das Schickſal unſre Frauen. 

| Falſtaff. 

Mich freut, daß euer Pfeil vorbei ſtreifte, obgleich 

ihrs recht darauf angelegt hattet, mich zu treffen. 
Page. 
Was ift zu thun! Fenton, nimm meinen Segen; 
Was fchon gefchehn, da Hilft nicht Nein zu fagen. 
Falſtaff. 
Manch Wild ſpringt auf, will man im Finſtern jagen. 
Frau Page. 
Nun wohl, ich will nicht ſchmollen. Lieber Fenton, 
Der Himmel ſchenk' euch viel, viel frohe Tage! 
Komm, beſter Mann, laß uns nach Hauſe gehn 
IX. 9 


130 Die Infligen Weiber von Windſor. V, 4. 


Und am Kamin den Spaß nochmals beladen; 
Sir John und Alle, 
Fluth. 


Wohl geſagt. — Sir John, 
Eu'r Wort an Bach macht ihr nun deunoch gut; 
Er geht zu Bett noch heute mit Frau Fluth. 
(Me gehn ab) 


Titus Andronicus. 


Perſonen: 


Saturninus, Sohn des letzten römiſchen Kaiſers, fpäterhin 
ſelbſt Kaiſer. 

Baſſianus, deſſen Bruder, Liebhaber der Lavinia. 

Titus Androniens, ein edler Römer und Heerführer wider 
die Gothen. 

Marcus Andronicus, Volkstribun, des Titns Bruder. 

Lucius, 

Quintus, 

Marcius, 

Mutius, u . 

Der jüngere Lucius, Lucius Sohn, Titus Enfel. 

Publius, Sohn des Marcus Andronicus. 

Aemilius, römifcher Batricier. 

Alarbus, 

Ehiron, Söhne der Tamora. 

Demetrius, 

Aaron, ein Mohr, Tamora’s Beliebter. 

Ein Hauptmann. 

Ein Tribun. 

Ein Bote. 

Ein Bauer. 

Zamora, Königin der Gothen. 

Lavinta, Tochter des Titus Andronicus. 

Eine Wärterin. 

Ein Mohrenkind. 


Senatoren, Tribunen, Gerichtsdiener, Kriegsleute und andres 
Gefolge. Scene: Rom und die umliegende Gegend. 


Söhne des Titus Andronicue. 


Eriter Aufzug. 


Erſte Scene, 


Rom Bor dem Eapitol. 


(Trompetenftoß. Es erfcheinen oben auf der Bühne Sena: 
toren und Tribunen, wie zur Verſammlung; dann von der 
einen Seite Saturninus mit feinem Gefolge, von der andern 
Baſſianus mit dem feinigen. Trommeln und Bahnen) 

Saturninns. 
Edle Patricier, Schirmer meines Rechts, 
Vertheidigt meinen Anſpruch mit dem Schwert; 
Und ihr, Mitbürger, Freunde werth und trem, 
Werbt mit den Waffen um mein erblich Recht. 
Ich bin def Erfigeborner, den zuletzt 
Geſchmückt Rom’s kaiſerliches Diadem: 
So folge mir des Vaters Würde nach. 
Kraͤnkt meinen Vorrang nicht durch dieſe Schmach. 
Baſſianus. 
Römer, Gefährten, Fördrer meines Rechts! 
Wenn je zuvor Baffianus, Eäfar’s Sohn, 
Rom’s Föniglichem Auge wohlgefiel, 
Beſetzt den Zugang bier zum Capitol, 
Und duldet nicht, dag Unwerth dürfe nahn 
Dem Kaiſerſitz, der Tugend ſtets geweiht, 
Dem Recht, der Mäßigung, dem Edelmuth. 


134 Titus Andronicne 1,1 


Laßt Stimmenmehrheit das Verdienſt erhöhn, 
Und, Römer! kaͤmpft für Freiheit eurer Wahll — 


(Marcus Andronicns oben auf der Bühne, mit der Krone) 


| Marcus. 

Ihr Prinzen, die durch Anhang und Partei’n 
Ehrgeizig ſtrebt nach Herrſchaft und Gewalt; 
Es grüßt das röm'ſche Volk, für das wir flehn 
Mit unfern Freunden, durch einmülh’gen Ruf 
Nah feinem Wahlrecht, als des Reiches Fürft 
Andronicus, der Fromme zubenamt, 
Für fein vielfach und groß Verbienft um Rom. — 
Ein beff’rer Krieger, ein getreu'rer Mann 
Lebt nicht zu dieſer Stund’ in unfrer Stadt; 
Er ift zurüdberufen vom Senat 
Aus heißem Kampf mit den barbar’fchen Gothen; 
Er mit den Söhnen, unfrer Feinde Schreck, 
Bezwang dieß flarfe, Friegsgewohnte Volk. 
Zehn Jahre find es nun, feit er guerfl 
Rom’s Sache führt‘, und flrafte mit dem Schwert 
Der Feinde Hochmuth; fünfmal kehrt' er heim 
Blutig, nah Rom, die tapfern Söhne führend 
Auf Bahren aus dem Feld; 
_ Und nun, zulegt, gefhmüdt mit Ruhmstrophaͤen, 

Zieht diefer warre Titus heim gen Nom, 
Andronicns, der edle Waffenheld. 
Wir bitten euch, bei feines Namens Glanz, 
Den ihr für würdig achtet eures Throng, 
Und den ihr im Senat und Capitol 
"Zu ehren denkt, und vor ihm hinzuknie'n, — 
Entfernt euch jetzt, entfagt der Uebermacht, 
Schickt heim die Freund’, und wie's Bewerbern ziemt, 
Berfolgt in Fried’ und Demuth ew’r Geſuch. 

Saturninug. 

Wie ſchön fpricht, mich zu ſänft'gen, der Tribun! 





Zitns Audronieue. 1, 2. 135 


Baſſianus. 

Mareus Audronicus, ich trau’ fo ſehr 

Auf deinen unbeſtechbar graden Sinn, 

Dich and die Deinen ehr’ und Lieb’ ich fo, 

Den edlen Bruder Titus, feine Söhne, 

Und fie, der unfer Sinn in Demuth neigt, 

Die reizende Lavinia, Zierde Rom’s, — 

Daß ich heim fende meiner Treuen Schaar, 

Und meinem Glück und unfers Volles Gunft 

Vertrau'n will zur Entſcheidung mein Geſuch. 

(Die Soldaten des Baſſtanus gehn ab) 

Saturninus. 

Freunde, bie fo bereit mein Recht geſchirmt, 

Ich dan euch All'n und A entlaß ich euch; 

Und meines Baterlandes Lieb’ und Gunſi 

Bertran’ ich hier mich felbft und mein Geſuch. — 

Rom, fei gerecht, und fo gewogen mir, 

Als ich mit vollem Zutraun neige bir; 

Deffnet das Thor und laßt mich ein! 
Baffianns. 

Auch mid, Tribunen, mit befcheib’nem Flehn! 

(Alle gehn in das Senatsgebäube) 


Zweite Scene. 
Daſelb eſt. 
(Sin Sauptmann tritt auf) 


Hauptmann. 
Römer, macht Play! Andronicns, der Held, 
Der Tugend Borbild, flärkier Kämpfer Rom’s, 
Sieger in allen Schlagten, die er focht, 
ft heimgefehrt, an Glück und Ehre rei, 
Bon wo er unterwarf mit feinem Schwert 
Die Feinde Rom’s, und unters Joch fie führte, 


- 


136 Titus Andronicus. I, 2 


(Trommeln und Trompeten. Dann treten auf Mutius und 
Marcus; nach ihnen zwei Miünner, die einen ſchwarzver⸗ 
hängten Sarg tragen; hierauf Quintus und Luciws, 
Dann folgt Titus Andronicus; nah ihm Tamora mit 
Alarbus, Chiron, Demetrins und andern gothiſchen 
Gefangnen, Soldaten und Gefolge. Der Sarg wird nieder⸗ 
gefeht und Titus fpricht:) 


Titus. 


Heil dir, 0 Rom! Siegprang’ im Trauerkleid! 
Sieh, wie das Schiff, das ablud feine Fracht, 
Mit theurer Ladung heim zum Hafen kehrt, 
Wo e8 zuerft die Anker lichtete, — . 
Sp fommt Andronicus, im Lorbeerkranz, 
Mit Thränen grüßt er feine Heimath neu; 
Mit Thränen wahrer Luft des Wiederſehns — 
Du großer Schirmherr diefes Capitols, 
Sieh gnädig auf des heil’gen Opfers Branch! 
Bon fünfundzwanzig tapfern Söhnen, Rom, 
Hälfte der Zahl von König Priam’s Stamm, 
Schau hier den armen Reſt, lebend und tobt! — 
Mit Lieb’ empfange Rom euch Lebende; 
Euch Todten, die zur letzten Ruhſtatt gehn, 
Schenf es ein Grab in ihrer Ahnen Gruft; 
Hier gönnt der Goth' erft Ruhe meinem Schwert. 
Titus, unliebend, forglos für dein Blut, 
Was duldſt du, daß noch grablos dein Gefchlecht 
Umfchweben muß des Styr grau’nvollen Strand? 
Geh, bette fie bei ihren Brüdern hin! — 

(Das Grab wird geöffnet) 

Dort grüßt euch ſchweigend, wie’s der Todten Brauch; 
Schlaft friedlich, die ihr flarbt fürs Vaterland! — . 
D meiner Rinder Heiliges Gewölb, . 
Geliebtes Wohnhaus echten Edelſinns, 
Wie manchen Sohn Haft du mir fohon entrafft, 
Und hältſt ihn ewig hier in finftrer Haft! — 





Titus Androniens, I, 2. 


Lucius. 
Gieb der gefangnen Gothen ftolzeften, 
Daß wir, die Glieder ftümmelnd, feinen Leib 
Ad manes fratrum opfern in der Glut, 
Bor diefem ird'ſchen Kerfer ihres Staubs! — 
Auf dag nicht ungefühnt ihr Schatten fei, 
Noch uns bedrän’ auf Erden ihr Gefpenft! 
Titus. 
Ich geb' ihn euch, der Feinde trefflichſten: 
Den Erſtgebornen dieſer Königin. — 
Tamora. 
Halt, röm'ſche Brüder! Gnadenreicher Held, 
Siegreicher Titus, ſieh die Thränenflut, 
Die einer Mutter Gram dem Sohne weint! 
Und Tiebteft du jemals die Söhne dein, 
Ach dent, was muß ein Sohn der Mutter feygn! — 
Genügt dire nit, daß man nah Rom uns führte, 
Als deines Einzugs und Triumphes Schmud, 
Gefangne dir und deinem Römer - Joch? 
Muft du den Sohn noch fchlachten auf dem Markt, 
Weh er fürs Baterland mit Muth gefämpft? 
D, dünft der Streit für König und für Bolf 
Euch fromme Pflicht, fo ift ers diefem au: 
Titus, beflecke nicht dein Grab mit Blut; 
Und willſt du der Natur der Götter nahe, 
Nah’ ihnen denn, indem du Gnade übfl, 
Denn gnädig feyn giebt echten Adel und. 
O fchone, Titus, meinen ältften Sohn! — 
Titus. 
Ergieb dich, Fürftin, faß di in Geduld. — 
Hier flehn die Brüder derer, die dein Bolf 
Lebend und todt ſah; den Erſchlagnen heifcht 
Ein Todtenopfer frommes Pflichtgefühl; 
Dem ift dein Sohn beflimmt; fein Top verfößnt 
Der heimgegangnen Schatten Klageruf. 


137 


138 Titus Aubronicus. I, 2. 


Lucius. 
Hinweg mit ihm! Ein Feuer zündet ſchnell; 
Auf einen Holzſtoß laßt uns mit dem Schwert 
Die Glieder ihm zerhan’n, bis fie verbrannt. 
(Mutius, Marcus, Quintus und Lucius gehn mit Alarbus ab) 
Tamora. 
O grauſer, gottverhaßter Todtenbrauch! — 
Chiron. 
War Scythien halb fo blutig je geſinnt? 
Demetrius. 
Vergleiche Seythien nicht dem ſtolzen Rom! 
Alarbus geht zur Ruh, wir leben noch, 
Und zittern vor des Titus zorn'gem Blick. 
So faßt euch, Mutter, aber hofft zugleich, 
Derſelbe Gott, der Troja's Koͤnigin 
Gelegenheit zu bittrer Rache gab, 
An Thraciens Wüthrich in dem eignen Zelt, — 
Gönnt Tamora, der Gotbenkönigin, 
(Wenn Gothen Gothen, ihr die Königin! —) 
Daß fie die Blutfchuld tilgt an ihrem Feind. 
(Lucius, Ouintns, Marcus und Mucius kommen zuräd) 
Lucius, 
Seht, Herr und Bater, treu befolgten wir 
Den röm’fchen Brauch; Alarbus ward zerflüdt, 
Sein Eingeweide nährt die Opferglut, 
Daß Dampf, dem Weihrauch gleich, die Luft durchwürzt. 
Nun fehlt nur noch, die Brüder zu beflatten, 
Und hier in Rom der laute Freundesgruß. 
Titus. 
Alfo gefcheh’ es, und Andronicus 
Sagt ihrem Geift fein letztes Lebewohl. 

(Trompetenftoß, bie Särge werden in bie Gruft geſiellt) 
Schlaft meine Söhne hier in Fried' und Ruhm! 
Rom's muthigſte Vertheid'ger, ruht allhier, 
Geſchirmt vor Leid und Wechſel dieſer Welt! 


Titus Andronicus. I, 2. 139 


Hier lauert fein Berrath, bier ſchwillt kein Neid, 

Wächſt kein verhaßter Zwift, Tem Sturm für eu, 

Kein Lärm: nur Schweigen und ein ew’ger Schlaf; 

In Fried’ und Ruhm liegt, meine Söhne, hier! — 

(Lavinia teitt auf) 

Lavinia. 

In Fried’ und Ruhm, Held Titus, lebt noch laug! — 

Mein theurer Bater, für die Ehre Lebt! 

Au diefem Grab bring ich der Thränen Zoll 

Den Brüdern dar, als lebte Huldigung: 

Und weine knieend dir zu Füßen au 

Der Freude Thränen, weil du heimgefehrt. 

O fegne mich mit deiner Siegerhand, 

Die Beſten Rom's erfreu’n ſich ihrer That. 
Titus. 

O güt’ges Rom, das liebreih aufbewahrt 

Die Stärkung meines Alters, mir zum Troſt! 

Lavinia, überleb’ als Preis der Tugend 

Den Bater in des Nachruhms ew’ger Jugend! 
Marens. | 

Lang’ Iebe Titus, mein geliebter Bruder, 

Als Hohen Triumphater grüßt ihn Rom. 

’ | Titus. 

Dank, mein Tribun, mein edler Bruder Marcus. 

Ä Marcus. 

Willkommen, Neffen, aus glorreiher Schlacht, 

Ihr, die noch lebt, und ihr, die fchlaft in Ruhm. 

She Tapfern, die für eures Landes Wohl 

Das Schwert gezüdt, — eu’r Loos iſt völlig gleich! 

Doc firhrern Glanz beut diefer Leichenpomp, 

Der das erreicht, was Solon Glück genannt, 

Und das Geſchick im Bett des Ruhms befiegt. — 

Titus Andreoniens, das röm’fhe Volk 

( Deß Freund du warft von je nach firengem Recht) 

Schickt dir durch mich, als Anwalt und Tribum, 


140 Titus Andronicne. I, 2. 


Dieß weiße Kleid von unbefledtem Glanz, 

Und nennt für diefes Reiches Kaiſerwahl 

Dich nebft den Söhnen unfres letzten Herrn. 

- Sei Candidatus dann, nnd leg’ es an, 

Und hilf zum Haupte dem hauptlofen Rom. 
Titus. 

Ein beff’res Haupt gebührt fo edlem Leib 

Als meins, das laͤngſt von Schwaͤch' und Alter wanft. 

Wie trüg’ ich dieß Gewand euch zur Beſchwer? 

Ihr wähltet heut mit Iautem Beifall mic, 

Und morgen gäb’ ich Kron' und Leben auf, 

Und ſchafft' euch Allen neue Sorg’ und Noth! 

Ich war dein Krieger, Rom, an vierzig Jahr, 

Und führte meines Bolfes Macht mit Süd, 

Legt’ einundzwanzig tapfre Söhn’ ins Grab; 

Im Kampf erhöht zu Rittern, fielen fie 

In tapfrer Felvfchlacht für des Landes Wohl. — 

Gebt einen Ehrenflab mir altem Mann, 

Kein Scepter reicht mir, das der Welt gebeut; 

Eu’r letzter Kaiſer führt’ es grad’ und fefl. 
Marcus. 

Titus, das Reich erhalt’ und forbre dul — 

Saturninus,. 

Stolzer Tribun, Ehrfücht’ger, fagft du das? 
Titus. 

Geduld, Prinz Saturnin. 

Saturninus, | 
Rom, fhaff mir Recht! — 

Patricier, zieht eu’r Schwert und ſteckts nicht ein, 

Dis Saturninus Kaiſer warb in Nom! 

Andronicus, zur Hölle fahre hin, 

Eh du des Bolles Herzen mir entzieht! — 
Lucius. 

Du ſtolzer Saturnin! du ſtörſt das Wohl, 

Das Titus hochgeſinnt dir zugedacht. 


Titus Andronicue. I, 2, 141 


Titns. 
Sei ruhig, Prinz, die Ienf’ ich wieder zu 
Des Bolfes Gunſt, daß fie den Willen wandeln. 
Baſſiannus. 
Androniens, nicht ſchmeichl' ich jemals bir, 
Do ehr’ ich dich, und will es bis zum Tod, 
Stärfft du mit deinen Freunden meine Macht, 
Werd’-ich höchſt dankbar feyn, und Dank erfcheint 
Dem edlen Mann als ehrenwerther Lohn. 
Titus. 
Ihr, Römer, und. ihr Volfstribunen hier, 
Ih bitt' um eure Stimm’ und gült’'ge Wahl: 
Schenkt ihr fie freundlich dem Andronicne? 
Marcus. 
Dank weihend unferm trefflihen Andronicus, 
Und feiernd feine Heimkehr Hier in Rom, 
Wird den das Volf annehmen, den er nennt. 
Titus. 
Habt Dank, Tribunen. So erſuch ih duch, 
Daß ihr erwählt des Kaiſers ältſten Sohn, 
Prinz Saturninz; deß Tugend, hoff’ ih, Rom 
Beftrablen wird, wie Titan’s Licht die Welt, 
Und Recht und Sitte reifen hier im Staat. 
Drum, wenn ihr wählen wollt nach meinem Rath, 
Krönt ihn und ruft: Lang lebe Saturnin! — 
' Marens, 
Mit Ruf und Beifallszeichen aller Art, 
Patricier und, Plebejer, grüßen wir 
Prinz Saturnin als Rom’s erhab'nen Herrn, 
Und jubeln: Heil dem Kaiſer Saturnin! — 
(Ein langer Trompetenftog, während die oben Berfammelten 
herabfleigen) 
Saturninus. 
Titus Andronicus, für dieſe Gunſt, 
Betreffend unſre Wahl am heut'gen Tag, 


Po 


142 . ‚ Titus Andronicus. 1,2. 


Ertheil' ich dir den Dank, den du ‚verdient, 
Und will durch Thaten lohnen deine Huld. 
Und jebt zum Anfang, Titus, zu erhöhn 
Dein ehrenwerth Gefchlecht und eignen Ruhm: 
Nenn’ ich Lavinia meine Kaiſerin, 
Rom's edle Herrin, Herrin meiner Bruſt, 
Mir anvermählt im heil'gen Pantheon. 
Nun’ Titus, fag, gefällt dir biefes Wort? - 
Titus. 
Es freut mich, würb’ger Fürſt, und im Gemahl 
Bin ich Durch eure Gnade hoch geehrt. 
Und bier, im Auge Rom’s, dem Saturnin, 
Dem König und Gebieter unfers Staats, 
Der weiten Welt Regenten, wer’ ich nun 
Schwert, Siegeswagen und Gefangene, 
Wohl würb’ge Gaben Rom’s erhab'nem Herrn. 
Sp .nimm fie denn als ſchuldigen Tribut, 
Die Ruhmotrophan, zu Füßen dir gelegt. 
| Saturninus, 
Danf, edler Titus, Bater meines Glüds. — 
Wie ſtolz ich fer auf dich und dein Geſchenk, 
Erfahre Rom; und wenn ich je vergaß 
Sp unbegrenzter Dienfte Fleinflen Theil, 
Dann, Rom, vergiß die Treue gegen mich. 
Titns. (zu Tamora) 
Dem Raifer, Fürftin, feid ihr jetzt Gefangne, 
Der eures Rangs und Standes eingedenf, 
Euch und. den Dienern mild begegnen wirb. 
Saturninus. 
Welch reizend Weib! Ihr kann der Preisé nicht fehlen, 
Hätt' ich zu wählen noch, ſie würd' ich wählen. — 
Verſcheucht der Stirne Wolken, ſchöne Frau. 
Warf Kriegesglück auch ener Glück herab, 
Doch kommt ihr nicht nach Rom zu Spott ud Schmach; 
Und Föniglich ſollt ihr gehalten feyn. 


7 
x 


Titus Anbronicus. I, 2. | 143 


Traut meinem Wort, laßt nicht Melancholie 
Den Muth euch dämpfen; der euch teöftet, hebt 
Wohl höher euch als auf den Gothenthron. — 
Lavinia, euch mißfaͤllt nicht, was ich Tprach ? 
Lavinia. 
O nein, mein Fürſt; dein adliges Gemüthe 
Bürgt mir für deines Herzens wahre Güte. 
Saturninus. 
Dank, Jungfrau. Römer, laßt uns alſo gehn; 
Frei ohne Löſung geb’ ich die Gefangnen. — 
Trompet’ und Trommeln fünden meine Wahl! — 
Bafſianus. (Lavinien fafend) 
Titus, vergönnt, die JIungfrau nenn’ ich mein! 
” Titne. 
Wie Prag? Sprecdt ihr im Ernſte diefes Wort? 
Balfianue. 
Ya, edler Titus, und bin feſt gewillt, 
Auf meinem Recht und Anfpruch.zu beſtehn. 
(Man fieht den Kaifer in ſtummem Spiel freundlich mit Ta⸗ 
mora thun) 
Marcus. 
Suum euique, fpridt des Romers Recht, 
Nach Recht verlangt der Prinz, was ihm gebührt. 
Lucius. 
Er wirds und folls, fo Tange Lucius lebt! 
Titus, 
Berräther fort! Wo ift des Kaiſers Wacht? 
Berrath, mein Fürft, Lavinia wird entführt. 
Saturuinus. 
Entführt? wer wagt es? 
Baffianus. 
Der, nah Recht und Fug 
Die Braut vertheid’gend, fie von binnen trug. 
(Baffianus mit Lavinien ab) 


144 Titus Andronicns. I, 2, 


Lucius, 
Helft ihm, ihr Brüder, ungefränft entfliehn! 
Mit meinem Schwert befhüp’ ich diefes Thor. 
* Titus, 
Folgt nur, mein Fürſt, ich führ' ſie bald zurück. 
Mutins. 
Halt ein, o Bater! 
Titus. 
Frecher Knabe, fort! 
Syerrſten mir in Rom ben Weg? 
Mutius. 
Hilf, Lucius, Hilf! — 
(Titus erſticht den Mutius) 
Lucius. 
Ihr thut nicht recht, mein Vater; ſchlimmer noch, 
Ihr ſchlugt den Sohn im ungerechten Streit! — 
Titus. 
Nein, weder du noch ew find Söhne mir; 
Kein Sohn von mir entehrte mich fo fehr! — 
Berrätber, fchaff Lavinia deinem Kaiſer. 
Lucius. 
Todt, wenn ihr wollt, doch nimmer als fein Weib, 
Die eines Andern längft verlobte Braut! — 
Saturninus. 
Nein, Titus, nein! der Kaifer braucht fie nicht; 
Nicht fie, noch dich, noch Einen eures Stammes. — 
Dem könnt' ich traun, der einmal mich verhöhntz 
Dir nicht noch deinen falfchen, ftolzen Söhnen; 
Ihr Alle fein im Bunde mir zur Schmad. 
War Keiner fonft in Rom zum Ziel des Spotts, 
Als Saturnin? Recht wohl, Androniens, 
Stimmt diefes Thun zu deinem Prablerwort, ° 
Daß ich von deiner Hand das Reich erfleht! — 
Titus, 
Entfeplich! Solchen Vorwurf ſprichſt du aus? 





Titus Audronicus. I,2. 145 


Saturninus. 
Nur zul Laß dieß leichtfert'ge Weib nur ziehe 
Mit jenem, der fein Schwert für fie gefchwenft! 
Ein tapfrer Eidam wird bir fo zu Theil, 
Mit deiner Söhne zügellofem Troß 
Unfug zu treiben im Gebiet von Rom! — 
Titus, 
Wie Stacheln trifft dieß Wort mein wundes Herz! 
Saturninus. 
Drum, holde Tamora, der Gothen Fürftin, 
Die gleich der ſtolzen Phöbe unter Nymphen 
Weit überfirablt die fchönften Römerfrau’n: — 
Wenn bi fo ſchnell getroffne Wahl vergnügt, 
Waͤhl' ich dich, Tamora, als meine Draut, 
Und grüße dich als Kaiferin von Rom. 
Sprid, Gothenfürftin, lobſt du meine Wahl? 
Dann ſchwör' ich dir, bei allen Göttern Rom's, 
Weil Priefler und geweihtes Wafler nah, 
Die Fadel flammt, und jeber heil’ge Brauch 
Für Hymenäus Feier flebt bereit: — 
Ich will nicht wieberfehn die Straßen Rom's, 
Noch des Palaſtes Schwelle, führ’ ich nicht 
Als anverlobte Braut dich beim von bier. 
Tamora, 
Und vor des Himmels Antlitz ſchwör' ih Rom, 
Wenn Saturnin die Gothenfürſtin Frönt, 
Dann wird fie feiner Wünſche Sclavin feyn, 
Und feiner Jugend Pflegerin und Mutter, 
Saturninus. 
Hinauf zum Pantheon, ſchönes Weib! Ihr Herrn, 
Folgt euerm Kaiſer und der holden Braut, 
Die mir der Himmel ſelber zugeſandt, 
Deß Rathſchluß ihr ein beff’res Glück verhängt: — 
Alldort vollziehn wir der Vermählung Brauch. 
(Alle gehn ab, außer Titus) 
IX, 10 


146 Titus Andronmicns 1,2. 


Titus. (allein) 
Mich rief er nicht, zu folgen diefer Braut! 
Titus, wann wanbelteft du einfam je, 
Alſo entehrt und überhäuft von Schmach? — 
(Marens Andronicus, Lucius, Quintus und Mar- 
cius treten anf) 
Marcus, 
D Titus fieh, o ſieh den böfen Lohn! — 
Um ſchnöden Zwift ſchlugſt du den edeln Sohn! — 
Titus. 
Nein, thörichter Tribun, nicht wars mein Sohn, 
Noch du, noch dieſe Stifter jener That, 
Die unſerm ganzen Stamm zur Schmach gereicht! — 
Unwürd'ger Bruder! Und unwürd'ge Söhne! — 
Lucius. 
Doch wolln wir ihn beſtatten wie ſichs ziemt; 
Laßt Mutius ruhn in ſeiner Brüder Grab. — 
Titus. 
Verräther, nein! Nicht hier in dieſem Grab! 
Fünfhundert Jahre ſtand dieß Monument, 
Das ich mit reichem Schmuck mir neu erbaut; 
Hier ruhn in Ehren tapfre Krieger nur, 
Und Diener Rom's, kein ſchnöd' im Zank Erſchlagner. — 
Begrabt ihn, wo ihr wollt, hier weigr' ichs euch. 
| Marcus. 
Mein Bruder, dieß iſt gottvergeff’ner Sinn; 
Für meinen Neffen Mutius fpricht fein Thun, 
Er ruh' im Grab mit feinen Brüdern. 
Die Söhne des Titns, 
Das foll er, oder Alle folgen ihm! 
‚ Titus. 
Cr fol? Wer war der Schurfe, der fo ſprach? 


Quintus. 
Der's allenthalb behauptet, außer hier. 





Titus Andronicus. I, 2. 147 


Titus. 
Was? wilft du ihn beflatten, mir zum Trog? 
Ri Marens. 
Nein, edler Titus, doch von dir erflehn 
Berzeihung deinem Mutius und ein Grab] — 
Titus. 
Marcus, feindfelig trafft auch du mein Haupt, 
Kränfft meine Ehre gleich den Knaben Hier. 
Ihr Alle Habt als Feinde mich verletzt; 
Stört mich Hinfort nicht mehr, entfernt euch jetzt. 
Lucius. 
Er iſt nicht bei ſich ſelbſt, ſo laßt uns gehn. 
Quintus. 
Nicht ich, bis Mutins Hier beſtattet ruht. 
(Der Bruder uud die Söhne Inieen) 
Martens. 
Bruder! denn mit Dem Namen fleht Natur] 
Quintus. 
Vater! auch in dem Namen ruft Natur! — 
Titus, 
Schweig, wenn ich auf die Andern hören ſoll! 
Marcus, 
Erhabner Held, mehr denn mein halbes 34 ..... 
Lucius. 
O Vater! Unſer Aller Seel’ und Mark..... 
| Marens. 
Hier in der Tugend Wohnfig, Bruder, laß | 
Dem edlen Neffen mich ein Grab erfleßn, . 
Der für die Chr’ und für Lavinien farb! — 
Du bift ein Römer, fei denn Fein Barbar; 
Die Griechen, ausgeföhnt, begruben Ajar, 
Der fi) entleibtz Laertes kluger Sohn 
Sprach mildgefinnt für feine Todtenfeier; 
Drum weigre Mutius hier den Eintritt nicht, 
Dem, der dein Liebling war. , 
30 


148 Titus Andronicus. I, 2 


Titus. 
| Marcus, fieh auf. — 
Das ift der trübfte Tag, den ich erlebt, 
Entehrt von meinen Sößnen hier in Rom! — 
Begrabt ihn bean; der nächfte fer ih ihm, 
(Sie legen die Leiche in das Begräbnig) 
Lueins. 
Hier ruh' mit deinen Freunden, ſüßer Diutius, 
Bis wir dein Grab geziert mit Kriegstrophaä'n! — 
Alle. (knieend) 
Nicht Einer wein’ um unfern edlen Mutius; 
Wer für die Tugend Farb, der lebt in Ruhm. 
Marcus. 
Bruder, — fo trübe Schwermuth zu zerfireun, — 
Wie Hat die ſchlaue Gothenkönigin 
Sp fehleunig fih den Weg gehahnt in Rom? 
Titus. 
Ich weiß nicht, Marcus, weiß nur, daß es iſt; 
Ob plangemäß, ob nicht, wird einft enthält. 
Doc ift fie nicht verpflichtet jenem Mann, 
Der fo weit ber zum Glück fie hat geführt? — 
Sa, und fie giebt ihm einft au edlen Lohn! — 

( Trompetenſtoß. Bon der einen Seite fommen ber Kaifer, 
Tamora, Chiren, Demetrius und Aaron, der Mohr; 
von der andern Baſſtanus und Lavinia mit Gefolge) 

Saturninus, 

Baſſianus, ihr gewannt im Spiel den Preis; 

Gott ſchenk' euch Freud’ an eurer ſchmucken Braut! 
Baſſianus. 

Und euch an eurer, Herr, mehr ſag' ich nicht, 

Noch wünſch' ich minder; und ſo lebt nun wohl! 
Saturninus. 

Verräther! Gilt Geſetz, gilt meine Macht, 

Du und dein Anhang büßen dieſen Raub. 


Titus Andronicus. I, 2. 149 


Baffianus. 
Raub nennt ihr, Herr, nahm ich mein Eigenthum, 
Die mir verlobte Braut, und jebt mein Weib? — 
Doch laßt entieiben unfer röm’fches Recht; 
Beſitz' ich doch nun fchon, was mir gehört. 
Saturninus. 
Bortrefflih, Here! Ihr feld fehe kurz mit uns; 
Do, leb' ich, find wir ganz fo ſcharf mit euch. 
Baffianns. 
Here, was ich that, muß ich, fo gut ichs Tann, 
Bertreten, koſtets auch das Leben mir. 
Nur dieß noch fag’ sch deiner Majeflät, — 
Bei allen Pflichten für mein Baterland, 
Den würd’gen Dann, ben eblen Titns Hier, 
An Ehr’ und Namen haft du ihn gefränft! 
Denn nur am dir Lavinien zu befre®’n, 
Erſchlug er felder ja den jüngflen Sohn 
Aus edlem Eifer und von Zom erfüllt, 
Weil Einfpruch hemmte, was er frei gefchenft; 
Drum nimm ihn auf zu Gnaben, Saturnin, 
Der fih in allem Thun durchaus bewährt 
Als Freund und Bater gegen dich und Nom, 
Titus, 
Prinz Baffianus, ſei mein Anwalt nicht; 
Du bifls und jene dort, die mich entehrt; 
Rom und der ew’ge Himmel richten mic, 
Wie tren ich ehrt’ und Tiebte Saturnin! 
Tamora. 
Mein edler Herr, wenn je dein fürſtlich Aug' 
Mit Wohlgefallen blickt' auf Tamora, 
So höre jetzt mein unparteiiſch Wort, 
Und, Liebſter, Alles, was geſchehn, vergieb. 
Saturninus. 
Was? offenbar mißhandelt und entehrt, 
Soll ih die Rränfung dulden ungerecht? 


% 


150 Titus Anpronicne. I, 2, 


Tamora. 

Nicht alſo Herr! Das wolln die Götter nicht, 
Daß ich, dich zu entehren, follte flehn! 
Nein, meine Ehre feh’ ich dir zum Pfand, 
Den wadern Titus find’ ich ohne Schuld; 
Sein underftellter Zorn fpricht feinen Schmerz, 
Drum mir zur Liebe fieh ihn gnädig anz 
Nicht bring’ ein Wahn dich um den tapfern Freund, 
Noch trüb' ein finſtrer Blick ſein edles Herz. — 
(Beiſeit) Nimm Rath an, mein Gemahl; gieb endlich nach, 
Verbirg nur alle Kränkung allen Gram; 
Du biſt erſt neu gepflanzt anf deinen Thron; 
Deßhalb, damit nicht Rom's Senat und Volk 
Nach beff’rer Einfiht Titus Anhang mehrt, 
Und von dir abfällt deines Undanks Halb, 
(Den Rom als ſchwere Sünde flets gehaßt) 
Gieb nach den Bitten, laß die Sorge mir; 
Ich will fie AM ermorden, find’ ich Zeit, 
Bertilgen ihren Stamm ünd ganz Geflecht, 
Den wüth’gen Vater und die grimmen Söhne, 
Die ih um meines Kindes Leben bat; 
Dann fehn fie, was es fei, wenn Königinnen 
Im Staube Inie'n und Gnade nicht gewinnen. — 
(Laut) Komm, theurer Kaiſer, fomm Andronicus, — 
Heb' auf den guten Greis, tröft’ ihm fein Herz, 
Das hinwelkt in dem Sturme deines Zorns. 

Saturninus. 
Auf, Titus! Meine Kaif’rin hat geflegt. 

Titus. 
Dank deiner Hoheit, gnäb’ger Fürft, und ihr. 
: Dein Wort, dein Blick beleben mich aufs neu. 
Tamora. 

Titus, ich bin jetzt einverleibt in Rom, 
As Römerin nun glüdlich anerkannt, 
Und muß dem Kaifer rathen für fein Wohl. 


Titus Andronicne 1, 2. "181 





Heut flerbe. jeber Groll, Audronicus; — 
Und fer’s mein fchönfter Ruhm, du tapfrer Held, 
Daß ich mit dir die Freunde heut verſöhnt. — 
Was euch betrifft, Prinz Baffian, fo bürgt 
Mein Wort und Pfand dem Kaifer, unferm Herem, 
Daß ihr nachgiebig milder euch betragt. — 
Getroſt, ihr Heren! — Auch ihr, Lavinia, — 
Folgt meinem Rath, und reuig auf den Knie'n 
Erfleht Verzeihn von Seiner Majeftät. 
Lucius, 
Wir thuns, und ſchwören hier vor Seiner Hoheit, 
Daß wir in guter Abficht nur geftrebt, 
Für unfrer Schwefter Ehr’, und unfre Pflicht. 
Marens. 
Das Gleiche bier verbürg” ich auf mein Wort. 
Saturninus. 
. Dinweg und ſchweigt; beläftigt ung nicht mehr. — 
Tamora. 
Nein, güt’ger Fürft, wir müſſen Freunde feyn; 
Marcus uud feine Neffen knie'n vor dir, 
Ich will nicht Weigrung. Liebfler, komm zurüd. 
Saturninus. 
Mareus, für deinen Bruder und dich ſelbſt, 
Und meiner holden Tamora zu Guunſt, 
Verzeih' ich dieſer jungen Männer Schuld. 
Steht auf. 
Lavinia, flohſt du gleich mich als ’ nen Sinecht, 
Fand ich doch Gunſt, und ſchwur den höchſten Eid, 
Ich ſchied ale Junggeſell nicht vom Altar. 
Kommt, bat der Palaſt für zwei Bräute Raum, 
Lavinia, mit den Deinen fei mein Gafl. — 
Heut fei ein Tag der Liebe, Tamora. 
Titus, 
Und morgen, wenn es meinem Herrn gefällt, 


162 Titus Androniens. I 1. 


Mit mir zu jagen Pautherthier und Hirſch, 
Mit Horn und Hund bring’ ich den Morgengruß. 
Saturninus. 
Titus, fo ſei es, und wir danken bir. 
(Ale ab) 





Zweiter Aufzug. 





Erfte Scene, 
Dafelbfl, vor dem Palaſt. 
(Aaron teitt auf) | 


Aaron. 
Nun, Tamora, erfleigft du den Olymp, 
Fortuna unter dir, und thronſt erhöht, 
Weit überm Donner und der Blite Glut, 
Und außer dem Bereich des blaffen Neids. 
Wie, wenn die goldne Sonne grüßt den Tag, 
Ihr Morgenflrahl das Meer mit Licht umglänzt, 
Und ben Zodiaf mit Flammenrädern meſſend, 
Erhabner Berge Gipfel überſchaut, 
So Tamora. 
Der Erde Hoheit beugt ſich ihrem Witz, 
Und ihrem Zorn erbebt im Staub bie Tugend. 
Drum Aaron, ſtähl' dein: Herz und fihärf ben Gift, 
Nachklimmend deiner edlen Kaiferin 
Zur fleilften Höh', die du laängſt im Triumph 
Siegreih in Liebesfetten haft geführt, 
Und fefler bandſt an Aaron's Zauberblick, 


Titus Andronicus. U,1. 4153 


Als den Prometheus hielt der Caucaſus, 
Hinweg mit Selaventradt und nieverm Sinn! 
Schmuck will ih prangen, glühn in Per’ und Gold, 
Zu dienen diefer neuen Kaiſerin. 
Dienen, fagt’ ih? Nein fchwelgen mit der Buhlin, 
Der Zauberin, Semiramis, Sirene, 
Der Böttin, die Rom’s Saturnin umftrict, 
Und ihn zum Schiffbruch Iodkt, wie feinen Staat. — 
Hal wel ein Lärm iſt dieß? 
(@e treten auf Ehiron und Demetrius, einander drohend) 
Demetrius. 
Chiron, fürwahr, 

Witz mangelt deiner Jugend, Salz dem Witz, 
Und Sitte, in mein Werben dich zu draͤngen, 
Wo Liebe mir vielleicht begegnen mag. 

Chiron. 
Demetrius, dich thört dein eitler Sinn, 
Daß du mich willſt mit Hoffahrt überſchrein! 
'S iſt nicht der kurze Abſtand eines Jahrs, 
Der mich zurückſetzt, dich beglückter macht. 
Ich bin ſo rüſtig, ſo geſchickt wie du, 
Dienend der Liebſten Gunſt mir zu verdienen: 
Und das beweiſ' ich dir mit meinem Schwert, 
Dirs. darzuthun, ich ſei Lavinien's werth. 

Aaron. 
He, Knittel, Knittell Zwei Verliebte zanken! 

Demetrius. 

Was, Runde? Weil die Mutter unbedacht 
Dir an die Seite ftedt’ ein Tänzerfchwert, 
Wirft du fo wild und drohſt dem Bruder? Geh, 
Laß deine Latt’ in ihre Scheide leimen, 
Dis du fie beffer erſt regieren lernſtl — 

Ehiron. 
Nun, Freund, dass fol mein bischen Kechterfunft 
Dich gleich belehren, was mein Muth vermag. 


154 Titus Andronicne II, 1. 


Demetrins. 


Das, Knabe! Schon fo dreift? 
(Sie ziehn die Schwerter) 


"Aaron. 
Ihr Herrn, laßt ab; 
& nah des Kaiſers Hofburg wollt ihr ziehn, 
Und, folden Zwift ausfechten vor dem Volk? 
Ich weiß recht wohl den Grund zu all' dem Hader; 
Nicht möcht' ich wünſchen für 'nen Berg von Gold, 
Daß die euch hörten, die's zunächſt betrifft; 
Noch für weit höhern Preis möcht’ eure Mutter 
Sich fo beſchimpft fehn an des Kaifers Hof. 
Schämt euch! ſteckt ein! 
| Chiron. 
Sch nicht, bis ih mein Schwert 
Getaucht in feine Bruft, noch bis er fchlang 
Zurüd in feinen Hals den ſchnöden Hohn, 
Mit dem fein Diund entehrend mich gefchmäht. 
Demetriusg. Ä 
Dazu bin ich gerüftet und bereit. — — 
Zankſücht'ger Feigling! deſſen Zunge donnert, 
Und der das Eiſen nicht zu brauchen wagt! 


Aaron. 
Fort, ſag' ih euch! — 
Nun, bei dem Gott, zu dem die Gothen flehn, 
Der kind'ſche Groll verdirbt uns allzumal. 
Was, Herrn, bedünkts euch nicht ‚gefährlich Spiel, 
Mit Füßen treten eines Prinzen Recht? _ 
Wie? Iſt Lavinia denn fo. leichter Art, 
Und dünkt Baffianus euch fo ganz entherzt, 
Daß ihre Gunſt der Vorwand ſolches Zanks, 
Sp ohne Scheu vor Rache noch Geſetz? — 
Kindlein, bevenft: erführ die Kaiſerin 
Dep Mißtons Grund, fie zürnte der Muſik. 


Titus Andronicus. U, 1. " 155 


Chiron. > 
Mir gleich, ob fies erführ' und alle Welt: 
Lavinien Lieb’ ich mehr als alle Welt. 

Demetrins. 

Lern' erſt beſcheidner wählen, junger Burfch, 
Lavinia warb des Altern Bruders Ziel. 

Aaron. 
Was, feid ihr tot? Wißt ihr denn nicht in Rom, 
Wie wild und eiferfüchtig Männer find, 
And dulden Mitbewerber nimmermehr? 
Ich fag’ euch, Deren, ihr fehmiedet euern Tod 
Dur dieß Beginnen. 

Chiron. 
Aaron, ich wagte tauſend Leben dran, 
Die Liebſte zu befitzen. 

Aaron. 

Was! beſitzen? 


Demetrius. 

Wie ſtellſt du dich ſo fremd! 

Sie iſt ein Weib, drum darf man um ſie werben; 
Sie iſt ein Weib, drum kann man ſie gewinnen; 
Sie iſt Lavinia, drum muß man fie lieben. 

Ei, Mann, mehr Waſſer fließt vorbei der Mühle, 
Als es der Müller denkt; und leicht ja ſtiehlſt du 
Vom einmal angefihnittnen Brod ein Stüd: — 
SR Prinz Baffianus aud des Kaiſers Bruder, 
Schon Beſſ're trugen wohl den Schmuck Bulcans. 


Aaron. | 
Ja, Cbeifeit) und fo gute wohl, als Saturnin. 
Demetrius. 
Wie follte denn verzagen, wers verfteht 
Mit Wort und Blick und mit Gefchenf zu werben? — 
- Wie? traf dein Schuß nicht fihon manch frembes Reh, 
Und vor des Förfters Nafe trugſt du's Heim? — 


156 Titus Andronicus. IL. 


Aaron. 
Sp ſcheints, ein liſt'ger Streich und rechter Griff 
Büßt' eure Luſt? 

Chiron. 

Ya, luſt'ge Buße waͤr's! 
Demetrins. 

Aaron, du trafft es. 

Aaron, . 

Triff es auch, du Thor, 

So fteht uns all’ der Laͤrm nicht mehr bevor! — 
Nun hört nur, hört: ſeid ihr fo kindiſch noch, 
Euch deßhalb zu entzwei'n? Verdrießt es euch, 
Wenn es euch Beiden glückt? 


Chiron. 
Mich nicht, fürwahr. 
Demetrius. 
Mich auch nicht, wenn nur ich der Eine bin. 
Aaron. 


Seid einig denn, und was euch trennt, verſöhn' euch. 
Mit U und Politik erreicht das Ziel, 

Nach dem ihr firebt, und dieß fei euer Plan; 

Ihr könnt nicht überreden, wie ihres wünſcht: 

Sp nehmt denn mit Gewalt, wie ihre vermögt, — 
Ich fag’ euch, keuſcher war Lucretia nicht, 

Als jest Baffianus Weib Lavinia. 

Wir müffen dießmal fchnellern Weg erfehn 

Als ſchmachtend Buhlen und ich fand den Pfad. 
Ihr Herrn, ein flattlih Jagen fleht bevor, 

Da finden fi zu Hanf die Schönen Rom’s; 

Weit und entlegen dehnt der Wald fich aus, 

Und beut viel unbetretne Räume dar, 

Wie auserwählt für Raub und Frevelthat. 


Dahin Iodt einzeln euer fchmudes Reh, 


Und fällt es mit Gewalt, wenn nicht mit Gutem; 
Sp könnt ihre Hoffnung hegen, anders nie. 


Zitns Andronicas. 1,2. 47 


Der Raiferin und ihrem hoͤll'ſchen Witz, 

Der Rah’ und Frevel ſtets gebrütet hat, 

Laßt uns verfünden, was wir jebt erdacht; 

Und unfre Pfeile fohärfe fie mit Rath, 

Und dulde nicht, daß ihr euch hemmt und kreuzt, 

Helf’ euch vielmehr zu eurer Wünfche Ziel. 

Des Kaifers Burg ift gleich der Fama Haus, 

Der Balaft voller Zungen, Ohren, Augen: 

Der Bald iſt fühllos, fchredlich, taub und ſtamm; 

Da fprecht und ſchlagt, ihr Wadern, beiv’ im Glück, 

Da büßt die Luft, befhirmt vom dunkeln Wald, 

Und ſchwelget in Lavinien’s keuſchem Schatz. 
Chiron. 


Dein Anſchlag, Burſch, ſchmeckt, traun, nach keiner 
Furcht. 
Demetrius. 


Sit fas, aut nefas; his ich fand den Strom, 
Der ftillt die Glut, den Zauber, ver mich fühlt; 


Per styga, per manes vehor. — (Gehn ab) 


3weite Scene 


Wald bei Rom. Man fieht in einiger Entfernung 
eine Hütte 


(Es treten auf Titus Andronicus, feine drei Söhne, mit 
Hunden und Jagdhörnern, und Marcus Andronicus) 


Titus. 
Die Jagd iſt auf, der Morgen hell und licht 
Die Fluren duftig und die Wälder grün: 
Entkuppelt hier! Der Mente lauter Schall 
Wecke den Kaiſer und ſein ſchönes Weib; 
Den Prinzen ruft, beginnt den Jäger-Gruß, 
Daß von dem Klang erdröhne rings der Hof. — 
Ihr Söhne, habt mir Acht, wie's unſer Amt, 


158 Titns Andronicus. I, 2. 


Den Raifer treu zu hüten vor Gefahr: 
Ich ward im Schlaf erfchreckt durch böfen Traum, 
Doch bringt mir neuen Troft der junge Tag. 
(Lautes Gebell der Meute, und Muſik von Sagbhörnern. Dar⸗ 
auf ericheinen Saturninus, Tamora, Baffianus, 
Lavinia, Ehiron, Demetrius und Gefolge) 
Titns. B 
Biel guten Morgen deiner Majeſtät; 
Euch Fürften gleichen Gruß und gleiches Glück! — 
Ich hatte Jägergruß euch zugeſagt. 
Saturninus. 
Und luſtig war das Blaſen, werthe Herrn, 
Nur faſt zu früh für neuvermählte Frau'n. 
Baſſianus. 
Was ſagt Lavinia? 
Lavinia. 
Ich ſage, nein, 
Zwei volle Stunden wacht’ ich ſchon, und mehr. 
Saturninus. 
Friſch auf dann, Roß nnd Wagen holt herbei, 
Und Hin zum Forſt; Herrin, jest ſollt ihr fehn 
Ein römiſch Jagdfeſt! 
Mureus - 
Hunde hab’ ich bier, 
Die ſcheuchen euch den wildſten Panther auf, 
Und klimmen zu dem fleilften VBorgebirg.- 
Titus. - 
9 Pferde, bie, wohin das Wild fie führt, 
Wie Schwalben Teicht ihm folgen auf dem Plan. 
Demetrins. 
Chiron, wir jagen nicht mit Roß und Hund, 
Wir fahn ein ſchmudes Reh im finſtern Grund. 
(Alle ab) 


Titus Andbronicue I, 9. 159 


Dritte Scene 
Ginfamer Platz im Walde, 
(Aaron tritt auf) 


Aaron. 
Ber Wit hat, dächte wohl, ex fehle mir, 
Weil ich dies Geld Hier unterm Baum vergrub, 
Bon wo mirs niemals wieder auferfteht. 
Sp wiffe denn, wer mich fo albern wähnt, 
Daß diefes Gold mir einen Anfchlag münzt, 
Der, liſtig ausgeführt, gebähren foll 
Ein recht ausbündig wadres Bubenſtück: 
Sp ruh' hier Gold, und flöre deren Ruhe, 
Die Gaben nehmen ans der Raif’rin Truhe. 
(Tamora fommt) 
Tampra. 
Mein füßer Aaron, was befümmert did, 
Wenn alles rings von Fröhlichkeit erklingt? 
Die Vögel fingen bel aus jedem Bufch, 
Die Schlange fonnt fi, aufgerollt im Grün, 
Das Laub erzittert in der Fühlen Luft, 
Und malet Schattengitter auf den Grund: 
In feinem füßen Dunfel laß uns ruhn! 
Horch! Wiederhalls Geplauder nedt die Hunde, 
Dem vollen Horn antwortend bellen Ruf, 
Als tönt’ ein Doppel- Sagen ung zugleich. — 
Seh’ dich, und horch dem fröhlichen Gebell! 
Und nach verliebtem Kampf, (deß, wie man wähnt, 
Der flüht’ge Held und Dido einft fich freuten, 
As fie ein glüdlicher Orcan gefcheucht, 
Und die verfihwieg’ne Hoͤhl' als Vorhang ſchirmte) — 
Laß uns, verſchraͤnkt Eins in des Andern Arm, 
Nach unfrer Luft des golpnen Schlafs ung freu’n, 


160 Titus Aupronicue. U, 8. 


Weil Hund und Horn, und füßer Waldgefang 
Uns einlullt wie der Amme Wiegenlied, 
Wenn fie ihr holdes Kind in Schlummer fingt. 
Aaron. 
FZürftin, wie Venus deinen Sinn beherrfcht, 
So iſt Saturn des meinigen Monard. 
Was deutet font mein tödtlich flarres Aug’, 
Mein Schweigen, meiner Stirn Dielancholie, 
Mein Vließ von krauſer Wolle, jebt entlodt, 
Recht wie die Natter, wenn fie fich entrollt 
Zu ſchlimmem Big und gift’gem Ueberfall? 
Nein Fürftin, das find Benus- Zeichen nicht: 
Rachſucht erfüllt mein Herz, Tod meine Fauft, 
Blut und Berverben toben mir im Haupt, — 
Hör’ Zamora, du Raifrin meiner Seele, 
Die nit auf andern Himmel hofft, als dich, — 
Heut ift des Baffianus Schickſalstag. 
Berfiummen muß heut feine Philomele, 
Es plündern deine Söhne ihre Keufchheit, 
Und wafchen ihre Hand im Blut Baſſian's. 
Sieh diefen Brief, den nimm zu dir; ich bitt' Dich, 
Gieb deinem Herrn dieß Blatt vol Todesliſt: — 
Nun frage mich nicht mehr, man fchleicht uns nad, 
Hier fommt ein Theil ver hoffnungsreichen Beute: 
Sie ahnen nit, wie nah Vernichtung droßt! — 
Tamora. 
AH füßer Mohr, mir füßer als der Tag! 
Aaron, 
‚ Stil große Königin, Baffianus kommt: 
Zeig’ dich erzürnt, die Söhne hol’ ich her 
Zu deinem Beiftand, wenn bu Streit beginnfl. (ab) 
(Baffianus und Lavinia fommen) 
Baſſianus. 
Wer naht uns hier? Rom's hohe Kaiſerin; 
Vom ziemenden Gefolg' ſo weit entfernt? 


Titus Andronicus I, 3. 161 


Wie, oder Diana, fo geſchmückt wie fie, 

Die ihr geheiligt Waldafyl verlief, 

Zu fhaun die große Jagd in diefem Forſt? 

Tamora. 

Frecher Nachſpürer unſrer Einfamteit, 

Hätt' ich die Macht, die, ſagt man, Dianen ward, 

Die Schlaͤfen Augenblicks umpflanzt' ich dir 

Mit Hörnern wie Actäon, und die Hunde 

Verfolgten deine neue Hirſchgeſtalt, 

Schamloſer, der du hier dich eingedraͤngt! — 

Lavinia. 

Mit eurer Gunſt, huldreiche Kaiſerin! 

Man ſagt, mit Hörnern wißt ihr umzugehn; 

Und wohl verraͤth ſichs, daß der Mohr und ihr 

Zu ſolcherlei Verſuch euch hier verirrt. 

Heut ſchütze Zeus vor Hunden euren Gatten, 
Denn Unglück wär' es, ſähn ſie ihn als Hirſch! 

Baſſianus. 

Glaubt, Fürſtin, dieſer nächtliche Cimmerier 

Macht eure Ehre ſchwarz wie feine Haut, 

Defledt, abſcheulich, aller Welt ein Greu'l. 

Was flahlt ihr heimlich vom Gefolg euch weg? 

Stiegt ab von eurem ſchmucken, weißen Zelter, 

Und fchlicht Hieher an diefen finftern Drt, 

Bon einem ſchnöden Mohren nur geführt, 

Wenn böfe Luft euch nicht verleitete? 


Lavinia. 
Und weil er euch geftört in folhem Spiel, 
Berfteht fihs, müßt ihr meinen edlen Herrn 
Für Frechheit ſchelten, — Bitt' euch, gehn wir fort: 
Gönnt ihr des rabenfarh’gen Buhlen Ruf, 
Dieß Thal ift höchſt gelegen ſolchem Werk. 
Baſſianus. 

Dem Kaiſer, meinem Bruder, meld' ich dieß. 

IX. 11 


162 Titus Andronicnse IL, 3. 


Lavinia. 
Sa, ſolch Entweichen ward ſchon Tängft bemerkt: 
Wie gröblich täufcht man dich, du guter Fürſt! — 
Tamora. 
Wie hab’ ich noch Geduld dieß anzuhören?! — 
(Chiron und Demetrins kommen) 
Demetrius. 
Wie, theure Kaiſerin und guäd'ge Mutter, 
Was blickt Eu'r Hoheit fo verſtört und bleich? 
Tamora. 
Was meint ihr, hab' ich Grund nicht bleich zu ſehn? 
Die Zwei verlockten mich in dieſes Thal, 
Ihr ſeht, es iſt ein wüſt abſcheul'cher Ort, 
Die Bäum', obwohl im Sommer, kahl und dürr, 
Erſtickt von Moos und tück'ſchem Miſtelwuchs. 
Hier ſcheint die Sonne nie, hier athmet nichts, 
Nachteulen nur, und unglückdrohnde Raben. 
Und als ſie mir gezeigt die grauſe Schlucht, 
Erzählten fie, wie um die Mitternacht 
Wohl taufend Beifter, taufend Schlangen zifchend, 
Zehntaufend ſchwell'nde Kröten, Mol’ und Igel 
Erhüben ſolch ein furchtbar tödtlich Schrein, 
Daß jeden Sterblichen, der dieß vernimmt, 
Wahnfinn befällt, wenn er nicht plößlich ſtirbt. 
Drauf, als fie faum erzählt die Höllenmähr, 
Alsbald mich feftzubinden drohten fie, 
An eines graufen Eibenbaumes Stamm, 
Daß ich fo fchnödem Tod verfallen fei. 
Dann fchalten fie mich Ehebrecherin, 
Berbuhlte Gothin, und die herbften Worte, 
Die je ein Ohr im bittern Schmähn vernahm: 
Und famt ihr durch ein Wunder nicht zum Glück, 
Sie hätten diefe Rah’ an mir vollbracht. 
Rächt eurer Mutter Leben, liebt ihr mic, 
Sonſt nenn’ ich nimmer meine Kinder euch. 


Titns Andronicne I, 3. 163 


Demetrius. (erſticht den Baſſianus) 
Nimm dieß zum Zeugniß, daß ich fei dein Sohn! — 
Chiron. (durchſticht ihn gleichfalle) 
Der Stoß für mid, zum Zeichen meiner Kraft! — 
Lavinia. 
Ja, komm, Semiramis, — nein wüth'ge Tamora! 
Kein Name ziemt dir, als der eigne nurl — 
Tamora, 
Gebt mir den Dolch, Tat eurer Mutter Hand 
An ihr vergelten eurer Mutter Schmach. 
Demetriug. 
Halt, Königin, hier ift noch mehr im Verf; 
Erft drefcht das Korn, und dann verbrennt das Stroß. 
Dieß Püppchen rühmte viel von ihrer Zucht, 
Bon ihrem Ehgelübd’ und reiner Treu’, 
Sp mit geſchminkter Tugend trodt fie eu: 
Und nähme fie das alles mit ing Grab? 
Chiron. 
Wenn dieß geſchieht, müßt’ ich ein Hämling feyn. 
Schleif' ihren Gatten einer Höhle zu, 
Sein todter Leib fer Pfühl für unfre Luft. 
Tamora, 
Doch warb ber Honig euer, den ihr wünfcht, 
Laßt nicht die Wefp’ am Leben, ung zu flechen. 
Chiron. 
Ich ſchwör' euch, Fürftin, ruhig folt ihr feyn. — 
Kommt, Dame, jebt gewaltfam rauben wir, 
Was ihr fo ſpröd' und ängſtlich Habt bewahrt. 
Lavinia. 
O Tamora, du trägſt ein weiblich Antlitz - 
Tamora. 
Ich will ſie nicht mehr hören, führt ſie wegl — 
Lavinia. 


O liebe Herrn, ein Wort nur laßt mich ſprechen 
ıl* 


164 Titns Andrenicus. II, 3. 


Demetrius. 

Vernehmt fie, ſchoͤne Fran! ſei's euer Ruhm, 

Sie weinen ſehn: doch bleib' en'r Herz ſo hart 

Wie Kieſel, fühllos bei des Regens Guß. 
Lavinia. 

Wann lehrte je des Tigers Brut die Mutter? 

O lehr' fie keinen Grimm, fie lehrt' ihn dich! 

Die Milch, die du geſogen, ward zu Marmor; 

Schon an ver Bruſt empfingſt du GOrauſamkeit. — 

(Zu Chiron) Doch find nicht jeder Mutter Söhne gleich: 

Fleh' du zu ihr um Mitleid für ein Weib! — 
Chiron. 

Was! ſollt' ich felber mich zum Baſtard flempeln? 
Lavinia. 

»S iſt wahr, der Rabe brütet Lerchen nicht, 

Doch hört' ich einſt, — (o fänd' ichs nun bewährt) 

Bewegt von Mitleid ließ der Löwe zu, 

Daß man die koöniglichen Klau'n ihm ſtumpft; 

Der Rabe, ſagt man, füttre Waiſenkindlein, 

Derweil im eignen Neſt ſein Junges darbt. 

O, ſei du mir, ſagt auch dein Herz dir Nein, 
Wenn auch ſo mild nicht, etwas doch gerührtl — 
Tamora. 

Ich weiß nicht, was das heißt; hinweg mit ir! 
Lavinia. 

Ich lehr' es dich: um meines Vaters halb, 

Der dir, dem Tod verfallen, Leben ſchenkte, 

Sei nicht verſtockt; öffne dein taubes Ohr! — 


Tamora. 
Und hätt'ſt du ſelber nimmer mich gefränft, 
Um feinetwillen bin ich mitleidlos. 
Gedenkt nur Knaben, wie ich weint’ umfonfl, 
Bom Opfer enern Bruder zu befrein; 
Doch nimmer gab der grimme Titus nach! 


3 


Titus Andronicns. I, 3. 


Drum fchafft fie fort, verfahrt mit ihre nach Luft; 
Je fhlimmer, um fo befier mir geliebt. 
Lavinia. 
O Tamora, ich preiſe deine Huld, 
Wenn du mit eigner Hand mich hier erfchlägft: 
Richt um mein Leben fleht’ ich ja fo lang, 
Ih Arme flarb, als Baffianus fiel. 
Tamora. 


168 


Bas batft du denn? Hinweg, du thöricht Weib! — 


Lavinia. 
Den ſchnellſten Tod erfleh' ich, und noch Eins, 
Bas Frauenmund nicht auszufprechen wagt: 
Hemm’ ihre mehr als mörberifche Aufl! — 
D, ſenke mich in eines Sumpfes Pfupl, 
Wo nie ein menſchlich Auge mich erfpäht; 
Das thu', und fei barmherz'ge Mörderin! 
Tampra. 
Sp brächt' ich meine Söhn’ um ihren Ruhm? 
Nein, laß fie nehmen, was ihr Eigenthum! 
Demetrius, 
Sort, ſchon zu Tange hieltſt du ung zurüd, 
Lavinia. 


Kein Mitleid? Keine Scham? O viehiſch Weib! 


Feindin und Schmach für unſer ganz Geſchlecht! 
Vernichtung fa’... .. 
Chiron. (ſchleppt fie fort) 


Dann ſtopf' ich dir den Mund. — Bring’ du ben Gatten; 


In diefe Höhle hieß ihn Aaron bergen. 


(Sie gehn ab) 


Tamora. 
Geht Söhne, ſchafft ſie mir in Sicherheit: 
Und wahrlich nimmer ſoll mein Herz ſich freun, 
Bis Titus ganzer Stamm hinweggetilgt. 
Zu dir nun, liebſter Mohr, will ich mich wenden, 


Indeß die Knaben jene Dirne ſchänden. (ab) 


166 Titus Andronicne. I, 4. 


Zn 
Vierte Scene. 
Daſelbſt. 
(Es treten auf Aaron, Quintus und Marcius) 


Aaron. 

Kommt, wadre Herrn, folgt mir in fchnellfter Eil, 

Ich bring’ euch zu der finftern Grube gleich, 

Wo ich den Panther feft im Schlafe fah. 
Duintus. 

Was e8 auch deute, trübe ward mein Blick. 
Marcius. 

Und meiner wahrlih auch: ſchämt' ich mi nicht, 

Ich ließe gern die Jagd und fchliefe hier. 
—, (Mareins fällt in die Grube) 
Quintus. 

Was, fielſt du? Welche tück'ſche Gruft iſt dieß, 

Der wild Geſträuch die Mündung ganz bedeckt, 

Auf deſſen Blättern jüngſt vergoſſ'nes Blut 

So friſch, wie Morgenthau im Blüthenkelch? 

Mir ſcheint, voll böfer Ahnung iſt der Ort! — 

Sag, Bruder, fühlft du Schmerz nad deinem Fall? 
Marcius. 

D Bruder, durch das ſchrecklichſte Geficht, 

Dep Anblick je ein Herz zum Sammer zwang. 

Aaron. (beiſeit) N 

Den Kaifer Hol’ ich jebt, fie hier zu finden, 

Daß er nad äußerm Schein vermutben muß, 

Sie feiens, die den Bruder ihm erfihlagen. (ab) 

Marcins. 

Was tröfteft du mich nicht, und hilfſt mir fort 

Aus diefer fchnöden, blutbefleckten Gruft? 
Quintus. 

Ohnmäͤchtig bin ich durch ſeltſame Furcht, 


Titns Anbronicne I, 4. 167 


Die Glieder zittern kalt im Todesfchweiß, 
Mein Herz argwohnt mehr, als mein Aug’ erfpäht. 
Marcind 
Damit du fiehft, du Hab’ft ein ahnend Herz, 
Aaron und du, feht in die Höhl' herab, 
Und ſchaut ein gräßlich Bild von Blut und Tod. 
| Duintus. 
Aaron ift fort, und mein beängfligt Herz 
Geftattet meinem Auge nicht zu fehn, 
Was in der Ahnung ihm entfeulich dünkt. 
O fag mir, was es fei, denn nie zuvor 
War ich ein Kind, zu fcheun ich weiß nicht was. 
Marcius.. 
Prinz Baſſianus liegt in Blut getaucht 
Am Boden da, wie ein gefchlachtet Tamm, 
In der verfluchten dunkeln Gruft des Morde! — 


Quintus. 
Wenns drinn ſo dunkel, wie erkennſt du ihn? 


Marcius. 
Am blut'gen Finger trägt er einen Ring 
Bon feltnem Preis, der rings die Höhl' erhellt, 
Wie eine Kerz' in dunkler Tobtengruft 
Auf feiner Leiche fahles Antliztz fcheint, 
Und zeigt der Grube ſcheußlich Eingeweide. 
Sp bleih auch fihien der Mond auf Pyramus, 
Als er gebadet lag in Mädchenblut! 
O Bruder, hilf mir mit fraftlofer Hand, — 
(Wenn Furt dich kraftlos machte, fo wie mid, —) 
Der böfen Mörberhöhle zu entfliehn, 
Sp gräßlih, wie Cocytus trüber Schlund. 
Duintus. 
Gieb mir die Hand, daß ich dir helf' empor; 
Und reicht die Kraft nicht aus dir beizuftehn, 
Fall ich wohl felbft in dieſes tiefen Pfuhls 


168 Titus Andronicus. II, 4. 


Berhaßten Schooß, der Baffian verſchlang. — 
— Ich bin zu ſchwach, zum Rand dich aufzuziehn! — 
| Marcius, 
Und ich erflimm’ ihn ohne Beiftand niel 
Duintus. 
Nochmals die Hand: ich Taf’ dich nicht mehr log, 
Bis du hinauffteigft, oder ich hinab: 
Du fommft zu mir nicht, fo komm' ich zu dir! — — 
(Er füllt in vie Grube) 
(Saturninus und Naron fommen) 
Saturninns. 
Heran, mir nach: ich will die Höhle fehn, . 
Und wer es war, der eben fprang hinab: — 
Sag an, wer bift du, der fich hier verbarg 
In diefen gähnend offnen Rachen: ſprich? — 
" Marcius. 
Des alten Titus jammervoller Sohn, 
Zu höchſt unſel'ger Stund' hieher geführt, 
Baſſianus, deinen Bruder, todt zu ſehn. 
Saturninus. 
Mein Bruder todt? ich weiß, es iſt nur Scherz: 
Er und Lavinia ſind im Jagdgezelt, 
Im Norden dieſes heitern Waldreviers; 
Noch keine Stund' iſts, ſeit ich dort ſie ließ. 
Marcius. 
Wir wiſſen nicht, wo ihr ihn lebend ſaht, 
Doch weh! wir fanden ihn ermordet hier! — 


(Tamora mit Gefolge, Andronicns und Lucins treten auf) 


Tamora. 
Wo ift mein Herr, der Raifer? 
Saturninus, 
Hier, Tamora, von Todesgram betrübt. - 
Tampra, 
Wo iſt dein Bruder Baffian? 


Titus Andronicue. A, 4. 169 


Saturninus. 
Nun traffi du meiner Wunde tiefften Grund: 
Der arme Baſſian liegt hier ermordet. 
Tamora. 
Dann allzuſpät erhältſt du dieſes Blatt, 
Den Plan des übereilten Trauerſpiels. 
Ich ſtaune, wie ein menſchlich Antlitz barg 
In fanftem Lächeln fo tyrann’fchen Mord. 
(Sie giebt dem Saturninus einen Brief) 

Saturninns. (lief) 
„Berfehlten wir, nah Wunfch ihm zu begegnen, 
„CBaffianus meinen wir) dann fäume nicht 
„Sein Grab zu graben, wadrer Jägersmann; 
„Du weißt, wie wirs gemeint. — Du findft den Sold 
„Unter den Nefleln am Hollunderbaum, 
„Der jener Grube Mündung überwölbt, 
„Wo ih Baffianus dich begraben hieß. 
„Dieß th’, und Fauf’ dir unfern ew’gen Dank.“ 
D Tamoral Vernahmſt du Gleiches je? 
Dieß iſt die Gruft, dieß der Hollunderbaum, 
Seht, Herrn, ob ihr den Jaͤger finden mögt, 
Der hier Baffianus frech ermordete! 

Aaron. (bringt den Beutel) 
Mein gnäb’ger Fürft, Hier ift der Beutel Gold! 
Saturninus (zu Titus) 
Zwei Hunde deines tück'ſchen blut’gen Stamms, 
Sie gaben meinem Bruder hier den Tod, 
Fort, zieht fie ans der Gruft mir in den Kerker, 
Und laßt fie fchmachten, bis ich Strafen fand 
Bon unerhörter, neuer Folterqual. 
Tampra. 
Was? find fie in der Gruft? O wundervoll! 
Wie leicht wird jeder Mord doch offenbar! 
Titus. 

Erhabner Fürſt, auf meinem ſchwachen Knie, 


170 Titus Andronicus. N, 5 


Mit Thränen ſchwer vergoffen fleh’ ich dich, 
Daß meiner frevelhaften Söhne That, — 
Frevelnd, — wenn biefe That erwiefen ward — 
Saturninns. 
Erwiefen ward? Ihr ſeht, fie ift gewiß! 
Wer fand den Brief? Warſt du es, Tamara? 
Tamora. 
Andronicus hob felbft den Zettel auf. 
Titus. 
Das that ih, Herr; doch laßt mich Bürge ſeyn; 
Ich ſchwör's bei meiner Väter hei’gem Grab, 
Auf deiner Hoheit Wink find fie bereit, 
Mit ihrem Blut zu zahlen den Verdacht. 
Saturninus. 
Du ſollſt nicht Bürge feyn, gleich folge mir, 
Ihr nehmt den Todten, ihr die Mörder mit: 
Laßt fie nicht reden, ihre Schuld iſt Harz; 
Denn wahrlich, gäb’ es härtre Straf’ als Tod, 
Die Strafe ließ' ich alfobald vollziehen. 
Tampra. 
Andronicus, ih will um Gnade flehn; 
Nicht fürcht’ um deine Söhn’, es wird noch gut. 
Titus. 
Komm Lucius, weile nicht fie anzuſprechen! — 
(Sie gehn von verfchiedenen Seiten ab) 


Sünfte Scene 
Daſelbſt. 


(Demetrius und Chiron kommen mit der geſchändeten 
Lavinta; ihr find die Hände abgehauen und die Zunge 
ausgefchnitten) 

Demetrius. 
So melde nun, wenns deine Zunge kann, 
Wer dir die Zung' ausſchnitt und dich entehrt! 


Zitus Andronicus. II, 5. 171 


Ehiron. 
Schreib nieder, was du meinft, und hilf dir fo, 
Bermögens deine Stumpfen, laß fie fchreiben! 
Demetrins. . 
Bie gut fie noch mit Wink und Zeichen grofit! 
Ehiron. 
Geh, fordre frifhes Wafler, waſch die Hände! 
Demetrins. 
Fordr’ ohne Zunge, waſch dich ohne Hände; 
Und fomit wandl' in fliller Einfamleit! — 


Chiron. 
War's mir geſchehn, ich ging’ und hängte mich. 
Demetrins. 


Ya, hätt'ſt du Hände, dir den Strid zu knüpfen! 
(Demetrius und Chiron ab) 
(Marcus fommt zu Lavinien) 
Marcus, 

Wer ifls? die Nichte, die fo eilend flieht? 

Muhme, ein Wort! Wo ift dein Gatte? Traum’ ich, 

D hülfe all mein Gut mir dann zum Waden: 

Und wach’ ich, ſchlüg' ein Blitzſtraͤhl auf mich ein, 

Daß ich fortfchlummern mög’ in ew’gem Schlaf! — 

Sag, füßes Kind, weg mitleidloſe Hand 

Trennt’ ab, und hieb fo freih von deinem Stamm 

Der beiden Zweige füße Zier, die Laube, 

In deren Schatten Kön’ge gern gerußt, 

Und nimmer ein fo reizend Glück erfirebt 

Als Halb nur deine Gunft! Was, fprihft du nicht? 

Weh mir! ein Purpurfirom von warmem Blut, 

Sleih einem Springquell, den der Wind bewegt, 

Hebt ſich und fällt dir zwifchen rof’gen Lippen, 

Und fommt und geht mit deinem füßen Hauch. 

Gewiß, ah! hat ein Tereus dvich entehrt, 

Und, Strafe fürdtend, raubt’ er deine Zunge. 

Ah, wendſt du jegt dein Antlig weg aus Scham? 


172 Titus Aundronicne 1,5. 


Und troß des vielen Bluts, von dir verfirömt 

Wie aus dem Brunn’, dem mancher Strahl entquillt, 

Flammen die Wangen dir, wie Titan glüht, 

Wenn er erröthend mit den Wolfen fämpft ? 

Sof ich ſtatt deiner reden? Iſt es fo? 

Kännt ich dein Herz! O Fännt’ ich ven Verruchten, 

Daß ich ihm fluchen könnte, mir zum Troft! 

Gehemmter Schmerz, wie ein verfiopfter Ofen, 

Berbrennt zu Afche die verfchloff’ne Bruſt. 

Berlor doch Philomele nur die Zunge, 

Und wirkt’ in trauriges Geweb' ihr Leid: 

Doch liebſtes Rind, die ward die Hülf' entriffen, 

Dein Tereus übte liſt'ger feinen Raub; 

Er hat die zarten Finger abgehaun, 

Die ſchöner wohl geftidt als Philomele. 

O, ſah der Unhold diefe Lilienhand 

Wie Espenlaub auf einer Laute zittern, 

Daß fie mit Luft die Siiberfaiten füßten, — 

Nicht für fein Leben hätt’ ex fie berührt! 

Und hört’ er je die Himmelsharmonie, 

Die jener füßen Zunge fonft entflrömt, — 

Sein Dolch entfiel? ihm, und er fänf’ in Schlaf, 

Wie Cerberus zu DOrphens Füßen fchlief. 

Sp gehn wir! Und dein Bater werde blind, 

Der Anblick muß ein Vaterauge blenden. 

In einer Stund’ erfänft der Sturm die Matten; 

Was bringt ein Jahr von Thränen Vaterangen ? 

D fomm! AU unfer Schmerz iſt dir geweiht, 

Könnt’ unfer Schmerz doch mildern fo viel Leid! — 
(Sie gehn ab) 


Dritter Aufzug. 


Erſte Scene 


Rom Gine Straße. 


(Richter und Senatoren. Marcins und Quintus werden 
gebunden zum Richtplag geführt; vor ihnen geht Titus 
und fpricht zu den Richtern) 

Titus. ” 
Hört, Senatoren! Ihr Tribunen, weılt! 
Denft meines Alters, deffen Jugend ſchwand 
In wilden Krieg, weil ihr in Ruhe fchlieft; 
Des Bluts, im großen Kampf von mir verfirömt; 
Der eif’gen Räte, die ich durchgemacht, 
Und diefer bittern Thrane, Die mir jet 
Die alten Runzeln meiner Wangen füllt. 
Seid meinen Söhnen mild, — obzwar verdammt, 
Doch frei der Sünd', um bie fie angeflagt. 
Um zweiundzwanzig Söhne weint’ ich nie, 
Sie Schlafen auf des Ruhms erhabnem Bett; 
Für diefe, diefe ſchreib' ich in den Staub 
Des Herzens ram, ber. Thränen Jammerflut; 

(Andronicus wirft fi zu Boden; die Richter gehn an ihm 
vorüber) 

Ihr Thränen, Löfcht der Erbe trocknen Durft, 
Die ſcheu im Blut der Söhne würd’ erröthen. 
D Staub, mit noch mehr Negen feucht’ ich dich, 


174 Titus Androniens. II, 1. 


Der aus den beiden alten Höhlen firömt, 
Als junger Lenz mit allen feinen Schauern; 
In Sommers Dürre neb’ ich dich mit Tropfen, 
Im Winter fhmilzt der Schnee dem heißen Than, 
Und ew’gen Frühling fehaff’ ich deinem Antlitz, 
Wenn du nicht trinkſt der theuren Söhne Blunt. 
(Die Richter find weggegangen; Lucius kommt mit gezoge⸗ 
nem Schwert) 
O würdige Tribunen! Theure Greiſe, 
Befreit ſie, ruft zurück den Todesſpruch, 
Und laßt mich ſagen, der noch nie geweint, 
Daß meine Thränen gute Redner ſind. 
Lucius. 
O edler Vater, jammre nicht umfonft; 
Es hoͤrt dich kein Tribun, kein Menſch ſteht hier, 
Und einem Stein erzählft du deinen Gram. 
Titus. 
Ah, Sohn, für deine Brüder red’ ih bier: — 
Weiſe Tribunen, hört mich noch einmal. 
Lucius. 
Mein Bater, Fein Tribun vernimmt dich mehr! — 
Titus. 
Es iſt ja Eins, mein Knabe; hörten fie, 
Sie würdens nicht beachten; thäten ſie's, 
Es wär’ umfonft, fie blieben ungerührt. 
Drum Hag’ ich meinen Gram den Steinen vor, 
Die, ob fie gleich bei folhem Jammer ſtumm, 
Mir dennoch Lieber als Tribunen find, 
Denn feiner unterbricht die Rede mir; 
Und wenn ich weine, mir zu Füßen fill 
Empfahn fie meine Thränen, weinen mit, 
Und, hüfften fie fih nur in ernſt Gewand, 
Nom hätte nicht Tribunen diefen gleih. — 
Ein Stein if weih wie Wachs, Tribunen hart wie 
Steine; 





Titus Andronicue IM, 1. 175 


Ein Stein ift ſchweigend und betrübt ung nit. 

Tribunenzunge fpricht das Leben ab! — 

Doch weßhalb flehft ou mit gezüdtem Schwert? 
Lucius. 

Bon ihrem Tod die Brüder zu befrein; 

Und den Berfuch beftrafte das Gericht, 

Indem fein Spruch auf ewig mich verbannt, 
Titus, 

O Glücklicher! begünftigt wurbeft bu! 

Rurzfiht’ger Lucius, dünkt dich Rom denn nicht 

Wie eine Wüſtenei von Tigern voll? 

Tiger find da zum Raub; Rom bat an Raub 

Nur mid und euch; wie glüdlich bift du dann, 

Bon den Berfehlingenden verbannt zu feyn! — 

— Doch wer naht mit dem Bruder Marcus hier? 

(Marcus fommt mit Lavinia) 

Marcus. 

Bereit zu weinen fei dein edles Aug’, 

Wo nicht, zerfpringe dir bag edle Herz! 

Ich bringe deinem Alter tödtlich Lein! — 
Titus, 

Wird es mich tödten? Wohl, fo laß michs ſchaun. 
Marcus. 

Die war dein Find! 

| Titus. 

Und iſt es jetzt noch, Mareus! 

Lucius. 

Weh! Dieſer Anblick tödtet mich! 
Titus. 

Schwachherz'ger Knabe! auf, und ſieh ſie an; 

O ſag, mein Kind, durch weß verfluchte Hand 

Kommſt du ſo handlos vor des Vaters Blick? 

Wer iſt der Thor, der Waſſer trug ins Meer, 

Und Holz in Troja's hellentflammten Brand? 

Mein Gram ſtand auf dem Gipfel, eh du kamſt, 





176 Titus Andronicns. IN, 1. 


est, gleich dem Nil, bricht er die Schranken durch. — 
Ein Schwert! Auch meine Hände hau’ ich ab! 
Sie fochten ja für Rom, und ganz umſonſt! 
Wenn fie mich nähr’ten, pflegten fie dieß Leid; 
Vergeblich im Gebet erhob ich fie, 
Und ohne Segen hab’ ich fie gebraucht! — 
Nun fer ihr letzter Dienft von mir begehrt, 
Daß mir die eine helf' abhaun die andre. 
»S iſt gut, Lavinia, daß du ohne Hand; 
Denn Rom zu dienen helfen Hände nicht! 
Lucius. 
Sprich, holde Schweſter, wer dich ſo gemartert? 
| Marens. 
Ah! der Gedanken Lieblich Anftrument, 
Das füße Redekunſt fo Hold geplaudert, 
Riß man aus feines zarten Käfige Haft, 
Wo's wie ein füß melod'ſcher Vogel fang, 
Im Wechfelton entzüdend jedes Ohr! 
Lucins. 
Statt ihrer ſprich! Wer hat die That vollbracht? 
Marcus. 
So fand ich fie, ach! ſchweifend in-dem Forſt, 
Beſorgt, fih zu verbergen wie ein Reh, 
Das eine unheilbare Wund’ empfing! 
Titus. 
Sie war mein Reh, und der die Wund’ ihr fchlug, 
That weher mir, als hätt? er mich durchbohrt. 
Nun ſteh' ich wie ein Dann auf einem Fels, 
Umgeben von ber weiten, wüften See, 
Der Wog’ auf Woge fihwellen fieht die Flut, 
Und ftets erwartet, ob ein neid'ſcher Schwall 
In feine ſalz'gen Tiefen ihn begräbt. 
Zum Tod hier gingen meine armen Söhne; 
Hier fleht mein andrer Sohn, aus Rom verbannt, 
Und hier mein Bruder, weinend um mein Web; 


Titus Andronicus. IM, 1. 177 


Doch was am fihärffien meine Seele fpornt, 
Iſt mein geliebtes Kind, mein Tiebfles Herz. — 
Und Hätt’ ih nur dein Bildniß fo gefehn, 
Ich fiel in Wahnſinn; was denn foll ich thun, 
Erblick' ich deinen holden Körper fo! 
Dhn’ Hände, deine Thränen abzutrocknen, 
Noch Zunge, zu erzählen, wer dich quälte. 
Todt ift dein Gatte, und um feinen Tod 
Verurtheilt deine Brüder, jebt enthauptet. 
Sieh, Marcus! ah, Sohn Lucius, ſieh fie an! 
Als ich die Brüder nannte, neßte gleich 
Die Wange frifihes Naß, wie Honig thaut 
Auf die gepflücte, faft gewelfte Lifte! 
Marens. 
Vielleicht weint fie, weil jene ihn getöbtet; 
Vielleicht, weil fie die Brüder ſchuldlos weiß! 
Titus. 

Wenn fie ihn töbteten, dann fei vergnügt, 
Denn ſchon zur Strafe z0g fie das Geſetz. 
Nein, nein! fie übten nicht fo arge That, 
Das zeugt der Bram, der ihre Schwefter beugt. 
Mein holdes Kind, die Lippen küſſ' ich dir; 
Ein Zeichen gieb, wie ich dir irgend helfe. 
Willſt don, Daß Lucius und dein. guter Ohm, 
Und du und ih um einen Duell ung feßen, 
Und, niederfchauend, unfre Wangen fehn . 
Entftellt und feucht, gleich Wiefen, noch nicht trocken 
Bom Schlamm, mit dem die Flut fie überſchwemmt? 
Und folln wir flarren in den Duell fo lang, 
Bis fih des Waffers füge Klarheit trübt, 
Und falzig wird durch unfre bittern Thränen? 
Solln wir die Hand ung weghaun fo wie bir, 
Die Zung’ abbeißen, und mit flummen Zeichen 
Verhaßter Tage Ueberreſt verbringen? 
Was follu wir thun? Laßt ung, die Zungen haben, - 

IX. 12 


178 Titus Andronicus. IL 1. 


Ein Jammerſpiel entwerfen fernern Elende, 

Daß wir ein Wunder werben fünft’ger Zeit] 
Lucius, 

Mein Bater, weint nicht mehr; bei euerm Gram, 

Seht, wie die arme Schwefter ſchluchzt und ſtöhnt! — 

| Marcus, 

Stil, Nichte! — Titus, trodne dir die Augen! 
Titus. 

Ah, Marens, Marcus! O, ich weiß, mein Bruder, 

Dein Tuch kann feine meiner Thränen faflen, 

Du haft es mit den eignen ſchon ertränft. 
Lucius, 

Ah, Schwefter! deine Wangen trodn’ ich ab] 
Titus. 

Sieh, Marcus, ihre Zeichen mer ich wohl; 

Fehlt’ ihr die Zunge nicht, jebt ſpräche fie 

Zu ihrem Bruder, wie ich fprach zu bir; 

Sein Tuch, von frommen Thränen ganz durchnetzt, 

Iſt ihrer Wange nun zu feinem Dienfl! — 

Wer fühlte Leid und Sorgen je, wie biefe? 

Bon Hülfe fern, wie Höoͤll' vom Paradieſe? 


(Aaron fommt) 


Aaron. 
Titus Andronicus, mein Herr, ber Raifer, 
Entbeut dir: wenn dir deine Söhne lieb, 
Soll Marcus, Lucius, wer es fei von euch, 
Oder du, Alter, felbft, abhaun die Hand, 
Und fie dem König fenden; alſobald 
Schickt er die Söhne lebend dir zurüdz 
Das fol die Buße feyn für ihre Schuld, 
Titus. 
O gnäd'ger Kaiſer! O huldvoller Mohr! 
Sang je ein Rabe ſo der Lerche gleich, 
Die ſüße Zeitung giebt vom Morgenroth, 


Titas Andronicus. lIII, I. 179 


Mit Frenden ſend' ich gleich dem Kaiſer meine Hand; 

Willſt du fie abhaun helfen, Jieber Mohr? 
Lurius, 

Halt! Vater, diefe edle, tapfre Hand, 

Die fonft fo manchen Feind zu Boden warf, 

Sollſt du nicht fenden;, meine bring’ ich darz 

Der Yüngre mißt wohl eh’r fein Blut als du, 

Und deßhalb zahl? ich für der Brüber Haupt. 
Marcus, 

Weß Hand von euch Hat Rom nicht Schub verliehn, 

Und Hoch im Kampf die blut’ge Art gezüdt, 

Vernichtung ſchreibend auf der Feinde Helm? 

D feine, die nicht höchſten Ruhm erfocht, 

Und meine war nur müßig; diene fie, 

Vom Tod die beiven Neffen zu befrein, 

Dann hab’ ich fie zu würd’gem Zweck bewahrt. 
Aaron. 

Nun, einigt euch, weß Hand ſoll mit mir gehn, 

Daß fie nicht flerben, eh die Rettung kam. 


Mareus. 
Nehmt meine Hand! 
Lucius. 
Beim Himmel, deine nicht! 
Titus. 
Nicht fürder ſtreitet; welkes Kraut, wie dieß, 
Iſt gut es auszuraufen: nehmt denn meinel — 
Lucius. 
Mein Bater, wenn dein Sohn ich heißen ſoll, 
Laß mich die Brüder retten von dem Tod. 
Marcus. 
Um unfres Baters, unſrer Mutter willen, 
Heut laß mich zeigen, wie ein Bruder liebt. 
| Titus, 


So tret’ ich denn zurück, vereint euch Drum. 
12* 


180 Titus Andronicus. IM, 1. 


Lucius. 
Ich geh' und hol' die Axt. 
Marcus. 
Und ich gebrauche ſie. 
(Lucius und Marcus gehn) 
Titus. 
Komm hieher, Mohr, betrügen will ich ſie; 
Leih mir die Hand, und meine geb' ich dir. 
Aaron. (beiſeit) 
Wenn das Betrug heißt, will ich ehrlich ſeyn, 
Und keinen ſo betrügen, das iſt klar. 
Doch ich betrüg' euch wohl auf andre Art, 
In einer halben Stunde ſollt ihrs ſehn. 
(Sr haut Titus Sand ab) 
(Lucind und Marcus fommen zurüf) 
Titus. 
Nun laßt den Streit, was feyn muß, ift gethan. — 
Mein guter Mohr, dem Kaifer gieb die Hand; 
Sag, dieß war eine Hand, die ihn geſchützt 
Manch tauſendmal; begraben foll ex fie, 
Sie Hat wohl mehr verbient, dieß gönn' er ihr. 
Und meine Söhne, fag ihm, acht’ ich nun 
Wie Edelſteine, wohlfeil mir erfauft, ' 
Und dennoch then’r, weil ich gefauft, was mein. 
Aaron. 
Ich geh’, Androniens; für deine Hand 
Mach dich bereit, die Söhne bald zu ſehn; — 
Cbeifeit) Der Buben Häupter mein’ ih. — Wie der 
Streich, 
"Wenn ich dram denke, mich ergötzt und werbetl — 
Laß Narr'n und Weiße fromm um Gnade werben, 
Mag Schwarz mir Antlit fo wie Seele färben. 
. (Gebt ab) 
Titus, 
Hier heb' ich auf die eine Hand zum Himmel, 


Titus Andronicne IU, 1. 181 


Zur Erde beug’ ich diefe ſchwache Trümmer; 

Giebts eine Macht, vie meine Thräne rührt, 

Die fleb’ ih anz (zu Lavinia) Was, willſt du mit mir 

| | fnien? 

Thu's, liebes Herz; der Himmel muß uns hören! 

Sonft hauchen wir die Luft mit Seufzern trüb, 

Die Sonne fehwärzend, wie die Wolfen thun, 

Wenn fie in ihrer feuchten Bruft fie bergen. 
Marens. 

O Bruder, fprich von Möglichkeiten doch, 

Und ſtürz dich nicht in ſolches Wahnfinns Tiefe! 

Titus, 

Sf denn mein Gram nicht tief und bodenlos? 

So fei die Leivenfchaft auch ohne Boden! 
Marcus, 

Doch laß Vernunft regieren deinen Schmerz! _ 
Titus, 

Gäb' es vernünft’gen Grund für folches Leib, 

Dann fhlöff’ ich wohl in Grenzen all dieß Weh. 

Erfäuft das Feld nicht, wenn der Himmel weint? 

Schäumt, wenn der Sturmwind raſt, dag Meer nicht auf, 

Und droht dem Firmament mit fchwell’ndem Antlitz? 

Und willft du Gründe noch für folde Wuth? 

Ich bin das Meer, hör’ ihre Seufzer wehn! 

Sie ift die Luft in Thränen, ich das Rand; 

Sp fchwellen ihre Seufzer denn mein Meer, 

Und ihrer Thränen Sündflut überſchwemmt 

In fletem Regen firömend mein Gefilv; 

Denn, wie? mein Iunres faßt nicht ihren Schmerz, 

Und ich, gleich einem Trunfnen, fper’ ihn aus. 

Drum laßt mid, frei; Verlierern fleht ja frei 

Sich Luft zu machen durch den bittern Fluch. 

(Ein Bote fommt, und bringt zwei Häupter und eine Hand) 

Bote. 
MWürd’ger Andronicus, fhlimm zahlt man bir 


182 Titus Andronicns IM, 1. 


Die gute Hand, die du dem Kaiſer gabſt. 
Sieh hier zwei Häupter deiner edlen Söhne; 
Hier deine Hand, zum Hohn zurückgeſchickt: 
Dein Schmerz ihr Spott, und dein Entfchluß verhößnt, 
Sp daß mirs weh’ ift, dent’ ich deines Weh's, 
Mehr, als Erinnerung an des Vaters Tod. (Geht ab) 
Marens, 
Nun werbe Falt, Sieiliens heißer Aetna, 
Und fei mein Herz ein glühnder Flammenpfupl! 
Solch Elend iſt zuviel für Menſchenkraft! 
Mitweinen mit den Weinenden iſt Troſt, 
Doch Schmerz ſo frech verhöhnt dreifacher Tod. 
Lucius, 
O, daß der Anblick folhe Wunden fehlägt, 
Und ſchreckt verhaßtes Leben nicht hinweg | 
Daß Tod dem Leben feinen Namen leiht, 
Wo Leben nur verweilt als Athemzug! 
(Lavinia füßt ihn) 
Marcus. 
Ah, armes Herz, der Kuß ift ohne Troft, 
Wie hartes Eis dem frofterftarrten Wurm. 
Titus, 
Wann endet diefer fürchterliche Schlaf? 
Marcus. 
Nun, Schmeichelei fahr’ Hinz nun Titus, ſtirb; 
Du ſchliefſt nicht; fieh die Häupter deiner Söhne, 
Sieh deine Hand, fieh dein verflümmelt Kind, 
Den landverwief’nen Sohn, durch diefen Anblick 
Betrübt und bleich; mich deinen Bruder fieh, 
Wie ein verfteinert Bildniß, Falt und flarr. 
Ah, nimmer recht’ ich jet mit deinem Schmerz! 
Kauf nur dein Silberhaar, mit deinen Zähnen 
Zerfleifh’ die andre Hand: dieß graufe Bild 
Sei deiner armen Augen lebte Schau. 
Run ift es Zeit zum Sturm, was fchweigft du ſtill? 





Titus Andronicne. IH, 1. 183 


Titus. 

Hal Hal Hal j - 
Marens, 

Was lachſt du? folder Stunde ziemt es nit! 
Titus. 


Nun, blieb mir denn noch eine Thräne übrig? 

Und dann iſt auch dieß Weinen ſelbſt mein Feind, 

Der mir die feuchten Augen wohl zerftörte, 

Dis fie erblindet von der Thränen Zoll; 

Wie aber fänd’ ich dann der Rache Höhle? 

Denn diefe Häupter reden ja zu mir, 

Und droßn mir, ewig nicht erlang’ ich Ruh, 

Dis all dieß Elend ward zurüdgezaflt, 

Zurüd in deren Schlund, die’s ausgefanbt. 

Still! Laßt mich fehn, was nun mein Tagewert: 

Ihr Bolt des Zammers, ſtellt euch um mich ber, 

Daß ich zu Jeglichem mich wende hin, 

Und ſchwör' anf meine Seel’, ich raͤch' eu’r Leib. 

Ich hab's gelobt. — Jetzt, Bruder, faff’ ein Haupt, 

In diefer Hand halt’ ich das andre feft: 

Lavinia, Hilf uns auch in diefem Werf, 

Mit deinen Zähnen, Kind, halt’ meine Hand. — 

Du, lieber Sohn, entferne dich von hier, 

Du bift verbannt, und darffl hier nicht verweilen. — 

Fleuch zu den Gothen, wirb dir dort ein Heer, 

Und willſt du folgfam meinen Willen thun, 

Küß' mich und geh; uns bleibt noch viel zu thun. 
(Alte gehn ab bis auf Lucius) 

Lucius. 

Leb wohl, Andronicns, mein edler Vater, 

Der jammervollſte Dann, den Rom gefehn! 

Leb wohl, o Roml bis Lucius wiederfehrt, 

Laßt er dir Pfänder, theurer als fein Blut. 

Leb wohl, Lavinia, du edle Schwefter: 

O wärft du wieder, was du warft zuvor! 


184 Titus Andronicns. IIF, 2. 


Deun Lucius und Ravinia leben jetzt 

Nur in Vergeffenheit, in Gram und Haß. 
Wenn Lucius lebt, vergilt er deine Schmach; 
Der ftolze Saturnin und fein Gemahl 

Solln an den Thoren beiteln, wie Tarquin. 
Jetzt zieh? ich zu den Gothen, werb’ ein Heer 
Und räche mich an Rom und Saturnin. Ä 
(Geht ab) 


Zweite Gcene. 
Zimmer in Titus Haufe 


(Ein Bankett. Titus, Marcus, Layinia und der junge 
Lucius, ein Knabe, treten auf) 
Titus, 
Sp, fo; num fißtz gebt Acht, und eßt nicht mehr, 
Als was nur eben ung in Kraft erhält, 
Rache zu nehmen für dieß bittre Web. 
Marcus, entlnüpf’ den gramgefchlungnen Knoten! 
Der Nicht’ und mir, uns Aermften, fehlen Hände, 
Wir Fönnen nicht gebehrden unfre Dual, 
Die Arme Freuzend. Diefe ſchwache Rechte 
Dlieb mir, tyrannifch meine Bruft zu ſchlagen; 
Und wenn mein Herz, von Sammer ganz verwirrt, 
An diefes Fleifches hohlen Kerfer klopft, 
Dann ftoß’ ichs fo hinab. — (Zu Lavinien) 
Du Spiegel alles Weh’s, in Zeichen redend, 
Wenn dir dein Herz mit wilden Jochen flürmt, 
Kannſt du’s durch Streiche nicht beruhigen! 
Mit Seufzern triff, mit Aechzen tödt' es, Kind, 
Fafſſ' dir ein fpitig Meffer mit den Zähnen, 
Und bohr' am Herzen eine Wunde dir, 
Daß jede Thräne deiner armen Augen 
Der Gruft zufließtz und, wenn ſichs vollgefaugt, 
Im bittern Salz der arme Narr ertrinfe! 


Titns Antronicus II, 2. 185 


Marens. 
Pfui, Bruder, pfni! lehr fie gewaltfam nicht 
Die Hand anlegen ihrem zarten Leib! 
| Titus. 
Wie, hat dich Kummer fchon verrüdt gemacht? 
Ich, Mareus, darf allein im Wahnfınn fprechen. 
©ewaltfam Hand anlegen follte fie? 
Ad, warum nannteft du den Namen Hand? 
Sp mußt’ Aeneas zweimal Nede ftehn, 
Wie Troja brannt’ und er ins Elend fan. 
Dandhabe nichts, wo man von Händen fpricht, 
Nicht flets zu mahnen, daß wir Feine haben! — 
— Pfui! wie im Fieber klingt es, was ich ſprach; 
ALS dachten wir an unfre Hand nicht mehr, 
Wenn Marcus unfrer Hände nicht erwähnt! — 
Kommt, fangt nun an. Iß dieß, mein füßes Mädchen, — 
— Hier fehlt zu trinfen. — Hör’ doch, was fie ſpricht: 
AN ihre Marterzeichen merf’ ich Teicht: 
Sie fagt, fie Fennt nur Thränen als Getränf, 
Ihr Becher fei die Wang’, ihr Aug’ die Kelter. 
Spradlofe Klag'! Ich forfche deinen Sinn, 
Dein ſtummes Reben lern’ ih fo verftehn, 
Wie bettelnde Einfiedler ihr Brevier. 
Du ſollſt nicht feufzen, nicht zum Himmel fehn, 
Nicht winken, nicken, Zeichen machen, Enien, 
Daß ich daraus nicht füg’ ein Alphabet, 
Und ſtill mich übend lerne, was du meinft. 
| Knabe. 
Großvater, laß die Klagen herb und wild, 
Erheitre meine Muhme durch ein Mährchen. 
Marecus. 
Der zarte Knabe, ach! bewegt von Mitleid, 
Weint, ſo in Schwermuth ſeinen Ahn zu ſehn! — 
| Titus. 
Stil, zarter Sproß; du bift geformt aus Thränen, 


186 Titus Androniens. IM, 2. 


Und Thränen fehmelzen bald dein Leben Kin! 
' (Marcus fchlägt mit dem Meſſer auf den Teller) 

Wonach fehlugft du mit deinem Meffer, Marcus? 
Marcus. 

Ich traf und flug fie todt; ’ne Fliege wars. 
Titus. 

Schäme dih, Mörver; du erfchlugft mein Herz; 

Mein Ang’ ift überfatt von Tyrannei: 

Ein Mord an dem unſchuld'gen Thier geübt 

Ziemt Titus Bruder nicht: — ſteh' auf, und geh. 

Ich feh’, du taugft für meinen Umgang nicht. 
Marcens. 

D Lieber! Eine Flieg’ erfhlug ih nur! — 
Titus. 

Wenn nun die Fliege Vater hatt? und Mutter? 

Wie fenft’ er dann die zarten golpnen Schwingen, 

Und fummte Klag’ und Jammer durch die Luft! 

Harmloſes, gutes Ding! 

Das mit dem bübfchen, ſummenden Gefang 

Herflog ung zu erheitern; und du töhteft fie! 
Marcus. | 

Vergieb; ’ne ſchwarze, garft’ge Fliege wars, 

Ganz wie der Raifrin Mohr; drum ſchlug ich fie. 
Titus, 

Oh, Dh, Oh, 

Ja, dann vergieb mir, wenn ih dich gefcholten, 

Denn eine That der Gnade übteft du. 

Gieb mir dein Mefler, ich will fie zerhaun, 

Mir ſchmeicheln, diefen Mohren hätt? ich hier, 

Der eigens herkam, um mir Gift zu ſtreun. 

Das nimm für dich! und dieß für Tamora! 

Ah, Bube! 

Ich denfe doch, fo find wir nicht herunter, 

Daß wir am Tifch Hier nicht ’ne Flieg’ erfchlügen, 

Die kohlſchwarz wie ein Mohr fich zu uns drängt! 


Titus Andronicus. IV, J. 187 


Mareus. 
Ach, armer Mann! Er Hält von Gram zerſtört 
Trügliche Schatten für ein wahres Ding! — 
Titus. 
Kommt, räumt nun auf: Lavinia, geb mit mir, 
Ich folg’ dir in dein Zimmer, leſe dir 
Leidvolle Maͤhrchen vor aus alter Zeit. 
Komm, Knabe, folge mir; dein Aug’ ift jung, 
Und du ſollſt Iefen, wenn fich meines trübt. 
(Sie gehn 6) 


Vierter Aufzug. 


Erſte Scene 
Dor dem Hanfe des Titus. 


(Der junge Lucius, mit Büchern unterm Arm, lauft vor 
Lavinien, die ihm nachfolgt. Dann kommen Titus und 
Marcus) 

Knabe. 

Großvater hilf! Muhme Lavinia 

Verfolgt mich allenthalb, weiß nicht warum. 

Sieh, Oheim Marcus, ſieh, wie ſchnell fie kommt! 

Ach, liebſte Muhm', ich weiß nicht was du willſt? 
Marens. 

Komm zu mir, Lucius, fürchte nicht die Muhme. 
Titus. 

Sie liebt dich, Kind, zu fehr, dir leid zu tun. 
Knabe. 

O ja, als noch mein Vater war in Rom! — 


188 Titus Andronicus. IV, 1. 


Marcus. 
Was deuten diefe Zeichen, theure Nichte? 
Titus. 
Fürchte nicht, Lucius: etwas meint fie jetzt; — 
— Sieh, Lucius, fieh, wie viel fie von dir hältz 
Sie will, daß du ihr dorthin folgen folf. 
Ah, Kind, Cornelia las mit ihren Söhnen 
Sp eifrig nie, als fie mit dir ſtudirt 
Die Poefie und Tullins Redekunſt. 
Erräthft du nicht, was fie von dir begehrt? 
Knabe. 
O Herr, ich weiß nicht, noch errath' ich es, 
Wenn nicht ein ſchneller Wahnſinn ſie ergriff: 
Denn oftmals hört' ich vom Großvater ſchon, 
Den Geiſt verwirr' ein Uebermaaß des Grams; 
Und las, wie die Trojan'ſche Hecuba 
Toll ward durch Kummer: das erſchreckte mich, 
Obſchon ich weiß, die edle Muhme liebt 
So zaͤrtlich mich, als meine Mutter that, 
Und nur im Sieber könnte fie mich ſchrecken. 
Sp warf ich denn die Bücher bin, und Tief 
Bielleicht um nichts: doch, Muhme, feid nicht bös; 
Und, Bafe, wenn mein Obeim Marcus folgt, 
Dann will ich mit euch gehn, wohin es fei. 
Marcus. 
Das will ich, Lucius. 
Titus, 
Wie nun, Lavinia? Was beveutet die? 
Hier muß ein Bud feyn, das fie wünfcht zu fehn: 
Bon diefen, welches? Knabe, fihlag-fie auf: 
Doch du Haft mehr, und andre Schrift gelefen; 
Komm, wähl’ in meinem ganzen Bücherſaal. 
Und fo vergiß dein Reid, bis das Geſchick 
Enthüllt den argen Stifter diefer That. — 
Was hebt fie wechfelnd ihre Arm’ empor? 


Titus Andronicne IV, 189 


Marens. 
Sie meint wohl, denk' ich, daß noch mehr als ein 
Verſchworner mitgewirkt: — Gewiß, fo wars: — 
Wo nicht, ruft ſie des Himmels Zorn herab. 
Titus. 
Lucius, welch Buch iſt das, woran ſie ſtößt? 
Knabe. 
Herr, des Ovid Metamorphoſen ſinds, 
Die Mutter gab ſie mir. 
Marcus. 
Aus Liebe zur Verſtorbnen 
Waͤhlte ſie's aus der Menge wohl hervor. 
Titus. 
Still, fill! wie emfig fie die Blätter dreht! 
Helft ihr: 
Ras fucht fie doch? Lavinia, fol ich leſen? 
»S ift Philomelens tragifche Erzäßfung, 
Des Tereus böfe Lift, Gewalt und Raub; 
Und Raub war, fürchte’ ich, Wurzel deiner Marter. 
Marcus, 
Sieh Bruder! Merk, das Blatt bezeichnet fie. 
Titus. 
Wardſt du fo überrafcht, mein füßes Kind, 
Beraubt, entehrt ‚ wie Philomele ward? 
Geſchwächt im wüſten, mitleidsloſen Wald? 
Seht, feht! — 
Ya, folh ein Thal ift dort, wo wir gejagt, 
(D hätten wir doch nie, nie dort gejagt!) 
Genau, wie uns der Dichter Kunde giebt, 
Bon der Natur geprägt zu Raub und Mord, 
Marcus, 
Bie ſchuf ſo wüſten Thalgrund die Natur, 
Wenn Goͤtter der Tragodien ſich nicht freun? 
Titus. 
Gieb Zeichen, Kind, — hier ſind ja Freunde nur, — 


190 Titus Andronicne. IV, 1. 


Ber ift der Römer, der die That gewagt? 
Schlich Saturnin heran, wie einft Taramın, 
Als er vom Heer fih zu Rucretien ſtahl ? 
Marcus. 
Setz dich, Lavinia; — Bruder, fe dich her. — 
Apollo, Pallas, Yupiter, Mercur, 
Erleuchtet mi, den Thäter zu erſpähn! — 
Bruder, fieh ber, — geliebte Nichte, ſieh; 
(Er fchreibt feinen Namen mit feinem Stabe, deu er mit dem 
Munde und den Füßen führt) 
Hier auf dem ebnen Sande, wenn du Fannfl, 
Schreib du, wie ich jeßt meinen Namen 309, 
Ganz ohne Hülf und Beiftand unfrer Hände. 
Berfluchtes Herz, das zu dem Spiel ung zwingt! 
Schreib, füßes Kind! und zieh’ ans Licht zuletzt, 
Was unfrer Nach’ entdecken will der Himmel: 
Lenf ihre Feder, Gott! ihr Leid zu fihreiben, 
Thu’ ung den Frevler und die Wahrheit Fund! — 
(Sie nimmt den Stab in den Mund, führt ihn mit den ver 
flümmelten Armen, und fchreibt:) 
Titus, 
D Bruder! Les, was fie gefhrieben hat! 
Stuprum, — Chiron, — Demetrius. 
Marcus. 
Was? Tamora's verbuhltes Knabenpaar 
Bollbringer diefer biut’gen, ſchwarzen That? 
Titus, 
— Magne dominator poli, 
Tam lentus audis scelera? tam lentus vides? 
Marcus. 
D, ruhig, theurer Bruder! Schrieb fie gleich 
Mehr als zuviel auf diefen Boden him, 
Die Sanftmuth felbft zur Nothwehr zu empören, 
Und Kinder aufzuftürmen zum Entſchluß. — 
Knie mit mir nieder, Bruder, Nichte, nie, 





Titus Andronieus. IV, 1. 191 


Und Kuab’, auch du, des roöm'ſchen Hectors Troſt: 
Shwört mir, (wie dem unfel’gen Gatten einft 
Und Bater der entehrten keuſchen Frau 
Held Brutus bei Lucretiens Leiche ſchwur,) — 
Ausüben wollen wir nach beſtem Rath 
Tödtlihe Ra’ an jenen tück'ſchen Gothen, 
Sie morden, oder felbft als Feige flerben. 
Titus. 
Recht fehön von dir, wenn da nur wüßtefl, wie? 
Doch trifft du nur die Zungen, dann gieb Acht, 
Du wedft die Alte; wittert fie den Streich, 
Ei, mit dem Löwen iſt fie eng im Bund, 
Und wiegt ihn ein, auf ihrem Rücken fpielend, 
Und fchläft er erſt, dann thut fie, was fie will, 
Du bift zur Jagd noch jung, drum laß es gut ſeyn. 
Bart nurl em Täflein hol’ ich ber von Erz, 
Und grabe drauf mit ſcharfem Stahl die Namen, 
Und berg’ es: ſonſt verweht der tück'ſche Rord 
Wie der Sibylle Blätter diefen. Sand, 
Und dann, wie fländ’s um unfre Lection? 
Was fagft du, Knabe? 
Knabe. 
Ich ſage, theurer Herr, wär’ ich ein Mann, 
Nicht ihrer Mutter Schlafgemach beſchützte 
Dieß Knechtsgezücht, das röm'ſche Ketten trug. 
| Marens. 
Recht, warkrer Knab'l Oft that dein Vater fchon 
Das Gleiche für fein undankbares Volk. 
Ä Knabe. 
Und leb' ich, Oheim, thu' ich ſo wie er. 
Titus. 
Komm, geh mit mir in meinen Waffenſaal. 
Lucius wird ausgeſtattet; und mein Knabe 
Soll gleich von mir den Söhnen Tamora's 


192 Titus Andronicus. IV, 2. 


Geſchenke bringen, die ich ſenden will. 

Komm, du beftellft die Botſchaft; willſt du nicht? 
Raabe. 

Großvater ja; mein Dolch für ihre Bruft! 
Titus. 

Nein, Kind, nicht fo; ich lehr' Dich andern Weg. 

Lavinia komm; Marcus, geh in mein Haus, 

Lucius und ich, wir fetens durch bei Hof, 

Ja traun, das thun wir, und wir finden Gunſt. 

(Sie gehn ab bis auf Marcus) 

Marcus. 

Götter! Könnt ihr den Guten weinen fehn, 

Und lenkt nicht ein, und hegt fein Mitgefühl? 

Marxens, verlaff’ ihn nicht in dieſem Wahnwitz; 

Mehr Narben trägt fein gramverwundet Herz, . 

Als Feindesſcharten fein zerftoßner Schild; 

Und doch fo treu, daß er nicht Rache fuchtz 

Rächt Götter denn den Greis Andronicus! (a6) 

a 


Zweite Scene 
Ein Zimmer im kaiſerlichen Palaft. 


(Bon der einen Seite treten auf Aaron, Chiron und De— 
metrius; von der andern der junge Lucius, und ein 
Knabe, der ein Bündel Maffen trägt, um weldyes Verfe 
gefchrieben fichn) 

Chiron. 


Demetrius, bier ift des Lucius Sohn, 
Der eine Botfchaft uns beftellen ſoll. 
Aaron. 
’Ne tolle Botſchaft wohl vom toffen Alten! 
Knabe. 
Ihr Herrn,-mit aller ſchuld'gen Demuth meld' ich 
Titus Andronicns ergebnen Gruß; — 
Cbeifeit) Und fleh’ die Götter Roms euch zu verderben. 


Titus Andronicne IV, 2. 193 


Demetrius, 
Hab Dank, mein art’ges Kind! Was Neues giebts? 
Knabe. Cbeifeit) 
Daß wir euch beid' entlarnt, das Nene giebts, 
As räuberiſche Schurfen. — (laut) Edle Herrn, 
Mit Vorbedacht ſchickt mein Großvater euch 
Die fchönften Klingen feines Waffenfaals, 
Als eurer würd'gen Jugend Luft und Schmud, 
Der Hoffnung Roms: denn alfo fagt’ ers mir 
Und fo beftell? ichs jest, und liefr' euch ab 
Sein Gaftgefhent: daß, wenn ihre einft bedürft, 
Ihr flattlich ſeid gerüftet und bewehrt. — 
Und fomit Laff’ ich euch, (beiſeit) als blut'ge Schurfen. (ab) 
Demetrius. 
Nun, was ift Die? Ein Blatt rundum beſchrieben 
Laßt ſehn: 
Integer vitae, scelerisque purus, 
Non eget Mauri jaculis, neque arcu. 
Chiron. 
Der Vers ſteht im Horaz, ich kenn' ihn wohl; 
Ich las ihn in der Schul' als Knabe ſchon. 
Aaron. 
Ja wohl, das ſchreibt Horaz, ihr traft es gut. 
(beiſeit) Nun ſieht man doch, ein Eſel hat Fein Arg! 
Dieß ift fein Scherz; der Alte hats entdeckt, 
Und fhidt mit folder Auffchrift fein Gefchoß, 
Die, ohne daß fies ahnen, trifft ins Herz. 
Bär’ unfre wiß’ge Kaiferin wohlauf, 
Sie Hatfchte Beifall Titus fpigem Wort: 
Doch mag fie ruhn, unruhig wie fie iſt. — 
(laut) Run, junge Herrn, wars nicht ein gut Geſtirn, 
Das uns als Fremde hergeführt nach Rom, 
Ya als Gefangne, zu fo hohem Glück? 
Es that mir wohl, als ih am Burgthor troßte 
Im Beiſein feines Bruders dem Tribun. 
IX. 13 


194 Titus Andronicus. iv, 2. 


Demetrius. 
Und mich ergötzt noch mehr, daß ſolch ein Held 
Uns fröhnt in Demuth, und Gefchenfe beut. 
Aaron. 
Hatt' ers nicht Urfach, Prinz Demetrius? 
Gingt ihr nicht freundlich mit der Tochter um? 
Demetrius. 
Ich wollt', wir hätten tauſend röm'ſche Frau'n, 
Auf gleichen Kauf uns wechſelnd zu erfreun. 
Chiron. 
Ein liebevoller Wunfh! Ein fromm Gebet! 
Aaron. 
Wär eure Mutter hier, fie fpräche Amen. 
Chiron. | 
Das thäte fie für zwanzig taufend mehr, 
Demetrius. 
Kommt, gehn wir; und zu allen Göttern fleht 
Für unſre Mutter, die in Wehen liegt. 
Aaron. (beiſeit) 
Zu Tenfeln fleht; Fein Gott will von ung wiſſen. 
(Man hört Trompeten im Balaft) 
Demetrius. 
Was blafen die Trompeten im Palafl? 


Chiron. 
Vielleicht erfreut den Raifer jeht ein Sohn. 


Demetriug, 
Stil dval Wer kommt? — 


(Eine Wärterin kommt mit einem fehwatzen Kinde) 


Wärterin. 
Gott grüß’ euch, Liebe Herrn! 
O ſagt mir an, wo Aaron iſt, der Mohr? 
Aaron. 
Aaron iſt hier; was ſolls mit Aaron ſeyn? 





Titus Andronicne IV, 2. 195 


Wärterin. 
D Lieber Aaron! Alles iſt vorbeil — 
Nun Hilf, font fomme Fluch auf dich hinab! 
Aaron. 
Was giebts? Was foll der Zeter, das Geſchrei? 
Was widelft und verhüllſt du in dein Tuch? 
Wärterin. 
D, was ih vor der Sonne gern verfledt’, — 
Der Kaiſ'rin Schmad, des großen Roms Entehrung; 
Sie ift entbunden, Herrn, fie iR entbunden. 
Aaron, 
Bon welchem Eid? 
MWärterin. 
Sie fam ins Wochenbett. 
Aaron. 
Nun denn, der Himmel 
Geh’ ihr ’ne gute Nacht! Was ſchickt' er ihr? 


Wärterin. 
Einen Teufel, 
Aaron. 
Eines Teufels Mutter? Welch erwünſchter Sproß 
Wärterin. 


Verwünſchter, ſchnöder, ſchwarzer, wüſter Sproß 
Hier iſt das Kind, ſo widrig wie ein Molch 
Bei weißen Greaturen unfres Lands. 
Dein Siegel, deinen Abdruck ſchickt fie dir, 
Und mit des Dolches Spite tauf’ ihn jetzt! 
Aaron. 
Geh mir, du Hur'! IE Schwarz fo fohlimme Farbe? 
Du Dickkopf biſt ’ne ſchöne Blüthe, gelt? 
Demetrius. 
Schurk', was haſt du gemacht? 
Aaron. 
Gemacht, was du 
Nicht Fannft zunichte machen. 
13 ® 


196 Titus Andronicns. IV, 2. 


» Ehiron. 
Unfre Mutter 
Haft du vernichtet! 
Aaron. 
Nein, verpflichtet, Schurke. 
Demetrins, 
Und eben dadurch, Höllenhund, vernichtet. — 
Fluch dieſer That! Fluch ihrer efeln Wahl 
Berflucht der Sprößling folches ſchnöden Teufels! — 
Chiron, 
Er ſoll nicht leben! 
Aaron. 
Sterben ſoll er nit. 
Wärterin. 
Haron, er muß, und feine Mutter wills, 
Aaron. 
Was muß er? Nun, fo fol Fein Dann als ich 
An meinem Fleifh und Blut den Sprach vollziehn. 
Demetrius. 
Auf meinen Degen ſpieß' ich gleich den Molch: 
Gieb mir ihn her, ſo iſt es abgethan. 
Aaron. 
Eh wühlt dieß Schwert in euern Eingeweiden! — 
Halt Mörder euern Bruder ſchont ihr nicht? 
Nun bei dem Sternenglanz des Firmaments, 
Der luſtig ſchien, als ich den Schelm gezeugt, — 
Der ſtirbt durch meines Säbels ſcharfen Stahl, 
Der meinem ältften Sohn und Erben naht. 
Ich fag’ euch, Burfihen, nicht Enceladus 
Mit feiner drohnden Schaar aus Typhons Brut, 
Noch Hercules, noch ſelbſt der Gott des Kriegs, 
Raubt dieſe Beut’ ans feines Vaters Hand. 
Was? Ihr blutdürſt'gen Buben, ſchalen Geiſtes, 
Weißfalf’ge Wände, bunte Bierhauszeichen, 
Kohlſchwarz gilt mehr, als jede andre Farbe; 





Titns Andronicne, IV, 2. 


Denn alle Wafferflut im weiten Meer 

Waͤſcht nicht des Schwanes ſchwarze Füße weiß, 
Obſchon er flündlih fie im Meere ſpült. — 

Sag du der Kaiſ'rin, ich fer alt genug, 

Was mein, zu ſchützen; trag fie’s wie fie mag! — 


Demetrinsg. 
Sp willſt du deine Herrin frech verrathen? 
Aaron, 


Herrin ift meine Herrin; dieß ich ſelbſt, 

Das Mark und Abbild meiner Jugendkraft; 

Dieß ift mir theurer, als die ganze Welt, 

Dieß will ich retten trotz der ganzen Welt, 

Sonft glaubt noch Mancher dran von euch in Rom, 

Demetrius. 

Dieß bringt auf unfre Mutter ew’gen Schimpf! 
Chiron. 

Rom wird fie ſchmähn um dieſe Mißgeburt! — 

Wärterin. 

Des Kaiſers Wuth wird ſie dem Tode weihn! 
Chiron. 

Ich muß erröthen, denk' ich dieſe Schmachl — 
Aaron. 

Da ſeht das Vorrecht, das euch Schönheit bringt! 

Pfut, feiges Weiß, das durch Erröthen meldet, 

Bas in Geheim das Herz befchließt und fühlt! — 

Hier ift ein Burfch, geprägt aus anderm Thon: 

Geht, wie der ſchwarze Schelm anlacht den Vater! 

As wollt’ er fagen, — Alter, ich bin dein. 

Der ift eu’r Bruder, Prinzen; frifch genährt 

Bom felben Blut, das euch das Leben gab, 

Aus jenem Schuoß, wo ihr gefangen wart, 

Iſt er entfeffelt und ang Licht gebracht: 

Eu’r Bruder von der fihern Seite, traum, 

Obgleich fein Antlig meinen Stempel trägt. 


198 Titus Audronicus. iv, 2. 


Waͤrterin. 
Aaron, was meld’ ich nun der Kaiſerin? 
Demetrius, 
Bedenk' dich, Aaron, wie zu helfen fei, 
Und wir find Alle deinem Rath geneigt; 
Nette das Kind, wenn du ung AP errett'ſt. 
Aaron, 
Setzen wir uns und überlegt mit mir. 
Diein Sohn und ich, wir find hier außerm Schuß, 
Dleibt dort; nun, wie’s euch gut dünkt, fprecht von 
Rettung, 
(Sie ſetzen fih auf die Erde nieder) 
Demetrins, j 
Die viele Frauen fahn dieß Kind von ihm? 
” Aaron. 
Seht, liebe Herrn, wenn wir uns einig ſind, 
Bin ich ein Lamm: doch bietet Trotz dem Mohren, 
Und Aaron ſtürmt, wie das empörte Meer, 
Wie Eher wild und Löwen im Gebirg. — 
Nun fag noch einmal, wie viel Frauen ſah'ns? 
Wärterin. 
Cornelia, die Hebamme, und ich ſelbſt; 
Sonſt kein' als die entbundne Kaiſerin. 
Aaron. 
Die Kaiſ'rin, — die Hebamme, — und du ſelbſt? 
Zwei fihweigen wohl, if nur die Dritte fort; 
Geh Hin zur Kaifrin, fprich, dieß fagt’ ich dir! — 
Ä (Er erſticht fie) 
Quiek, Quiek! So ſchreit das Ferkel, das man ſpießt. 
Demetrius. 
Was meinſt du, Aaron? Warum thatſt du dieß? 
Aaron. 
Nun, meiner Treu, aus weiſer Politik; 
Ließ ich ſie gehn, verrieth ſie unſer Spiel, 
Die ſchwatzende Gevattrin! Nein, ihr Herrn; 


Titns Andronicue. IV, 2. 199 


Und nun erfahrt den Plan, den ich erſann. 
Mein Landsmann Mulitens lebt nah von hier, 
Dep Weib erſt geflern in die Wochen Fam; 
Der gleicht das Kind und ift fo weiß wie ihr. 
Geht, Tartets ab und gebt der Mutter Gold, 
Und beiden fagt ben Hergang recht genau, 
Und wie ihr Kind hiedurch zu Ehren kommt, 
Und als des Kaiſers Erbe gelten wird, 

Und an die Stefle tritt des Meinigen, 

Den Sturm zu fänft’gen, der am Hofe droht; 
Der Kaifer mög’ e8 herzen dann als feins. 
Hört nun: Ihr ſeht, ich gab ihr Arzenei, 
Und ihr müßt jet ihr Tobtengräber feyn. 
Das Feld ift nah, ihr fern ein rüflig Paar; 
Dieß wohl beforgt, verliert mir Leine Zeit, 
Schickt die Hebamme mir im Augenblid. 
Hebamm’ und Wärterin beifeit gefchafft, 
Dann laßt die Weiber ſchwatzen, wie’s beliebt. 


Chiron. 
Aaron, ich merke, nicht einmal der Luft 
" Bertrauft du. 
Demetrius. 


Daß du fo der Mutter fchonft, 
Muß fie, wie ihre Söhne, herzlich danken. 
(Chiron und Demeirins gehn ab) 
Aaron. 
Nun zu den Gothen ſchnell wie Schwalbenflug! 
Dort bring' ich dieſen Schatz in Sicherheit, 
Und grüß' der Kaiſ'rin Freunde insgeheim. — 
Komm, du breitmäul’ger Schelm, ich trag’ dich fort, 
Denn du haft ung in all’ die Noth gebracht. 
Mit Wurzeln füttr? ich dich und wilden Beeren, 
Mit Rahm und Molfenz Ziegen ſollſt bu fangen, 
In Höhlen wohnen; fo zieh’ ich dich auf 
Zum tapfern Kriegesmann und General, (ab) 


200 | Titus Andronicns IV,3. 


Dritte Scene. 
Straße. 


(Titus, der alte Marcus, der Knabe Lucius und Andre 
treten auf mit Bogen; Titus trügt die Pfeile, an deren 
Enden Briefe befeftigt find) 

Titus, 5 
Komm, Marcus, komm; Wettern, hier iſt der Drt. 
Nun, Kleiner, zeig’ mir deine Bogenfunft; 
‚ Seht, daß ihr wader fpannt, fo trefft ihre wohl. 
Terras Astraea reliquit; — 
- Den? dran, mein Marcus, fie ift fort, entflohn; 
Du nimm dir dein Geräth; ihr Bettern, müßt 
Das Meer ergründen und die Netze werfen, 
Ihr findet fie vielleicht dann in der See. 
Doch da wohnt Recht fo wenig als am Land! — 
Nein, Publius und Semproniug, ihr müßts thun; 
Ihr grabt mir mit dem Spaten, mit dem Karft, 
Dringt vor bis zu der tiefften Erde Kern; 
Dann, wenn ihr famt in Pluto’s Region, 
Sch bitt' euch, reicht ihm dieſe Bittſchrift einz 
Sagt ihm, Gerechtigkeit und Hülfe fehlen, 
Und daß euch fandte Greis Andronicus, 
Bon Gram gebeugt im undankbaren Rom. 
Ah, Rom! Ya, ja, ich führte dich ins Elend, 
Damals, als ich des Volkes Stimme warb 
Für ihn, der jetzt mich heimfucht als Tyrann. 
Geht, gehtl ich bitt' euch, Habt mir Acht und forfcht, 
Und laßt mir ja Fein Kriegsfchiff undurchſucht: — 
Falls fie der Kaiſer über Meer gefchifft, 
Dann, Vettern, pfeift nur nach Gerechtigkeit | 
Marcus. 
O Yublius! Zf das nicht ein Trauerfall, 
Den edlen Oheim fo im Wahnfinn fehn? 





Titus Andronicut. IV,8. 201 


Publius. 
Deßhalb, o Herr, iſt unfre nächſte Pflicht, 
Ihm Tag und Nacht getreulich nah zu ſeyn, 
Und feiner Laune freundlich nachzugeben, 
Bis Zeit ein heilfam Mittel ihm gewährt. — 
Mareus. 
Kein heilſam Mittel Hilft für ſolchen Bram! — 
Stoßt zu den Gothen, und ein Rachekrieg 
Bringe Ruin dem undankbaren Rom, 
Und Rache am Berräther Saturnin, 
Titus. 
Nun, Publius? Nun, liebe Herrn, 
Sagt mir, traft ihr ſie ſchon? 
Publius. 
Nein, theurer Herr! Doch Pluto läßt erwidern, 
Wollt ihr von ihm die Rache, ſchickt er ſie; 
Gerechtigkeit ſei in Geſchäften oben, 
Er meint, beim Jupiter, — vielleicht wo anders, — 
Sp daß ihr euch durchaus gedulden müßt. — 
Titus, 
Cr kränkt mich, Hält er mich mit Zögern hin! 
Ich tauche felbft in jenen Flammenſee, 
Und zieh’ fie bei den Ferfen aus dem Styr. 
Marens, wir find nur Sträuche, Cedern nicht, 
Nicht Riefen nach Cyklopenart geformtz 
Zwar Erz, mein Marcus, Stahl bis an den Naden, 
Doch leidgebeugt, mehr als der Naden trägt. 
Und weil fein Recht auf Erden, noch im Oreus, 
Wolln wir zum Himmel, zu den Göttern flehn, 
Uns Recht herab zu fenden, uns zum Troft. 
Kommt, Hand ans Werk! Hier Marcus, warrer Schüß, 
(er vertheilt die Pfeile) 
Ad Jovem, den nimm bu; bier ad Apollinem, — 
Ad Martem, diefen nehm’ ich felbfl. — 
— Hier Rnab’, an Pallas; — der hier an Mercur, 


202 Titus Andronteus. WV,3. 


Saturn und Coelus: nicht an Saturnin, — 
Das wär’, als fhöff’t ihr gegen Sturm und Wind! — 
Nun, Knabe, friſch; fo wie ich winke, ſchießt; 
Berlaßt euch drauf, ich fhrieb es mit Bedacht; — 
Da ift Fein Gott, zu dem ich nicht gefleht. 
Marens. 
Bettern, fchießt alle Pfeil’ ihm in den Burghof; 
Berwunden laßt uns diefes Kaiſers Stolz. 
Titns, 
Nun zieht die Sennen. — (Sie ſchießen) Wohlgetroffen, 
Lucius! — 
Brav, Knab'! In Virgo's Schooß; nun Hilf Minerva! 
Marens. 
D Herr, weit übern Mond fchoß ich hinaus, 
Eu’r Brief muß jetzt beim Jupiter ſchon ſeyn. 
Titus, 
Ha, Publius, Publius! Was Haft du vollbracht? 
Sieh, eins von Taurus Hörnern abgefchuffen! 
Marcus. 
Titus, das war der Spaß: als Publius ſchoß, 
Ward Taurus wild, gab Aries folchen Stoß, 
Daß fein Gehörn herabfiel in ven Hof; 
Mer, meint ihr, fande, als Tamora’s Geſell? 
Sie lacht’ und rief dem Mohren, augenblide 
Dem Kaifer es zu bringen als Geſchenk. 
Titus. 
So paßt ſichs recht! Gott geb’ Eu’r Hoheit Freude! 
(Ein Bauer tritt auf, der einen Korb mit zmei Tauben trägt) 
Nachricht vom Himmel, Mareus! Sieh den Boten! 
Was bringft du, Freund? Sind Briefe da für ung? 
Erfiheint ung Recht? Was fagt der Lenker Zeus? 
Bauer. 
Hollal Was der Henker Neues fagt? Er fagt, er 
hat den Galgen noch nicht in Drbnung, denn ber Menſch 
ſoll erſt naͤchſte Woche hängen. 


Titns Andronicus IV, 8. 203 


Titus, | 
Stil! Was erwidert Zeus, ih frag’ es nochmals. 
Bauer. 

Ad, Herr, euern Zeiſig kenn' ich nicht, mit dem hab’ 

ih all’ meine Lebtage nicht getrunfen. 
Titus. 

Wie! Biſt du fein Briefträger nicht, Geſell? 
Bauer. 

Meine Tauben babe ich Hergetragen, Herr, fonft 
nichts. 

Titus, 
So kommſt du nit vom Himmel? 
Bauer. 

Vom Himmel? Ach, gnädiger Herr, da bin ich nie 
gewefen; Gott behüte mich, daß ich fo dreift feyn follte, 
und mich in meinen jungen Tagen in den Himmel ein- 
drangen. Seht, ich gehe mit meinen Tauben zu dem 
Tribunalplebs, weil ich einen Zank zwifchen meinem Better 
und einem von Seiner Raiferlichkeit Bedienten ſchlichten 
helfen will. 

Marcus. 

Seht, Bruder, das fommt ung fo gelegen wie mög- 
Ih, um eure Supplik zu unterflüßen; laßt ihr dem Kai—⸗ 
fer die Tauben in euerm Namen bringen. 

Titus. 

Sag mir, kannſt du dem Kaiſer eine Supplif mit 
einiger Grazie einreichen ? 

Bauer. 

Nein, bewahre Gott, Herr, mit dem Gratias habe 
ih aM’ meine Tage nicht fertig werben können. 

Titus. 
Freund, komm heran, mach nicht viel Weſens hier; 
Gieb deine Tauben in des Kaiſers Hand, 
Ich ſchaffe dir Gerechtigkeit von ihm; 
“ Bart no, bier Haft du Geld für deine Müh'. 


204 Titas Audronicus. IV,A. 


Gebt mir Papier und Feder. 
Reichſt du mir die Supplik mit Grazie ein? 


Bauer. 
Ja, Herr. 
Titus. 


Hier alſo iſt ein Geſuch für dich. Und wenn du 
vor ihm erſcheinſt, mußt du beim erſten Eintritt knien, 
dann ihm die Füße küſſen, dann deine Tauben überreichen, 
dann deinen Lohn erwarten. ch werde in ber Nähe 
ſeyn, Burſch; ſieh zu, daß du deine Sache gut machſt. 
Bauer, 
Seid unbeforgt, Herr, laßt mich nur machen. 

Titus, 

Haft du ein Meffer, Burfh? Komm, zeig’ es mir! 

Hör’, Marcus, falt’ es in die Bittfchrift ein; 

(Du ſchriebſt ja wie ein armer Bittender —) 

Und wenn du fie dem Kaifer überreicht, 

Klopf' an mein Thor, und fag mir, was er ſprach. 
Bauer. 

Gott befohlen, Herr, ich wills thun. 

Titus. Ä 
Komm, Marcus, gehn wir; folg mir, Publius. 
(Alte ab) 


Vierte Scene 
Sm Palaſt. 


(88 treten auf der Kaifer, die Kaiſerin und ihre Söhne; 
der Kaifer hält. die von Titus abgefchofienen Pfeile in feis 
ner Sand) 

Saturninus. 
Wie dünkt euch ſolche Kränfung? Bot man je 
Roms kaiſerlichem Herrfcher ſolchen Troß, 
Beläftigt und erzürnt ibn? — Höhnt ihn fo, 
Weil er das Recht erfüllt, den Spruch vollzog? 


Titug Andronicus. IV, 4 25 


Ihr wißt es, Herrn, gleich den allſeh'nden Göttern, — 
(Was auch die Störer unfrer Ruh dem Bolt 
Ins Ohr geraunt —) daß nichts entſchieden warb 
Wider des alten Titus freden Stamm, 

Als nach Geſetz und Recht. Und ob nun auch 
Der Kummer feine Sinne fo zerftört, 

Darf feine Rachgier, Fieberhig’ und Zorn, 

Und feine Bitterfeit uns fo bedrohn? 

Nun ſchreibt er an die Götter um Erſatz; 

Seht, hier an Zupiter, dieß dem Mercur, 

Die an Apollo, dieß dem Gott des Kriegs: — 
Recht faubre Zettel für den röm'ſchen Markt! 
Heißt das nicht Läftrung wider den Senat? 
Berbammung unfres ungerechten Sinne? 

Ein angenehmer Scherz, nicht wahr, ihr Herın? 
Als wollt’ er fagen, Rom kennt fein Gefeg! . 
Doch, wenn ich Iebe, foll verflellter Wahnſinn 
Ihm keinen Schuß für biefen Hohn verleihn; 

Er foll erfahren, daß Gerechtigkeit 

Noch Iebt in Saturnin, die, fhläft fie gleich, 
Jetzt fo erwachen wird, daß ihre Wuth 
Vernichten ſoll den ſtolzeſten Verſchwörer. 


Tamora. 


Mein gnad'ger Fürft, geliebter Saturnin, 

Herr meines Lebens, Herrſcher meines Sinns, 

Sei mild, vergieb dem alterſchwachen Greis, 

Ihn thört der Gram um feine tapfern Söhne, 

Der ihm ins Mark dringt und die Bruſt durchbohrt. 
Erleichtre Lieber fein unfelig Loos, 

Als daß du ſtrafſt den Niedern over Höchften 

Für ſolche Kränfung. (Beiſeit) Alfo, ſchlau gewandt, 
Muh Tamora mit jedem freundlich thun; 

Doch Titus, dir verwundet’ ich das Herz, 

Und traf dein Leben; ift nur Aaron klug, 


. 36 Titus Anbronicne. IV, 4. 


Seht Alles wohl, im Hafen ankern wir. 
(Der Bauer fommt) 
Was -giebts, mein Freund, bringſt du uns ein Geſuchẽ 
Dauer. 
Ya freilich, wenn Euer Wohlgeboren kaiſerlich find. 
Tampra, 
Ich bin die Kaiſerin; dort ſitzt der Kniſer. 
Bauer, 
Das ift er? Gott und Sanet Stephan geben euch 
einen guten Abends; ich habe ench einen Brief gebracht 
und ein Paar Tanben. (Der Kaifer lieft den Brief) 


Saturninus. 
Führt ihn hinweg und hängt ihn alfogleich. 
Bauer, 
Wie viel Selb Frieg’ ich? 
Tamora. 
Geh, Freund, du wirſt gehängt. 
Bauer. 
Gehängt!, Meiner Seel, fo nimmt mein Hals ein 
faubres Enbel” (ab) 
Saturninus,. 


Schmachvoll und unerträglih! Welcher Hohn! 
Ich weiß, von wem ber ganze Einfall flammt; 
Ich trag’ es nicht! als ob die Frevlerbrut, 
Gefällt nah Recht für unfres Bruders Mord, 
Bon mir gefchlachtet wäre wider Necht! 
Geht, fihleppt den Schurken bei den Haaren her, 
Nicht Alter, Würde ſei ein Vorrecht ihm. 
Für dieſen Spott will ich ſein Schlächter ſeyn; 
Verſtellt wahnwitz'ger Hund! Zur Krone halfſt du, 
In Hoffnung, über Rom und mich zu herrſchen. — 
(Aemilius tritt auf) 
Was giebts, Aemilius? 
Aemilius. 
Zu den Waffen, Herr! Rom hatte nie mehr Grund, 


Titus Andronicus. IV,4 7 


Es naht ein Gothenheer; mit einer Macht 

Entfehloff’ner Krieger, die nach Bent’ entflammt, 

Ziehn fie heran in fohnellem Marfch, geführt 

Bon Lucius, dem Sohn Androniens, 

Der droht, in feiner Rache zu erfüllen, 

-Sp viel als jemals Coriolan vollbracht. 
Saturaiuuns, 

Der tapfre Lucius führt das Gothenheer ? 

Die Zeitung fliht; und wie die Blum’ im Froſt, 

Wie Gras geknickt vom Sturm bäng’ ich das Haupt. 

Sa nun beginnt die Sorge mir zu nahn; 

Er ift es, den der Pobel flets geliebt; 

Sch felber hörte Hagen unterm Bolf 

(Wenn ich umberging wie ein Bürgersmann), 

Daß Lucius widerrechtlich fei verbannt, 

Und wie fie Lucius ſich zum Kaiſer wünfchten. 

Tamora. 

Was fürchtet ihr? iſt unſre Stadt nicht feſt? 
Saturninus. 

Ya, doch die Bürger find dem Lucius hold, 

Und fallen ab von uns, ihm beizuftehn. 

Tamora. 

Sei wie dein Name kaiſerlich geſinnt! 

Verfinſtert auch die Sonn' ein Mückenſchwarm? 

Der Adler duldet Heiner Vögel Sang, 

Ganz unbekümmert, was ihr Zwitſchern meint. 

Er weiß, wie mit dem Schatten ſeiner Flügel 

Er nach Gefallen ſie zum Schweigen bringt; 

So kannſt auch du die Schwindelköpfe Roms. 

Drum Muth gefaßt! Denn wiſſe, mein Gemahl, 

Ich will bezaubern den Andronicus 

Mit Worten, ſüßer und gefährlicher 

Als Wurm dem Fiſch und Honigklee dem Schaaf; 

Da jenem mit dem Wurm der Hamen droht, 

Und dieſem Krankheit bringt bie ſüße Koſt. 


208 Titus Andronicus. IV,4. 


Saturninus. 
Doch nimmer bittet er für uns den Sohn! 
Tamora. 
Wenn Tamora ihn bittet, wird ers thuu; 
Denn ſchmeicheln kann ich, und fein Ohr erfüllen 
Mit goldner Hoffnung, daß, wär’ auch fein Herz 
Faſt unangreifbar, taub fein altes Ohr, 
Doch meine Jung’ ihm Herz und Ohr befiegt. — 
Geh du voran, fei Abgefandter ung, 
Sag, daß der Kaiſer ein Geſpräch begehrt 
Vom tapfern Lucius; laß den Ort beftimmen. 
Saturninus, 
Aemilius, führ' Die Botfchaft würdig aus, 
Und wünfcht er Geißeln ihm zur Sicherheit, 
Sp nenn’ er felbft, welch Unterpfand er heifcht. 
Hemilins, 
Den Auftrag werd' ich alſobald vollziehn. (ab) 
Tamora. 
Jetzt eil' ich zu dem Greis Andronicus, 
Mit allen meinen Künſten taͤuſch' ich ihn, 
Daß er ven Lucius abruft von dem Heer. 
Nun, theurer Kaifer, fei vergnügten Muths, 
Und alle Furcht begrab’ in meiner Liſt. 
Saturninus, 
Sp geh nun augenblids und wirb um ihn. 
(Sie gehn ab) 





Sünfter Aufzug. | 


| Erſte Scene. 
(Lucius tritt auf mit Gothifchen Hauptleuten. Trommeln) 


Lucins, 
Bewährte Krieger, Freunde, treu erprobt, 
Botſchaft erhielt ih aus dem großen Rom, 
Wie fehr dem Bolf der Kaiſer jetzt verhaßt, 
Und wie’s in Sehnſucht unfree Ankunft harrt. 
Dram, edle Herrn, fein, wie ihr Anfpruch habt, 
Kräftig im Zorn, unduldfam jener Schmach. 
Und wie euch damals Rom erniebrigte, 
Sy nehmt euch jetzt vreifältigen Erfah. 
Gothe. 
Du tapfrer Zweig von Titus großem Stamm, 
Deß Ruhm einſt unſer Schreck, jetzt unſer Troſt, 
Deß hohe Thaten und erhabnen Glanz 
Herzlos mit Hohn und Undank Rom vergilt, — 
Vertrau' auf uns, wir folgen, wo du führſt, 
Wie Bienen ſtechend, wenn der Weiſer ſie 
Am heißen Mittag vuft ins Blumeunfeld, 
Und züht’gen die verhaßte Tamora. 
Alle. 
um wie er fprach, fo fpricht Das ganze Heer. 
IX. 14 


210 Titus Andronicus. V, 1. 


Lucius. 
Ich dan ihm ehrfurchtsvoll; euch Allen Dank! — 
Wer naht? geführt von einem rüf’gen Gothen? 
(Ein Gothe führt den Aaron, der fein Kind auf dem 
Arm trägt) 
- Gothe. 


Ruhmvooller Lucius, ich ging ab vom Heer, 

Ein wüft verfallnes Kloſter zu betrachten; 

Und als ich aufmerffam den Blick gewandt 

Auf die zerflörten Mauern; plöglih, Herr, 

Hört’ ich ein Kind im Steingewölbe ſchrein. 

Ich ging dem Laute nach, da hört’ ich bald 

Den ſchrei'nden Wurm geftillt mit dieſer Rede: 

„Schweig, brauner Schelm! Halb id, halb deine 
Mutter! 

„Wenn nicht die Karbe ſprach, weh Brut du ſeiſt, 


„Gab dir Natur nur deiner Mutter Weiß, — 


„Sp konntſtdu Schurfe wohlein Kaiſer werden. 
„Allein wo Stier und Ruh milhweiß von Farbe, 
„Da zeugten fie noch nie ein ſchwarzes Kalb. 


„Still, Kill, du Schelm,” (fo fhalt er jept das Kind) 


„zu einem wadern Gothen bring’ ich dic, 
„Der, wennerweiß, du feift der Raif’rin Blut, 
„Dich werth wird halten beiner Mutter halb. — 
Drauf mit gezüdtem Schwert fprang ich heran, 
Ergriff ihn anugenblids und ſchleppt' ihn ber, 
Daß du mit ihm verfährft wie dirs bedünkt. 

Lucius. 
D Freund, dieß iſt der eingefleifchte Teufel, 
Der Titus feiner tapfern Hand beraubt, 


Die Perle, die der Kaifrin Aug’ ergößt; 


Dieß feiner ſchnoden Luft verbammte Frucht. 
Selsäug’ger Sclav, wem wolltefi du vertraun 

Dieß Tünft’ge Abbild deiner Mißgeftalt? 

Wie, ſprichſt du nicht? Was, taub? Nein, nicht ein Wort; 


Titus Andronicus. V,1. 211 


Ein Strick, Soldaten; hier am Baum geſchwind 
Hängt ihn mir auf mit feinem Baſtard⸗Kind. 
Aaron, 
Rührt nicht das Kind! Es iſt aus Königsblut! 
Lucius. 
Dem Bater all zu gleich, drum nimmer gut, 
Erſt Hängt den Sohn; er mag ihn zappeln fehn, 
Sp fterb’ ex hin in Baterfhmerz und Wehn. 
Aaron, 
Schafft eine Leiter! — Lucius, laß das Rind, 
Und fend’ e8 an die Kaiſerin von mir. 
Ich melde Wunderdinge, wenn du’s thufl, 
Die dir zu wiffen höchſten Bortheil bringt. 
Willſt du es nicht, wohlan, mir gilt es gleich, 
Ich ſchweige jetzt, doch Fan und Fluh auf euh! — 
Lucius, 
So ſprich denn, und gefällt mir, was bu fagft, 
So lebt dein Kind, ich lafſſ' es auferziehn. 
Aaron . 
Wenn dirs gefällt? Nein, das betheur ich, Lucius, 
Es wird dein Herz zerreißen, was du Hörft. 
Ich muß von Tobtfchlag reden, Mord und Raub, 
Bon nächt’gen Thaten und verruchtem Greu'l, 
Verrath, fluhwürb’gem Anfchlag, Miffethat, 
Detrübt zu hören, Häglicher erlebt; 
Und dieß begräbt auf ewig dir mein Top, 
Wenn du nicht ſchwörſt, du retteft mir mein Kind, 
Lucius, 
Sprich, was du weißt, ih fag’ bir, es ſoll leben. 
Aaron. 
Das ſchwöre mir, und gleich beginn’ ich dann. 
Lucius. 
Schwören? Bei wen? Du glaubft ja keinen Gott; 


SR das, wie Fannft du glauben einem Ein? 
14 * 


212 Titus Andronicus. V,1. 


Aaron. 
Und wenn ichs nie gethan? Sch thu's andh nit! — 
Doch weil ich weiß, du hältſt auf Religion, 
Glaubſt an das Ding, das man Gewiflen nemnt, 
Und an der Pfaffen Brauch und Obfervanz, 
Die ich dich forgfam Hab’ erfüllen fehn, — 
Deßhalb fordr' ich den Eid von dir. Sch weiß, 
Ein Dummfopf Hält "nen Schellenftab für Gott, 
Und ehrt den Eid, den er dem Gotte fhwur; 
Drum fordr’ ich ihn. Deßhalb gelobe mir 
Dei jenem Gott, — gleichviel, was für ein Gott, — 
Zu dem du beteft und den bu verehrfl, — 
Mein Kind zw fihonen und es zu erziehn; 
Und weigerft du mir das, entdeck ich nichts, 
Lucius. | 
Bei meinem Gotte ſchwör' ich Dir, ich wills, 
Aaron, 
Erſt wiſſ', ich zeugt’ es mit der Kaiferin. 
Lucius, 
O unerfättliches, verbubltes Weib! 
| Aaron, 
Pah, Lucius, das war nur ein Liebeswerf, 
Mit dem verglihen, was du hören ſollſt. — 
Shre zwei Söhn’ ermordeten Baſſianus; 
Sie fihändeten Lavinien, fchnitten ihr 
Die Zung’ und ihre beiden Hände ab, 
Und ſchmückten fie heraus, wie du's gefehn. 
Lucius 
Das nenuft du ſchmücken, gift’ger Böfewicht? 
Aaron. Ä 
Gewaſchen, zugefintt und aufgeſchmückt, 
Ein ſchmucker Spaß zugleih für alle Drei! — 
2L2ucius. 
O wilde, vieh'ſche Buben, wie du ſelbſt! 


Titus Wudronicus. V, 1. 213 


‚ Waron. 
Nun ja, ich war der Lehrer zu der That. 
Die Hit’ge Ader flammt von ihrer Mutter, 
So wahr ’ne Karte je den Sat gewann; 
Die blut'ge Neigung lernten fie von mir, 
Sp wahr ein Bullenbeißer packt von vorm. — 
Nun zeuge meine That Yon meinem Werth. 
Ich lockte deine Brüder in die Gruft, 
Wo des Baffian erfchlagner Körper lag. 
Ich fehrieb den Brief, den drauf dein Vater fand, 
"Und barg das Gold, deß jener Brief erwähnt, 
Im Bund mit Tamora und ihren Söhnen, 
Und was ift je gefchehn, das dich verlegt, 
Wo ich zum Unheil nicht die Hand geboten? 
Ich fpielte falſch um deines Vaters Hand, 
Und ale ich ihn bethört, trat ich beifeit, 
Erſtickend faf vor unerhörtem Lachen. 
Ich duckte mich an einer Mauer Spalt, 
Als er die Hand gab für der Söhne Häupter; 
Sah, wie er weint’, und-Iachte dann fo herzlich, 
Daß mir die Augen thränten fo wie ihm; 
. Und als ih Tamora den Spaß befchrieb, 
Erftarb fie faft, fo lieb war ihr die Mähr, 
Und gab mir zwanzig Küſſe für die Zeitung. 
“ Gothe. 
Das Alles ſprichſt du, und erroͤtheſt nicht? 
Aaron. 
Ja, wie ein ſchwarzer Hund, ſo heißt das Sprichwort. 
Lucius. 
Und reu’n dich dieſe Frevelthaten nie! 
Naron, 
Sa, daß ich nicht noch taufend mehr verübt, — 
Noch Fluch’ ich jedem Tag — (und glaube body, 
Nicht viele flehn in dieſes Fluchs Bereich), 
Wo ich befondre Bosheit nicht beging, 


214 Titus Andronicne V, 1 


Semand erfhlug, wo nicht, die Anftalt traf; 
Me Diem’ entehrt, wo nicht, den Plan geſchmiedet; 
Unſchuldige verklagt auf falfchen. Eid; 
Todfeinrfhaft unter Freunden angeſchürt; 
Den Heerden armer Leute brach den Hals; 
In Sceun’ und Schober Kohlen warf bei Nacht, 
Und rief dem Eigner: Löfcht den Brand mit Thränen! — 
Dft grub ich todte Körper aus dem Grab, 
Und ftelfte fie vor lieber Freunde Thür, 
Necht wenn ihr Kummer faſt vergeffen war; 
Und wie auf Baumesrind’ in ihre Hant 
Niger’ ich mit meinem Dolch in röm'ſcher Schrift: 
„Eu’r Kummer lebe fort, obgleich ih farb." — 
Gelt, taufend Greuel hab’ ich ausgeübt, 
©» leichten Sinns, als Einer Fliegen fängt; 
Und nichts, in Wahrheit, geht mir fo zu Herzen, 
Als dag mir nicht zehntaufend noch gelingen. 
Lucius, 
Den Teufel fort! Sein Tod muß fich verlängen, 
Zu kurze Dual wär’ ihm ein fehnelles Hängen. 
Aaron, 
Wenns Teufel giebt, möcht’ ich ein Tenfel feyn, 
In ew’gem Feu'r zu leben und zu brennen, 
Hätt’ ich dich zur Geſellſchaft al’ die Zeit, 
Dich flets zu martern mit der bittern Zunge. 
Lucius. 
Hör’ auf mit Läftern, ſtopft ihm feinen Mund. 
(Ein Goͤthe tritt auf) 
Gothe. 
Feldherr, es iſt ein Bote hier aus Rom, 
Der fragt, ob er vor dir erſcheinen dürfe. 
Lucius. 
Führt ihn herein. — 
(Aemilius wird hereingeführt) 
Willkomm' Aemilins! ſag, wie ſtehts in Rom? 





Titus Andronicus. V, 2. 215 


Aemilins. 

Glorreicher Lucius, und ihr Gothenfürſten, 
Der röm’fhe Kaiſer grüßet euch durch mich; 
Und weil er hört, ihr ſteht in Waffen bier, 
Wünfht er Gefpräh in eures Vaters Haus; 
Und fordert ihr, daß er euch Geißeln ſtellt, 
Dann augenblidlich ſendet er fie her. 

Gothe. 
Was ſagt mein Feldherr? 

Lucius. 
Aemilius, Geißeln ſtelle Saturnin 
An meinen Vater wie an meinen Ohm, 
So kommen wir. — Zieht weiter! (Alle ab) 


Zweite Scene 
(Tamora, Demetrius und Chiron treten verkleidet auf) 


Tamora. 
Sp nun, in diefer fremden, düftern Tracht 
Will ich begegnen dem Andronicus; 
Die Rache nenn’ ich mid, der Höll' entfandt, 
Mit ihm vereint fein ſchrecklich Leid zu frhlichten. 
Klogf’ an die Zelle, wo er weilen foll, 
Entwürfe feltfam wilder Race brütend; 
Sag, Rade fei gefommen, ihm vereint 
Zu wirken feiner Feinde Untergang. 
(Sie Elopfen unten; Titus öffnet fein Studirzimmer und 
fpridyt von oben) 
Titus, 
Mer flört mich Hier in meinem ernften Werft 
Iſts eure Lift, daß ich aufthu' die Thür, 
Damit die finftern Pläne weg mir fliegen, 
Und al?’ mein Sinnen ohne Wirkung fei? 
Ihr irrt euch; denn was ich zu thun befchloß, 


216 Titus Androniens. V,2. 


Seht der, in biut’gen Zeilen fehrieb ichs Hin, 

Und was ich aufgezeichnet, fol geſchehn. 
Tamora. 

Titus, mit dir zu reden kam ich her. 
Titus. 

Nein, nicht ein Wort. Kann ich mit Anmuth reden, 

Da eine Hand mir zur Geberdung fehlt? 

Du biſt zu ſehr im Vortheil, drum laß ab. 
Tamora. 

Wenn du mich kännteſt, ſprächeſt du mit mir. 
Titus. 

Ich bin nicht toll; dich kenn' ich nur zu gut; 

Bezeug's der arme Stumpf, die Purpurſchrift, 

Dezeng’s dieß Antlit, tief von Gram gefurcht, 

Bezeug's der traur’ge Tag, die lange Nacht, 

Bezeug’ es alles Weh, ich Fenne dich 

Als unfre ſtolze Kaif’rin Zamora. 

Nicht wahr, du kommſt um meine zweite Hand? 
Tamora. 

Unſel'ger, wiſſ', ich bin nicht Tamora, 

Sie haßt dich, ich bin freundlich dir geſinnt, 

Ich bin die Rach', entſandt dem Höllenreich, 

Dein Herz zu heilen von des Geiers Biß, 

Durch blutige Vergeltung an dem Feind. — 

Komm und begrüß mich auf der Oberwelt, 

Zieh mich zu Rath nun über Tod und Mord. 

Denn keine Höhle giebt es, kein Verſteck, 

Kein ödes Dunkel, kein umnebelt Thal, 

Wo Raub und Schandthat und verruchter Mord 

Sich [hen verbergen, dennoch find’ ich fie, 

Und nenne meinen graufen Namen „Rache“, 

Der die verworfnen Sünder zittern macht. 
Titus, 

Sp bift du Rache? Biſt mir zugefandt, 

Um allen meinen Feinden Dual zu feyn? 





Titus Andronicus. V,2. 217 


Tamora. 

Ich bins; drum komm herab, begrüße mich. 
| Titus. 

Thu’ einen Dienft mir, eh ich die vertrau', — 
Sieh, dir zur Seite feh’ ich Raub und Mord, 
Nun gieb Beweis, daß du die Rache biſt; 
Erftih fie, fchleif fie an des Wagens Rädern, 
Dann will ich kommen und bein Fuhrmann feyn, 
Und rafıh mit dir Hinbraufen um die Welt. 
Schaf’ dir zwei wadre Nenner, ſchwarz wie Nacht, 
Dein rähend Fuhrwerk fortzuziehn im Sturm; 
Sud’ Mörder auf in ihrer ſchuld'gen Schlucht; 
Und ift dein Karen von ihren Häuptern vo, 
Dann fteig’ ich ab und trab’ am Wagenrad 
Gleich einem Knecht zu Fuß den ganzen Tag, 
Früh von Hyperions Aufgang dort in Oft, 
Bis wo er Abends fpät fich taucht ing Meer; 
Und Tag für Tag thu' ich dieß fchwere Wert, 
Wenn du mir Raub und Mord allhier vertilgft. 

Tamora. 
Sie ſind mir Diener und begleiten mich. 


Titus. 
Die beiden dienen dir? Wie nennſt du jet 


Tamora. 
Sie heißen Raub und Mord, alſo genannt, 
Weil ſie heimſuchen ſolche Miſſethat. 

Titus. 
O Gott! wie gleichen fie der Kaiſ'rin Söhnen! — 
Und du der Kaiſ'rin! — Doch wir ird’fchen Menfchen 
Sehn mit armfel’gen, blöden, falſchen Augen, 
O füße Rache, nun fomm’ ich zu dir, 
Und wenn dir Eines Arms Umfahn genügt, 
Schließ' ich dich an die Bruſt im Augenblick. 

(Titus kommt von oben herab) 


218 Titus Anbronicne. V, 2. 


Tamora. 

Ihm ſo ſich fügen, paßt für ſeine Tollheit! 

Was ich erſann, zu nähren dieſen Wahn, 

Das flärkt und unterflügt durch euer Wort. 

Jetzt glaubt er feft, ich ſei die Rache felbft, 

Und wie er gläubig folhem Traumbild folgt, 

Soll er zu Lucius fenden, feinem Sohn, 

Und während ich beim Schmauf ihn felber halte, 

Erfinn’ ich einen liſt'gen Anfchlag wohl, 

Die leicht bethörten Gothen zu zerftreun, 

Wo nicht, fie mind'ſtens feindlich ihm zu flimmen, 

Sieh da, er kommt; nun fpiel! ich meine Rolle, 

(Titns tritt auf) 
Titus, 

Lang’ war ich weit, weit weg; und nur nad dir, — 

Willkommen, Zurie, in mein Haus des Weh's! 

Ihr, Raub und Mord, fein gleichfalls mir willfommen | 

Wie gleicht ihr Tamora und ihren Söhnen! 

Ihr wär’t vollkommen, fehlt’ euch nicht ein Mohr; 

Gabs nicht im ganzen Abgrund folhen Teufel! 

Wahrlich, nie fohweift die Kaiſerin umber, 

Daß nicht ein Mohr in ihrer Nähe fer; 

Und wollt ihr recht der Kön’gin Bild uns flellen, 

Sp wär’ e8 gut, ihr hättet folchen Teufel. — 

Doch, wie ihr fein, willfommen! — Was zu tun? — 
Tampra. 

Was ſolln wir für dich thun, Andronieus? 

Demetrius. 

Zeig’ mir ’nen Mörder und ich greif’ ihn an. 
Chiron. 

Zeig' mir 'nen Räuber, der Gewalt geübt, 

Ich bin geſandt, ihn vor Gericht zu ziehn. 
Tampra. 

Zeig’ taufend mir, durch die bein Recht gefränft, 

Mein Amt ift, Alle vor Gericht zu ziehn. 


Zitus Androniens. V, 2. 219 


Titus, 
Durchfuch” die frevelhaften Straßen Roms, 
Und findſt du einen Menfchen, ber dir gleicht, 
Den tödte, guter Mord, er ift ein Mörder. 
Geh du mit ihm, und wenns auch dir gelingt, 
Nen Andern aufzufinden, der dir gleicht, 
Den tödte, Raub, er ift ein Weiberfchänder. 
Geh du mit ihnen; an des Kaiſers Hof 
Lebt eine Kön'gin, und mit ihr ein Mohr, 
Die magft du, als dein Abbild, leicht erfennen, 
Denn ganz, von Kopf zu Füßen, gleicht fie dir. 
Ich bitt' dich, diefen gieb graufamen Tod, 
Sie waren graufam meinem Stamm und mir. 
Tamora. 
Du haſt uns wohl belehrt, wir wollens thun. 
Doch nun erſuch' ich dich, Andronicus, 
Sende zu Lucius, deinem tapfern Sohn, 
Der jetzt auf Rom mit muth’gen Gothen zieht; 
Zu einem Schmaufe lad’ ihn in bein Haug, 
Und wenn er hier ift, recht zu deinem’ Fefl, 
Dring’ ich die Kaif’rin dir und ihre Söhne, 
Den Kaiſer ſelbſt, und Alle, die dir feind; 
Und dir zu Füßen folln fie fnieend flehn, 
Und deines Herzens Ingrimm treffe fie. 
Was fagt Andronicns zu diefem Rath? 
Titus, 
Marens, heraus! der traurige Titus ruft. 
(Marcus fommt) 
Geh, Marcus, geh zu deinem Neffen Lucius, 
Im Gothenheere ſollſt du ihn erfragen; 
Sag, daß er zu mir kommt, und mit ſich Bringt 
Noch einige der tapfern Gothenfürften. 
Heiß’ ihn, die Krieger lagern, wo fie ſtehn; 
Sag ihm, den Kaiſer und die Kaiferin 
Erwart' ich hier zum Feft, und fo auch ihn. 


29 Titus Andronicne. V, 2. 


Dieß thu' zu Liebe mir, er thu' es and, 
Sp werth ihm iſt des alten Vaters Leben. 


Marcus. 
Das thu' ich gleich, und kehre fehnell zuräl. Cab) 
Tamora. 


Nun geh' ich augenblicks an mein Geſchäft, 
Und nehme meine Diener mit hinweg. 
Titus. 
Nein, nein, laß Raub und Mord doch hier bei mir, 
Sonſt ruf’ ich meinen Bruder wieder beim, 
Und halte mich allein an Lucius Rache. 
Tampra, (zu ihren Söhnen) 
Was fagt ihr Söhne? bleibt ihr wohl mit ihm, 
Bis ih dem Kaiſer, meinem Herrn, erzählt, 
Wie ung ber wohlerdachte Scherz gelang? 
Folgt feiner Laune, fprecht ihm freundlich zu, 
Und weilt mit ihm, bis ich zurüdgefehrt. 
Titus. (beifelt) 
Ich kenn' euch AP, obfchon ihr toll mich wähnt, 
Und fang’ euch in dem felbfigeftellten Garn, 
Euch junge Höllenbrut fammt eurer Mutter. 
Demetriug, (Bbeifeit) 
Geht nad Gefallen, Fürftin, laßt uns Bier. 
Tamora. 
Titus, leb wohl; die Rache geht zu Thaten, 
Dir alle deine Feinde zu verrathen. 
Titus. 
Das hoff' ich, theure Rache; leb denn wohl! 
(Tamora geht ab) 


Chiron. 
Yun, Alter, fprig, was giebſt du uns zu thun? 
Titus, . - 


O ſtill! ich ſchaff' euch Arbeit übergnug, 
Auf, Cajus! Publius und Valentin! 


Titus Andronicus. V, 2. 221 


(Publius und Diener kommen) 


Publius. 
Was wollt ihr? 
Titus. 
Kennſt du die Zwei? 
Publius. 


Die Söhne, denk' ich, finds 
Der Kaifrin, Ehiron und Demetrius. 
Titus. 
Pfui, Publins, wie gröblich du dich irrſt! 
Der Ein’ ift Mord, des Andern Nam’ iſt Raub. 
Drum binde fie mir feſt, mein Publins; 
Cajus nnd Balentin, legt Hand an fie. 
Dft Hab’ ich diefe Stunde mir gewünſcht, 
Nun fand ich fie, drum bindet fie recht feft, 
Stopft ihnen auch den Mund, fobald fie ſchrei'n. (ab) 
Chiron. | 
Schurken, laßt ab! Wir find der Kaiſ'rin Söhne! 
Publius. 
Und deßhalb thun wir, was uns auferlegt. — 
Stopft ihren Mund, gönnt ihnen nicht ein Wort; 
Ward er auch feſt gebunden? ſchließt fie gut. . 


(Titus kommt zurück mit einem Meſſer, und Lavinia mit 
einem Beden) 


Titus. 
Lavinia Tomm, die Feinde find im Neb! 
Stopft ihren Mund, Fein Wort geftatt’ ich mehr. 
Doch laßt fie Hören meinen grimmen Sprud: 
D Schurken, Ehiron und Demetring! 
Hier if der Duell, den ihr geträbt mit Schlamm, 
Der holde Lenz, durch euern Froft erflarrt, 
Ihr ſchlugt ihr den Gemahl; für dieſen Greu'l 
Sind ihrer Brüder zwei zum Tod verdammt. 
Mir warb die Hand geraubt zu frechem Spott, 
Ihr Hand’ und Zunge, ja, was theurer ift 


222 Titus Andronicus. V, 8. 


Als Zung' und Hand, — die unbefleckte Keuſchheit, 
Herzloſe Buben! raubtet ihr mit Zwang. — 
Was ſpraͤcht ihr jebt, wenn ich euch reden Lie’? — 
Ihr dürftet nit aus Scham um Mitleid flehn. 
Hört, Buben, welche Dual ich euch erfann: 
Die Hand blieb, euch die Gurgel durchzuſchneiden, 
Indeß Lavinia mit den Stümpfen hält 
'Dieß Beden, das eu’r ſchuldig Blut empfängt. 
Die Kaiferin, wißt ihr, will zum Schmaus mir fommen, 
Und nennt fih Rache, wähnt, ich fer verrüdt. — 
Nun hört mihl Eu'r Gebein reib’ ih zu Staub, 
Und fnet’ es ein.zu Teig mit euerm Blut; 
Und aus dem Teige bild’ ich eine Rinde, 
Drin einzubaden eure Schurfenhäupter; 
Dann foll die Metze, eure hünd'ſche Mutter, 
Der Erde gleich die eigne Brut verfchlingenz 
Dieß ift das Mahl, zu dem ich fie befchien, 
Und dieß der Schmaus, an dem fie ſchwelgen fol, 
Denn mehr als Philomel' erlitt mein Sind, 
Und mehr als Procne nehm’ ih Nach’ an euch. 
Jetzt reicht die Gurgeln ber. — Lavinia, komm, 
Fang' auf den Strahl; und wenn ich fie entfeelt, 
Zerftampf’ ich ihr Gebein in feinen Staub, 
Und feucht' e8 an mit dem verhaßten Blut, 
Die Häupter einzubadfen in den Teig. 
Kommt, feid mir Alte jebt zur Hand, dieß Mahl 
Zu rüſten, das viel grimmer werben foll 
Und biutiger, als der Eentauren Schmaus. 

(Gr durchſchneidet Ihre Kehlen) 
Sp! 
Nun tragt fie Hin, ich mache felbft den Koch, 
Sie anzurichten, bis die Mutter kommt. — 

(Alle gehn ab) 


Tiins Anbronicns. V,%, 223 


Dritte Scene 
Ein Gezelt mit Tifhen und andern Saden. 


(Lucins und Marcus treten auf; Gothen führen den 
Aaron gefangen ins Lager) 

Lucius. 

Wohl, Dheim Marcus, da mein Vater Heifcht, 

Daß ich gen Rom mich wende, folg’ ich dir. 
Gothe. 

Wir ſtehn dir bei, es gehe, wie es will. 
Lucius. 

Oheim, verwahrt mir den graufamen Mohren, 

Den wüth’gen Tiger, den verfluchten Teufel; 

Lat ihm nicht Nahrung reichen, feffelt ihn, 

Bis er der Kaiſ'rin gegenüber fteht, 

As Zeugniß ihres höchſt verworfnen Wandels. 

Dann forgt, daß ſtark fei unfer Hinterhalt; 

Der Kaifer, fürcht' ich, ift uns ſchlimm geſinnt. 
Aaron. 

Ein Teufel flüftre Flüche mir ins Ohr, 

Und helfe meiner Zung’, hervor zu fprühn 

Die gift'ge Wuth, die mir im Herzen ſchwillt. — 
Lucius. 

Hinweg, verruchter Hund! Unglaͤub'ger Schau! 

(Aaron wird von den Gothen weggeführt. Man hört Trom⸗ 
peten blafen) 

Ihr Herrn, Helft unferm Ohm, ihn zu geleitenz 

Trompeten melden, daß der Kaiſer naht. 

(Saturninus, Tamora, Tribunen und Gefolge treten auf) 

Ä Saturninus. 

Was? Hat der Himmel mehr als Eine Sonne? 
Lucius. 

Was frommt es dir, daß du dich Sonne nennfl? 


224 Titas Andronicne V,% 


Mareus. 
Roms Kaiſer und du, Neffe, brecht nun ab, 
In Ruhe muß der Streit verhandelt ſeyn. 
Das Mahl iſt fertig, welches Titus ſorglich 
Geordnet hat zu ehrenwerthem Zweck, 
Für Frieden, Lieb' und Bündniß, Rom zum Heill — 
Sp tretet denn heran und nehmet Pak. 
Saturninus. 
So fei es, Marcus. 

(Hoboen. Eine Tafel wird gebracht; Titus, ale Kuh g 
kleidet, ftellt die Speifen auf den Tiſch; Ravinia folgt 
ihm verfchleiert) 

Titus. 
Willkommen Herr! Wilffommen Kaiſerin! — 
Willkommen tapfre ‚Gothen; wilffommen Lucins! 
Willkommen AN! tft gleich das Mahl gering, 
Do wirds den Hunger ftiffen. Wollt ihr effen? 
Saturninns. 
Weßhalb in diefer Tracht, Andronicus ? 
Titus, 
Um recht gewiß zu feyn, daß nichts mißlang, 
Eu’r Hoheit und die Kaiſ'rin zu bewirthen. 
Tamora. 
Wir ſind eu Hoch verpflichtet, wackrer Titus. 


Titus, 

Kennt’ Eure Majeftät mein Herz, ihr wär'ts. — 
— Mein gnäb’ger Kaifer, löſt die Frage mir: — 
Wars recht gethan vom heftigen Birginius, 
Sein Kind zu töbten mit ber eignen Hand, - 
Weil fie entführt, entehrt, gefchändet ward? — 

Saturninus, 
Das wars, Andronicus. 


Titus, 
Eu’r Grand, erhabner Raifer? 


Titus Androniens. V, 2. 225 


Satürninus. 

Weil das Mädchen 
Nicht überleben durfte folge Schmach, 
Und feinen Oram erneun durch ihre Nähe. 

Titus. 

Ein Grund, nachdrücklich, fireng und voll Gehalt, 
Ein Vorgang, Mahnung und gewicht’ge Bürgſchaft 
Für mid Unfel’gen, gleiche That zu thun: — 
Stirb, flirb, mein Kind, und deine Schmad mit bir, 
Und mit der Schmach auch deines Vaters Gram! — 


( Er erfliht Lavinien) 
Saturninus., 


Was thatft du, unnatürlicher Barbar? 
Titus, | 

Ich ſchlug, um die mein Aug’ erblindet war. 

Ich bin fo leidvoll als Birginius einfl, 

Und babe tauſendmal mehr Grund als er 

Zu folhem Mord; — und jeßt ift es vollbracht. 

Saturninus, 

Ward fie entehrt? Wer hat die That verübt? 
Titus. 

Wie, eßt ihr nicht? "Nehmt, Hoheit, wenns beliebt. 
Tampıra. , 

Wie kams, daß Baterhand fie morden muß? 
Titus, 

Sie mord’ten Chiron und Demetriug, 

Die fie entehrt, die Zung’ ihr ausgefchnitten, 

Durch die fie all’ dieß bittere Leid erlitten. 

| Saturninns. 

Bor uns erfheinen follen fie ſogleich! 
Titus. 

Run wohl! hier find fie ſchon, zerhackt zu Teig, 

Bon dem die Mutter lüſtern hat genoffen, 

Berzehrend, was dem eignen Blut entfproffen. 

'S ift wahr! '»S iſt wahr! Bezeug’s mein fcharfer Dolch! 

x (Str erficht Tamora) 


2265 Titus Andronicus. V, 2 


Saturninus, 
Wahnwitz'ger, ſtirbl Nimm das für deinen Hohn! 
(Erſticht ven Titus) 
Lnrins. 
Des Baters blutig Ende rächt der Sohn; 
Hier Lohn nm Lohn, Mord für des Mörbers Hohn! — 
( Erſticht den Saturninus) 
Marcus. (oben auf der Bühne) 
Leidvolle Männer, Boll und Söhne Roms, 
Getrennt durch Aufruhr, wie ein Voͤgelſchwarm, 
Zerfirent durch Sturm und flarfen Wetterfihlag, — 
D hört, wie ihr von neuem binden mögt 
In Eine Garbe dieß zerfireute Korn, 
In Einen Körper die zerflücdten Glieder, 
Daß Rom fich nicht am eignen Gift vernichtel 
Das Reich, dem mächt'ge Scepter ſich geneigt, 
Ehrloſen, ausgeſtoßnen Sündern glei, 
Nicht Mord, verzweifelnd, an ſich ſelbſt vollziehe! 
Wenn meine Furchen, meines Alters Schnee 
(Ehrwürd'ge Bürgen reifer Urtheilskraft), 
Euch nicht bewegen, meinem Wort zu traum, 
Sprih du, Roms theurer Freund (gleich unferm Ahn, 
Als er in Feierworten Kunde gab 
Der liebefranfen, leidgebeugten Dibo 
Vom Schikfal jener wilden Flammennacht, 
Als Priams Troja ſank durch Griechentrug) — 
— Sag, welch ein Sinon unfer Ohr berüdt, 
Wer uns das böfe Werkzeug hergeführt, 
Das unferm Troja, unferm hebren Rom 
Die Bürgerwunde ſchlaͤgt? — 
Mein Herz ift nicht geftählt wie Fels und Erz, 
Noch find’ ich Worte für fo bittern Bram, 
Daß nicht in Thränen meine Red’ erſtickt, 
Und mir die Stimme bricht, wenn fie zumeifl 
Euch rühren ſollt' und euer Ohr gewinnen, 


Titus Andronicus. V,2. 227 


Und eure Hülf und liebreich Mitgefühl. — 

Hier it ein Feldherr, ders erzählen mag, 

Eu’r Herz wird weinen, hört ihr feine Rebe, 
Lueins. 

Dann, meine edlen Hörer, ſei euch Fund: 

Der ſchnöde Ehiron, und Demetriug, 

Sie warens, die Balfianus morbeten, 

Sie warens, die Lapinien frech entehrtz 

Für ihre That fiel unfrer Brüder Haupt, 

Ward Titus Oram verhöhnt, ihm frech entwandt 

Die gute Hand, die oft ben Streit für Rom 

Ausfocht, und ihre Feinde ſandt' insg Grab; 

Zuleßt warb ich im Zorn verbannt, man ſchloß 

Die Thore mir, und fließ mich weinend aus, 

Mitleid zu fuchen bei den Keinden Roms; 

Mit meinen Thränen Löfcht? ich ihren Haß, 

In ihren offnen Armen fand ich Troft. 

Und ih, den Rom verfließ, das fei euch Fund, 

Mit meinem Blut Hab’ ich fein Wohl erfauft, 

Bon feinem Haupt gewandt der Feinde Schwert, 

Auffangend ihren Stahl in meine Bruſt. 

Ahr Alle wißt, ich bin Fein Prahler; nein, 

Bezeugts, ihr Narben (ob ihr ſtumm auch ſeid), 

Daß mein Bericht getreu und ohne Falſch. 

Doch Halt! Deich dünkt, ich ſchweifte fchon vom Ziel 

Anpreifend mein geringes Thun; verzeiht, 

Man rühmt fich felber, ift Fein Freund ung nah. 
Marcus. 

Nun iſts an mir, zu reden. Seht dieß Kind, 

Dieß wars, das Zamora zur Welt gebracht; 

Sein Bater jener gottvergefl’ne Mohr, 

Hauptflifter und Begründer unfers Wehe, 

Der Schurf’ ift Iebend noch in Titus Haug, 

(Obgleih verdammt), zum Zengniß: dieß fei wahr. 

Nun fprecht, ob Titus Grund zur Rache Hatte 


15 * 


228 Titns Aundronicus. V, 2. 


Für ſolche Kraͤnkung, unausfprechlich, Herb, 
Weit mehr, als irgend wohl ein Menſch ertrüge! 
est, da ihr Alles wißt, was fagt ihr, Römer? 
Iſt Hier zu viel gefchehn, dann zeigt, worin, 
Und von dem Platz, auf dem wir vor euch flehn, 
Wolln wir, des Titus armer Ueberreſt, 
Häuptlings hinab ung werfen, Hand in Hand, 
Am ſcharfen Stein zerſchmetternd unfer Hirm, 
Und fo vereint austilgen unfern Stamm. 
Sprecht, Römer, ſprecht: fagt ihr, es ſoll gefchehn, 
Sp follt ihr Hand in Hand uns flürzen fehn. 
Aemilins. 
Komm, fomm, du ehrenwerther NRömergreis, 
Fuͤhr' unfern Kaiſer freundlich bei der Hand, 
Lucins, den Kaifer: denn mit Zuverficht 
Erwart’ ich, was des Volkes Stimme fpricht. 
Mareus. 

Lucius, Glück auf, Roms kaiſerlicher Herr! 
Geh in des alten Titus leidvoll Haus, 
Und den unglaͤub'gen Mohren ſchlepp' hieher; 
Ihm werd' ein grauſer, blut'ger Tod erkannt, 
Als Strafe für fein höchſt gottloſes Thun. 

Römer. (verfchievene Stimmen) 
Lueius, Glück auf, buldreicher Herrfcher Noms! — 

Lucius, 
Dank, edle Römer! meiner Herrſchaft Streben 
Sei, Rom nad fo viel Leiden Troft zu geben, 
Doch, werthe Freund’, ein Weilchen gönnt mir och, 
Denn fihwere Pflicht erheifcht Natur von mir. 
Steht Alle fern. — Da, Oheim, komm herab; 
Laß uns dem Tobten fromme Thränen weihn; — 
Den kalten Lippen dieſen beißen Kuß, 
(fügt den Titus) 

Dem blut'gen Antlitz diefen Thau des Grams, 
Des treuen Sohnes Ichte Huldigung! — 


Titus Audronicne V, 2. 229 


Marcus. 
Ya, Thrän' um Thrän’, und Liebeskuß für Ruß 
Deut hier dein- Bruder Marcus beinem Mund! 
Und wär’ die Summe, bie ich zahlen fol, 
Unendlich, namenlos, doch zahlt’ ich fie. 

Lucius, 
‚ Komm, Ruabe, komm! komm her, wir lehren dich 
In Than zerfchmelzen. Ach, er liebte dich! 
Wie vft ließ er dich tanzen auf dem Knie, 
Sang dich in Schlaf, fein liebend Herz dein Prag 
Wie viel Gefchichten hat er dir erzäßlt, 
Kür deine Kindheit finnreich ausgewählt | 
Dep fei gedenf, und als ein Tiebreih Kind 
Geuß ein’ge Tropfen auch aus zartem Auge. 
Mitleidig gab Natur uns dieß Gebot, 
Der Freund foll weinen um des Freundes Nothl 
Sag ihm Lebwohl, geleit’ ihn an fein Grab, 
Die Pflicht erfül’ und fcheide dann von ihm. 

Knabe. 
Großvater! ah Großvater Möcht' ich doch 
Für dich geftorben feyn, und du noch lebend! 
D Gott, vor Weinen kann ich ihm nichts fagen, 
Ich fi’ in Thränen, öffu’ ich meinen Mund. — 


(Aaron wird von einigen Römern hereingeführt) 


Römer. 
Zraur’ge Andronifer, hemmt euern Gram, 
Sprecht diefem gift’gen Böfewicht fein Recht, 
Der jener ſchwarzen Frevel Stifter war. 
Lucius. 
Begrabt ihn bis zur Bruft, daß er verhungre, 
Da fleh’ er dann, und wüth’ und ſchrei' um Brod, 
Ber irgend Beiſtand ihm und Mitleid fchentt, 
Der ftirht für folhe That; dieß unfer Spruch. 
Geht ihr, forgt, daß er eingegraben werde. 


‘ 


230 Titus Andronicne V, 2. 


YHaron, 
Wuth, warum fchweigft du? Zorn, was bift du ſtamm? 
Ich bin Fein feiges Kind, noch mit Gebet 
Deren’ ich die Verbrechen, bie ich thats 
Zehntanfenn, ſchlimmer noch, als ich vollbracht, 
Möcht ich begehn, hätt’ ich die Freiheit nur; 
Und that ich fe ein einzig gutes Werk, 
Bon ganzem: Herzen wünfch’ ichs ungefchehn. 
Lueins. 
Tragt Ein’ge jetzt den Kaiſer mir hinweg, 
Und fenft ihn ein in feines Vaters Gruft. 
Mein Bater und Lavinia ſolln demnähft 
In unferm Monument beftattet ruhn. 
Doch jener grimmen Wölfin Tamora 
Gönnt feinen Grabbrauch, feinen Tranerflor, 
Kein frommes Lauten, feinen Leichenzug, 
Den Bögeln werft fie Jin, dem Raubgethier. 
Ihr Lebenslauf war viehifch, ohne Mitleid, 
Und eben deßhalb find’ auch fie fein Mitleid. 
Bollzieht den Spruch an dem verbammten Mohren, 
Dem frechen Stifter unfrer fihweren Trübfal; 
Dann orbnen wir mit Weisheit unfern Staat, 
Gleich ſchlimmen Ausgang hemme Kraft und Rath. 
(Alle gehn ab) 


Das Wintermährchen. 


Yerfonen: 


Leontes, König von Sicilien. 
Hermione, feine Gemahlin. 
FT feine Kinder. 
Gamillo, 
Antigonuß, 
Gleomenes, 
Dion, 
Herren vom Hofen und Sicilianiſche Edelleute. 
Paulina, Antigonus Gemahlin. 

Emilia, Kammerfrau der Königin. 
Hofdamen. 

Ein Beamter und mehrere Gerichtsdiener. 
&in Kerkermeiſter. 

Ein Matrofe. 

Bolyrenes, König von Böhmen. 

Slorizel, fein Sohn. 

Archidamus, am Hofe des Königs. 

Ein alter Schäfer. 

Eein Sohn. 

Autolicus, ein Spitzbube. 


vornehme Sicilianer. 


Mopſa u. Dorcas. Schäferinnen. Schäfer. Knechte. 


Die Zeit als Chorus. 


„u, 


Eriter Aufzug. 


Sicilien. Ein Simmer in Leontes Palsf. 


Erfte Scene. 
(Camillo und Archidamus treten auf) _ 


Archidamus. 
Wenn es ſich einmal treffen ſollte, Camillo, daß ihr 
Böhmen beſuchtet, bei einer ähnlichen Veranlafſung, als 
mich jebt in meinem Dienft hieher geführt, fo werdet 
ihr, wie ich ſchon gefagt habe, einen großen Unterfchied 
zwifchen unferm Böhmen und euerm Sicilien finden. 
Camillo. 

Ich glanbe, den nächften Sommer gedenft der Kö— 
nig von Sicilien dem König von Böhmen den Beſuch 
zu erwiebern, den er ihm ſchuldig iſt. 

Arhidamus 
Worin unfre Bewirthung ung beſchämen ſollte, das 
wird unſre Liebe entſchuldigen; denn, in der That — 
Camillo. 
Ich bitte euch — 
Archidamus. 

In der That, ich ſpreche aus der Vollmacht meiner 
Ueberzeugung: wir können nicht mit dieſer Pracht — in 
ſo ausgeſuchter — ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll. — 
Wir werden euch einen Schlaftrunk geben, damit eure 


234 Das Wintermährchen. L1. 


Simme, unfre Unzulänglichkeit nicht empfindend, ung, wenn 
fie uns auch nicht Ioben koͤnnen, doch eben fo wenig att- 
klagen mögen. 
Camillo. 
Ihr bezahlt viel zu thener, was gern gegeben wird. 
Archidamus. 

Glaubt mir, ich ſage, was meine Einſicht mich lehrt 

und meine Redlichkeit mich nöthigt auszuſprechen. 
Camillo. 

Sicilien Tann Böhmen nie zu viel Huld erweiſen. 
Sie wurden in der Kindheit mit einander auferzogen, 
und da wurzelte eine folche Liebe zwifchen ihnen, daß 
fie jet wohl Zweige treiben muß. Seit ihre reifere 
Würde und ihre königlichen Pflichten ihr Beifammen- 
fein trennten, waren ihre Begegnungen, obwohl nicht 
perfönlih, doch königlich bevollmachtet, und tanfchten 
Gaben, Briefe, liebevolle Botfchaften, fo daß fie, obwohl 
getrennt, doch vereint fihienen, wie über einen Abgrund 
einander die Hände reichten, und fich gleihfam von den 
Enden entgegengefetter Winde umarmten. Der Him- 
mel erhalte ihre Freundfchaft! 

Archid amus. 

Ich glaube, es giebt in der Welt keine Bosheit oder 
Beranlaffung, bie fie erſchüttern könnte. Ihr habt einen 
unausſprechlichen Troſt an euerm jungen Prinzen Ma- 
millius, er ift ein Weſen, das die größten Erwartungen 
erregt; ich ſah nie ſeines Gleichen. 

Camillo. 

Gern ſtimme ich euch in den Hoffnungen auf ihn 
bei, er iſt ein herrliches Kind, und wahrlich, ein Heil- 
mittel für den Unterthan, und eine Exfrifhung alter 
Herzen; die, welche auf Krüden gingen, ehe er geboren 
warb, wünfchen noch zu leben, um ihn als Mann zu ſehn. 

Archidamus. 

Wäurden fie denn ſonſt gern flerben? 


Das Winkermährchen. 1,12 235 


Camillo. 
Ya, wenn fie keinen andern Vorwand hätten, ſich 
ein längeres Leben zu wünfchen. 
Archidamus. 
Wenn der König keinen Sohn hätte, fo würben fie 
wünfchen auf Krücken zu geben, bis ex einen befäme. 
(88 treten auf Leontes, Bolyrenes, Hermione, Ma: 
millius und Gefolge) 
Dolyrenes. 
Schon neun Mal gab des feuchten Sternes Wechſel 
Dem Schäfer Runde, feit der Bürd' entledigt 
Wir ließen unfern Thron; fo viele Monde 
Soft’ unfer Dank, geliebter Bruder, füllen; 
Und dennoch gingen wir für ew'ge Zeit 
Als euer Schulpner fort; drum, gleich der Null 
An reihen Platz geftellt, laßt mich die eine - 
Wir danken euch, zu taufenden vermehren, 
Die ihm vorangehn. 
Leontes. 
Spart noch euern Dauk; 
Und achlt ihn, wenn ihr reiſt. 
Polyxenes. 
Hew, das iſt morgen. 
Mich mahnt die Furcht, was wohl geſchehn feyn mag, 
Was unfer Fernfein zengte; blaͤſt nur nicht 
Ein fcharfer Wind daheim und macht uns fagen, 
Zu fehr nur trafes ein! Auch weit’ ich ſchon 
Euch zur Beihwer. 
Leontes. 
Wir find zu zaͤh', mein Bruder, 
Damit fest ihre nicht durch. 
Polyrenes. 
Ich Tann nicht bleiben. 
Leontes. 
Nur eine Woche noch. 


236 Das Wintermährden. I, 1. 


PBolyrenes. 
Nein wahrlich, morgen. 
Leontes. 
SH laßt die Zeit ung theilen, und dann will ich 
Nicht wiberfprechen. - 
Polyxenes. 
Bitt' euch, drängt mich nicht; 
Kein Mund, nein, keiner in der Welt, gewinnt mid) 
So leicht als eurer; und er würd’ es jeßt, 
Trieb’ Zwang euch zum Geſuch, wenn auch mich Zwang 
Zum Weigern nöthigte. Des Staats Gefchäfte 
Ziehn mich gewaltſam heimwärts; eure Liebe, 
Dieß Hindernd, würde Geißel mir; mein Bleiben 
Euch Lafl und Unruh'; beides zu vermeiden, 
Lebt wohl, mein Bruder! 
Leontes. 
Iſt unſre Königin verſtummt? Sprich du. 
Hermione. 
Ich dachte, Herr, zu ſchweigen, bis ihr Eide 
Ihm abgezwungen, nicht zu bleiben. Kalt nur 
Beſtürmt ihr ihn; ſagt ihm, ihr wißt, es ſtehe 
In Böhmen Alles gut; die frohe Botſchaft 
Sei geftern angefommen; fagt ihm dieß, 
So ſchlagt ihr ihn aus feiner beften Schanze. 
Leontes. 
Recht ſo, Hermione. 
Hermione. 
Sagt er, er ſehnt ſich nach dem Sohn, das gilt; 
Doc laßts ihn fagen, und dann laßt ihn gehn; 
Laßts ihn beſchwören, und er foll nicht bleiben, 
Wir treiben ihn mit unfern Spindeln fort. 
Doch wag” ichs, eurer hohen Gegenwart 
Ne Woche abzuborgen. Wenn in Böhmen 
Euch mein Gemahl beſucht, geb’ ich ihm Vollmacht 
Für einen Monat länger, als die Zeit 


Das Wintermährchen. I 1. 237 


Beftimmt zur Reif: und doch fürwahr, Teontes, 
Kein haarbreit wen’ger lieb' ich dich, als je 
Ein Weib den Mann geliebt. — Ihr bleibt? 


Polyxenes. 
Nein, Fürftin, 
Hermione. 
O ja, ihr thuts. \ 
Polyxenes. 
Ich kann nicht, wahrlich! 
Hermione. 


Wahrlich! 

Ihr weiſt mich ab mit leichtem Schwur; doch ich, 
Wollt ihr die Stern’ auch aus den Sphären ſchwören, 
Ich fagte doch: Herr, nichts von Reifen. Wahrlich, 
Ihr bleibt; das Wahrlich einer Frau ift gültig, 
Wie immer das des Manns. Wollt ihr noch fort? 
Ihr zwingt mid, als Gefangnen euch zu halten, 
Und nicht als Gaſt; dann zahlt ihr, wenn ihr ſcheidet, 
Für eure Koft, und [part den Dauk. Was fagt ihr? 
Gefangner oder Gaſt? Bei jenem Wahrlich: 
Eins müßt ihr ſeyn. 

Polyxenes. 

Eu'r Gaſt denn, Königin; 
Gefangner ſetzt Beleidigung voraus, 
Die zu begehn mir ſchwerer fallen würde, 
Als euch zu ſtrafen. 

Hermione. 

Dann nicht Kerfermeifter, 
Kein, liebevolle Wirthin. Kommt, erzählt mir, 
Bon meines Herrn und euren Knabenſtreichen; 
Ihr wart wohl muntre Herrchen? 


Polyrenes. 
Schöne Fürſtin, 
Zwei Buben, die nicht weiter vorwärts dachten, 


238 Das Wintermährden I, 1 


As, fol ein Tag wie heut fei morgen auch, 

Und daß wir ewig Kuaben bleiben würben. 
Hermione 

War nicht mein Herr der ärgſte Schalf von beiden? 

Polyrenes. 

Bir waren Zwillingslämmern gleich, die blökend 
Im Sonnenfheine mit einander fpielten; 
Nur Unfhuld taufıhten wir für Unſchuld; Fannten 
Des Unrechts Lehre nicht, noch träumten wir, 
Man thäte Böſes; lebten wir fo weiter, 
Und flieg nie höher unſer fchwacher Geift 
Durch heißres Blut, wir könnten kühn dem Himmel 
Einf fagen: Frei von Schuld, die abgerechnet, 
Die unfer Erbtheit. 

Hermione. 

Daraus muß man fchließen, 
Ihr firaucheltet ſeitdem. 

Polyxenes. 

O heil'ge Fürſtin, 
Verſuchung ward ſeitdem uns; denn in jenen 
Unflüggen Tagen war mein Weib ein Kind; 

Und eure Schönheit war noch nicht dem Blick 
Des Spielgeno begegnet. 
Hermione. 

Gnad’ uns Gott! 
Zieht daraus Feinen Schluß, fonft nennt ihr mich 
Und eure Kön’gin Teufel; doch fahrt fort, 
Was ihr durch ung gefehlt, vertreten wir; 
Wenn ihr mit ung zuerſt gefündigt habt, 
Und nur mit uus die Sünde fortgefebt, 
Und nie mit Andern als mit uns geſtrauchelt. 

Leontes, 

Gewannft du ihn? 


Er bleibt. 


Hermione. 





Das Wintermährchen. J, J. 239 


Leontes,. 
Und wollt’ es nicht auf meine Bitte. 
Hermione, Geliebte, niemals fprachfi du 
So gut zum Zwed. 
Hermine. 
Niemals? 


Leontes. 
Niemals, nur einmal noch. 


Hermione. 
Wie? fprach ich zwei Mal gut? wann war es früher? 
Ich bitte, fag es mir; füttr' ung mit Lob, 
Wie zahme Vögelchen. 
Die gute That, die ungepriefen flirbt, 
Würgt taufend andre, die fie zeugen Tönnte, 
Eu’r Lob iſt unfer Lohn; eh treibt ihr uns 
Mit einem fanften Kuffe taufend Meilen, 
Als mit dem Sporn zehn Schritt nur. Doc zum Ziel; 
Die letzte gute That war, ihn erbitten; 
Was war die erfle? wenn ich recht verfland, 
Hat fie ’ne ältre Schwefter: o, fei Gnad' ihr Name! 
Zum Zwei fprach ich fohon einmal, Wann? O Iaft 
Mich hören, mich verlangte. 


Leontes. 
Nun, das war damals: 
Drei bitire Monde farben langſam hin, 
Eh ichs erlangt, daß du die weiße Hand 
Mir als Geliebte reichteft, und da ſprachſt du: 
Ich bin auf ewig dein. 
‘ Hermione. 
‘a, das war Guade. 
Ei feht, fo fprach ich zwei Mal denn zum Zwei: 
Eins warb auf immer mir den edlen Gatten, 
Das Andre mir den Freund auf wen’ge Tage. 
(Sie reicht Bolyzenes die Hand) 


240 Das Wintermährhen. 1,1. 


Leontes. (für fi) 
Zu heiß, zu heiß! 
Sp heftig Freunpfchaft einen, eint das Blut. 
Die Bruſt ift mir beflemmt, es tanzt mein Herz, 
Doch nicht aus Freude, Freude niht — Solch traulich 
Weſen 
Nimmt heitern Schein, erklärt die Freiheit nur 
Für Freundſchaft, Herzlichkeit und Seelengüte, 
Und zierlich mags dem Spieler ſtehn, es mag; 
Doch mit den Händen tätſcheln, Finger drücken, 
Wie jetzt fie thun; dabei bedeutend lächeln, 
Wie in den Spiegel, ſeufzen dann, ſo tief, 
Wie ein verendend Wild, ſolch traulich Weſen 
Gefällt nicht meinem Herzen, nicht der Stirn. — 
Mamillius, 
Biſt du mein Jung’? 
Mamillius. 
. Ya, Bäterchen. 
Leontes. 
Mein Seel? 

Ja, biſt mein Bengel. Wie, die Naſe ſchmutzig? — 
Sie ſagen, daß ſie meiner gleicht. Komm, Kerl, 
Wir müſſen ſchmuck ſeyn, ſchmuck nicht, ſondern rein; 
Denn geht nicht Stier und Kalb und Kuh, ein jedes 
Sm Schmuck des Haupts einher? Noch immer ſpielend 
Auf ſeiner Hand? Wie gehts, mein muntres Kalb? 
Biſt du mein Kalb? 
Mamillius. 

Ja Vater, wie du willſt. 

Leontes. 
Dir fehlt ein rauher Kopf und meine Sproſſen, 
Um ganz mir gleich zu ſeyn; — doch, ſagt man, gleichen 
Wir uns wie Waſſertropfen; Weiber ſagens, 
Die ſagen Alles: doch wären ſie ſo falſch 
Wie aufgefärbtes Schwarz, wie Wind und Waſſer; 


Das Wintermährden. L1 4 


Falſch, wie ſich der die Würfel wünfcht, der Mein 
Und Dein nicht trennen will; doch if es Wahrheit, 
Zu fagen, daß dieß Kind mir gleicht, — Romm, Page, 
BU mit dem Himntelsang’ mich an, bu Schelm! 
Mein Herz! mein Schatzl — Kann deine Mutter? — 
fann fie? — 
Affect! dein Ahnen bohrt zum Mittelpunkt; 
Das mahft du möglih, was unmöglich fehien, 
Verkehrſt mit Träumen? — (Wie Tann dieß gefhehn?) 
Mit Schatten, du einbiluungsfäh’ge Kunſt, 
. Und bift dem Nichts verbrübert; nun, wie glaublich, 
Daß du auch Wefen dich geſellſt; fo iſts; 
(Und das jenfeit des Wahnes, und ich fühl’ es) 
Und das bis zur Vergiftung meines Hirns, 
Und meiner Stirn Berhärtung. 
Polyrenes. 
Was ift dem König? 
Hermione, 
Es fiheint, als quäl' ihn was. 
Polyrenes. 
Wie flehts, mein Surf? 
Leontes. 
Was giebts? wie geht es euch, mein befter Bruder? 
Hermione. 
Ihr habt ein Anſehn, 
Als wär’ die Stirn euch von Gedanken ſchwer. 
Herr, fehlt euch etwas? 
Leontes. 
Nein, in vollem Ernſt. — 
Wie oft verräth Natur die eigne Thorheit 
Und Zaͤrtlichkeit, und macht ſich zum Geſpött 
Für härtre Seelen! hier, des Knaben Antlitz 
Betrachtend, war e8 mir, als ging’ ich rüädmärts 
Um dreinnbzwanzig Jahr; fo ſah ih mic 
Im grünen Rinderrödchen, in ber Scheide j 
. IX. | 1 


2 ‚Das Wintermährdhen. 1,1. 


Feſt meinen Dolch, daß er den Herrn nicht ſtoße, 
Und fo, wie Putzwerk oft, gefährlich werde, 
‚Wie äfnlich, dünft mich, war ich ba ber Knospe, 
Dem Sproß da, diefem Herrchen; — ftarter Mann, 
Nimmſt du flatt Silberflüber Nafenflüber? 
Mamillius, 
O nein, ich ſchlage los. 
Leontes. 
Sp? wers trifft, hat den Preis! — Mein theurer Bruder, 
Seid ihr in euern Prinzen fo verliebt, 
Wie wir in unfern find? 
| Dolyrenes. 
Bin id baheim, 
Iſt er mein Ziel für Scherz und Ernſt, mein Spielwert, 
est mein gefchworner Freund, und dann mein Feind, 
Mein Höfling, mein Miniſter, mein Soldat, 
&r fürzt mir Juli zu December - Tagen, 
Und heilt durch taufend Kinderei'n Gedanken, 
Die fonft mein Blut verbicten. 
Leontes, 
. Ganz das Amt 
Hat diefer Here bei mir; ich geb’ mit ihm, 
Ihr gebt wohl ernfiern Weg. — Hermione, 
Wie du mich Tiebft, zeig’ unfers Gaſts Bewirthung; 
Was koſtbar in Sicilien, werbe wohlfeil; 
Mit dir und meinem Heinen Schelm iſt er 
Der Naͤchſte meinem Herzen. 
Hermione. 
Sucht ihr uns, 
So trefft ihr uns im Garten; kommt ihr bald? 
Leontes. 
Geht eurer Neigung nach, ich find’ euch ſchon, 
Bleibt ihr am Tageslichtz — (beiſeit) sch angle jeht, 
Wenn ihre auch nicht die Schnur mich werfen feht. 
Schon gut, fhon gut! 
(Er beobachtet Polyrenes und Hermione) 


Das Wintermährchen. L1. 247 


Wie fie nach ihm den Mund, den Schnabel redt! . 
Und fih mit eines Weibes Frechheit rüftet, 
Des Mannes Schwachfinn trauend! Ha, fchon fort! 

(Bolyrenes und Hermione gehn mit Gefolge ab) 
Zolldick, Inietief, über Kopf und Ohr gehörnt. — 
Seh, ſpiel', Kind, deine Mutter fpielt, auch ich; _ 
Doch meine Ro iſt ſchmachvoll, und der Schluß 
Wird in mein Grab mic ziſchen; Hohngefchrei 
Mir Sterbeglode ſeyn. — Geh, Kind, und-fpiel. — 
Auch fonft gabs, irr’ ich nicht, betrogne Männer; 
Und manden giebts noch jet im Augenblid, 
Der, grad’ indem ich ſprech', umarmt fein Weib; — 
Er träumt nicht, daß fie ihm warb abgeleitet, 
Sein Teih vom nächſten Nachbar ausgefifcht, 
Ya, vom Herrn Nachbar Lächler, das ift Troft; 
Auch Andre haben Thor’, und offne Thore, 
Wie ich, fehr wider Willen. Soll verzweifeln, 
Wem fich fein Weib empört, fo hängte fi) 
Der Menfchheit Zehntel. Dafür Hilft Fein Arzt. 
Es ift ein kuppleriſch Geftirn, das trifft, 
Wo es regiert, und mächtig muß es feyn 
In Of, Weft, Nord und Süd; drum fleht es fefl, 
Für eine Frau iſt feine Grenzenfperre; 
O glaubte! fie läßt den Feind herein, hinaus, 
Mit Sad und Pad. Biel Taufend unter ung, 
Die diefe Krankheit haben, fühlens nicht. — 
Run, Suabe? 

Mamillius, 


Man fagt, ich gleich’ euch. 
Leontes. 
Ja, das iſt noch Troſt. 
Wie, iſt Camillo hier? 
Camillo. 
Ja, theurer Herr. 
16* 


244 Das Wintermährden. 1, 1. 


Leontes. 
Geh ſpielen, Kind; du biſt ein ehrlich Blut. — 


( Wamillius geht ab) 


Der große König bleibt noch hier, Camillo. 
Camillo. 

Biel Diühe macht's ench, eh fein Anker hielt, 

Sp oft ihr auswarft, wich er. 


Leontes. 
Merkteſt du’s? 
Camillo. 


Auf enre Bitten blieb er nicht; ihm ſchien 
Zu wichtig fein Geſchäft. 
Leontes. 
Haſt du's beachtet? 
Sie vaffen mir ſchon auf; ſie flüſtern, murmeln: 
Sieilien iſt ein Solcher: das geht weit, 
Faͤllt mirs zuletzt ins Aug'. — Wie kams, Camillo, 
Daß er noch bleibt? 
| Camillo. 
Die gute Kön’gin bat ihn. 
Leontes. 
Die Kön'gin, jaz gut wäre angemeſſen; 
Doch ſo iſts, daß es nicht ſo iſt. Griff dieß 
Nur ein ſo kluger Kopf wie deiner auf? 
Denn dein Verſtand ſaugt ein, nimmt in ſich auf 
Mehr als gemeiner Dummkopf; — dieß ward nur 
Von ſchaͤrferm Sinn beachtet? und von Wen'gen, 
Durchdringend im Verſtand? die gröbre Maſſe 
Iſt wohl ſtockblind für dieſen Handel? Sprich! 
Camillo. 
Für dieſen Handel? Jeder, denk' ich, ſieht, 
Daß Böhmen laͤnger bleibt. 
Leontes. 
Wie? 


Camillo. 
Länger bleibt. 


Das Wintermährden L1. 245 


Leontes. 
Ja, doch weßhalb? 
Camillo. 


Um Eurer Hoheit Bitte zu befried'gen, 
Und unfrer gnaͤd'gen Fürſtin. 
Leontes. 
Zu befried'gen ? 
Die Bitten eurer Fürſtin zu befried'gen? — 
Das if genug. Camillo, dir vertraut’ ich, 
Was mir zunähft am Herzen lag, wie auch 
Mein Staatsgeheimniß; priefterlich entludeſt 
Du mir die Bruſt; und flets gebeflert ſchied ich 
Von dir, wie von dem Beicht'ger; doch wir wurden 
Getaͤuſcht in deiner Redlichkeit, getäufcht 
In dem, was fv uns fchien. 
Camillo. 
Verhüt' es Gott! 
Leontes. 
So ſtarr zu ſeyn! — Du biſt nicht ehrlich, oder 
Willſt du es ſeyn, biſt du ne Memme doch, 
Die Ehrlichkeit von rückwärts lähmt, und hemmt 
Im feſten Lauf; oder du biſt ein Diener, 
Zum edelſten Vertrauen eingeweiht, 
Und hierin Yäffigz oder fonft ein Thor, 
Der falſches Spiel, den Sa verloren ſieht, 
Und Alles nimmt für Scherz. 
Camillo. 
Mein gnäb’ger Herr, 
Wohl mag ich Läffig, thöricht, furchtſam ſeyn; 
Kein Menſch ift frei von allen dieſen Fehlern. 
Daß feine Thorheit, Läffigfeit und Furcht 
Nicht in des Lebens mannigfachem Treiben 
Sich öfter zeigt; in euren Sachen, Herr, 
Wenn jemals ich mit Willen Iäffig wer, 
Sp war 28 Thorbeitz wenn ich wiffentlich 


246 Das Wintermährchen. LL 


Den Thoren fpielte, war es Laͤſſigkeit, 
Die nicht das End’ erwog; und war ich furchtſam, 
Zu handeln, wo der Ausgang mißlich fchien, 
Und der Erfolg nachher wohl fchelten durfte 
Die Unterlaffung, — war es eine Furcht nur, 
An der auch oft der Weife krankt; dieß, König, 
Sind fo befannte Fehl’, dag Ehrlichkeit 
Stets daran leidet. Doch, mein hoher König, 
Sprecht frei Heraus, und zeigt mir mein Vergehn 
Mit eignem Antlitz; wenn ich dann es Läugne, 
So iſts nicht mein. 
Leontes. 
Camillo, fahft du nicht, 
(Dog ja, du mußteſt; iſt dein Angenfenfter 
Nicht dicker als ein Hahnreihorn); hörtſt du 
( Denn wo der Augenfchein fo Har, da Fann 
Gerücht nicht fchweigen), dachtſt vu (denn Gedanke 
Lebt in dem Menfchen nicht, der das nicht denkt), 
Mein Weib fei ungetreu? Bekenn' es gleich 
(Sonft mußt mit freier Stirn du auch verläugnen 
Gedanf’ und Aug’ und Ohr), dann fprich, es fei 
Mein Weib ein Stedenpferd, und fhmählicher 
Zu nennen als die Viehmagd, die fich hingiebt 
Bor der Verlobung. Gefteh’s und fage Ya. 
Camillo. 
Nie ſtänd' ich wohl dabei, und hörte fo 
Beſchimpfen meine höchſte Fürftinz nein, 
Zur Rache ſchritt' ich ſchnell. Bei meinem Leben, 
Nie fpracht ihr etwas, das euch wen’ger ziemte; 
Es wiederholen wäre Sünde, gräulich 
Wie jene, wär’ fie wahr. 
Leontes. 
Iſt Flüſtern nichts? 
und Wang' an Wange lehnen? Naſ' an Naſe? 
Mit innern Lippen küfſen? durch 'nen Seufzer 


Das Wintermährchen. 1, 1. 247 


Den Lauf des Lachens hemmen? (ſichres Zeichen 
Gebrochner Ehre) — ſetzen Fuß auf Fuß? 
In Winkel kriechen? Uhren ſchneller wünſchen? 
Die Stunde zur Minut' und Tag zur Nacht? 
Und Aller Augen blind, ſtockblind, nur ihre 
Nicht, ihre nicht, 
Um ungeſehn zu freveln? iſt das nichts? 
Dann iſt die Welt und was darin iſt nichts, 
Des Himmels Wölbung nichts, und Böhmen nichts, 
Mein Weib ift nichts, und nichts in all’ dem Nichts, 
Wenn dieß nichts iſt. 
Camillo. 
O, laßt euch heilen, Herr, 
Von dieſem Fieberwahn, und das bei Zeiten, 
Denn er iſt tödtlich. 
Leontes. 
Sprich, ſag: ja, es iſt. 
Camillo. 
Nein, nein! mein Fürft. 
Leontes. 
Es iſt; du Tügft, du fügt; 
Ich fag’, du Tügft, und haſſe dich, Camillo; 
Nenn’ dich nen Tropf und finnberaubten Sclaven, 
Wo nicht, zweizüng’gen Achfelträger, der 
Zugleich daffelb’ als gut und böfe ſieht, 
Und beides lobt. Wär’ meines Weibes Leber 
Bergiftet, wie ihr Leben, fürbe fie 
Mit dieſer Stunde. 
i ‚Camillo 
Wer vergiftet fie? 
| Leontes. 
Nun er, dem wie ein Ehrenſchmuck ſie um 
Den Nacken hängt, der Böhmez der — Hätt’ ih 
Noch treue Diener, die mit gleichen Augen 
Auf meine Ehr’ und ihren Vortheil fchauten, 


248 Das Wintermährchen. 1,1 


Auf ihren eignen Nuten, — fie wohl thäten, 
Was hemmte jenes Thun; ja wohl, und bu, 
Sein Mundſchenk, — den aus nieverm Stand ich bob - 
Zu Rang und Würben, der fo klar es fieht, 
Wie Himmel Erde fieht und Erde Himmel, 
Wie ich gekränkt bin ı— fannft den Becher würzen, 
Der meinem Feind ein ew’ger Schlaftrunf würde, 
Mir ſtaͤrlend Heilungsmittel. 
Camillo. 
Herr, mein Fürſt, 

Thun könnt' ichs wohl, und nicht durch raſche Mittel, 
Nein, durch ein langſam zehrendes, das ſcharf 
Nicht wirkt, wie Gift; doch kann ich nimmer glauben, 
Daß ſolch ein Makel meine Fürſtin traf, 
Die auf der Ehre höchſtem Gipfel ſteht. 
Sch liebt' euch — 

Leontes. 


Sei verdammt, wenn du noch zweifelſt! 
Denkſt, ich ſei fo verſchlammt, fo ganz verwahrloſt, 
Mir ſelbſt zu ſchaffen dieſe Qual? die Weiße 
Und Reinheit meines Lagers zu beſudeln, 


Das ungekrankt mir Schlaf ift, doch befleckt 


Mich fliht wie Neſſeln, Dornen, gift’ge Wespen? 
Das Blut des Prinzen, meines Sohns, zu fchmähen, 
Der, glaub’ ich, mein ift, den ich Lieb’ als mein, — 
Ohn' überlegten Antriebe That ich dieß? 
Sf wohl ein Menfch fo toll? 
Camillo. 

Ich muß euch glauben; 
Ih thu's, und fchaff’ euch Böhmen auf die Seite, 
Borausgefeät, Eure Hoheit ſchenkt der Kön’gin, 
Iſt jener fort, die vor’ge Liebe wieder; 
Schon euers Sohnes halb, wie and, zu feffeln 
Die Läfterzungen al’ der Reich’ und Höfe, 
Die euch befreundet und verwandt. 





Das Biutermährden. 1,1. 249 


Leontes. 
Du räthfl mir, 

Wie ich den eignen Weg mir fehon erwählt: 
SH will die Chr’ ihr nicht befleden, nein. 

Eamillo. 
Mein König, 
Sp geht; und heitern Angefichts, wie nur 
Die Freundfchaft zeigt bei Zeften, fprecht mit Böhmen 
Und eurer Königin; ih bin fein Mundſchenk, 
Wenn er von mir gefunden Tran erhält, 
So zählt mic zu den Euren nicht. 

Leontes, 

Genug; 

Thu's, fo iſt dein die Hälfte meines Herzens, 
Thu’s nicht, jo fpaltft du deins. 

Camillo. 

Ich thu's, mein Fürſt. 
Leontes. 
So will ich freundlich ſcheinen, wie du rietheſt. 

(&r gebt ab) 

Camillo. 
O unglüdjel’ge Frau! — Doch, weh, wie fleht es 
Nun um mich ſelbſt? Sch fol der Mörder werben 
Des gütigen Polyxenes; Tein Antrieb, 
Als meines Heren Gebot; und eines Herrn, 
Der in Empörung mit ſich ſelbſt verlangt, 
Daß mit ihm raſ't, wer ihm gehört. — Es thun 
Befoͤrdert mich; wenn ich ein Beiſpiel fände 
Bon Tanfenden, die Mord gefalbter Kön'ge 
Zum Glück erhob, fo thät' ichs nichts; doch fo, 
Da Erz, Stein, Pergament nicht eins bewahrt, 
Verſchwör' es felbft die Schändlichkeit. Verlaffen 
Muß ich den Hof; Thun, Nichtthun, beides bricht 
Den Hals mir fiber. Glüdsftern, geh mir aufl 
Dier kommt Polyxenes. 





250 Das Wintermährden. I, 1. 


(Bolyrenes tritt auf) 
Polyrenes. 
Seltfam! mich dünkt, 
Im Sinfen hier ſei meine Gunfl. Nicht fprechen? 
Camillo, guten Tag. Ä 
Camillo. 
Heil, theurer König! 
Polyrenes, 
Was giebts am Hofe Neues? 
Camillo. 
Nichts Beſondres. 
| Polyrenes. 
Der König blickt fo ernft, als ging verloren 
Ihm eine der Provinzen, ein Gebiet, 
Das wie fich felbft er Tiebtz ich traf ihn eben, 
Und grüßt’ ihn auf gewohnte Artz doch er, 
Den Blid zur Seite werfend und verächtlich 
Die Lippe beißend, eilt vorüber, läßt 
Mich finnend flehn, was ſich wohl zugetragen, 
Das feine Sitten fo verwandelt. 
Camillo. 
Herr, 
Nicht wag’ ich, es zu willen. 
Polyrenes. 
Wie! wagft du's nicht? Du weißts, und wagſt es nicht 
Mir mitzutheilen? Ya, fo ifls gemeint; | 
Denn was du weißt, das mußt du dir doch fagen, 
Nicht wag’ ichs, paßt da nicht. Du guter Mann, 
Dein Blick ift, fo verwandelt, mir ein Spiegel, 
Der mir den meinen auch verwandelt zeigt; 
Mich muß der Wechſel angehn, da ich ſelbſt 
Auch mit verwechfelt bin, 
Camillo. 
Es giebt ein Uebel, 
Das manchen aufreibt, doch die Krankheit. nennen, - 








Das Wintermährchen. L1. 251 


Das kann ich nicht; auch Fam die Anſteckung 
Bon euch, der ihr gefund. 
Polyxenes. 
Wie das? von mir? 
Nein, gieb mir nicht des Baſilisken Auge, 
Ich fah auf Taufend, die nur mehr gediehn 
Durch meinen Blick; Tod bracht’ er nie. — Camille, — 
Sp wie ein Evelmann du bift und auch 
Gelehrt, erfahren (was nicht wen’ger ziert 
Den Adel, als der Väter edle Namen, 
Durch die wir adlich find), — beſchwör' ich dich, 
Weißt etwas du, das meinem Wiffen frommt, — 
Werd’ ich davon belehrt, fo fperr’ es nicht 
Sn den Berfchluß des Schweigens. 
| Camillo. 
Ich kann nichts ſagen. 
Polyxenes. 
Krankheit, die ich gebracht, und ich geſund! 
Du mußt es ſagen. — Hörſt du wohl, Camillo, 
Bei jeder Pflicht des Manns beſchwör' ich Dich, 
Die heilig ift der Ehr’, — und diefe Bitte 
Iſt wahrlich nicht verächtlich, — gieb mir Aufſchluß, 
Was du von einem nah’nden Uebel weißt, 
Das auf mich zufchleicht, ob es fern, ob nah; 
Wie (wenn dieß möglich ift), ihm vorzubeugen, 
Wo nicht, wie fihs am beften trägt. 
Camillo, 
©» hört: 
Ihr ſelbſt Höchft ehrenvoll, beſchwört mich bei 
Der Ehre; darum merket meinen Rath, 
Den ihr befolgen müßt, ſo ſchnell, als ich 
Ihn geben kann, ſonſt haben beide wir 
Das Spiel verloren, und zu Ende iſts. 
Polyxenes. 
Fahr' fort, Camillo. 


252 Das Wintermährchen. LL 


Camillo. 
Ich bin von ihm beſtellt, euch zu ermorden. 


Polyxenes. 
Von wem? 
Camillo. 
Von meinem König. 


Polyxenes. 
Und weßhalb? 
Camillo. 
Er denkt, ja ſchwört mit vollſter Zuverſicht, 
Als ob ers ſah und ſelbſt ein Werkzeug war, 
Euch anzufetten, — daß auf frevle Weiſe 
Die Kön’gin ihr berührt. 


Polyrenes. 
Zu Gift dann eitre 

Mein reinftes Blut, gefehmiedet fei mein Name 
An jenen, der den Heiligften verrieth! 
Mein unbefledter Ruf werd’ eine Fäulniß, 
Durch die mein Nahn dem flumpfften Sinn ein Ekel; 
Und meine Gegenwart fei ſchen vermieden, 
Ja, und gehaßt mehr, als die fchlimmfte Peft, 
Die das Gerücht und Bücher je geſchildert! 


Camillo. 
Schwört ihr auch gegen feinen Wahn bei jedem 
Befondern Stern und feinem Himmelgeinfluß, 
Könnt ihr doch Leichter wohl der See verbieten, 
Dem Monde zu gehorchen, als durch Schwur 
Ihr mwegfihiebt oder durch Vernunft erfchüttert 
Das Bauwerk feiner Thorheit, deffen Grund 
Auf feinem Glauben ruht, und dauern wird, 
So lang' fein Leib befteht. 


Polyrenes. . 
Woher entfprang dieß ẽ 





Das Wintermährchen. 1,1. 2583 


Camille. 

Sch weiß nicht; doch gewiß, zu fliehn iſt fihrer 
Das, was und droht, als fragen, wie's entfprang. 
Deßhalb, vertraut ihr meiner Reblichleit, 

Die viefer Leib verfchließt, den ihr als Pfand 
Soft mit euch nehmen, — macht euch auf zu Nacht. 
Die Euren will ih in Geheim belehren, | 
Und durch verſchiedne Pförtchen fchaff” ich fie, 

Zu zwein, zu drei’n zur Stadt hinaus; ich ſelbſt, 
In euerm Dienft ſuch' ih mein Glück, das hier 
Durch die Entdedung flirbt. Bedenkt euch nicht, 
Denn ich, bei meiner Eltern Ehre, Tprach 

Die reinfte Wahrheit; wollt ihr die erprüfen, 
Sp weil’ ich nicht, und ihr fein bier nicht fichrer 
Als Einer, den des Königs eigner Mund 
Bernrtheilt und die Hinrichtung geſchworen. 


- | Polyrenes. 


Sch glaube dir, ih fah in feinem Antlitz 

Sein Herz. Gieb mir die Hand, fei mein Pilot, 
Und du ſollſt immer mir ber Nächfte bleiben. 
Die Schiffe find bereit, nnd meine Lente 
Erwarten ſchon die Abfahrt feit zwei Tagen. 
Die Eiferfucht verfolgt ein koſtbar Weſen, 

Und wird fo groß, wie jenes einzig iſt; 

Er, im Befit der Macht, wird furchtbar toben, 
Und da er glaubt, ex fer burch einen Dann 
Entehrt, der immer ihm der Nächfte war, 

Sp muß dieß feine Rache bittrer Tchärfen. 

- Mich überfihattet Furcht: 

BDeglüdter Ausgang fei mein Freund, und tröfle 
Die holde Kön’gin, die dieß Ungläd theilt, 

Doch unverbient den böfen Argwohn! Komm, 
Wie einen Bater ehr’ ich dich, wenn du 

Mich ungekraͤnkt von hier bringſt; laß uns fliehn. 





284 Das Wintermährchen. I,1. 


Camillo. 
Es ſtehn mir durch mein Anfehn alle Schlüffel 
Der Thore zu Gebot; gefällts Eu’r Hoheit, 
Dem Drang des Augenblids zu folgen: kommt. 
(Sie gehn ab) 


Zweiter Aufzug. 


Erfie Scene. 
Sicilien, im Palaſt. 
(Hermione, Mamillins und Hofbamen) 


Hermione. 
Nehmt ihr den Knaben, denn er quält mich fo, 
Ich kann e8 nicht ertragen. 
Erſte Dame. 
Kommt, mein Prinz, 
Wollt ihr zum Spielkamrad mich haben? 


Mamillins. 
Nein, 
Di mag ih nicht. 
Erſte Dame. 
Weshalb, mein füßer Prinz? 
Mamillius, 


Du küſſeſt mich und fprihft mit mir, als wär’ 
Ich noch ein Feines Rind. — Dich hab’ ich lieber. 
Zweite Dame, 
Und warum das, mein Prinz? 
Mamillius. 
Nicht etwa, weil 





Das Wintermährden U, 1. 235 


Du ſchwärzre Brauen haſt; doch fchwarze Brauen, 
Sagt man, find ſchön bei manchen Frau'n, nur muß 
Richt zu viel Haar darin feyn, nur ein Bogen, 
Ein Halbmond, fein gemacht wie mit ber Feder. 
Zweite Dame. 
Wer lehrt’ euch das? 
Mamilline. 
Ich Iernt’ es felbft aus Frau'ngeſichtern. — Sprich, 
Bon welcher Farb' find deine Brauen? 
Erfie Dame. 
Dlan. 
Mamillius. 
Ach, Spaß! einmal ſah ich bei einer Frau 
Die Naſe blau, doch nicht die Brauen. 
Zweite Dame. 
Hoͤrt: 
Die Kön'gin, eure Mutter, kommt bald nieder, 
Dann werden einem hübſchen neuen Prinzen 
Wir dienen, und ihr fpaßtet gern mit ung, 
Wenn wir euch möchten. 
Erfie Dame. 
Ja, fie warb ſeit kurzem 
Sehr ſart; Gott ſchenk' ihr eine gute Stunde! 
Hermione. 
Ei, welche Weisheit framt ihr aus? Komm, Freund, 
Für dich bin ich nun wieder; fe dich zu mir, 
Erzähl? ein Mährchen. 
Mamillius. 
Luſtig oder traurig? 
Hermione. 
So Inflig, wie du will. 
Mamillius. 
Ein traurig Mährchen 
Paßt für den Winter, und ich weiß von Geiſtern 
Und Hexen eins. 


256 Das Wintermährchen. n, 1. 








Hermione. 
Das laß uns hören, Sohn. 

Seh dich, fang’ an, und mach mich recht zu fürchten 
Mit deinen Geiftern; darin bift du flark. 

Mamillius. 
Es war einmal ein Mann — 

Hermione. 

Nein, ſetz dich, dann fang' an. 

Mamillius. 
Der wohnt’ am Kirchhof — ich will facht erzählen, 
Die Heimen follens dort nicht hören. 

Hermione. 

Wohl, 


So fag es mir ins Ohr. 

(E8 treten auf Leontes, Antigonns und andre Herren 

vom Hufe) 
Leontes. 
Man traf ihn dort? fein Zug? Camillo mit im! 
Erfler Herr. 
Sch traf fie hinterm Pinienwald; noch nie 
Sah Menfhen ich fo eilen; meine Blicke 
Berfolgten zu den Schiffen fie. 
Leontes, 
Wie glücklich, 

Daß ich ſo recht geſehn, die Wahrheit traf. — 
AH! irrt’ ich lieberl Wie verdammt bin ich 
In diefem Glück! — Wohl kann fih eine Spinne 
Verkriechen in den Becher, und man trinft; 
Man geht, und fpürt fein Gift; nicht angefteckt 
Ward das Bewußtfeinz aber Hält uns Einer 
Die elelhafte Zuthat vor, und fagt ung, | 
Was wir getrunken, fprengt man Bruſt und Seiten 
Mit Heft’gem Würgen: — ich tranf und fah die Spinne. 
Camillo half dazu, und war fein Kuppler; — 
Ein Anſchlag ifls auf meinen Thron, mein Leben; 


Das Wintermährchen. I, 1 257 


Zur Wahrheit wird Verdacht: — der falſche Bube, 
Den ich beftellt, war vorbeflellt von ihm; 
Er hat ihm meinen Plan entbedt, und ich 
Bin ein geäffter Thor für fie, ein Spielball 
Für ihre Laune. — Wie dem find fo leicht 
Die Pforten ihnen aufgethan? 
Erſter Herr. Ä 
Durch Vollmacht, 
Durch die er oft ſchon dieß ins Werk geſtellt, 
Wenn ihrs befahlt. 
Leontes. 
Ich weiß es nur zu wohl. — 
Gieb mir das Kind; ein Glück, daß du's nicht nährteft: 
Trägt er von mir auch. manchen Zug, hat’ er 
Doch zu viel Blut von bir. 
Hermione. 
Was ift das? Scherz? 
Leontes. 
Tragt fort das Kind, er ſoll nicht bei ihr ſeyn; 
Hinweg mit ihm: — mit jenem mag fie fiherzen, 
Womit fie ſchwanger, denn Polyrenes 
Berbantfl du das. 
Hermione. 
Ich Tann es wohl verneinen, 
Und fhwören, daß ihr meinem Laͤugnen glaubt, 
Wenn ii gleich anders fcheinen wollt. 
Leontes. 
Ihr Herren, 
Schaut dort fie an und ſcharf, gern ſpraͤch“ dann jeder, 
Nicht wahr: Die Fran iſt lieblich? doch es muß 
Die Redlichkeit des Herzens alsbald fprechen: 
Wie fhade, daß fie feufih nicht ift und ehrbar! 
Preiſt fie nur um dieß Außenwerk des Leibes 
(Das man gewiß hoch darf in Rechnung ftellen), 
Und gleiih wird Achtelzuden, Hum und Ha, 
IX. 17 


358 Das Wintermährchen. 4,1. 


Die Heimen Dranpmaal’, die Berläumbung braucht, — 
D! weit gefehlt, die Milde braucht; Verläumbuag 
Drennt ja die Tugend felbfi: — dieß Achſelzucken, 
Die Hum und Ha, wie ihr fie lieblich nanntet, 
Dringt, eh ihr keuſch fie nennen könnt, hervor. 
Doch hört 
Bon ihm, dens wohl am tiefſten ſchmerzen muß: 
Sie iſt Eh'brecherin. 

Hermione. 

Sagte das ein Bube, 
Der ausgemacht'ſte Bube auf der Belt, 
Er wär’ ein um fo ärgrer Bub’: Ihr, mein Gemahl, 
Seid nur im Irrthum. 

Leontes. 

Shr, Türken, wart veriert, 

Weit, vom Leontes zum Polyrenes. 
D du Geſchöpf! 
Das ich nicht nennen will, wie du verdienſt, 
Daß Barbarei, an mir ein Beiſpiel nehmend, 
Nicht gleiche Sprach’ in allen Ständen führe, 
Vernichtend jede Sitte, die den Fürften 
Vom Bettler unterfehied! — Ich hab's geſagt, 
Sie iſt Eh'brecherin, und geſagt, mit wem; 
Mehr noch, Verräth'rin iſt fie, und Camillo 
Ihr Mitverfchworner, der um Alles weit, 
Was fie fich fchämen follte felbft zu wiffen, - 
Sie nur, mit ihrem fchändlichen Verführer, 
Daß fie verbuhlt ift, fchlecht wie jene, die 
Der Pöbel mit ven frechften Namen ſchilt; 
Sa, auch vertraut war fie mit dieſer Flucht. 

Hermione. 
Der meinem Leben! Nein, 
Bertraut mit nichts von dem; wie wirds euch ſchmerzen, 
Wenn ihr zu hellrer Einficht einft gelangt, 
Daß ihr mich fo befhimpft habt. Theurer Heer, 





Das Bintermährden HI, 2. 250 


Ihr könnt mir faum genug thun, fagt ihr dann: 
Ihr irrtet end. 


Leontes. 
Nein, nein; wenn ich mich irre 
In dieſem Fundament, worauf ich baue, 
So iſt die Erd' nicht ſtark genug zu tragen 
Des Knaben Kreiſel. — Fort mit ihr zum Kerker! 
Wer für fie fpricht, der ift fchon deßhalb ſchuldig, 
Bloß weil er fprict. 


Hermione. 
Es herrſcht ein bös Geſtirn; 

Ich muß geduldig ſeyn, bis ber Aſpert 
Am Himmel günſt'ger iſt. — Ihr guten Herrn, 
Ich weine nicht ſo ſchnell, wie mein Geſchlecht 
Wohl pflegt; der Mangel dieſes eiteln Thaues 
Macht wohl en'r Mitleid welken; doch hier wohnt 
Der ehrenvolle Schmerz, der heft'ger brennt, 
Als daß ihn Thränen löſchten: ich erſuch' euch, 
Mit einem Sinn, fo mild, als eure Liebe 
Euch flimmen mag, meßt mich, — und fo gefchehe 
Des Königs Wille! 


Leontes. (zu der Wade) 
Wird. man mir gehorchen? 


Hermione. 

Und wer begleitet mich? — Ich bitt' Eu'r Hoheit, 
Mir meine Frau'n zu laſſen; denn ihr ſeht, 
Mein Zuſtand forderte. Weint nicht, gute Kinder, 
Es ift fein Grund; hört ihr, daß eure Herrin 
Verdient den Kerker, dann Saft Thränen firömen, 
War’ ich auch frei. Der Kampf, in den ich gebe, 
Dient mir zum ew’gen Heil. — Lebt wohl, mein König, 
Ich wünſcht' euch nie betrübt zu fehn; doch glaub’ ich, 
Ich werd’ es jetzt. — Nun kommt, ihr habt Erlaubniß. 

. 17 = 


260 Das Wintermährhen. 1,1 


Leontes. 
Hinweg ‚und thut, was wir befohlen. Fort! 
(Die Königin geht mit ihren Damen ab) 
Erſter Herr. 
Ich bit? En’r Hoheit, ruft zurüc die Fürſtin. 
Antigonus, 
Her, handelt mit Bedacht, damit das Recht 
Gewalt nicht fei, und fo drei Große leiden, 
Ihr, eure Kön'gin, euer Sohn. — 
Erſter Herr. 
Mein Leben 
Wag' ich zum Pfand zu ſetzen, und ich thu's, 
Nehmt ihr es an, daß unſre Fürſtin rein, 
Vor euch und vor des Himmels Aug'; ich meine 
Von dem, deß ihr ſie anklagt. 
Antigonus. 
Wird bewieſen, 
Daß r e's nicht iſt, fo will ih Schildwacht halten 
Dei meiner Fran, mit ihr gefoppelt geben, 
Und ihr nur traun, wenn ich fie feh’ und fühle; 
Denn jeder Zoll von Weiberfleifch ift falfch, 
Sa, jeder Gran von allen auf der Welt, 


Wenn fie es iſt. 
Leontes. 


Schweigt fill. 
Erfter Herr. 
Mein thenrer König — 

Antigonus,. 
Für end iſts, daß wir reden, nicht für ung, 
Ihr ſeid getäufcht von einem OSrenbläfer, 
Der dafür ſei verdammt; kennt' ich den Schurfen, 
Den Garans macht’ ich ihm. — Sie ehrvergeffen! — 
Drei Töchter Hab’ ich, elf die Aelteſte, 
Die zweit’ und dritte neun und etwa fünf; 
Zeigt dieß ſich wahr, fo follen fie’s bezahlen, 








Das Wintermährden. II, 1. 261 





Ber meiner Ehr’, und vierzehn nicht erleben; 
Ich tödte fie, eb falſch Geſchlecht fie bringen, 
Gie nur find meine Erben, aber lieber 
Verſchnitt' ich mich, als daß fie mir nicht brächten 
Erwünſchte Enkel. 
Leontes. 
Schweigt, nichts mehr davon. 

Ihr ſpürt die Sache mit ſo kaltem Sinn, 
Wie eines Leichnams Naſ'; ich feh's und fühl? es; 
Wie ihr fühlt, faſſ' sch euch, und feh’ die Hände, 
Die euch ergreifen. 

Antigonus. 

Iſt es ſo, dann brauchts 
Rein Grab, um Tugend zu beerd’gen, denn 
Rein Rörnden blieb von ihr, um zu verfüßen 
Das koth'ge Rund der weiten Welt. 


Leontes. 
Glaubt man mir nicht? 


Erfier Herr. 
Biel beffer, wenn man uns glaubt, und nicht euch, 
In diefem Punkt; und mehr erfreut es ung, 
Bewährt fih ihre Chr’ als euer Argwohn, 
Zürnt ihr auch noch fo fehr. 
Leontes. 
Was brauchen wir 
Mit euch uns zu beraiben? folgen nicht 
Vielmehr dem mächt’gen Drang? Die Majeflät 
Bedarf nicht euers Raths. Nur unfre Güte 
Theilt euch dieß mitz wenn ihr, blöbfinnig ganz, 
Bo nicht, aus Lift fo fcheinend, wollt nicht, fünnt nicht 
Die Wahrheit fehn gleih uns; fo foricht ihr nach. 
Doch brauchen wie nicht euers Raths; die Sache, 
Berluft, Gewinn, Befehl und Ausführung 
Geht uns nur an. 


262 Das Bintermähshen IE IL. 


Autigonus. 
So wünſcht ih, mein Gebieter, 
Ihr Hättet ſchweigent es im Geift erwogen, 
Nie öffentfih erffärt. 


Leontes. 

Wie wär’ es möglich? 
Du biſt, vor Alter, ſtumpfen Sinns, wi nicht 
Ein Thor fchon von Geburt; Camillo's Flucht, 
Dazu dann ihr vertrauter Umgang, ber 
Sp augenfheinlich Argwohn überbot, 
Dem nur noch Anblick fehlte, nichts, als Zeugniß 
Des eignen Auges, denn das Andre Alles 
Zeigt als gefhehn die That, zwingt, fo zu handeln. 
Doch, um es mehr noch zu befräftigen 
(Da in fo wicht'gem Fall ein wild Verfahren 
Sehr zu befammern wäre), fandt’ ich Boten 
Zum heil’gen Delphi, zu Apoflo’s Tempel; 
Cleomenes und Dion, die ihr Fennt 
Als feft und zuverläſſig. Vom Orakel 
Hängt Alles ab, fein heil’ger Rathfchluß fell 
Mich fpornen over zügeln. That ich wohl? 

Erfter Herr. 

Sehr wohl, mein Fürft. 

Leontes. 
Din ich befriedigt auch, nichts mehr bedürfend, 
Als was ich weiß, wirb Das Orakel doch 
Der Andern Sinn beruß’gen, die, gleich jemem, 
Mit gläub’gem Unverfland es nicht vermögen 
Zur Wahrpeit aufzuſchaun. So ſchiens uns gut, 
Sie einzufchließen, unfrer Naͤh' beraubt, 
Auf daß nicht der Berrath der zwei Entflohnen 
Ihr zur Boflziegung bleibe. — Folgt mir nad, 
Jetzt red’ ich Sffentlich; denn dieß Geſchaͤft 
Regt AM’ uns auf. 


Das Wintermährchen. ID 263 


Antigonus. (beiſelt) 
| Sa, doch zum Lachen, denk' ich, 
Wenn an ven Tag bie rechte Wahrheit kommt. 
(Alle ab) 


Zweite Scene 
Ein äußeres Zimmer des Gefängnifies 
(Banlina tritt auf mit mehreren Dienern) 


Paulina. 
Der Kerkermeiſter — ruft ſogleich ihn her; 
(Ein Diener geht ab 
Und fagt ihm, wer ich bin. — Du edle Fran! 
Kein Hof Europa’s ift zu gut für dich, 
Was mahft du denn im Kerker? 
(Ein Diener fommt mit dem Kerfermeifter) 
Run, mein Freund? 
Ihr Tennt mich Doch? r 
Rerfermeifter. . 
Als eine würb’ge Kran, 
Die ich verebre, 
aulina. 
Nun, fo bite’ ich Dich, 
Führ' mich zur Königin. 
Rerlermeifter. 
Sch darf nicht, gnäd'ge Frau; das Gegentheil 
Ward flreng mir eingefhärft. 
Pauline. 
Das ift ein Lärm, 
Um zu verfhließen Ehr' und Redlichkeit 
Bor guter Freunde Zuſpruch! — Iſts erlaubt, 
Sagt, ihre Kammerfrau zu fehn? nur eine? 
Emilia? 
’ Kerfermeißter. 
Seid ſo gätig, gnäd'ge Frau, 


264 Das Wintermährden. IL 2 


Und ſchickt die Diener fort, jo führe ih euch = 
Emilia ber. 
Paulina. 
Ich bitte, geh und ruf' ſie. 
Entfernt euch. Ä (Die Diener gehn ab) 
j Kerfermeifter. 
Doroch ü ich muß zugegen feyn, 
Wenn ihr fie ſprecht. 
Paulina. 
Gut, geh nur, mags ſo ſeyn. 





(Kerkermeifter geht ab) - 


Man müht fih hier die Reinheit zu befleden, 
So ſchwarz man immer Tann. 
(Der Kerfermeifter fommt mit Emilia) 
Nun, liebe Frau, wie gehts der gnäd’gen Fürſtin? 
Emilia. 
So gut, wie fo viel Größ' und fo viel Unglüd 
Vereint geftatten mag; durch Schred und Kummer, 
Der eine zarte Frau nie härter traf, 
Iſt fie entbunden, etwas vor der Zeit. 
Pauline. 
Ein Knah’? ’ 
Emilia, 
Ein Mädchen, und ein fehönes Kind, 
Kräftig und lebensvoll. Sein Anblid tröftet 
Die Kön’ginz mein gefangnes, armes Kind, 
Sagt fie, ich bin unfchuldig, fo wie du. 
Pauline, 
Das will ich fchwören: — 
Verdammt des Königs heillos blinder Wahnfinn | 
Er muß es hören, und er fol; dieß Amt 
Ziemt einer Frau zumeift, ich übernehm’ es; 
If ſüß mein Mund, mag meine Zunge fihwären, 
Und nie mehr meines roth erglüh’nden Zorns 
Trompete feyn. — Ich bitte dich, Emilie, 


Das Wintermährchen. II, 2. 265 


Empfiehl, der Kön'gin meinen treuen Dienſt; 
Und will fie mir ihr kleines Kind vertrauen, 
Trag’ ichs dem König Hin, und übernehm’ es, 
Ihr lauter Anwalt dort zu ſeyn. Wer weiß, 
Wie ihn des Kindes Anblick mag befänft’gen, - 
Dft fpricht beredt der reinen Unfchuld Schweigen, . 
Wo Worte nichts gewinnen. 
Emilia. 
Würd'ge Frau, 
So offen zeigt fih eure Chr’ und Güte, 
Daß euerm kühnen Schritt ein günfl’ger Ausgang 
Nicht fehlen kann. Kein Weib ift fo geſchaffen 
Zür diefen großen Auftrag; habt Die Gnade 
Und geht ins nächſte Zimmer, daß ich gleich 
Der Kön’gin euern edlen Antrag melde; 
Noch Heut erſt überfann fie folchen Plan, 
Nicht wagend, einen Mann von Rang zu bitten, 
Ans Furcht, er fihlüg’ es ab. 
Pauline. 
Sag ihr, Emilia, 
Die Zunge, die ich habe, will ich brauchen; 
Entftrömt ihr Geift, wie Rühnbeit meiner Bruft, 
Sp richt’ ich ganz gewiß mas aus. 
Emilia, 
Gott lohn' euch. 
Ich geh’ zur Koön'gin; bitte, tretet näher. 
Kerkermeiſter. 
Gefällts der Königin, das Kind zu ſchicken: — 
Ich weiß nicht, was ich wage, laſſ' ichs durch; 
Denn keine Vollmacht Hab’ ich. 
Paulina. 
| Fürchte nichts; 
Gefangen war das Kind im Dintterleib, . 
Und ıft, nach Recht und Fortgang der Natur, 
Daraus erlöft und frei, hat einen Theil 





266 Das Wintermäßrcen. IK 3. 


Am Zorn des Königes, und feine Schuld, 
Wenns eine gäbe, an der Kön'gin Fehltritt. 
Kerkermeiſter. 
Das glaub' ich wohl. 
Paulina. 
Drum fürchte nichts; auf Ehre; 
Ich trete zwiſchen dich und die Gefahr. 


(Alle ab) 
Dritte Scene 
Palaſt. 
(Leontes, Antigonus, Herren vom Hofe, Gefolge) 
Leontes. 


Richt Ruhe Tag noch Nacht; es iſt nur Schwäche, 
Den Barfall fo zu nehmen, nichts ale Schwäche — 
Wär’ nur ter Grund vertilgt — des Grundes Hälfte 
Die Ehebreh’rin! Der verbuhlte König 
Iſt außer meines Arms Bereich, entrückt 
Der Lift, und jedem Plan verſchanzt; — doch fie 
Kann ich mir greifen. — Sa, wär’ fie nicht mehr, 
Berzehrt vom Feuertod, ver Ruhe Hälfte 
Kam’ mir vielleicht zurüd, — Hedal 
Diener. 
| Mein König — 
Leontes. 
Was macht der Prinz? 
Diener. 
Er ſchlief die Nacht recht gutz 
Man hofft, die Krankheit ſei gehoben. 
Leontes. 
Seht 
Des Kindes Adel! 
Als er begriff die Schande ſeiner Mutter, 











Das Wintermährchen. IL 3. | 267 


Gleich nahm er ab, verfiel, und fühlt’ es tief; 
Er zog vie Schmach, als fein, ins eigne Herz, 
Floh Munterkeit, aß nicht, verlor den Schlaf; 
Er wellt vem Tod entgegen. — Laßt mih: — gebt, 
Seht, was er maht. — Pfnui, fein Gedank an ihn; — 
Schon der Gedank' der Rache diefes Weges 
Kehrt alsbald um; zu mächtig durch fich ſelbſt, 
Durch Freund’ und Bundsgensffen, — mag ex bleiben, 
Bis einfl die Zeit mir dient; doch fehnelle Rache 
Nimm jest an ihr. Polyrenes, Camillo 
Berlahen mich und fpotten meines Grams; 
Erreicht’ ich fie, fo ſollten fie nicht Lachen, 
Und fie ſolls nicht, da fie in meiner Macht. 
(Banlina tritt auf mit einem Kinde) 

Erfter Herr. 

Ihr dürft Hier nicht Herein. 
Panlina. 

Nein; Liebe, gute Herrn, feid mir behülflich. 
Zittert ihr mehr vor feinem grimmen Wäthen, 
Als für der Kön’gin Leben? Sie, die Holde, 
Sie, reiner, als er eiferfüchtig fl. 

Antigonns. 
Und das iſt viel, 

Erfter Herr. 
Er fchlief nicht, gnäb’ge Fran, und hat befohlen, 
Daß Keiner zu ihm darf. 

Hanlına. 
Freund, nicht fo hitzig; 

Ich komm', ihm Schlaf zu bringen. — Eures Gleichen, 
Die ſchleichen um ihn her wie Schatten, ſtöhnen, 
So oft er grundlos fenfzt, — ja, eures Gleichen 
Die nähren feines Wachens Urſach; ich, 
Mit Worten komm' ich, die fo wahr als Heilfam, 
Wie beides redlich, ihm das Gift zu nehmen, 
Das ihn am Schlaf verhindert. 


968 | Das Wintermährden. I, 3. 


Leontes. 
Welch ein Lärm? Hal 
’ Paulina. 
Kein Lärm, mein Fürſt, nothwend'ges Reden nur 
Wegen der Pathen für Eu'r Hoheit. 
Leontes. 
Wie? 
Hinweg mit dieſer kühnen Fran; Antigonus, 
Ich warnte dich, daß fie nicht zu mir käͤme; 
Sch Fannte ihren Vorſatz. 
Antigonus. 
Herr, ich droht ihr 
Bei Strafe eures Zorns, ſo wie des meinen, 
Euch nicht zu nahn. 
Leontes. 
Wie, kannſt du fie nicht zügeln? 
Paul ina. 
Bor ällem Böfen, ja; in diefer Sache 
(Wenn ers nicht macht wie ihr, und mich verhaftet, 
Nur weil ich ehrenhaft), bei meiner Seele, - 
Soll er mich nimmer zügeln. 
Antigonus. 
Nun, da hört ihre 
Wenn fie den Zaum fo nimmt, laſſ' ich fie Ianfen, 
Doc ftolpert fie niemals. 
Panlina. 
Mein guter König, 
Ich komm' und bitte, hört mich; denn gewiß, 
Ich bin euch treue Dienerin und Arzt, 
Euch ganz ergebner Rath; ja, der es wagt, 
Um euch zu tröften, wen’ger fo zu fcheinen, - 
Als die hier um euch flehn: ich fag’, ich Tomme 
Bon eurer guten Kön’gin. 
Leontes. 
Gute Kön’gin? 








Das Wintermährchen. I, 3. 269 
, —— 
Paulina. 
Ja, gute Kön'gin, ſag' ich, gute Kön'gin; 
Und wollt's im Kampf erhaͤrten, wär’ ich nur 
Ein Dom, der fhwächfte hier! 
Leontes. 
Werft ſie hinaus! 
Panlina. 
Wer feine Augen nur geringe achtet, 
Komm’ mir zu nah: von felbft werd’ ich fchon gehn; 
Doc erſt verricht? ich mein Gefchäft. — Die gute Kön'gin, 
Denn fie ift gut, gebar euch eine Tochter: 
Hier iſt fie, und empfiehlt fie eurem Gegen. 
(Sie legt das Kind vor Leontes hin) 
Leontes. 
Berwegnel Fort mit ihrl Hinaus! 
Du abgefeimte Rupplerin! 
. Pauline, 
Richt alſo; 
Die Sache kenn' ich nicht, und ihr verfennt mich, | 
Mich fo zu nennen; ganz fo redlich bin ich, 
Als ihre verrücdt, was, meiner Treu', genug if, 
Daß, wie die Welt geht, man für reblich gelte, 
Leontes. 
Berräther! 
Ihr floßt fie nicht hinaus? Gebt ihr den Baſtard: — 
Du Narr, du Weiberknecht, laͤß'ſt fort dich beißen, 
Bon der Frau Kratzefuß, — nimm auf den Baſtard, 
Nimm ihn und gieb ihn deiner Alten. 
Pauline. 
Ewig 
Sei deine Hand beſchimpft, wenn auf ſo masse 
Erlogne Namen, wie er ihr gegeben, 
Du die Prinzeß berührft. 
Leontes. 
Er ſcheut ſein Weibl 


370 Dis Wintermährchen. 11, . 


Paulina. 
Ich wollt’, ihr thaͤtets auch, dann nenntet Pi 
Ihr eure Kinder ewr. 
Leontes. 
Ein Pack Verraͤther! 
Antigonus. 
Das bin ich nicht, bei Gott! 
Paulina. 
Noch ich, und Keiner. 
Nur Einen ſeh' ich hier, das iſt er ſelbſt, 
Der ſein' und ſeiner Kön'gin heil'ge Ehre, 
Des Sohns, der Tochter, der Verläumdung opfert, 
Die ſchärfer ſticht als Schwerter; nicht mal will er 
(Denn alſo fügt es ſich, es iſt ein Bann, 
Daß nichts ihn zwingt zum Beflern) nur anrüßren 
Die Wurzel feines Wahns, die fo verfanlt iſt, 
Wie Eich’ und Felfen je gefund nur war. 
Leontes, 
Die Belferin von frechem Maul, ven Mann 
Hat fie geprügelt, und best mich nunmehr! 
Die Brut geht mich nichts an, 
Entfproffen ift fie vom Polyrenes; 
Hinweg mit ihr fo wie mit ihrer Mutter, 
Und werft ins Teuer fie. 
| Paulina. 
Das Kind iſt euer; 
Und, nach dem alten Sprichwort, gleicht euch fo, 
Daß es 'ne Schand’ if. — Seht doch, Liebe Herm, 
Iſt auch der Drud nur Hein, der ganze Inhalt 
Des Vaters Abſchrift: Augen, Mund und Nafe, 
Der finftre Zug der Bran’n, die Stirn, bie Grübchen, 
Die hübſchen hier auf Wang’ und Kinnz fein Lächeln, 
Ganz aud die Korm der Nägel, Finger, Hände: — 
Natur, du gute Göttin, die es ſchuf 
Sp ähnlich dem, ders zeugte, bilveft du 


Das Wintermährdien. ILS. ' 71 


Auch das Gemuüth, fo gieb ans allen Farben 
Ihm nur fein Gelb, daß fie, wie er, nicht wähne, 
Ihr Kind fei ihres Gatten nicht! 
Leontes. 
Die Herel — 
Und, ſchwacher Binfel, du biſt Hängens werth, 
Der ihr den Mund nicht flopft. 
Antigonus, 
Hängt alle Männer, 
Die das nicht Tönnen, und es bleibt euch kaum 
Ein Unterthan. 
Leontes. 
Noch einmal, fort mit ihr! 
Paulina. 
Der wild'ſte, unnatürlichſte Gebieter 
Iſt nicht ſo arg. 
Leontes. 
Ich laſſe dich verbrennen. 
Paulina. 
Ich frage nichts danach; 
Der iſt dann Ketzer, der das Feuer ſchuͤrt, 
Nicht fie, die brennt. Ich nenn’ euch nicht Tyrann, 
Doch diefe Graufamfeit an eurer Kön'gin, 
Da ihr Fein andres Zeugniß ftellen könnt, 
Als fo fhwahmüth’gen Argwohn, ſchmeckt ein wenig 
Nah Tyrannei, und maht zum Abfchen euch, 
Zur Schmach für alle Welt. 
Leontes. 
Bei eurer Lehnspficht, 
Zur Thür mit ifr hinans! Wär’ ih Tyrann, 
Wo wär ihr Leben? Nimmer ſpräch' fie das, 
Wenn fie mich dafür hielte. Fort mit ihr! 
Pauline. 
Ich bitt' euch, drängt mich nicht, ich gehe ſchon. 
Sorgt für eu’r Rind, Herr, ener ifis; Gott geb’ ihm 


872 Das Wintermährhen. I, 3. 


Verſtaͤnd'gern Geiſt. — Was follen diefe Hände? — 
Ihr, die fo zärtlich feine Thorheit pflegt, 
Thut ihm Fein Gut, fein Einz'ger von euch Allen. 
Laßt, laßt: — Lebt wohl, ich gehe ſchon. (Sie geht ab) 
Leontes. 
Verräther, du triebſt hiezu an dein Weib. — 
Mein Kind? hinweg damit! — Und grade du, 
Dems ſo am Herzen liegt, nimm du es weg, 
Und laff? es augenblicks ins Feuer werfen; 
Du follft es thun, Fein Andrer. Nimm es glei, 
In diefer Stunde meld’, es ſei gefchehn, 
Bring’ gült’ges Zengnif ‚ Tonft bezahlts dein Leben 
Und derer, die du bein nennſt. Weigerſt de, 
Und willſt begegnen meiner Wuth, fo fprich, 
Und gleih mit eigner Hand ſchlag' ich hier aus 
Des Baftards Hirn. Geh, wirf es gleich ins Feuer, 
Denn du triebft an dein Weib, 
Antigonus. 
Das that ich nicht; 
Die Heren bier, meine edlen Freunde, fprechen 
Mich davon frei. 
Erſter Herr. 

Wir fönnens, großer König, 

Er iſt nicht Schuld, daß ſie herein gekommen. 


Leontes. 

Ihr alleſammt ſeid Lügner. 

Erſter Herr. 
Eu'r Hoheit mög’ uns beſſ're Meinung ſchenken, 
Wir haben ſtetß euch treu gedient, und bitten, 
AUns fo zu achten; auf den Knien flehn wir, 
Als einz’gen Lohn für unfre beften Dienfte, 
Bergangne, künft'ge — ändert diefen Vorſatz, 
Der, von fo furchtbar blut'ger Art, muß führen 
3a unheilvollem Ausgang. Alle Inien wir. 


Dad Wintermährchen. L, 3. 373 


Leontes. 
Ich bin nur Feder jedem Hauch des Windes; — 
Leben ſoll ich, den Baſtard knien zu ſehn, 
Mich Vater nennend? Beſſer, jetzt verbrannt, 
Als dann ihm fluchen. Doch es ſei, er lebe; 
Und dennoch ſoll er nicht. — Du, komm hieher, 
Der in ſo zarter Sorge ſich bemühte, 
Mit Dame Frechmaul, der Hebamme da, 
Den Baflard Hier zu reiten, — denn das iſt er, 
Sp wahr, wie gran dein Bart, — was will du wagen, 
Zu retten diefer Brut daͤs Leben? 
Antigonns. 
Alles, 
Was meine Fähigfeit vermag, mein König, 
Und Ehre fordern kann: zum Mind'ften dieß; 
Das wen’ge Blut, das mir noch blieb, verpfänd’ ich 
Zum Schu der Unſchuld: Alles, was nur möglich, 
Leontes. 
Ja, möglich iſt es; ſchwör' bei dieſem Schwert, 
Daß meinen Willen du vollbringſt. 
Antigonus. 
Ich ſchwöre. 
Leontes. 


Gieb Acht und thu's, denn ſiehe, fehlſt du nur 
Im kleinſten Punkt, das bringt nicht dir allein, 
Auch deinem läſterzüng'gen Weib den Tod, 
Der ich verzeih’ für dießmal. — Wir gebieten 
Bei deiner Lehnspflicht, nimm bier diefen Baſtard, 
Und trag’ ihn gleich von dann’, an einen Ort, 
Der wüft und menfohenleer und weit entfernt 
Bon unfern Grenzen ift, und laſſ' ihn dort 
Ohn' alle Gnad' in feinem eignen Schuß, 
Der freien Luft vertraut. Bon einem Fremdling 
Kam er zu uns, mit Recht befehl’ ich drum, 
Bei deiner Seele Heil, des Leibes Marter, 

IX. 18 


274 ° Das Wintermährdhen. II, 8. 


Dat du ihn wo in frembes Land ausſetzeſt, 
Wo Glück ihn näßren, tödten mag. Sp nimm ihn, 

Antigonus. 
AN’ dieß beſchwoͤr' ich, obwohl ſchneller Tod 
Barmderz’ger wäre. — Komm, du armes Kind; 
Ein mächt’ger Geift mag Kräh’n und Geiern lehren, 
Daß fie dir Ammen find! Hat Bär und Wolf 
Doch, wie man fagt, der Wiloheit fchon vergeffen 
In gleichem Liebesdienſt. — Herr, ſeid beglückt 
Mehr als es dieſe That verdient! und Segen 
Mag ſolcher Grauſamkeit entgegen kämpfen, 
Für dich, du armes Ding, dem Tod geweiht! 

(Er geht mit dem Kinde ab) 
Leontes. 
Nein, fremde Brut will ich nicht auferziehn. 
Erſter Diener. 

Mein Fürſt, fo eben langte Botſchaft an 
Don euren Abgefandten zum Orakel; 
Cleomenes und Dion Tehrten glüdlich 
Bon Delphi wieder heim und find gelandet, 
Bald bier zu feyn. 

Erfter Herr. 

Erlaubt, die Reife war 
Befäteungt, mehr als wir erwarten Eonnten. 

Leontes, 
Sie waren breiundzwanzig Tage fort, 
Sehr ſchnell; dieß zeigt, der mächtige Apollo 
Bill, daß man hievon bald die Wahrheit wiffe, 
Bereitet euch, ihr Herrn, beruft den Rath, 
Daß wir die höchft treulofe Kön'gin richten: 
Denn, wie fie öffentlich iſt augellagt, 
Sp werd’ ihr auch gerecht und frei Verhör. 
So Tang’ fie Iebt, ift mir das Herz befchwert: — 
Jetzt laßt mich, und thut das, was ich befohlen. 
(Alle ab) 


— — 


Dritter Aufzug. 


Erſte Scene 
geld. 
(Cleomenes und Dion treten auf) 
Cleomenes. 


Der Himmelgſtrich iſt lieblich, ſüß die Luft, 
Die Inſel fruchtbar, und der Tewpel ſchöner, 
Als es der Ruf verkündet. 
Dion. 
Preiſen werd' ich, 
Entzückend wars, bie himmliſchen Gewänder, 
Denn ſo muß ich ſie nennen, und die Würde 
Der ernſten Prieſter. O, das Opfer dann! 
Wie prunkvoll heilig war und überirdiſch 
Der Tempeldienſt! 
Cleomenes. 
Vor Allem doch das Krachen 
Der Ohr betäubenden Orakelſtimme, 
Verwandt mit Jovis Donner, ſchreckte mich 
Ganz aus mir ſelbſt. 
Dion. 
Iſt der Erfolg der Reiſe 
So glücklich für die Kön'gin, wär' ers doch! — 
18° 


276 Das Wintermährcden. II, 2. 


Als fie für uns ſchön, ſchnell und lieblich war, 
Sp war die Zeit gut angewandt. 


Cleomenes. 
Apollo 
Mög' Alles glücklich wenden! Dieß Gericht, 
Das ſo der Kön'gin aufdringt ein Verbrechen, 
Gefällt mir nicht. 
Dion. 

Solch heftig Treiben endet 
Den Handel oder Härt ihn aufs; wird Fund 
Der Spruch, verfiegelt von des Gottes Priefter, 
Sp wird fein Inhalt etwas Wundervolles 
Den Menfchen offenbaren. — Frifche Pferbe! 


Und glücklich fer der Ausgang. 
8 ich Bang (Sie gehn ab) 


Zweite Scene. 
Ein Gerichtshof. 
(Leontes, Herren vom Hofe, Beamte, Gerichtsdiener) 


Leontes. 
Dieß Staatsgericht, mit Kummer ſagen wirs, 
Greift uns ans eigne Herz; die Angeklagte, 
Die Tochter eines Königs, unfre Gattin, 
Zu fehr von ung geliebt. — Es fpricht uns frei 
Dom Schein der Tyrannei der offne Gang 
In diefem Rechtsfall, der auf gradem Weg 
Zur Rein’gung oder zur Verbammung führt. — 
Bringt die Gefangne ber. 
Beamter. 
Die Majeftät Heißt jetzt die Koönigin 
Perfönlich vor Gericht allhier erfcheinen. 
(Allgemeines Stillſchweigen) 





Das Wintermährchen. IL, 2. 277 


(Hermione fommt mit Wade, von Baulina und anderen 

Hofdamen kegleitet) 

Leontes, 
‚ Left nun die Klage. 
Beamter. 

„Hermione, Gemahlin des erlauchten Leontes, Königs 
von Sieilien, du bift hier angeflagt und vor Gericht ge⸗ 
flelt wegen Hochverraths, indem dan Ehebruch begingft 
mit Polyrenes, dem Könige von Böhmen, und dich ver- 
ſchwurſt mit Camillo, das Leben unfers hohen Herrn, dei⸗ 
nes föniglichen Gemahls, zu verkürzen. Da diefe Bos- 
heit durch Umſtände zum Theil entdeckt wurde, haft du, 
Hermione, der Pflicht und Treue eines redlichen Unter- 
thans entgegen, ihnen gerathen und geholfen, zu ihrer 
größern Sicherheit bei Nacht zu entfliehen.” 

Hermione. 
Da, was ich ſagen will, nichts Andres iſt, 
Als dem, deß man mich anklagt, widerſprechen, 
Und mir fein ander Zeugniß fleht zur Seite, 
Als was ich felbft mir gebe, frommt mir kaum 
Zu rufen: Frei von Schuld! da hier für Lüge 
Gilt meine Lauterfeit, wird, was ich fage, 
Auch alfo Heißen. Doch, — wenn Himmelsmädhte 
Sehn unfer menfhlih Thun (fie ſchaun herab), 
Dann zweifl’ ich nicht, die Unfchulo macht erröthen 
Die falſche Klag', und Tyrannei erbebt 
Bor der Geduld. — Mein Fürſt, ihr wißt am beften, 
Scheint ihr auch jebt am wenigften zu wiflen, 
So rein und treu war mein vergangnes Reben, 
Bie ich jetzt elend bin, und das iſt mehr 
Als die Geſchichte und Erdichtung, noch 
Das Schauſpiel kennut, die Menge zu bezaubern. 
Denn ſchaut mich an, — 
Benoffin Föniglihen Bette, ber halb 
Der Thron gehörte, eines Könige Tochter, 


a) 


"Org Das Wintermährchen. II, 2. 


Die Mutter eines edeln Prinzen; — ſteh' ich, 
Und ſprech' und ſchwatze hier für Ehr’ und Leben, 
Bor jedem, der es hören will, Mein Leben, 
Es drückt mich wie mein Gram, gern miſſ' ich beide; 
Doch Ehr’, ein Erbtheil ift fie für die Meinen, 
Sie nur verdient mein Wort. Ich mahn' euch, Herr, 
Fragt eu'r Bewußtſein, ch Polyrenes 
An euern Hof Fam, wie ihr mich gelicht, . 
Und wie ich es verdient; feit er gekommen, 
Mit welch unziemlihem Entgegentreten 
Berging ich mich, daß man mich alfo deutet; 
Wenns nur ein Haar breit war jenfeit der Ehre, 
Sei's That, ſei's Wille nur, im Weg des Unrechts, 
So werde Stein bag Herz jedweden Hörers, 
Und efel fei mein Grab dem nächften Blutsfreund! 
Leontes. 
Dem fehlte nie, der freche Laſter übte, 
Die Unverſchämtheit, feine That zu laͤugnen, 
Mit der er fündigte. 
| Hermione. 
Das tft fehr wahr; 
Doch niemals kann ein folder Spruch mich treffen. 
Leontes. 

Du laßt ihn gelten nicht. 
Hermione. 

Mehr, als mir eignet, 
Und mir als Fehl entgegen tritt, kann nimmer 
Ich anerkennen. Ihn, Polyxenes, 
Ich ſag' es frei, mit dem ihr mich beſchuldigt, 
Liebt' ich, wie er in Ehren fordern durfte, 
Mit einer ſolchen Liebe, wie's geziemlich 
Für eine Frau gleich mir, mit einer Liebe, 
So und nicht anders, als ihr ſelbſt befahlt; 
Und that ichs nicht, ſo haͤtt' ich mich zugleich 
Als undankbar gezeigt und ungehorſam, 





Das Wintermährchen. IN, 2. 279 


Euch und dem Freund, deß Liebe deutlich ſprach, 
Bon früher Kindheit, feit ihr Sprache ward, 
Sie fei ganz euer. Nun, der Hochverrath, 
Ich weiß nicht, wie er ſchmeckt, tifcht man ihn gleich, 
Mir auf, davon zu koſten; das nur weiß ich, 
Stets warb Camillo ehrenvoll befunden; 
Warum er euch verließ, ift felbft den Göttern, 
. BVenn fie nicht mehr als ich drum wiffen, fremd. 
Leontes. 
| br wußtet ſeine Flucht, ſo gut ihr wußtet, 
Was ihr zu thun beſchloſſen, war er fort. 
| Hermione, 
Herr, 
Die Sprache, die ihr fprecht, verſteh' ich nicht; 
Mein Leben ifls, wag eure Traum’ erzielen, 
Gern wer ichs ab. 
Leontes. 

Nur deine Thaten träum' ich; 
Du haſt 'nen Baſtard von Polyxenes, 
Sch träumt’ es nur: — wie du der Scham entfrembet, 
Wie Alle deiner Art, biſt du's der Wahrheit; 
Sie läugnen liegt dir ob, doch frommt dir nicht, 
Denn wie bein Balg, der nur fich felbft gehört, 
Als vaterlos warb ausgefloßen (freilich, 
Mehr dein als fein Verbrechen), fo ſollſt du 
Empfinden unfern Rechtsſpruch; noch fo milde, 
Erwarte wen’ger nicht als Tod. 

Hesmione. 

Spart euer Drobn, 

Das Grat, womit du ſchrecken willft, erbitt' sch; 
Mir Tann das Leben Fein Geſchenk mehr feyn. 
Die Kron’ und Luft des Lebens, eure Liebe, 
Die geb’ ih anf, ich fühl’ es, fie iſt Hin, 
Doch wie, das weiß ich nicht; mein zweites Glück, 
Der Erflling meines Leibs, ihn nimmt man mir, 


780 Das Wintermährden. I, 2. 


Als wär’ ih angeſteckt; mein dritter Troft 
Wird durch unfel’ger Sterne Kraft mir von der Brufl, 
In ganz unſchuld'gem Mund unſchuld'ge Milch, 
Zum Mord geſchleppt. Sch ſelbſt an jeder Ede 
Als Metze ausgeſchrien; mit rohem Haß 
Des Kindbettrechts beraubt, das man doch Weibern 
Bon jeder Art vergönnt: — zuletzt geriffen 
Sn freie Luft hieher, bevor ich noch 
Die nöth’ge Kraft gewann, Nun fagt, mein ‚König, 
Welch Glück kann mir das Leben wohl noch bieten, 
Daß ich den Tod fol fürchten? Drum fahrt fort. 
Doch Hört noch dieß, verfteht mich recht: — Mein Leben, 
Ich acht’ es nur wie Spreu: — doch meine Ehre, 
Nur die möcht’ ich befrein, werb’ ich verurtheilt 
Bloß auf Verdacht, da jedes Zeugniß fchläft, 
Das eure Eiferfucht nicht weckt, fo fag’ ic, 
»S iſt Tyrannei, Fein Recht. — Ihr Edlen, hört, 
Daß ich auf das Orakel mich berufe, 
Apollo fer mein Richter. 
Erfier Herr. 
Dieß Begehren 
Iſt ganz gerecht; fo bringet denn herbei, 
Und in Apollo’s Namen das Orakel. 
(Einige Beamte gehn ab) - 
Hermione 
Der große Raifer Rußlands war mein Bater, 
D, wär’ er noch am Leben, Hier zu fchauen 
Die Tochter vor Gericht! o, fäh’ er doch, 
Wie tief mich Elend beugte; doch mit Augen 
Des Mitleids, nicht der Rachel 
(Der Beamte fommt mit Cleomenes nud Dion) 
Beamter. 
Schwört hier auf diefem Schwerte des Gerichts, 
Daß ihr, Eleomenes und Dion, beide 
In Delphi wart, und daß von dort verfiegelt 














" Das Vintermährden. 11,2. 281 


Ihr dieß Drafel bringt, das euch der Priefter 
Des hohen Phöbus gab, und daft feitdem 
Ihr freventlich das Siegel nicht erbracht, 
Noch den geheimen Inhalt faht. 
Cleomenes und Dion. 
Wir ſchwoͤren 
Dieß Alles. 
Leontes. 
Brecht das Siegel nun und leſ't. 
Beamter. (lieſt) 

Hermione iſt feufch, Polyrenes tadellos, Camillo ein 
treuer Unterthan, Leontes ein eiferfüchtiger Tyrann, fein 
unfchuldiges Kind rechtmäßig erzeugt, und der flönig 
wird ohne Erben leben, wenn das, was verloren ift, nicht 
wieder gefunden wird. 

Alle. 
Gepriefen fei der große Gott Apollo! 
Dermione. 
Er fei gelobt! 
Leontes. | 
Und haft du recht gelefen. 
Beamter. 
Ya, Herr; ganz fo, wie bier gefchrieben ſteht. 
ie Leontes. 
Nur Lüg' und Falſchheit ſpricht aus dem Orakel; 
Fort geh' die Sitzung, dieß iſt nur Betrug. 
(Ein Diener fonmt eilig) 
Diener. 
Mein Herr, mem Herr und König! 
Leontes, 
Nun, was giebts? 
Diener. 
D Herr, Haß wird mic für die Nachricht treffen: 
Der Prinz, dein Sohn, ans Ianter Furt und Ahnung, 
Der Kön’gin halb, ift hin. 


282 Das Wintermährchen. II, 2. " 


Leontes. 
Wie? Hin? 
Diener, 
Iſt todt. 
Leontes. 
Apollo züxnt, und ſelbſt der Himmel ſchlägt 
Mein ungerecht Beginnen. Was ift das! 
(Hermione füllt in Ohnmacht) 
Paulina. 
Die Nachricht iſt der Kön'gin Tod: — ſchaut nieder 
Und ſeht, wie Tod hier handelt. 
Ä Leontes. 
Tragt fie fort. 
i . (Banlina und die Hoframen tragen Hermionen fort) 
Sie wird erflehn, ihr Herz iſt überladen: — 
Zu viel Hab’ ich dem eignen Wahn geglaubt. — 
Ih bitt? euch, braucht mit Sorgfalt jedes Mittel 
Zu ihrer Rettung. — O, verzeih, Apollo! 
Berzeih die Läſtrung gegen dein Drafel! 
Ich will mich mit Polyrenes verfühnen, 
Der Gattin Lieb’ erflehn, Camillo rufen, 
Den ich getreu und mild bier laut erkläre. 
Durch Eiferfucht au Nach’ und Blutgevanfen 
Geriſſen rief ih mir Camillo auf, * 
Polyxenes, den Theuren, zu vergiften. 
Auch wär’s vollbracht, 
Wenn nicht Camillo's edler Sinn verzögert 
Den fihleunigen Befehl, obgleich durch Tod, 
Dur Lohn, ich ihn ermuthigt und gefchredt, 
Wofern ers that und ließ; doch wahrhaft menſchlich 
"Und ehrenvoll enthüllt’ er meinen Plan 
Dem hohen Gaft, verließ Hier fein Vermögen, 
Das groß war, wie ihr wißt, und gab fich felbft 
Als fihres Spiel unfihrem Zufall preis, 
Nur reich an Ehre. — D, wie glänzt er rein 


Das Wintermährden. II, 2. 293 


Durch meinen Roft! und feine Frömmigkeit, 
Wie färbt fie fchwärzer meine Miffethaten! 
(Baulina tritt auf) 
Paulina. 
O Noth und Wehe! 
Schneid’t auf den Lab mir, daß mein Herz, ihn ſprengend, 
Nicht auch zerbricht. 
Erfler Herr. 
Woher, Fran, dieß Entfeben? 
Paulina. 
Welch Martern ſinnſt du jetzt, Tyrann, mir ans? 
Welch Rädern? Foltern? Brennen? Schinden? Sieben 
In Del, in Blei? welch' alt und neue Dual 
Erdenkſt du mir, da jedes meiner Worte 
Die Raferei dir ſchürt? Dein wild tyranniſch 
Gemäth mit deiner Eiferfucht im Bunde, — 
Griffen, zu ſchwach für Knaben, viel zu unreif 
Für Heine Mädchen! — Hör’, was fie gethan, 
Und werde toll dann, rafend toll, denn jede 
Bisher’ge Thorheit war nur Würze diefer. 
Daß du Polyrenes verriethft, war nichts, 
Das zeigte dich als Narr nur, wanfelmüthig 
Und teuflifch undankbar; aud war es wenig, 
Daß du Camillo's Ehre wolltſt vergiften 
Durd einen Königsmord; armfel’ge Sünden, 
Da ungeheure folgenz dazu rechn' ich, 
Daß du den Krah'n hinwarfſt die zarte Tochter, 
Als wenig, nichts, obgleich ein Teufel eher 
Aus Flammengiuten Wafferftröme weinte; 
Noch fallt allein auf dich des Prinzen Tod, 
Dem hoher Sinn (zu hoch fo zarter Jugend) 
Sein Herz zerbrach vor Schmerz, daß thöricht roh 
Der Bater ehrlos macht die holde Mutter; 
Dieß nicht, dieß nicht Tann Keiner Schuld dir geben; 
Allein das Lebte, Weh' ruft, wie ichs fagtel — 


"284 Das Wintermährchen. 1, 2. 


Die Kön’gin, fie, die Koͤn'gin, 
Das reinfte, füßefle Gefchöpf, ift tobt, 
Und noch flürzt Rache nicht herab! 
| Erfter Herr. 
Verhüůtens 
Die ew'gen Mächte! 
Paulina. 
Ich fage, fie iſt todt; ich ſchwör's; wenn Wort 
Und Eid nicht gilt, ſo geht und ſchaut; koͤnnt ihr 
In Lipp' und Ange Farb’ und Glanz erwecken, 
Die Außre Wärm’ und innern Hauch, fo bet’ ich 
Euch wie die Götter au. — Doch, o Tyrann! 
Bereu' nicht, was bu thatſt; es iſt zu ruchlos, 
Und feine Klage fühnts; drum flürge wild 
Did in Verzweiflung. Tauſend Knie’, zehntaufend 
Jahr’ nad) einander, faftend, nat, auf kahlem 
Gebirg’, im fleten Winter, ew’gen Sturm, — 
Die Götter fönnt’ es nicht bewegen, dahin 
Zu fhauen, wo du Tägeft. 
Leontes. 
Recht ſo, recht: 
Du kaunſt zu viel nicht ſagen, ich verdiene 
Die Flüche aller Zungen. 
Erſter Herr. 
Sprecht nicht weiter; 
Wie auch die Sachen ſtehn, ihr habt gefehlt 
Durch das zu kühne Wort. 
Panulina. 
Es thut mir leid. 
Was ich auch thu', wenn ich den Fehl erkenne, 
Bereu' ich ihn. Ach, zu ſehr zeigt' ich wohl 
Die Raſchheit einer Frauz er iſt getroffen 
Ins tiefſte Herz. — Bo man nicht helfen kann, 
Soll man auch jammern nicht; nein, nicht betrübt euch 
Um mein Gered', ich bitte; Lieber laßt 


Das Wintermährhen. IH, 8. 283 


Mich firafen, weil ich euch an das erinnert, 
Was ihr vergefien folltet. Guter König, 
Herr, hoher Herr, vergebt der Weibesthorheit 
Die Liebe zu der Kön’gin, — wieder thoͤricht: — 
Nie fprech” ich mehr von ihr, noch euren Kindern, 
Ich will euch nie an meinen Gatten mahnen, 
Der auch dahin iſt. Faßt euch in Geduld, 
So fag’ ich nichts mehr. 
Leontes. 
Nein, du ſprachſt nur gut, 
Als du die Wahrheit ſprachſt, und lieber iſt mirs 
Als dieß dein Mitleid. Bitte, führe mich 
Hin zu der Kön'gin Leich' und meines Sohnes, 
Ein Grab vereine Beid'; auf ihm erſcheine 
Die Urſach ihres Todes, uns zur Schmach 
Für ale Zeiten; einmal Tags beſuch' ich 
Die Gruft, die fie verfehließt, und Thränen, dort vergoffen, 
Sind dann mein einz’geö Labfal: und fo lange 
Natur ertragen Tann die heil’ge Feier, 
Gelob' ich, täglich fie zu halten. Komm 
Und führe mich zu dieſen bittern Schmerzen. 
(Alle ab) 


Dritte Scene. 
Böhmen, eine wüfle Gegend am Meer. 


(Antigonns tritt auf mit bem Kinde und ein Matrofe) 


Antigonns. 
Biſt du gewiß, daß unfer. Schiff gelandet 
An Böhmens Wüſtenei'n? 
Matrofe 
Ya, Here, doch fürcht’ ich, 
Zur fhlimmen Stunde; düſter wird die Luft, 
Und droht mit bald’gem Sturm. Auf mein Gewiſſen, 


286 Das Wintermährden. III, 3. 


Der Himmel zürnt auf das, was wir hier thun, 
Und blickt uns drohend an. 
Antigonus. 
Geſcheh' fein heil'ger Wille! — Geh an Bord, 
Sieh nach dem Boot; nicht lange foll es währen, 
So bin ich dort. . 
Matroſe. 


Eilt, was ihr könnt, und geht nicht 
Zu weit ins Land; gewiß kommt bald ein Wetter, 
Auch ift die Gegend hier herum verrufen, 
Der wilden Thiere wegen. 
Antigonus, 
Geh du fort, 
Ich folge gleich. 


Matroſe. 
Ich bin von Herzen froh, 
Daß dieß nicht mein Gefhäfl. (Er geht ab) 
Antigonus. 


Komm, armes Kind: — 
Ich hörte wohl, doch glaubt' ichs nicht, die Geiſter 
Verſtorbner gingen um: wenns wahr, erſchien mir 
Hent’ Naht wohl deine Mutter, denn fein Traum 
Bleiht fo dem Wachen. Zu mir fommt ein Wefen, 
Das Haupt bald rechts bald links hinab gefenft; 
Nie fah ich ein Gefäß fo voll von Gram, 
Und Tieblih doch; in glänzend weißen Kleidern, 
Wie Reinheit felbft, trat fie in die Kajüte, 
Worin ich ſchlief. Drei Mal fih vor mir neigend, 
Wie um zu fprechen, feufzt’ fie tief, da wurden 
Zwei Onellen ihre Augen: als erfchöpft 
Der inn’ge Schmerz, fieh da vernehm’ ich dieß: 
Mein Freund Antigonus, 
Da dich das Schickſal, gegen beffern Willen, _ 
Erwählt bat, daß durch dich mein armes Find, 
Sp wie du ſchwurſt, hinaus geworfen werde, — 


Das Wintermährchen. I, 8. 287 


Einfamer Stellen giebts in Böhmen viel, 
Dort Hag’, und laff’ es weinend; und da Jeder 
Das Kind verloren giebt für immer, nenne 
Sie Perbitaz für diefe Granfamteit, 
Die dir mein Gatte auftrug, fiehft du nie 
Dein Weib Paulina wieder. — Sp, mit Wimmern 
Zerſchmolz in Luft fie. Das Entfeben wich, 
Ich fand mich Iaugfam wieder, dachte, wirklich 
Sei Alles und nicht Schlaf; Tand find die Träume; 
Doch für dieß eine Mal, ja, abergläubig 
Thu' ich, was diefer mir befahl. Ich glaube, 
Den Tod erlitt Hermione, und da - 
Apoll gebeut, weil wirklich dieß ein Sprößling 
Dolyrenes, dag ich hieher ihn lege, 
Zum Leben ober Tod, anf diefen Boden 
Des wahren Vaters. — Kindchen, geh dirs gut! 
(Er legt das Kind Hin) 
Hier lieg’, und bier dein Names; bier auch bie, 
(er legt ein Padet bin) 
Das, wills das Glück, dich wohl mag auferziehn 
Und dein verbleiben. — Der Sturm beginnt: — du 
Aermfles, 
Sp ausgeſetzt für deiner Mutter Sünde, 
Dem Tod und jedem Kein! — Ich kann nicht weinen, 
Doch bintet mir das Herz; wie fhlimm, daß mich 
‚Ein Eid hiezu verdammt hat. — Fahre wohl, 
Der Tag wirb trüb’ und trüber, du kriegſt wahrlich 
Ein rauhes Wiegenlied; ich ſah noch nie 
Die Luft fo fhwarz am Tag’. Welch wild Gefchreil 
Wär ih am Bord! — Das Thier, ba, das fie jagen! 
Weh mir, ich bin verloren | 
(Er entfliegt, von einem Bären verfolgt) 
(Ein alter Schäfer tritt auf) 
Der alte Schäfer. 
Sch wollte, es gäbe gar Fein Alter zwifchen zehn und 


238 Das Wintermährchen. IH, 3 


dreiundzwanzig, ober die jungen Leute verfchliefen bie 
ganze Zeit: denn dazwischen ift nichts, ale den Dirnen 
Kinder ſchaffen, die Alten ärgern, ftehlen, balgen. — Hört 
nur! — Wer anders, als ſolche Braufelöpfe zwifchen 
neunzehn und zweiundzwanzig würden wohl in dem WBet- 
ter jagen? Sie haben mir zwei von meinen beften Schaafen 
weggefcheucht, und ich fürchte, die wird der Wolf eher 
wieder finden als der Herr; find fie irgenpwo, fo iſt es 
nach) der Küſte Hin, wo fie ven Epheu abweiden. Gutes 
Glück, fo es dein Wille ift — aber was haben wir hier? 
(8: finret das Kind) Gott fei uns guädig, ein Kind, 
ein fehr Hübfches Kind! Ob es wohl ein Bube ober ein 
Mädel iſt? Ein Hübfches, ein fehr hübſches Ding, ge- 
wiß fo ein heimlich Stück; wenn ich auch fein Studirter 
bin, fo fann ich doch fo ein Kammerjungferſtückchen her⸗ 
auslefen. Das ift fo eine Treppenarkeit, fo eine Schranf: 
arbeit, fo hinter der Thür gearbeitet; fie waren wärmer, 
die dieß zeugten, als dag arme Ding bier iſt. Ich will 
es aus Mitleid aufnehmen, doch will ich warten, bis mein 
Sohn fommt, er fehrie noch eben dort. Holla hohl 


(Der junge Schäfer fommt) 


Der junge Schäfer. 

Holla Hoh! 

Der alte Schäfer. 

Was, bift fo nah? Wenn du was fehen willſt, wo- 
von man noch reden wird, wenn bu tobt und verfanlt 
bift, fomm bieder. Was fehlt dir, Bengel? 

Der junge Schäfer. 

Ich habe zwei folche Geſichte gefehen, zur See und 
zu Sande, — aber ich kann nicht fagen See, deun es if 
nur Himmel, und man kann dazwifchen feine Nadelfpige 
fleden. 

Der alte Schäfer. 

Nun, Zunge, was ift es denn? 





Das Wintermährden. 11,3. 289 


Der junge Schäfer. 

Ich wollte, ihr Tönntet fehen, wie es ſchäumt, wie 
es wüthet, wie e8 das Ufer herauf kommt! aber das iſt 
noch nicht das Rechte: o, das höchſt Hägliche Geſchrei 
der armen Seelen! bald fie zu fehen, bald wicht zu fehen: 
aun das Schiff mit feinem Hauptmaft den Mond anboh⸗ 
zen; und gleich jetzt verfchlungen von Giſcht und Schaum, 
als wenn man einen Stöpfel in ein Oxhoft würfe. Unb 
dann die Landgeſchichte, — zu fehn, wie ihm der Bär das 
Schulterblatt ausriß, wie er zu mir um Hülfe fohrie und 
fagte, er Heiße Antigonns, ein Edelmann. — Aber mit 
dem Schiff zu Ende zu kommen, — zu fehen, wie bie 
See es einfchlucte, — aber erfl, wie bie armen Seelen 
brüfften und die See fie verhöhnte, — und wie der arme 
Herr brüffte und der Bär ihn verhöhnte, und fie beide 
lauter brüflten ale See und Sturm, 

Der alte Schäfer. 
Um Gottes Willen, wann war das, Junge? 
Der junge Schäfer. 

Seht, jetzt; ich Habe nicht mit den Augen geblinkt, 
feit ich diefe Gefichte fah, die Menfchen find noch nicht 
Falt unter dem Waffer, noch der Bär halb fatt von dem 
Herrn, er ift noch dabei. 

Der alte Schäfer. 

Sch wollte, ich wäre da gewefen, um dem alten Dann 
zu helfen! 

Der-junge Schäfer. 

Sch wollte, ihr wäret neben dem Schiff gewefen, um 
da zu helfen, da hätte euer Mitleid Feinen Grund und 
Boden gefunden. 

Der alte Schäfer. 

Schlimme Geſchichten! fehlimme Geſchichten! aber 
ſieh Hier, Zunge. Nun ſperr die Augen anf, du kommſt, 
wo's zum Tode geht, ich, wo was Nengebornes ifl. Hier 
ift ein anderes Geficht für dich; fieh doch, ein Taufkleid, 

IX. 19 


290  - Das Wintermährden. I, 8. 


wie für eines Edelmanns Kind! Schau her, ninim auf, 
nimm auf, Junge; bind' es auf. So, laß ſehn; es wurde 
mir prophezeit, ih ſollte reich werben durch die Feen; 
das iſt ein Wechſelkind: — bind' es auf: was iſt darin, 
Junge? 
Der junge Schäfer. | 

Ihr fein ein gemachter alter Mann; wenn die Sün- 
den eurer Jugend euch vergeben find, fo werdet ihr gute 
Tage haben. Gold! lauter Gold! 

Der alte Schäfer, 

Das ift Feengold, Zunge, und das wirb fich zeigen: . 
fort damit, halt’ es feilz nach Haufe, nah Haufe, auf 
dem nächften Weg. Wir find glüdlich, Junge, und um 
es immer zu bleiben, ift nichts nöthig, als Verfihwiegen- 
heit. Laß die Schanfe nur laufen. — Komm, guter Junge, - 
den nächften Weg zu Haufe. 

Der junge Schäfer. 

Geht ihr mit eurem Fund den nächſten Weg, ich 
will nachfehen, ob der Bär von dem Herrn weg gegan- 
gen iſt, und wie viel ex gefreffen Hat; fie find nur fchlimm, 
wenn fie hungrig find; wenn noch etwas von ihm übrig 
ift, fo will ichs begraben. 

Der alte Schäfer. 

Das ift eine gute Thatz wenn du an dem, was von 
ihm übrig geblieben iſt, unterſcheiden kannſt, was er iſt, 
fo hole mich, es auch zu ſehn. 

Der junge Schäfer. 

Schon gut, das will ich, und ihr ſollt helfen ihn 

unter die Erde bringen. 
Der alte Schäfer. 
Das iſt ein Glückstag, Junge, an dem wollen wir 


auch Gutes thun. 
“ j Sie gehn ab) 





Das Wintermährhen. Ul, 8. 291 


(Die Zeit tritt auf als Chorus) 
Zeit. 

Sch, die ih Alles prüfe, Gut’ und Böſe 
Erfreu' und fchrede, Irrthum ſchaff' und löſe; 
Ich übernehm' es, unterm Namen Zeit 
Die Schwingen zu entfalten. Drum verzeiht 
Mir und dem ſchnellen Flug, daß ſechzehn Jahre 
Ich überſpring' und nichts euch offenbare 
Von dieſer weiten Kluft, da meine Stärke 
Geſetze ſtürzt, in einer Stund' auch Werke 
Und Sitten pflanzt und tilgt. So ſeht mich an, 
Wie ſtets ich war, eh Ordnung noch begann, 
So alt' als neue, denn ich ſah die Stunde, 

Die ſie hervorgebracht; ſo geb' ich Kunde 

Von dem, was jetzt geſchieht; durch mich erbleicht 
Der Glanz der Gegenwart, in Dunkel weicht, 
Was jetzt hier vorgeſtellt. Dieß eingeräumt, 
Wend' ich mein Glas; als haͤttet ihr geträumt, 
Verwandelt ſich die Scen'. Als falſch erkaunte 
Leontes ſeine Eiferſucht, und wandte 

Im Gram der Einſamkeit ſich zu. Denkt jest, 
Ihr edeln Hörer hier, ihr ſeid verſetzt 

Ins ſchöne Böhmen, und beſinnt euch ſchnell, 

Ich ſprach vom Sohn des Königs; Florizel 
Kenn’ ich ihn nun; erzähl” euch auch zugleich 
Bon Pervita, die ſchön und anmuthreich 
Erwuchs, zum Staunen Aller; ihr Geſchick 

Sag’ ich euch nicht vorher, ber Augenblick 

Zeig’ euch, was er erfchafft: — des Schäfers Kind, 
Cr und fein Haushalt, alf dergleichen find 

Der Inhalt nun des Spiels: feht, wie es endet, 
. Wenn ihr fonft Zeit wohl fchlechter Habt verwendet; 
Geſchah es nie, muß Zeit ſelbſt eingeflehn, 

Sie wünfht im Ernfl, es möge nie gefchehn. 


— — 


19* 


Pr 


Vierter Aufzug. 


Erftte Scene, 
Böhmen im Palafl. 
(Polyxenes und Camillo treten auf) 


Polyrenes. 
Ich bitte dich, guter Camillo, bringe nicht mehr in mich; 
es macht mich Frank, dir irgend etwas abzufchlagen, aber 
dir dieß zu bewilligen, wäre mein Tod. 
Camillo, 

Es find fünfzehn Jahre, feit ich mein Vaterland nicht 
ſahz obwohl ich die meifte Zeit auswärts zubringen mußte, 
wünfche ich doch meine Gebeine dort zur Ruhe zu legen. 
Auch hat der reuenofle König, mein Herr, nach mir ge- 
fendet, deffen tiefem Kummer ich zum Troſt gereichen 
möshte, oder mir wenigflens einbilde, daß ich es könnte; 
und dieß ift ein zweiter Antrieb zu meiner Abreiſe. 

Polyrenes. 

Wenn du mich liebſt, Camillo, fo Löfche nicht alle 
beine guten Dienfle dadurch aus, dag dur mich jetzt ver- 
laͤſſeſt; daß ich dich nicht mehr entbehren Tann, daran iſt 
beine eigue Trefflichfeit Schuld; beffer, ich hätte Dich nie 
befeffen, als dich fett verlieren. Da du mir ©efchäfte 
eingeleitet haft, die Niemand außer dir genügend hand⸗ 
baben Fann, fo mußt du entweder bleiben und fie ſelbſt 


— 





Das Wintermährden. IV, 1. 293 


zu Ende führen, ober die Dienfle, die bu mir gethan 
haft, mit dir fortnehmen; Habe ich dieſe nicht genug ver- 
gölten — denn über Gebühr kann ich es nie — fo fol 
größere Dankbarkeit mein Streben feyn, und mein Vor⸗ 
theil fei, die mehr Liebe zu erweifen. Bon dem unglüd- 
feligen Lande Sicilien, bitte, [prich nicht mehr, dieſer 
Name fihon martert mich, indem er mich an jenen reuigen 
König, wie bu ihn nennfl, meinen verfühnten Bruder er- 
innert; der Berluft feiner unfchägbaren Königin und feil- 
ner Rinder muß noch jetzt, wie neu gefchehen, beflagt 
werden. — Sage mir, wann faheft du den Prinzen Flo⸗ 
rizel, meinen Sohn? Die Könige find nicht minder un- 
glücklich, deren Kinder nicht begabt find, als jene, bie 
folche verlieren, deren Vorzüge fich ſchon zeigten. 
Camillo. 

Herr, es ſind drei Tage, ſeit ich den Prinzen ſah. 
Was ſeine glücklicheren Geſchaͤfte ſeyn mögen, iſt mir 
unbekannt, aber ich habe gelegentlich bemerkt, daß er ſich 
ſeit kurzem vom Hofe zurück zieht und ſeine fürſtlichen 
Uebungen nachlaͤſſiger treibt, als er es früher that. 

Polyxenes. 

Das bemerke ich auch, Camillo, und mit Sorge, ſo 
daß ich mir unter meinen Dienern Augen halte, die ſeine 
Zurückgezogenheit beobachten; von ihnen habe ich die 
Nachricht, daß er ſich faſt immer in dem Haufe eines 
ganz gemeinen Schäfers aufhält, eines Mannes, der, 
wie fie fagen, aus dem Nichts, und auf eine feinen Nach⸗ 
barn unbegreiflihe Art zu außerorbentlihem Wohlſtande 
gelangt iſt. 

Camillo. 

SH Habe von einem folhen Manne gehört, Herr, 
und daß er eine Tochter habe von nie gefehener Schön- 
heit; der Ruf von ihr iſt fo ausgebreitet, daB man 
faum begreift, wie er aus fo nieberer Hütte entſteh 
konnte. 


294 Das Wintermährken. IV,2. 


Polyxenes. 

So lautet auch zum Theil, was ich erfuhr. Ich 
fürchte, dieß iſt die Angel, die meinen Sohn dahin zieht. 
Du ſollſt mich nach dem Ort begleiten, wo wir, das nicht 
ſcheinend, was wir ſind, uns mit dem Schaͤfer bekannt 
machen wollen; von ſeiner Einfalt, denke ich, wird es 
nicht ſchwer ſeyn, die Urſache ver häufigen Beſuche mei- 
nes Sohnes zu erfahren. Ich bitte dich, begleite mich 
alsbald zu dieſem Geſchäft, und verbanne alle Gedanken 
an Sicilien. 

Camillo. 
Bereitwillig gehorche ich eurem Befehl. 
Polyrenes. 
Mein befter Camillo! — Wir müffen ung verfleiden. 
(Sie gehn ab) 


3mweite Scene, 
Eine Landfirage nicht weit von des Schäfers Hütte, 
(Autolyceus tritt fingend anf) 


Autolycus, 
Wenn die Narciſſe blickt herfür, — 
Mit Heifal das Mägdlein über dem Thal, — 
Ya, dann kommt des Jahres Tieblichfte Zier; 
Statt Winter bleich herrſcht rothes Blut zumal, 


Weiß Linnen bleicht auf grünem Plan, — 
Mit Heifal beim lieblichen Vogelgefang! — 
Das wett mir alsbald den Diebeszahn; 
Denn ’ne Kanne Bier ift ein Königstrank. 
Die Lerche, die fingt Tirlirilirei, — 
Mit Amfelton, Heifal und Droffellieveer — 
Sind Sommerluft, if mein Schäßihen dabei, 
Wenn wir fpringen und tummeln im Grafe niever. 


_ Das Wintermährchen. -IV, 2, 295 


Sch habe dem Prinzen Florizel gedient und trag einft 
dreiſchürigen Sammt; aber jeßt bin ich außer Dienften: 
Doch ſollt' ich deßhalb trauern, mein Schatz? 

Der Mond bei Nacht fcheint heit, 
Und wenn ich wandre-von Platz zu Platz, 
Dann komm’ ich zur rechten Stell’. 


Wenn Keffelflider im Lande Leben, 
Und wandern mit Ruß gefchwärzt; 

Sp darf ich doch auch noch Antwort geben, 
Und im Stod felbft wird wohl gefcherzt. 


Mein Handelszweig ift Hemden; wenn erſt der Ha⸗ 
bicht baut, fo feht nur auch nach der Heineren Wäfche. 
Mein Bater nannte mich Autolyens; der, da er wie ih 
anter dem Merkur geworfen wurbe, ebenfalls ein Auf- 
fchnapper von unbebentenden Kleinigkeiten war. Die 
Würfel und die Dirnen haben mir zu diefer Ausflaffirung 
verholfen, und mein Einfommen {fl die winzige Tafchen- 
bieberei; Galgen und Todtſchlag find mir zu mächtig 
auf der großen Straße, denn Prügeln und Hängen find 
mir ein raus; was das zufünftige Reben betrifft, den 
Gedanken daran. verfihlaf ich. — Ein Fang! ein Fang! 

(Der junge Schäfer tritt auf) 
Der junge Schäfer. 

Laßt doch fehen: — immer elf Hammel machen einen 
Stein, — jeder Stein giebt .ein Pfund — und etliche 
Schilling: funfzehnhundert gefchoren — wie hoch kommt 
bie Wolle dann? 

Autolyens. Cbeifeit) 
Wenn die Schlinge hält, fo iſt die Schnepfe mein. 
Der junge Schäfer. 

Ich kann es ohne Rechenpfennige nicht herausbrin⸗ 
gen. — Laßt doch fehn, was fol ich Faufen für unſer 
Schaafſchurfeſt? „Sieben Pfund Corinthen, drei Pfund 
Zuder, Reiß“ — was will denn meine Schwehter mit 


. 296 Das Wintermährden. IV, 2, 


Reiß mahen? Aber mein Bater hat fie zur Wirthin 
beim Feft gemacht, und fie verfiehts. Sie hat mir vier- 
undzwanzig Sträuße für Die Scheerer gebunden, immer 
drei fingen einen Canon und herrlich; freilich find bie 
meiften Tenor und Baß; nur ein Puritaner ift darunter, 
und der fingt Pfalmen zum Dupelfad. Ich muß haben 
„Safran, die Aepfeltorten zu färben, Diusfatenblüte, — 
Datteln —“ feine, die flehn nicht auf dem Zettel: „Mus- 
Satennüffe, ſieben; ein oder zwei Stangen Ingwer; aber 
die müflen fie mir zugeben: — „vier Pfund Pflaumen 
und eben fo viel Traubenrofinen.” 
Autolyens, 
D, wär’ ich nie geboren | 
(Er wälzt fih auf der Erde) 
Der junge Schäfer. 
Ei, ei, um Gottes Willen — 
Autolyeus. 

D, Hülfel reißt mir diefe Lumpen ab, und dann 
Tod, Top] 
Der junge Schäfer. 

Ah, arme Seele! du hätteſt eher nöthig, daß dir 
mehr Lumpen angelegt würben, als dieſe da abgeriffen. 
Autolyceus, 

Ach, Herr, der Efel vor ihnen quält mich mehr, als 
bie Schläge, die ich befommen habe, und die waren berb 
und wohl Millionen. 

Der junge Schäfer. 

Du armer Menfh! Millionen Prügel, das mag 

ziemlich viel ausmachen. 
Autolyeng. 

Ich bin beraubt, Herr, und gefchlagen; mein Geld 
und meine Kleider find mir genommen, und dieß abfchen- 
liche Zeug ift mir angezogen. 

Der junge Schäfer. 
Wie, durch einen Reiter oder einen Fußgänger? 





Das Wintermährchen. IV,2. 297 


Autolyens. 
Ein Fußgänger, lieber Herr, ein Fußgänger. 
Der junge Schäfer. 
Wahrhaftig, nach der Kleidung, die er dir gelaffen 
bat, muß er ein Zußgänger gewefen feyn; wenn das ein 
Reiterwamms iſt, fo muß es beißen Dienft ausgeftanden 


haben. Gieb mir die Hand, ich will dir aufbelfen; komm, - 


gieb mir die Hand. (Er hilft ihm auf) 
Ä Autolyens. 
O! guter Herr, fachte, au weh, fachte! 
„ . Der junge Schäfer. 
Ei, du arme Seelel 
Autolyeus. 

Ah, lieber Herr, ſachte; guter Herr, fahtel (Er 
zieht ihm die Börfe aus der Tafhe) Ihr Habt mir einen 
rechten Liebespienft gethan. 

Der junge Schäfer. 
Brauchſt du Geld? ich will dir etwas Geld geben. 
Autolyeus. 

Nein, guter, füßer Herr, nein, ich bitte euch; ich 
babe ungefähr drei Viertel Meile von bier einen Ber- 
wandten, zu dem ich gehn wollte, dort befomm’ ich Geld 
und Alles, was ich brauche; bietet mir Fein Geld, ich 
bitt? euch, das Fränft mein Herz. 

Der junge Schäfer. 

Was für eine Art von Kerl war es, der dich be- 
raubte? 

Autolyens. 

Ein Kerl, Herr, den ich wohl Habe mit dem Spiel 
Tron- Madame herumgehen ſehn; ich weiß, daß er auch 
einmal in des Prinzen Dienflen war, doch kann ich nicht 
fagen, guter Herr, für welche von feinen Tugenden es 
war, aber gewiß, er wurde vom Hofe weggepeitiäht. 

Der junge Schäfer, 
Lafter wollte du fagen, denn es giebt Feine Tugen- 


298 Das Wintermährchen. IH, 3, 


dreiundzwanzig, ober die jungen Leute verfchliefen bie 
ganze Zeit: denn dazwiſchen ift nichts, als den Dirmen 
Kinder ſchaffen, die Alten ärgern, ftehlen, balgen. — Hört 
nur! — Wer anders, als ſolche Braufelöpfe zwifchen 
neunzehn und zweinndzwanzig würden wohl in bem Wet- 
ter jagen? Sie haben mir zwei von meinen beften Schaafen 
weggefcheucht, und ich fürchte, die wird der Wolf cher 
wieder finden als der Herr; find fie irgendwo, fo iſt es 
nach der Küfte Hin, wo fie ven Ephen abweiren. Ciates 
Glück, fo es dein Wille ift — aber was haben wir hier? 
(Er findet das Kind) Gott fei uns gnädig, ein Kind, 
ein fehr Hübfches Kind! Ob es wohl ein Bube oder ein 
Mädel it? Ein Hübfches, ein fehr hübſches Ding, ge- 
wiß fo ein heimlich Stück; wenn ich auch fein Studirter 
bin, fo kann ich doch fo ein Rammerjungferftüdchen her⸗ 
auslefen. Das ift fo eine Treppenarkeit, fo eine Schranf- 
arbeit, fo hinter der Thür gearbeitet; fie waren wärmer, 
die dieß zeugten, als das arme Ding bier iſt. Ich will 
es ans Mitleid aufnehmen, doch will ich warten, bis mein 
Sohn kommt, er fihrie noch eben dort. Holla ho! 


(Der junge Edhäfer fommt) 


Der junge Schäfer. 

Hella hop! 

Der alte Schäfer. 

Was, bift fo nah? Wenn du was fehen willft, wo⸗ 
von man noch reden wird, wenn du tobt und verfault 
bift, fomm hieher. Was fehlt dir, Bengel? 

Der junge Schäfer. 

Ich habe zwei foldhe Befichte gefehen, zur See und 
zu Lande, — aber ich kann nicht fagen See, denn es iſt 
nur Himmel, und man fann dazwifchen feine Nadelſpitze 
ſtecken. 

Der alte Schäfer. 

Nun, Junge, was iſt es denn? 





Das Wintermährchen. II,S. 289 


Der junge Schäfer. 

Sch wollte, ihr Lönntet fehen, wie es ſchäumt, wie 
es wüthet, wie es das Ufer herauf kommt! aber bas iſt 
noch nicht das Rechte: 9, das höchſt Hägliche Gefchrei 
der armen Seelen! bald fie zu fehen, bald nicht zu fehen: 
aun das Schiff mit feinem Hauptmaſt den Mond anboh- 
zen, und gleich jet verfchlungen von Giſcht und Schaum, 
als wenn man einen Stöpfel in ein Oxhoft würfe. Und 
dann die Landgefchichte, — zu fehn, wie ihm ber Bär das 
Schulterblatt ausriß, wie er zu mir um Hülfe fchrie und 
. fagte, er heiße Antigonus, ein Edelmann. — Aber mit 
dem Schiff zu Ende zu fommen, — zu feben, wie bie 
See es einfchlucte, — aber erſt, wie die armen Seelen 
brüfften und die See fie verhöhnte, — und wie der arme 
Herr brüllte und der Bär ihn verhöhnte, und fie beibe 
lauter brüflten alg See und Sturm, 

Der alte Schäfer. 
Um Gottes Willen, wann war das, Junge? 
Der junge Schäfer. 

Seht, jetztz ich habe nicht mit den Augen geblinkt, 
ſeit ich dieſe Geſichte ſah, die Menſchen ſind noch nicht 
kalt unter dem Waſſer, noch der Bär halb ſatt von dem 
Herrn, er ift noch dabei. 

Der alte Schäfer. 

Sch wollte, ich wäre da gewefen, um dem alten Mann 

zu helfen! | 
Der. junge Schäfer. 

Ich wollte, ihr wäret neben dem Schiff gewefen, um 
da zu helfen, da hätte euer Mitleid keinen Grund und 
Boden gefunden. 
| Der alte Schäfer. 

Schlimme Gefhichten! ſchlimme Geſchichten! aber 
ſieh hier, Junge. Nun ſperr die Augen auf, du kommſt, 

wo's zum Tode geht, ich, wo was Neugebornes iſt. Hier 
in ein anderes Geficht für dich; ſieh doch, ein Taufkleid, 


290 - Das Wintermährden. II, 3 


wie für eines Edelmanns Kind! Schau ber, ninim auf, 
nimm auf, Junge; bind' es auf. So, laß ſehn; es wurde 
mir prophezeit, ich ſollte reich werden durch die Feen; 
das iſt ein Wechſelkind: — bind' es auf: was iſt darin, 
Junge? 

Der junge Schäfer. 

Ihr ſeid ein gemachter alter Mann; wenn die Sün⸗ 
den eurer Jugend euch vergeben ſind, ſo werdet ihr gute 
Tage haben. Gold! lauter Gold! 

Der alte Schäfer. 

Das iſt Feengold, Zunge, und das wird ſich zeigen: 
fort damit, halt' es feſt; nach Hauſe, nach Hauſe, auf 
dem nächſten Weg. Wir ſind glücklich, Junge, und um 
es immer zu bleiben, iſt nichts nöthig, als Verſchwiegen⸗ 
heit. Laß die Schaafe nur Iaufen. — Komm, guter Junge, - 
den nächflen Weg zu Haufe. 

Der junge Schäfer. 

Geht ihre mit eurem Fund den, nächften Weg, ich 
will nachſehen, ob der Bär von dem Herrn weg gegan- 
gen ift, und wie viel ex gefreflen hat; fie find nur fchlimm, 
wenn fie hungrig find; wenn noch etwas von ihm übrig 
ift, fo will ichs begraben. 

Der alte Schäfer. 

Das ift eine gute That; wenn du an dem, was von 
ihm übrig geblieben ift, unterfcheiden Fannfl, was er ifl, 
fo hole mich, es auch zu fehn. 

Der junge Schäfer. 

Schon gut, das will ih, und ihr ſollt heifen ihn 

unter die Erbe bringen. 
Der alte Schäfer. 
Das ift ein Glückstag, Zunge, an dem wollen wir 


auch Gutes thun. 
u ’ Sie gehn ab) 





Das Wintermährchen. ILS. 291 


(Die Zeit tritt auf als Cherus) 
Zeit. 

Sch, die ich Alles prüfe, Gut’ und Böſe 
Erfreu' und fihrede, Irrthum fchaff’ und löſe; 
Sch übernehm’ es, unterm Namen Zeit 
Die Schwingen zu entfalten. Drum verzeiht 
Mir und dem fchnellen Flug, daß fechzehn Jahre 
Ich überfpring’ und nichts euch vffenbare 
Bon diefer weiten Kluft, da meine Stärfe 
Geſetze flürzt, in einer Stund’ auch Werfe 
Und Sitten pflanzt und tilgt. So feht mich an, 
Wie flets ich war, eh Ordnung noch begann, 
Sp alt’ als neue, denn ich fah die Stunde, 
Die fie hervorgebracht; fo geb’ ich Kunde 
Bon dem, was jebt geſchieht; durch mich erbleicht 
Der Glanz der Gegenwart, in Dunfel weicht, 
Was jeht hier vorgeftellt. Dieß eingeräumt, 
Wend’ ich mein Glas; als hättet ihr geträumt, 
Berwandelt fih die Scen’. Als falfıh erfannte 
Leontes feine Eiferfucht, und wandte 
Im Gram der Einfamkeit fih zu. Denkt jebt, 
Ihr edeln Hörer bier, ihr feid verfegt 
Ins fhöne Böhmen, und befinnt euch ſchnell, 
Sch fprah vom Sohn des Königs; Florizel 
Kenn’ ich ihn nun; erzähl’ euch auch zugleich 
Bon Perdita, die fihön und anmuthreich 
Erwuchs, zum Staunen Aller; ihr Geſchick 
Sag’ ich euch nicht vorher, der Augenblid 
Zeig’ euch, was er erfihafft: — des Schäfers Kind, 
Cr und fein Haushalt, all dergleichen find 
Der Inhalt nun des Spiels: feht, wie es endet, 
. Wenn ihr fonft Zeit wohl fchlechter habt verwendet; 
Geſchah es nie, muß Zeit felbft eingeflehn, 
Sie wünfht im Ernſt, es möge nie geſchehn. 


— — 


19*8 


302 Das Wintermährchen. IV, 3. 


Als wärft du von den Gäften, nicht die Wirthin 
Des Hauſes; bitte, geb und heiß’ willfommen 
Die unbefannten Freunde; denn fo werben 
Sie uns zu beffern und befanntern- Freunden. 
Komm, Dämpfe dein Erröthen, zeige bich 
Borfland des Fefles, wie du biſt; komm ber, 
Und Heiß’ bei deiner Schaaffchur uns willfommen, 
Daß dir gebeih’ die Heerbe. 

Perdita. (zu Bol yrenes ) 

Herr, willfommen! 

Mein Bater will, daß ich der Hausfrau Amt 
Hent übernehmen foll: — ihr feid willfommen! 
Gieb mir die Blumen, Dorcas. — Würb’ge Herrn, 
Für euch iſt Rosmarin und Raute, Frifche 
Und Duft bewahren fie den ganzen Winter: 
Sei Gnad’ und Angedenfen ener Theil. 
Willkommen unfrer Schaaflchur! 


Dolyrenes. 
Schäferin, 
Wie biſt du ſchön; dem Alter ziemend ſchenkſt du 
Uns Winterblumen. 
Perdita. 
Wenn das Jahr nun altert, — 
Noch vor des Sommers Tod und- der Geburt 
»Des froſt'gen Winters, — dann blühn ung am ſchönſten 
Dlutnelfen und die ſtreif'gen Liebesſtöckel, 
Baftarde der Natur will man fie nennen: 
Die trägt nicht unfer Bauergarten, Senfer 
Bon ihnen hab’ ich nie gefucht. 
Polyrenes. 
Weßhalb 
Verſchmähſt du ſie, mein holdes Kind? 


Perdita. 
Ich hörte, 





Das Wintermährden. IV, 3. 303 


Daß, nächſt der großen fchaffennen Natur, 
Auch Kunft es ift, die diefe bunt färbt. 
Polyrenes. 
" Sei's: 
Doch wird Ratur durch Feine Art gebefferh 
Schafft niht Natur die Art: fo, ob der Kunſt, 
Die, wie du fagft, Natur beftreitet, giebt es 
Noch eine Kunſt, von der Natur erfchaffen. 
Du fiehft, mein holdes Kind, wie wir vermählen 
Den edlern Sproß dem allerwild’ftien Stamm; 
Befruchten fo die Rinde ſchlechtrer Art 
Durch Knospen edler Frucht. Dieß ift ’ne Kunfl, 
Die die Natur verbeffert, — mind’flens ändert: 
Doch diefe Kunſt iſt ſelbſt Natur. 
Perdita. 
So iſt es. 
Polyxenes. 
Drum ſchmück' mit Liebesſtöckeln deinen Garten, 
Schilt fie Baſtarde nicht. 
Perdita. 
Den Spaten ſteck' ich 
Nicht in die Erd', ein einz'ges Reis zu pflanzen: 
Sp wenig als, wär’ ich geſchminkt, ich wünſchte, 
Daß diefer Jüngling mich drum Iobt’, und deßhalb 
Nur mich zur Braut begehrt’. — Hier habt ihr Blumen! 
Lavendel, Münze, Salbei, Majoran; 
Die Ringelblum’, die mit der Sonn’ entfchläft, 
Und weinend mit ihr aufſteht; das find Blumen 
Aus Sommersmitt’, und die man geben muß 
Den Männern mittlern Alters: feid willkommen! 
Camillo. 
Wär' ich aus deiner Heerd', ich ließ' die Fluren, 
Und lebte nur vom Schauen. 
Perdita. 
O wehl ihr würdet 


— 


304 Das Wintermährchen. IV, 8. 


So mager dann, daß durch und durch euch blieſen 
Die Stürme des Januar. — Nun, ſchönſter Freund, 
Wünſcht' ich mir Frühlingsblumen, die fich ziemen 
Für eure Tageszeit, und eur’, und eure, 
Die ihr noch tragt anf jungfräulihem Zweig 
Die Mädchenknospe. — O Proferpina! 
Hätt’ ich die Blumen jeht, die du erſchreckt 
Berlorft von Pluto's Wagen! Anemonen, 
Die, eh die Schwalh’ es wagt, erfcheinen und 
Des Märzes Wind’ mit ihrer Schönheit feſſeln; 
Biolen, dunkel, wie der uno Augen, 
Süß wie Eytherens Athem; bleihe Primeln, . 
Die ſterben unvermählt, eh fie gefchaut 
Des goldnen Phöbus mächt’gen Strahl, ein Vebel, 
Das Mädchen oft befälltz die dreiſte Maaßlieb, 
Die Kaiſerkrone, Lilien aller Art, 
Die Königslilie drunter! hätt' ich bie, 
Dir Kron’ und Kranz zu flechten, füßer Freund, 
Dich ganz damit beſtreuend! 

Florizel. 

Wie den Leichnam? 

Perdita. 
Nein, wie der Liebe Lager, drauf zu koſen, 
Nicht wie ein Leichnam, mind'ſtens nicht fürs Grab, 
Nein, lebend mir im Arm. Kommt, nehmt die Blumen, 
Mich dünkt, ich reritire, wie ichs ſah 
Im Pfingftfpiel; denn gewiß, dieß prächt’ge Kleid 
Berwandelt meinen Sinn. 

Florizel. 

Was du auch thuſt, 

Iſt ſtets das Holdeſte. Sprichſt du, Geliebte, 
Wünſch' ich, du thätſt dieß immer; wenn du ſingſt, 
Wünſch' ih, du Faufteft, gäbft Almofen ſo, 
Sängft dein Gebet, thätft jedes Hausgefchäft 
Aur im Gefange; tanzeft bu, fo wünſch' ich, 











Das, Wintermährcden. IV, 3. 305 


Du feift ’ne Meereswell', und thäteft nichts 
Als dieß, Hets in Bewegung, immerdar, 
Dieß dein Geberden. AU dein Thun und Wirken, 
Sp anserlefen im Gewöhnlichften, 
Krönt all dein Handeln, wie du's eben thufl, 
Daß Königin ift jeglich Walten. 
Perdita. 
Doricles, 
Dein Lob iſt allzuhoch; wenn beine Jugend, 
Und treues Blut, das Tieblich fie durchleuchtet, 
Dich nicht als Schäfer ächten Sinne bezengte, 
So müßt? ich weislich fürchten, Doricles, 
Du würbeft falſch um mich. 
Florizel. 
Du baft, fo den ich, 
Zur Furt fo wenig Gab’, als ich den Willen, 
Sie zu erregen. — Doch zum Tanz, ich bitte, 
Gieb mir die Hand; fo paaren Turteltauben, 
Die nimmer fiheiden wollen. 
Perdita. 
Darauf ſchwör' ich. 
Polyrenes. 
Dieß iſt das ſchmuckſte Hirtenkind, das je 
Gehüpft anf grünem Planz nichts thut, noch fpricht fie, 
Das nicht nach Größrem ausficht als fie iſt, 
Zu hoch für folchen Platz. 
Camillo. 
Er fagt ihr etwas, 
Das fie erröthen macht; fürwahr, fle iſt 
Die Königin von Milch und Rahm. 
Der junge Schäfer. 
Spielt anf! 
—Dorcas. 
Mopſa muß mit euch tanzen; Knoblauch her, 
Um ihren Kuß zu würzen. — 
IX. 20 


306 Das Wintermährden. IV, 3 


Mopfa. 
Seht doch, feht! 
Der junge Schäfer. 
Kein Wort, fein Wort; bier gilts auf Sitte halten. — 
Spielt auf. | 
. ( Muſik; Tanz der Schäfer und Schäferinnen) 
Polyrenes 
Sprich, Schäfer, wer iſt jener ſchöne Hirt, 
Der jetzt mit deiner Tochter tanzt? 
Der alte Schäfer. 
Sie nennen 
Ihn Doricles, und er berühmt fich felbfl, 
Daß er vermögend fer; doch weiß ich folches 
Allein durch ihn, und glaub’s; denn er fieht aus 
Wie Wahrheit ſelbſt. Cr fagt, er Tiebt mein Mädchen; 
Ich fhwöre drauf, denn niemals fah der Mond 
So flarr ins Wafler, als er fleht, und gleichfam 
Der Tochter Blick ſtudirt; und, meiner Seele, 
Nicht einen halben Ruß beträgt es wohl, 
Wer mehr den Andern liebt. 
ı Polyrenes. 
Sie tanzt fehr zierlich. 
Der alte Schäfer. 
So thut fie Alles; ob ichs ſelbſt fchon fage, 
Für den ſichs wohl nicht fchicktz wenn Doricles 
Sie noch befommt, fo bringt fie ihm was mit, 
Wovon er fih nicht träumen Täßt. . 


(Ein Knecht tritt auf) 


Knecht. 

O Herr, wenn ihr den Hauſirer vor der Thür hö— 
ren fönntet, fo würdet ihr nie wieder nach Trommel und 
Pfeife tanzen, nein, felbft der Dudelſack brachte euch nicht 
auf die Beine; er fingt fo mancherlei Melodien, ſchnel⸗ 

. Ter als ihr Geld zählt; fie Fommen ibm aus dem Munde, 











Das Wintermährden. IV, 3. 307 


als Hätte er Balladen gegeffen, und Aller Ohren hän- 
gen an feinen Worten. 


Der junge Schäfer. 

Er fonnte niemals gelegener fommen, er ſoll ein⸗ 
treten, Eine Ballade liebe ich über Alles, wenn es eine 
traurige Geſchichte ift, zu einer Infligen Melodie, ober 
ein recht ſpaßhaftes Ding, und klaͤglich abgeſungen. 


Knecht. 

Er hat Lieder für Mann und Weib, laug und kurz: 
fein Putzhändler kann feine Runden fo mit Handſchuh 
bedienen; er hat die artigften Liebeslieder für Mädchen, 
fo ohne Anftößigfeiten, und das iſt was Seltenes, und 
fo feine Schlußreime mit Dideldum und Trallalla, 
und pufft fie und Inufft fie, und wo fo ein breit- 
mauliger Flegel gleichfam was Böſes fagen möchte, und 
mit der Thür ins Haug fallen, da laͤßt er das Mädchen 
antworten: Heiſa, thu mir nichts, mein Schatz; fie fer- 
tigt ihn ab und läßt ihn Taufen mit: Heiſa, thu mie 
nichts, mein Schatz. 

Dolyrenes. 

Das ıft ein allerliebſter Kerl. 


Der junge Schäfer. 
Mein Seel, das muß ein außerordentlich gebilveter 
Kerl feyn. Hat er Waaren von Bedeutung? 


Knecht. 

Er hat Bänder von allen Farben des Regenbogens, 
ſpitzige Häfeleien, mehr als alle Advokaten in Böhmen 
handhaben können, wollten fie fie ihm auch in Maſſe ab- 
nehmen: Garn, Wolle, Rammertuch, Leinewand bat er, 
und er fingt fie alle ab, als wären es Iauter Götter: 
und Göttinnen; ihr würbet denfen, ein Weiberhemdb wäre 
ein weiblicher Engel, fo fingt er euch über das Aermel- 


chen und über den Bufenftreifen. 
20 * 


308 Das Wintermährchen. IV, 3. 


Der junge Schäfer. 
Ich bitte dich, bring’ ihn ber, und laſſ' ihn mit Ge— 
fang herein fommen. 
Perdita. 
Berwarne ihn, daß er ferne unſchicklichen Sathen in 
ſeinen Liedern anbringt. 
Der junge Schäfer. 
O Schweſter, es giebt Hauſirer, die mehr auf ſich 
haben, als du dir vorſtellſt. 
Perdita. 
Ja, guter Bruder, oder mir vorſtellen mag. 


(Autolyens kommt ſingend herein) 


Autolyeus. 
Linnen, weiß wie friſcher Schnee, 
Kreppflor, ſchwärzer als die Kräh', 
Handſchuh, weich wie Frühlingsraſen, 
Masten für Geſicht und Naſen; 
Armband, Halsgehäng voll Schimmer; 
Rauchwerk für ein Damenzimmer, 
Goldne Mütz' und blanfer Lab, 
Sunggefell, für deinen Schatz; 
Nadeln, Zeng’ in Woll' und Seiden, 
Sich von Kopf zu Fuß zu Heiden. 
Kauft, Burfche, daß ich Handgeld löſe! 
Kauft, kauft, fonft wird das Mädchen böfe! 

Der junge Schäfer. 

Wenn ich nicht in Mopfa verliebt wäre, fo follteft 
du mir fein Gelb abnehmen; aber da fie mich einmal 
weg bat, ſollſt du auch einige Bänder und Handſchuhe 
los werden. 

Mopſa. 


Sie wurden mir ſchon zu dem Feſt verſprochen, aber 
ſie kommen nun auch noch früh genug. 


Das Wintermährhen. IV,8. 309 


Dorcas. 
Er Hat dir mehr als das verfprochen, wenn es feine 
Lügner bier giebt. 
Mopſa. 


Dir bat er Alles bezahlt, was er dir verſprach, viel⸗ 
leicht auch noch mehr, und was bir Schande machen 


würde, ihm wieder zu geben. 


Der junge Schäfer. 

Sind denn gar feine Manieren mehr unter ben 
Mädchen? wollen fie ihre Underröcke da aushängen, wo 
fie ihre Gefichter tragen follten? Iſt denn Leine Zeit 
beim Melfen, wenn ihr zu Bette geht, oder am Bad 
ofen, von biefen Heimlichleiten zu flüflern, daB ihr euer 
Kikelkakel vor allen Gäften ausichreien müßt? Zum 
Glück fprechen fie heimlich mit einander; haltets Maul 
mit euren Zungen, und fein Wort mehr, 

Mopſa. 

Ich bin fertig. Komm, du verſprachſt mir ein blan⸗ 

kes Schnürband und ein Paar wohlriechende Handſchuh. 
Der junge Schäfer. 

Hab’ ich dir denn nicht erzählt, wie ich unterwegs 

gepreilt warb und um all mein Geld Fam? 
Autolyceus. 

Freilich, Herr, es giebt Gauner bier herum, darum 

muß der Menſch auf ſeiner Hut ſeyn. 
Der junge Schäfer. 

Fürchte du dich nicht, Mann, du ſollſt hier nichts 
verlieren. 

Autolyens. 

Das Hoff’ ich, Herr, denn ich habe manch Stück von 
Werth bei mir. 

Der junge Schäfer. 
Was Haft du da? Balladen? 
Mopſa. 
Ei, bitte, kauf ein Paar; eine Ballade gedruckt hab? 


. 810 Das Wintermährhen. IV,S. 
ich für mein Leben gern, denn da weiß man boch gewiß, 
daß fie wahr find. 

Autolyens, 

Hier iſt eine auf gar Mägliche Weife: Wie eines 
Wucherers Frau in Wochen kam mit zwanzig Geldſaͤcken, 
und wie fie ein Gelüft hatte nach Schlangenföpfen und 
frifaffirten Kröten. 

Mopſa. 


Glaubt ihr, daß das wahr iſt? 


Autolyens. 
Gewiß wahr, und erſt vor einem Monat geſchehn. 


Dorcas. 
. Gott bewahre mich davor, einen Wucherer zu bei= 
rathen! 
Autolyeus. 

Hier if der Name der Hebamme, einer gewiſſen 
Frau Schwatmann, und von noch fünf oder ſechs ehr- 
lichen Frauen, die dabei waren; warum follte ich wohl 
Lügen herum tragen? 
| Mopſa. 


Bitte, kauf das. 


Der junge Schäfer. 

Schon gut, legt es beiſeit, und zeigt uns erſt noch 
mehr Balladen; die andern Sachen wollen wir auch gleich 
kaufen. 

Autolyens. 

Hier iſt eine andere Ballade, von einem Fiſch, der 
fih an der Küſte fehen ließ, Mittwochs den achtzigften 
April, vierzigtanfend Klafter über vem Waffer, der fang 
biefe Ballade gegen die harten Herzen ber Maͤdchen; 
man glaubt, er fei ein Weib gewefen, die in einen Fal- 
ten Fiſch verwandelt warb, weil fie Einen, der fie Tiebte, 
nicht glücklich machen wollte. Die Ballade iſt fehr Fläg- 
lich und eben fo wahr, 


Das Bintermährden. IV, 3. 311 


Dorcas. 

Glaubt ihr, daß das auch wahr iſt? 

Autolycus. 
Fünf Beamte haben es unterſchrieben, und Zeugen 
mehr, als mein Packet faſſen kann. 
Der junge Schäfer. 
Legt es auch beifeitz noch eine, 
Autolyeus. 
Dieß iſt eine luſtige Ballade, aber eine ſehr hübſche. 
Mopſa. 
Einige luſtige müſſen wir auch haben. 
Autolyeus. 

Nun, dieß iſt eine ſehr luſtige, und ſie geht auf die 
Melodie: Zwei Mädchen freiten um Einen Mann; es 
ift kaum ein Mädchen da nach dem Weſten zu, das fie 
nicht fingtz fie wird fehr gefucht, das kann ich euch fagen. 

Mopſa. 

Wir beide können ſie ſingen, willſt du eine Stimme 

fingen, fo kannſt du fie hören; fie iſt dreiſtimmig. 
Dorcas. 

Wir haben die Weife ſchon feit einem Monat, 

| Autolyens, 

Ich Tann meine Stimme fingen; ihr müßt wiffen, 
das ift eigentlich meine Befchäftigung. Nun fangt an. 


Geſang. 


Autolyeus. 
Fort mit dir, denn ich muß gehn; 
Doch wohin, darfſt du nicht fehn. 
Dorcas, 
Nicht Doch! 
Mopfa. 


O, nicht doch! 
Dorcas. 
Nicht doch! 


312 Das Wintermährchen. IV, 8. 


Mopſa. 
Soll ich traun auf deinen Eid, 
Sag mir deine Heimlichkeit. 
Dorcas. 
Nimm mich mit, wohin? ai doch. 
opſa.— 
Gehts zur Mühle? gehts zur Scheuer? 
. Dorcas, 
Iß es, fo bezahlſt du's theuer. 
Autolyeus, 
Richt doch! 
Dorcas, 


Wie, nicht doch? 
Autolyens, 
Nicht doch! 
Dorcas. 
Schworſt du nicht, mein Scha zu ſeyn? 
Mopſa. 
Nein, du ſchworſt es mir allein; 
Wohin denn gehſt du? ſprich doch. 
Der junge Schäfer. 

Wir wollen dieß Lied für ung zu Ende fingen; mein 
Bater und die Herren find in einem ernfihaften Ge- 
ſpräch, und wir wollen fie nicht ſtören. Komm, und 
nimm bein Padet mit. Dirnen, ih will euch beiden 
was Taufen: — Rrämer, laß ung zuerft ausfuchen. — 
Kommt mir nach, Kinder. | 
- Autolyeus. (beifeit) 

Und du fol gut für fie bezahlen. (fingt) 

Kauft Band und Spiten, 
Schnür' an die Müten! 
Mein Hühnchen, meine Kleine da: 
Auch Zwirn und Seide, 

Und Kopfgefchmeibe, 
Die neufle Waar', ganz feine, ja. 














Das Wintermährden. IV, 3. 313 


Wer nur dem Krämer 
Geld giebt, da, nehm’ er, 
Der ganze Pad ift feine, ha! 
(Der junge Schäfer, Autolyens, Dorcas und Moyfa gehn ab) 
(Sin Knecht tritt auf) 
Knecht. 

Herr, da ſind drei Fuhrknechte, drei Schäferknechte, 
drei Ochſenknechte und drei Schweineknechte, die haben 
fich ganz zu Menſchen voller Haare gemacht; fie nennen 
fish felber Saalthiere, und fie haben einen Zanz, pon dem 
die Dirnen fagen, es ift ein Gemengfel von Luftfprün- 
gen, weil fie nicht mit dabei find. Aber fie ſelbſt find 
der Meinung (wenn es nicht zu wild iſt für Einige, bie 
von nichts willen, als von Ländern und Walzen), es 
würde ausnehmend gefallen. 

Der alte Schäfer. 

Fort damit! wir wollen es nicht; wir haben fchon 
zu viel bäurifche Narrenspoffen gehabt: — ich weiß, 
Herr, wir machen euch- Langeweile. 

Polyrenes. 
hr macht denen Langeweile, die ung Kurzweil 
bringen; ich bitt' euch, laßt uns die vier Dreiheiten von 
Knechten ſehn. 
Knecht. 

Drei von ihnen haben, wie ſie ſelbſt ſagen, vor dem 
Könige getanzt, und nicht der ſchlechteſte von den Dreien, 
der nicht zwölf und einen halben Fuß in der Breite 
fpringen kann. 

| Der alte Schäfer. 

Log dein Schwaben; und da es diefen werthen 
Männern recht ift, mögen fie herein kommen, aber denn 
auch gleich. 

, Knecht. 


Ei, ſie ſind hier nahe bei. 
( Der Knecht geht ab) 


314 Das Wintermährden. IV,3. 


(Zwölf as" fommen als Satyrn verlleidet, ſie tanzen 
und gehn ab 
Polyxenes. 
Sa, Vater, ihr ſollt mehr dereinft erfahren. — . 
Cheifeit) Gings nicht zu weit fhon? — Zeit ifls, fie zu 
trennen. — 

In Einfalt fagt er g’nug. — (laut) Run, ſchöner Schäfer, 
Eu’r Herz iſt voll von etwas, das vom Fell 
Den Sinn euch ablenkt. Wahrlich, als ich jung 
Und fo gerjiebt ,‚ wie ihr, da überlud ich 
Mit Tand mein Mädchen; ausgeplündert hätt’ ich 
Des Krämers ſeidnen Schatz, und ihr zu Füßen 
Ihn ansgefchüttetz doch ihr ließt ihn gehn, 
Und fauftet nichts; wenn eure Liebfte fich 
Zu deuten dieß erlaubt, und fihilt es Mangel 
An Lieb’ und Großmuth, fein ihr wohl verlegen 
Um eine Antwort, ifls euch wirklich Ernſt, 
Ihr Herz euch zu bewahren. 


Florizel. 

Alter Herr, 
Ich weiß, ſie achtet nicht auf ſolchen Tand; 
Geſchenke, die von mir ſie hofft, ſind im 
Verſchluß von meinem Herzen, das iſt ſchon 
Ihr Eigenthum, wenn auch nicht überliefert. — 
Vernimm mein Innerſtes vor dieſem Greis, 
Der, wie es ſcheint, auch einſt in Liebe war; 
Hier nehm' ich deine Hand, die theure Hand, 
Wie Flaum von Tauben weich, und ganz ſo weiß 
Wie eines Mohren Zahn, wie friſcher Schnee, 
Der zwei Mal ward vom Nordwind rein geſiebt. 


Polyxenes. 
Und weiter dann? — 
Wie hübſch der junge Mann zu waſchen ſcheint 
Die Hand, fo weiß vorher! — Ich macht’ euch irre: — 











Das Wintermährcden. IV, 3. 915 


Doch fahrt nun fort in der Betheurung, laßt 
Mich Hören, was ihr ſchwört. 


Florizel. 
Wohl, ſeid mein Zeuge. 
Polyxenes. 
Und hier mein Nachbar auch? 
Florizel. 


Und er, und mehr 
Als er und Menſchen, Himmel, Erd' und Alles, 
Daß, — trüg' ich auch des größten Reiches Krone, 
Als Würdigſter, wär' ich der ſchönſte Jüngling, 
Der je ein Aug' entzückt, an Kraft und Wiſſen 
Mehr als ein Menſch, — dieß Alles ſchaͤtzt' ich nichts, 
Ohn' ihre Lieb', ihr ſchenkt' ich Alles dann; 
In ihrem Dienſt nur würd' es niedrig, hoch, 
Oder als Nichts verdammt. 
| Polyxenes. 
Ein hohes Wort. 
Camillo., 
Dieß zeugt von ſtarker Liebe. 
Der alte Schäfer. 
Meine Tochter, 
Sagſt du ihm eben das? 
Perdita. 
Ich kann ſo gut 
Nicht reden, nichts ſo thun, nicht beſſer fühlen; 
Nach meines eignen Sinnes Klarheit meſſ' ich 
Des ſeinen Reinheit. 
Der alte Schäfer. 
Beſchloſſen, gebt die Hände; — 
Und, unbekannde Freund’, ihr ſeid ung Zeugen: 
Die Tochter geb’ ich ihm, und ihre Mitgift 
Mach’ ich der feinen gleich. 
Florizel. 
Das könnt ihr nur 


316 Das Wintermährden. IV, 3. 


In enrer Tochter Werth. Wenn Jemand flirbt, 
Hab’ ich einft mehr, als ihr euch träumen laßt; 
Genug für euer Staunen. Sept verbindet 
Bor dieſen Zeugen uns. 
Der alte Schäfer. 
Sp gebt die Hand, — 
Auch, Tochter, du. 
Polyxenes. 
Halt, Jüngling, noch ein wenig. 
Haſt du 'nen Vater? 
Florizel. 
Ja. Doch was ſoll der? 
Polyxenes. 


Florizel. 
Nein, und er ſoll auch nicht. 
Polyxenes. 
Ein Vater, dünkt mich, 
Sf bei des Sohnes Hoczeitfeft ein Gafl, | 
Der feinen Tiſch am meiften ſchmückt. Sprich, bitte, 
Iſt nicht dein Vater zu vernünft’gem Thun 
Unfähig? auch nicht blöd gefinnt vor Alter? 
Bon Gicht geplagt? kann er noch fprechen, hören? 
Sein Gut verwalten? Menſchen unterfcheiden % 
Liegt er gelähmt im Bett, und handelt nur 
Wie Tind’fches Alter? 
Florizel. 
Nein, mein guter Herr, 
Er iſt geſund, und Wen'ge ſeines Alters 
Sind ſo voll Kraft. 
Polyxenes. 
Bei meinem weißen Bart, 
Ihr thut ihm, iſt es ſo, ein Unrecht, das 
Nicht einem Kinde ziemt; Recht iſts, daß ſich 
Mein Sohn ſelbſt waͤhlt die Braut; doch Recht nicht 
minder, 


Weiß er davon? 


J 





Das Wintermährchen. IV, 3. 317 


Daß auch der Vater, deffen größte Freude 
Die Enkel find, zu Rath gezogen werde 
Bei diefem Schritt. 
Florizel. 
Das will ich nicht beftreiten;z 
Doch wegen andrer Gründe, ernſter Herr, 
Die ihr ‚nicht wiffen dürft, fagt’ ich bem Bater 
Bon meinem Vorſatz nichts. 
Polyxenes. 
Doch laßts ihn wiſſen. 
Florizel. 
Er ſoll nicht. 
Polyxenes. 
Thuts, ich bitt' euch. 
Florizel, 
Nein, er darf nicht. 


Der alte Schäfer. 
Thu's, lieber Sohn; er hat ſich nicht zu grämen, 
Erfährt er deine Wahl. 
Florizel. 

Nein, nein, er darf nicht: — 
Jetzt zur Verlöbniß. 
Polyxenes. 

(indem er ſich zu erkennen giebt) 

Jetzt zur Scheidung, Knabe, 
Den ich nicht Sohn mehr nennen darf; zu niedrig 
Für dieſes Wort: der feinen Scepter tauſcht 
Um einen Schäferftab! — Greifer Berräther, 
Lafj? ich dich Hängen, kürz' ich Teider nur 
Dein Leben um acht Tage, — Und du, Prachtſtück 
Ausbünd’ger Herenkunft, die Fennen mußte 
Den Rönigsnarren, der ihr nachlief; — 
Der alte Schäfer. 
O, mein Herzl 


318 Das Wintermährchen. IV, 3. 


Polyxenes. | 
Der Dorn foll deine Schönheit dir zergeißeln, 
Bis fie nihtswürd’ger wirb als beine Herkunft. — 
Dir fag’ ich, junger Thor, — erfahr’ ich je, 
Daß du nur feufzeft, weil du nie mehr, nie 
Die Ding hier fiehft, wie du gewiß nicht ſollſt, 
Verſchließ' ich dir dein Erbrecht, nenne dich 
Mein Blut nicht, ja, mir auch nicht anverwandt, 
Fern von Deucalion her: — mer’ auf mein Wort, 
Folg' ung zum Hof. — Du Bauer, für dießmal, 
Ob unfers Zorns gleich werth, doch freigefprochen 
Bon feinem Todesftreih. — Und du, Bezaubrung, 
Wohl eines Schaaffnechts werth, ja, fein fogar, 
Für den du, wär’ mein Ruhm dadurch nicht krank, 
Zu gut noch bift, wenn bu von jebt an wieder 
Für ihn den Riegel diefer Hütte öffneft, 
Und feinen Leib mit deinem Arm umflammerft, — 
Erfind’ ih Todesarten bir, fo graufem, | 
Wie du für fie zu zart bift. 
(Er geht ab) 7 

Perdita. 
Nun ſchon jetzt vernichtet; 
Ich war nicht ſehr erſchreckt, denn ein, zwei Mal, 
Wollt' ich ſchon reden, wollt' ihm offen ſagen, 
Dieſelbe Sonn', an ſeinem Hofe leuchtend, 
Verberg' ihr Antlitz nicht vor unſrer Hütte, 
Und ſchau' auf beide gleich. — Wollt ihr nun gehn, 
| mein Prinz? 
Ich fagt’ euch, was draus werben würde; bitte, 
Denkt eures Standes nun: von meinem Traum 
Erwacht, bin ich Fein Zoll mehr Kön'gin, nein, 
Die Schaafe melfend wein’ ich. 
Camillo. 


Nun, Bater, wie? 
Sprich, eh du ſtirbſt. 


Das Wintermährchen. IV, 3. 319 


Der alte Schäfer. 
Nicht denken, fprechen Tann ich, 
Getrau' mir nicht zu wiffen, was ich weiß. — 
D Prinz! 
Elend macht ihr den Mann von dreinnbachtzig, 
Der ohne Angſt fein Grab zu füllen dachte, 
Im Bett zu flerben, wo mein Vater flarb, 
Ganz nah bei feinem ehrbarn Staub zu liegen: 
Jetzt hüllt ein Henfer mich ing Leichenhemd, 
Wirft Hin mich, wo fein Priefter Erde ſtreut. — 
Gottloſes Ding!.die du den Prinzen kaunteſt, 
Und Hatifl das Herz, dich mit ihm zu verloben. — 
D, Unheil! Unheil! Stürb’ ich diefe Stunde, 
Hätt iche erlebt, zu ſterben recht nach Wunſch. 
(Er geht ab) 
Florizel. 
Was ſeht ihr mich ſo an? 
Ich bin verſtört, nicht abgeſchreckt; verhindert, 
Doch nicht verändert; was ich war, das bin ich; 
Nur muth'ger ſtreb' ich vor, zieht man mich rückwärts, 
Nicht folg' im Mißmuth ich dem Zügel. 


Camillo. 
Prinz, 

gr fennt des Vaters Sinnesart: für jedt 
Sf nicht mit ihm zu fprechen, — und, ich denfe, 
Das ift auch eure Abficht nicht; — fo wird er 
Auch euren Anblick kaum ertragen, fürcht' ich; 
Drum, bis der Zorn der Majeftät firh ſtillt, 
Erfcheinet nicht vor ihm, 

Florizel. 

Ich will auch nicht. 


Camillo. 
Ja, mein gnäd'ger Herr. 


Ihr ſeid Camillo? 


320 Das Bintermährden. IV, 3. 


Pervita. 
Wie oft ſagt' ich euch nicht, ſo würd' es kommen? 
Wie oft ſprach ich: die Würde trag' ich nur, 
Bis es bekannt wird? 

Florizel. 

Nichts kann ſie dir nehmen, 

Als meiner Treue Bruch; und leichter möchte 
Natur der Erde Wölbung wohl zerdrücken, 
Und allen innern Lebensfeim vernichten! — 
Erheb' den Blick; — ſtreich, Vater, mich als Erbe 
Des Reiches aus, bleibt mir doch meine Liebe] 

Camillo. 
Nehmt Rath an. 

Florizel. 
Ich thu's, von meinem Herzen; wenn Vernunft 
Sich ihm gehorſam fügt, hab' ich Vernunft; 
Wo nicht, heißt mein Gemüth Wahnſinn willkommen, 
Als beſſern Freund. 

Camillo. 

Das iſt Verzweiflung, Prinz. 

Florizel. 
So nennt es, aber meinen Schwur erfüllt es. 
Und ſo muß mir es Tugend ſeyn. Camillo, 
Für Böhmen nicht, noch jenen Pomp, den etwa 
Sch Hier verliere, für Alles, was die Sonne 
Erblickt, die Erd’ ummwölbt, die See verbirgt 
In dunkeln Tiefen, brech’ ich meinen Eid 
Ihr, der Geliebten: darum bitt' ich Dich, 
Wie du flets meines Vaters Freund gewefen, 
Wenn er mich num entbehrt, wie ich ihn nie mehr 
Zu fehn gedenke, fänft’ge feinen Zorn 
Durch gutes Wort; ich und mein Glüd, wir ringen 
Nun fünftig mit einander. Dieß nur wifle, 
Und fag’ es ihm, — ich fei zur See gegangen, 
Mit ihr, die ich im Lande nicht kann ſchützen; 


Das Bintermährden. IV, 8, 321 


Und, hoͤchſt erwänfct für unfre Noth, Hab’ ich 
Ein Schiff hier nahe, wenn gleich nicht gerüſtet 
Für diefen Zweck. Wohin mein Lauf fich wendet, 
Frommt deiner Kenntniß nicht, noch paßt es mir, 
Es dir zu fagen. 
Camillo. 

Prinz, ih wünſchte, daß ” 
Sich euer Geift dem guten Rath mehr fügte, 
Wenn ihn nicht Noth bezwingen fol. 


Florizel. 
Horch, Perdita. — 
Sch Hör’ euch gleich. 
Camillo. 


Er ift ganz unbeweglich 
Zur Flucht entfchloffen. Glücklich wär’ ich jebt, 
Könnt’ ich fein Weggehn mir zum Vortheil kehren, 
Bor Leid ihn ſchützen, Lieb’ und Dienft ihm weiße, 
Sieiliens theuren Anblick fo erkaufen, 
Und meines Herrn, des unglüdfel’gen Königs, 
Wonach ich lange ſchmachte. 
Florizel. 
Nun, Camillo, 
Von ungewohnten Sorgen ſo belaſtet, 
Verletzt' ich den Anſtand. 
Camillo. 
Mein Prinz, ich glaube, 
Ihr wißt, wie ganz mein armer Dieuſt in Liebe 
Sich eurem Bater weihte. Ä 
Florizel. 
Ja, höchſt edel 
Haſt du ihm ſtets gedient; ihm iſts Muſik, 
Dein Thun zu preiſen, nicht ſein kleinſtes Sorgen, 
Es fo zu lohnen, wie er deß gedenkt. 


Eamillo. 
Wohl, Prinz! 
IX. 21 


332 Das Wintermährchen. V. 3. 


Glaubt ihr im Ernſt, daß ich den Koͤnig liebe, 
Und, feinethalb, was ihm am nächften flebt, 
Eu’r thenres Selbſt; fo laßt durch mich euch leiten, 
Wenn eu’r gewicht’ger, überlegter Plan 
Berändrung dulden mag: bei meiner Ehre, 
Sch führe’ euch Hin, wo man eud fo empfängt, 
Wie Eurer Hoheit ziemt; ihr. der Geliebten 
Euch mögt erfreun (von ter, das ſeh' ich wohl, 
Euch nichts mehr trennt, als Eins, und das verLüte 
Der Himmel! euer Tod), euch ihr vermählen, 
Und ſeid ihr fort, ſuch' ich mit aller Muh' 
Den mißvergnügten Vater zu beiänft’gen, 
Und zur Berföhnung ihn zu flimmen. 
Florizel. 
Wie! 
Dieß, faſt ein Wunder, ſollte möglich feyn ? 
Dann nenn’ ich mehr dich als ein menſchlich Weſen. 
Und will dir ſo vertraun. 
Camillo. 
Habt ihr beſtimmt, 
Nach welchem Land ihr ſchiffen wollt? 
Florizel. 
Noch nicht; 
Denn wie unvorgeſehner Zufall Schuld 
An dem iſt, was wir raſch beginnen; ſo 
Ergeben wir als Selaven uns dem Wechſel, 
Und folgen jedem Windeshauch. 
Camillo. 
So bört mich: 
Ich rath' euch, — wollt ihr euren Plan nicht ändern, 
Und euch der Flucht vertraunz — geht nach Sicilien, 
Und ſtellt euch dort, mit eurer ſchönen Fürſtin 
( Das wird ſie, wie ich ſeh'), Leontes vor; 
Man wird ſie wohl empfangen, wie ſichs ziemt 
Für eu'r Eh'gemahl. Ich ſehe ſchon \ 





Das Wintermährchen. IV, 3. ‘123 


Leontes, wie er weit die Arme öffnet, 
Und Willkomm euch entgegen weint: Vergebung 
Bon euch, dem Sohn, erfleht, als wär’s der Bater: 
Die Hände küßt der jugendlichen Fürſtin; 
Jetzt denkt er feiner Härte, jebt der Liebe; 
Berwünfcht ven Haß zur Höl’, und wünfcht, daß Liebe 
Noch fchneller wahl’ als Stunden und Oedanken. 
Florizel. 
Mein würdigſter Camillo, 
Welch einen Anſtrich geb' ich dem Beſuch? 
Camillo. 
Daß euch der König, euer Bater, ſendet, 
Um ihn zu grüßen, ihn zu tröften. Prinz, 
Die Art, wie ihr vor ihm euch zeigen musßt, 
Was ihr von eurem Bater ihm follt melden, 
Was nur uns Drei'n befannt, ſchreib' ich euch auf., 
Dieß zeigt euch an, was ihr zu fagen habt 
In jeglichem Geſpräch; fo muß er denfen, 
Ihr bringt des Vaters eigne Seele mit, 
Und fprecht fein ganzes Herz. 
Florizel. 
Ich dank’ euch innig: 
In dieſem Plan iſt Leben. 
Camillo. 
Mehr verheißt euch dieß, 
Als gebt ihr euch in blinder Unterwerfung 
Pfadloſen Fluten, ungeträumten Küſten, 
Gewiſſem Elend, Hülf- und rathlos hin: 
Ein Leid beſiegt, droht euch das zweite ſchon: 
Nichts euch ſo treu, als euer Anker, der, 
Thut er den beſten Dienſt, dort feſt euch hält, 
Wo wider Willen ihr verweilt. Auch wißt ihr, 
Glück iſt allein das wahre Band der Liebe; 
Mit ihrem friſchen Roth verwandelt auch 
Ihr Herz die Trübſal. 
21° 





324 Das Wintermährchen. IV, 3. 


Perdita. 
Eines nur iſt wahr; 
Trübſal, denk' ich, befiegt die Wange wohl, 
Doch dringt fie nicht ing Herz. 
Camillo.‘ 
Sp, glaubt‘ ihr das? 
Es wird wohl deines Vaters Hauſ' nicht wieder 
Sn fieben Jahren fol ein Kind geboren. 
Slorizel. 
Sie ift in ihrem Adel mehr voraus, 
Als fie zurüd in unferm Stammbaum fleht. 
Camillo. 
Bedauern Tann ich nicht, daß Unterricht 
Ihr mangelt; denn fie meiftert jeden Lehrer. 
Perdita. 
. Zu viel, mein Herr; Erröthen iſt mein Dank. 
Florizel. 
Du füße Perbital — 
Doch, o, wir ſtehn auf Dornen Gier! Camillo, — 
Du Retter meines Vaters, jebt der meine; 
Du unfres Haufes Arzt! — was folln wir thun? 
Wie Böhmens Sohn find wir nicht ausgeſtattet; 
Noch werden wir dort fo erfcheinen. 
Camillo, 
Prinz, 
Das fürchtet nicht: ihr wißt, mein ganz Bermögen 
Liegt dort; und meine Sorge fer’s, fo fürftlich 
Euch auszuftatten, als wenn ihr für mich — 
Auf meiner Bühne ſpieltet. Und zum Beiſpiel, 
Damit ihr feht, daß nichts euch mangelt — Hört. 
(Sie ſprechen heimlich mit einander) 
(Autolyens tritt auf) 
Autolyens. 
Ha, hal was für ein Narr iſt doch Ehrlichkeit! und 
Redlichkeit, ihr geſchworner Bruder, iſt ein recht einfäl- 


Das Wintermährden. UV, 8. 325 


tiger Herr! Ich Habe alle nreinen Plunder verfanftz kein 
mächter Stein, fein Band, Spiegel, Bifamkugel, Spange, 
Taſchenbuch, Ballade, Meffer, Zwirnſtrahn, Handſchuh, 
Schuhriemen, Armband, Hornring mehr iſt mir geblie- 
ben: fie drängten ſich danach, wer zuerft Taufen folltez 
als wenn alle meine Tumpereien geweiht wären, unb 
dem Käufer einen Segen brächten: durch dieß Mittel 
ſah ich num, weſſen Börfe das befte Anfehn Hatte; und 
was ich fah, Das merkte ich mir zu beliebigem Gebrauch. 
Mein junger Narr, dem nur etwas fehlt, um ein ver⸗ 
nünftiger Menſch zu feyn, war fo in die Dirmenlieder 
verliebt, daß er nicht wanfen und weichen wollte, bis er 
Tert und Weife hatte; und die zog die ganze andre 
Heerde fo zu mir, daß alle ihre übrigen Sinne in ben 
Ohren ſteckten; ich hätte einen Schlüffel abfeilen können, 
den fie an einer Kette trugen: Fein Gehör, Fein Gefühl, 
als für die Lieder meines Burfchen, und die Bewunde- 
zung ihres Nichts. So daß ich, währenn dieſer Betän- 
bung, die meiften ihrer feftlichen Börfen abfehnitt und 
erfchnapptez und wäre nicht der Alte dazu gefommen, 
mit einem Halloh über feine Tochter und den Sohn bes 
Königs, womit er meine Rrähen von dem Kaff fcheuchte, 
fo hätte ich in der ganzen Armee nicht eine Börfe am 
Leben gelafien. 

Camillo. 
Nein, meine Brief’ auf diefem Weg zugleich 
Mit euch dort, werben jeden Zweifel löſen. 

Tlorizel. 
Die ihre mir von Leontes wollt verfchaffen — 

Camillo, 
Beruh'gen euren Vater. 

Slorizel. | J 

Seid geſegnet! 
Was ihr nur ſagt, beglückt. 


I 


326 Das Wintermährdien. IV, 8. 


. Camillo. 
Wer iſt das Sie 
Bir wolln zum Werkzeug ihn gebrauchen; nichts 
Bleib’ unbenutzt, mag uns nur helfen kann. 
Antolyens. (beiſeit) 
Wenn die mich behorcht haben, — dann — hängen, 
Camillo. 
He da, guter Freund! Warum zitterſt du fot 
Furchte dich nicht, hier thut man dir nichts zu Leide. 
Autolyeus. 
Ach Herr, ich bin ein armer Kerl. 
Camillo. 

Nun, das magſt du bleiben; hier iſt Niemand, der 
dir das nehmen wird; doch, was die Außenſeite deiner 
Armuth berrifft, da müſſen wir einen Tauſch treffen: 
darum entfleide dich fogleih, du mußt wiffen, dag es 

„ dringend iſt, und werhsle die Gewänder mit dieſem 
Herrn; obwohl der Berluft auf feiner Seite bebeutend 
genug ift, fo follft du do außerdem noch dieß zum Er- 
fag erhalten. 

Autolyene. 
Ach Herr, ih bin ein armer Kerl. — (für fih) 9 


Senne euch recht gut. 
x Camillo, 


Nun, mach fort; der Herr ift fchon halb abgeftreift. 
Autolycus. 
Iſt es euer Ernſt, Herr? (für ſich) Ich wittre bie 
Goſchichte. 
Florizel. 


Mach fort, ich Sitte dich. 
Autolyens. 
Freilich hab’ ich fchon Geld darauf befommen; aber 
ih kann es doch mit gutem Gewiffen nicht neßmen. 
Camillo. 


Knöpf’ los, Enöpf los. — 
C ölorizel und Autolycus wechfeln die Kleider) 











Das Wintermährhen. IV, 8. 397 


Pegfüdte Herrin, — möge diefes Wort 
Sich euch erfullen! — Zieht euch nun zuräd 
In fenes Didichtz nehmt des Liebſten Hut, 
Nnd trudt ihn in die Stirn: verhullt das Antlig; 
‘Kerfleider euch: verftellt, fo viel ihr könnt, 
Das was ihr wirklich ſeid; daß ihr gelangt 
( Denn Späber fürcht' ich überall) an Bord, 
Und unentvedt. 

Perdita, 

Ich feh’, das Spiel {ft fo, 

Daß ih tie Rolle nehmen muß. 

Camillo. 


Nun, ſeid ihr fertig? Bir aich 


Florizel. 

Säh’ mid jetzt mein Vater, 
Er nennte mich nicht Sobn. 

Camillo. 

Nein, dieſen Hut 
Betommt ihr nicht. — Kommt, Fräulein. — 
Du lede wohl! 
Autolyeus. 
kebt wohl! Herr. 

Klortzel. 
O Perdita, was baben wir vergeffen! _ 
Komm, nur ein Wort (Sie reden heimlich) 

Camillo. (feifelt) 

Mein erſt Geſchäft if nun, dem König fagen, 
Dap fie entflobn, wobin fie ſich gewendet; 
Wodarch, das hoff’ ich, er bewogen wird, 
Schnell nachzueilen; mit ihm werd’ ich dann 
Sictlien wieder fehn, nach deffen Anblick 
sch krankhaft ſchmachte. 

Florizel. 

Glück ſei unſer Führer. — 

Sp gehn wir denn, Camillo, nach dem Strand, 


328 Das Wintermährchen. IV, 8. 


Camillo. 
Je ſchneller, um ſo beſſer. 
( Florizel, Perdita, Camillo gehn ab) 
Autolyens. 

36 verſtehe den Handel, ich höre jedes Wort: ein 
offnes Ohr, ein ſcharfes Auge und eine ſchnelle Hand 
find einem Bentelfchneiver unentbehrlich; eine gute Nafe 
gehört auch dazu, Arbeit für die andern Sinne auszu⸗ 
wittern. Sch fehe, dieß ift eine Zeit, in der der Unge— 
rechte gedeiht. Welch ein Tauſch wäre dieß gewefen, 
anch ohne Ueberſchuß? und welch ein Ueberſchuß iſt noch 
bei diefem Tauſch? Wahrhaftig, in diefem Jahre fehn 
uns die Götter durch die Finger, und wir können Alles 
ex tempore thun. Der Prinz felbft iſt auf Schelmereien 
aus, und ftiehlt fih von feinem Vater weg mit dem— 
Klotz am Bein; dächt' ich — es wäre ein ehrliches Stüd- 
hen, dem König was davon zu fagen, — fo wollte ih 
— es nicht thun: — ich halte es für die größere Schur— 
Terei, e8 zu verfchweigen, und bleibe meinem Beruf ge- 
freu. (Der alte und der junge Schäfer fommen) Dei 
Seit, bei Seitz — hier ift noch mehr Stoff für ein feu- 
riges Gehirn. Jede Gaſſenecke, jeder Laden, Kirche, 
Gißung, Hinrichtung giebt - einem aufmerffamen Mann 
was zu thun. 

Der junge Schäfer. 

Seht, ſeht; was ihr für ein Mann fein! es ift Fein 
ander Mittel, als dem Rönige zu fagen, daß fie ein Wech- 
ſelkind und nicht euer Fleiſch und Blut ifl. 

Der alte Schäfer. 

Nein, aber höre mich, 

Der junge Schäfer, 

Kein, Hört ihr mich. 


Der alte Schäfer. 
Run, fo ſprich. on 





Das Wintermährden. IV, 8, 329 


Der junge Schäfer. | 

Da fie nicht euer Fleifch und Blut iſt, bat euer 
Zleifh und Blut den König nicht beleidigt; und fo Tann 
er euer Fleiſch und Blut nicht firafen. Zeigt die Sa⸗ 
hen, die ihe mit ihr gefunden habt, die geheimnißvollen 
Sachen alle, außer denen, die fie bei fich hat: wenn ihr 
das thut, dann mag ſich das Geſetz nur das Maul wi-‘ 
ſchen, dafür ſteh' ich euch. 

Der alte Schäfer. 

Ich will dem König Alles ſagen, jedes Wort, ja, 
und ſeines Sohnes Schelmerei auch, der, das kann ich 
wohl ſagen, kein ehrlicher Mann iſt, weder gegen ſeinen 
Vater, noch gegen mich, daß er ſo darauf aus war, mich 
zu des Könige Schwager zu machen. 

Der junge Schäfer. 

Ya wohl, Schwager war das Wenigfle, was ihr 
von ihm werden Tonntet; und dann wäre euer Blut foft- 
barer geworben, ich weiß nicht, um wie viel jede Unze. 

Autolyeus. (beifeit) 

Sehr verfländig, ihr Manlaffen! 

Der alte Schäfer. 
Gut, fomm zum König; wegen deffen, was in bie- 
fen Bündel iſt, wird er fih hinter den Ohren fraben. 
" Autolyens,. 
Ich weiß nicht, wie diefe Klage die Flucht meines 
Herrn hindern könnte. 
Der junge Schäfer. 
Gebe der Himmel, daß er im Schloß if. 
Autolyeus. 

Din ich auch von Natur nicht ehrlich, fo bin ichs 
doch zumeilen durh Zufall: — ich will meinen Haufl- 
rerbart in die Tafche fleden. — (Er nimmt fih feinen 
falſchen Bart ab) He da, Banersientel wo hinaus? 

Der alte Schäfer. 
Nah dem Palafl, mit Eurer Gnaden Erlaubniß. 


8330 Das. Wintermährchen. IV, 8. 


Autolyens. 

Ener Gefhäft dort? was? mit wem? die Beldhaf- 
fenheit dieſes Bündels ? euer Wohnort? euer Name? 
euer Alter? Bermögen? Familie? Alles, was zur Sache 
gehört, gebt es an. 

Der junge Schäfer ı 

Wir find nur fohlichte Leute, Herr. 

Autolyens. 

Gelogen; ihr feld rauh und behaart: laßt mid feine 
Lüge hörenz die ſchickt fi nur für Hanvelsleute, und 
fie werfen uns Soldaten oft Lügen vor: aber wir be= 
zahlen fie ihnen mit gefchlagener Münze, nicht mit ſchla⸗ 
gendem Eifen; darum ſchenken fie ung die Lügen nicht. 

Der junge Schäfer. 

Euer Gnaden hätten ung bald eine Rüge vorgewor- 

fen, Hättet ihr euch nicht auf friiher That ertappt. 


Der alte Schäfer. 
Seid ihr vom Hofe, Herr, wenn es erlaubt ift? 


Autolycus. 

- &s mag erlaubt feyn oder nicht, fo bin ich vom 
Hofe. Sieht du nicht die Hofmanier in diefer Umbhul- 
Yung? bat mein Gang nicht den Hoftaft? firömt nicht 
von mir Hofgeruh in deine Nafe? beftrahle ich‘ nicht 
deine Nievrigfeit mit Hofverachtung? Denfft da, weil 
ich mich in dein Anliegen hinein vertiefe, und es ans 
dir herauswinden möchte, ich fei deßhalb nicht vom Hofe? 
Ich bin ein Hofmann von Kopf zu Fuß; und einer, der 
dein Gefchäft entweder vorwärts bringen oder hinter- 
treiben wird: deßhalb befehle ich dir, mir dein Anliegen 
zu eröffnen. 

Der alte Schäfer. 
Mein Gefchäft geht au den König, Herr. 


Autolyens. 
Bas für einen Abdvokaten haſt du dazu? 


Das Wintermährden. IV, 8. 331 


Der alte Schäfer. 
Ich weiß nicht, mit Verlaub. 
Der junge Schäfer. 
Advokat iſt der Hofausdruck für Faſan; fagt, daß 
ihr keinen habt. 
Der alte Schäfer. 
Ich habe keinen Faſan, weder Hahn noch Henne. 
Autolycus. 
Sie glücklich wir, die nicht fo ſimpel find! 
Doc konnte mich Natur wie diefe fihaffen, 
Drum will ich nicht verachten. 
Der junge Schäfer. 
Das muß gewiß ein großer Hofmann feyn. 
Der alte Schäfer. 
Seine Kleider find reich, aber er trägt fie nicht hübſch. 
Der junge Schäfer. 
Se feltfamer, deſto vornehmer; ein großer Mann, 
dag verfichre ich euch; man fieht es an feinem Zähne- 


flochern. 
Autolyens. 

Das Bündel da, was iſt in dem Bündel? Was 
fol die Büchſe? J 
Der alte Schäfer. 

Herr, in dieſem Bündel und dieſer Büchſe liegen 
ſolche Geheimniſſe, die nur der König wiſſen darf: und 
die er auch noch dieſe Stunde wiſſen ſoll, wenn ich bei 
ihm vorgelaſſen werde. 

Antolyens. 

Alter Menſch, du haft deine Mähe verloren. 

. Der alte Schäfer. 

Warum, Herr? 

Autolyens. 

Der König ift nicht im Palaſt; er iſt an Bord ei- 
nes neuen Schiffes gegangen, um die Melancholie aus- 
zutreiben, und fich zu zerfirenen; denn, wenn in bir Faf- 


332 Das Wintermährden. IV, 3. 


fungstraft für ernfle Dinge iſt, fo wiſſe, der König iſt 
vo Kummer. 
Der alte Schäfer. 

So fagt man, Herr; wegen feines Sohnes, der ei- 
nes Schäfers Tochter heirathen wollte. 
Autolyeus. 

Wenn der Schäfer nicht fihon in Haft iſt, fo möge 
er fliehn; die Flüche, die über ihn ausgefprochen werben 
ſollen, die Martern, die er dulden foll, brachen wohl bie 
. Kraft eines Mannes, und das Herz eines Ungeheuers. 

Der junge Schäfer. 

Glaubt ihr das, Herr? 

Autolyeus,. 

Nicht er allein fol alles ertragen, was der Scharf- 
finn Schweres, die Rache Bitteres erfinnen kann; fon- 
dern auch Alle, die mit ihm verwandt find, wenn auch 
nur im funfzigften Grade, fallen dem Henfer anheim: 
obwohl dieß fehr betrübt ift, fo ıft es doch nothwendig. 
Ein alter fchaafziehender Spitzbube, ein Hammelpfleger, 
der fest fihs in den Kopf, daß feine Tochter majeflä- 
tifch werden fol! Einige fagen, ex ſoll gefleinigt wer- 
ben; aber der Tod wäre zu gelinde für ihn, fage ich: 
unfern Thron in eine Schaafshütte zu ziehn! alle To- 
besarten zuſammen find zu wenig, bie ſchwerſte zu leicht. 

Der junge Schäfer. 

Hat der alte Mann etwa einen Sohn? Habt ihr 

nichts davon gehört, wenn man fragen darf? 
Autolyeus. 

Er hat einen Sohn; dieſer ſoll lebendig geſchunden, 
dann mit Honig beſtrichen und über ein Wespenneſt ge- 
flellit werben; dort bleiben, bis ex brei Viertel und ein 
Achtel todt iſt: dann mit Aquavit oder einer andern 
hitzigen Einflögung wieder zum Leben gebracht werben: 
dann, fo roh wis er if, und an bem heißeſten Tage, 
den der Kalender prophegeit, gegen eine Ziegelmauer ge» 





Das Wintermährdhen. IV, 3. 333 


flellt werben, woſelbſt ihn die Sonne mit füblihem Auge 
anfchaut, und er fie wieder anflarren muß, bis er von 
Fliegen tobt geflochen ifl. Aber was fprechen wir von 
dieſen verrätherifchen Spiäbuben, deren Elend man nur 
belachen Tann, da ihr Berbrechen fo ungeheuer ift? Sagt 
mir, denn ihr fcheint ehrliche, einfache Leute, was ihr 
bei dem König anzubringen habt; da ich gewiffermaßen 


in einem freundlichen Verhältniß mit ihm bin, will ich 


euch zu ihm an Bord bringen, eure Perfonen feiner huld⸗ 
reihen Gegenwart vorftellen, ihm zu eurem Beſten ins 
Ohr flüfternz und wenn anfer dem König Jemand im 
Stande iſt, euer Begehr durchzuſetzen, fo fteht Hier ein 
Mann, der e8 vermag. 

Der junge Schäfer. 

Er ſcheint von außerorbentlihem Einfluß zu ſeyn; 
macht euch an ihn, gebt ihm Gold; und ift auch bie 
Größe ein flörriger Bär, fo wird fie doch oft durch Gold 
bei der Nafe herum geführt; zeigt das Inwendige enreg 
Beutels dem Auswendigen feiner Hand, und damit gut: 
denkt nur, gefteinigt und lebendig gefchunven, 

Der alte Schäfer. 

Wenn ihr bie Gnade haben wollt, unfre Sache zu 
übernehmen, fo ift hier alles Gold, das ich bei mir habe; 
ich will noch mal fo viel holen, und dieſen jungen Dann 
bier zum Pfande Iaffen, bis ich es euch bringe. 

Autolyens, 
Wenn ich gethan babe, was ich verfprach? 
Der alte Schäfer. 
9a, Herr. 
Autolyeus, 
Gut, fo gieb mir die Hälfte, — biſt du auch in 
diefer Sache betheiligt? 
Der junge Schäfer. 
Gewiffermaßen, Herr; ſollte es mir auch an bie 


334 Das Wintermährien IV, 3 


Haut gehn, fo kofre ich doch, man wird mich nicht aus 
ihr berausichinden. 
Autolyens. 

D nein, das ift nur der Fall bei des Schäfers 
Sohn; — an den Galgen mit ihm, an ihm muß man 
ein Exempel flatuiren. 

Der junge Schäfer. 

Ein ſchöner Troſt! Wir müſſen zum König, und 
ihm unfre wunderlichen Gefchichten zeigen; er muß er- 
fahren, daß fie weder eure Tochter noch meine Schwe⸗ 
fer iſt; fonft ift es aus mit ung. Herr, ich will euch 
eben fo viel geben, wie diefer alte Mann, wenn bie 
Sache durchgeführt iſt, und wie er fagt, als Pfand bei 
euch bleiben, bis er es bringt. 


Anutolyeus. 

Ich will euch trauen. Geht voraus nad dem Ufer, 
geht da nur rechts Hinz sch will nur einmal über die 
Here ſehen, und euch gleich nach kommen. 

Der junge Schäfer. 
| Diefer Dann ift uns ein Segen, das muß man 
fagen, ein wahrer Segen. 

Der alte Schäfer. 

Laß uns voraus gehn, wie er ung befahl; er iſt 
recht Dazu beftelit, ung Gutes zu thun. 

(Die beiden Schäfer gehen ab) 
Autolyeus. 

Wenn ich auch Luft Hätte, ehrlich zu feyn, fo ſeh' ich 

doch, das Schickſal will es nicht; es Taßt mir die Beute 
in ben Dund fallen. Ein doppelter Vortheil bewirbt 

fih jest um mich: Gold, und ein Dlittel, dem Prinzen, 
meinem Deren, Liebes zu thunz wer weiß, wie mir das 
noch einmal zu Gute kommt? Sch will dieſe beiden 
blinden Maulwürfe an Bord bringen zu ihm; wenn ers 
für gut hält, fie wieder ans Ufer zu feben, und betrifft 





Das Wintermährchen. V, - 335 


die Klage, die fie dem König ambringen wollen, ihn 
nicht, fo mag er mich, für meine zu große Dienſtfertig⸗ 
feit, einen Schelm nennen; denn „gegen biefen Titel und 
die Schande, die dazu gehört, bin ich geſtählt. Ich will 
fie ihm vorftellen, es Tann doch zu etwas führen. 

(Er geht ab) 





Fünfter Aufzug. 


Erfte Scene. 
Sicilien, Palafl. 


(88 treten auf Leontes, Kleomenes, Dion, PBanlina 
und Andre) 


Cleomenes. 

Mein Fürſt, ihr habt genug gethan, gebüßt 
Gleich einem Heil'gen; was ihr immer fehltet, 
Habt ihr dadurch geſühnt; ja, ihr bezahltet 
Mehr Neu’, als Sünde ihr begingt. Zum Schluß, 
Thut wie der Himmel that, vergeßt Gefchehnes; 
Verzeiht e8 euch, wie er. 

Leontes. 

So lang' ich ihrer 

Gedenk' und ihrer Tugend, kann ich nimmer 
Der eignen Schmach vergeſſen; ſtets ja quält mich 
Das Unrecht, das ich ſelbſt mir that, fo groß, 
Daß es mein Reich der Erben hat beraubt; 
Zerftört die holdſte Frau, die einem Dann 
Se fuße Hoffnung gab. s 

Paulina. 

Wahr, allzu wahr, mein Fürſt. 


336 Das Wintermährchen. V,1. 


Wenn, Weib auf Weib, die ganze Welt ihr freitet, 
Wenn ihr von jeder etwas Gutes nähmet, 
Und ſchüf't das beſte Weib; die ihr erſchlugt, 
Wär’ dennoch unerreicht. 
Leontes. 
Sa wohll erſchlagen: 
Die ich erſchlug —. Ich thats, doch du verwundeſt 
Mich tödtlich, da du's ſagſt; gleich bitter iſts, 
Wenn du es ſprichſt, als wenn ichs denle — Liebe, 
- Sprich fo nur ſelten. 
Cleomenes. 
Niemals, werthe Frau. 
Ihr Fönntet tanfend Dinge fprechen, welche 
Der Zeit mehr ziemten, und euch freundlicher 
Uns zeigen möchten, 
Pauline, 
Ihr ſeid einer derer, 
Die neuvermählt ihn wünfchen. 
Dion. | 
Wünſcht ihre nicht, . 
So liebt ihr nicht das Land, nicht feines Namens 
Erlauchte Fortpflanzung; erwägt nur wenig, 
Was für Gefahr, da Finderlos der Herr, 
Dem Reiche droht, auch die verfählingen Tann, 
Die dieß gleichgültig fehn. Iſt es nicht fromm, 
Wenn wir die Seligfeit der KRön’gin preifen? 
Iſt es nicht frömmer noch, — um Kronenerben, 
Um gegenwärt’gen Troft und fünft’ges Heil, — 
Das Bett der Majeftät aufs Neun zu fegnen 
Mit einer Holden Gattin? 
Paulina. 
Kein' iſts werth, 
Denft ihr an fie, die ſtarb. Auch will die Gottheit, 
Daß ihr geheimer Rathſchluß werd’ erfüllt... 
Denn fprach nicht fo der himmliſche Apoll, 


Das Wintermährien. v2. 337 


War das nicht des Orakels heil'ges Wort: 
Es fol Leontes keinen Erben haben, 
Bis fein verlornes Kind fih fand? Dieß tft 
Nach unfrer Einfiht eben fo unmöglich, 
Als daß Antigonus das Grab durchbräde, 
Und wieder zu mir kaͤme; der doch wahrlich 
Berdarb zufammt dem Rind. Iſts euer Wille, 
Daß unfer Herr dem Himmel widerſtrebt, 
Und feinem Rathſchluß trogt? — Sorgt niht um 
Herrſcher; 
Es find't das Reich den Erben. Alexauder 
Ließ feins dem Würdigften; fo wars vermuthlich 
Der Befte, der ihm folgte. 
Leontes. | 
O, Paulina, — 
Sch weiß, du Gute hältft das Angedenken 
Hermionens in Ehren. Hätt’ ich immer 
Mich deinem Rath .gefügt! — dann könnt' ich jeht 
In meiner Kön’gin helles Auge fchaun, 
Schätz' ihrer Tipp’ entnehmen. 
Paulına. 
Die dann reicher 


Durch Geben ward. 
Leontes. 


DI du ſprichſt wahr. 
So giebts Fein Weib mehr; drum Fein Weib; ein fchlechtres 
Und mehr geliebt, trieb’ ihren fel’gen Geift 
In ihren Leichnam, und auf diefe Bühne, 
Wo ich, ihr Mörder, ſteh'; und rief? im Schmerz: 
Warum gefhieht mir das? 
Pauline. 


MWär’s ihr vergönnt, 
Sie fpräche fo mit Recht. 
Leontes. 
Gewiß, und würde 
Zum Morde mich der zweiten Frau entflammen, 
IX. 22 


- 


338 Das Bintermährchen, v,1. 


| Paulina. 
Bär’ ich der irre Geiſt, ich kaͤme dann, 
Und hieß’ euch ſchaun in jener Ang’, und fragte, 
Ob ihr um diefen matten Blick fie wähltet; 
Daun Treifcht’ ich auf, daß euer Ohr zerriffe, 
Und fchiede mit dem Wort: Gedenke mein. 
Leontes. 
Da, Sterne, Sterne warens, 
Und alle andern Augen todte Kohlen! — 
D, fürchte du fein Weib, 
Ich will fein Weib, Panlina. 
Paulina. 
Wollt ihr ſchwören, 
Nie, bis ich beigeſtimmt, euch zu vermählen? 
Leontes. 
Niemals, bei meiner Seele Heil, Paulina. 
Paulina. 
Ihr, werthe Herrn, ſeid Zeugen ſeines Schwurs. 
Cleomenes. 
Ihr quaͤlt ihn allzuſehr. 
Paulina. 
Bis eine Andre, 
Hermione fo ahnlich wie ihr Bild, 
Sein Auge ſchant. 
Cleomenes. 
O, laßt — . 
(Leontes giebt ihn einen Winf) 
Ich ſchweige ſtill. 
Paulina. 
Doch will mein König ſich vermählen, wollt ihr, 
Wollt ihr durchaus, ſo überlaßt es mir, 
Die Gattin ihm zu wählen; nicht fo jung 
Bie eure erſte ſoll fie ſeyn, doch fo, 
Daß, kam' der erfien Kön'gin Geiſt er freudig 
In eurem Arm fie fähe. | 


Das Wintermährdhen. V,1. 3% 


Leontes. 
Treue Freundin, 
Nur, wenn du's willſt, vermählen wir uns. 
Paulina. 
Das 
Iſt nur, wenn eure Kön'gin wieder lebt; 
Bis dahin nie. 
(Sin Edelmann tritt auf) 
Edelmann. 
Ein Züngling, der Prinz Flortzel fi nennt, 
Den Sohn Polyrenes, mit feiner Gattin: 
Die fchönfte Fürftin, die ich je gefehn, 
Wünſcht Eurer Hoheit fih zu nahn. 
Leontes. 
Wer mit ihm? 
Er kommt nicht in des Vaters Glanz, fein Nahn 
Sp ohne Förmlichkeit, fo plöglich, ſagt uns, 
Nicht vorbebacht fei der Befuch; erzwungen 
Durch Noth und Zufall nur. Was für Gefolge? 
Edelmann. 
Geringe nur und Wen’ge. 
Leontes. 
| Die Gemahlin, 
So fagft du, mit ihm? 
Edelmann. 
Ja, das herrlichſt' fchönfte 
Geſchöpf, das je die Sonne nur beglänzte. 
| Pauline. 
D Hermione! 
Wie jede Gegenwart fih prahlend Höher 
Als beff’ve Borzeit ftellt; fo wird dein Grab 
Auch jebt geſchmäht vom Neuften. Herr, ihr felbft, 
Ihr fpracht, ihr fohriebt (doch nun iſt eure Schrift 
Kalt, wie ihr Gegenfland), fie war niemals 
Und. wird auch nie erreicht; — fo trug en'r Lied. 
22* 


340 Das Wintermährchen. V, 1. 


Ihr Lob in hoher Flut, ſehr warb es Ebbe, 
Da ihre jet eine ſchöner preift, 

Edelmann. 

Verzeiht! 

Die Ein' iſt faſt vergeſſen, zürnt mir nicht; 
Doch dieſe, wenn fie euer. Aug’ entzückte, 
Stimmt eure Zunge auch. Sie ift ein Wefen, 
Das, lehrt fie Keberei, den Eifer Löfcht 
Ju jedem Gläub’gen, Profelyt wird jeder, 
Wenn fie ihn folgen heißt. 

Paulina. 

Wie? auch die Frauen? 


Edelmann. 
Die Frauen Tieben fie, weil Frau fie iſt, 
Mehr werth, als alle Männer; und die Männer, 
Weil fie der Frauen fchönfte. 


Leontes. 
Geh, Cleomenes; 
Du felbft mit deinen würb’gen Freunden, führt 
In unfre Arme fie. . 
(Eleomenes mit mehrern Andern ab) 
Doch feltfaom immer 
Der unverfehne Gruß. 


Paulina. 
Sah unſer Prinz, 

Das Kleinod unter Kindern, dieſen Tag, 
War er mit dieſem Herrn ein ſchönes Paar; 
Denn dieſer Prinz war kaum vier Wochen älter. 

Leontes. 
Ich bitte dich, nichts mehr, hör' auf; du weißt, 
Er ſtirbt mir immer wieder, neunſt du ihn; 
Erblick' ich dieſen Prinzen, kann dein Wort 
In mir Gedauken weden, die mich Yeicht 
Beranben könnten der Vernunft. — Sie kommen. 


Das Wintermährden. V, J. 341 


( Gs treten auf Eleomenes, Slorizel und Perdita mit 
Gefolge) | 
Prinz, eure Mutter war dem Eh'bund treu; 
Denn eures eveln Baters Bild empfing fie, 
In euch geprägt; wär’ ich jegt einundzwanzig — 
Sp ähnlich ſtellt ihre euren Vater dar, 
Sein ganzes Weſen — Bruder nennt’ ich euch, 
Wie ihnz erzählt’ euch einen Schwanf, den beide 
Wir ausgeführt. Seid herzlich mir willfommen! 
Und eure fhöne Fürfiin! — Göttin! — Ad! 
Ein Paar verlor ich; zwiſchen Erd' und Himmel 
Ständ’ es wohl fo jekt da, Bewundrung zeugend, 
Wie ihr, holdſel'ges Paar! und dann verlor ich 
Durch eigne Thorheit Alles, die Gefellichaft, 
Ja, Sreundfchaft eures biedern Vaters; den,. - 
Bin ih auch gramgebeugt, ich gern im Leben 
Noch ein Mal wiederfäh’! 
Florizel. 
In ſeinem Auftrag 
Erſchein' ich in Sieilien, und von ihm - | 
Bring’ ich euch Grüße, wie ein Freund, ein König, 
Dem Bruder fenden mag; und wenn niht Schwädhe, 
Begleiterin des Alters, ihm vermindert 
Die rafche Kraft, fo hätt’ er ſelbſt durchmeſſen 
Die Meer’ und Länder zwifchen euren Rechen, 
Euch anzuſchauen, den er inn’ger liebt, 
Als alle Fürften — fo hieß er mich fagen — 
Die lebend jetzt regieren. 
Leontes. 
| O, mein Bruder, 
Dun Trefflicher! das‘ Leid, das ich dir that, 
Quaͤlt mich von nenem jest, und diefe Sendung, 
So ausgezeichnet freundlich, klagt fo herber 
Mein träges Saumen an. — O feid willkommen, 
Sp wie der Lenz der Flur, Und hat er auch 


342 Das Wintermährhen. V, 1. 


Dieb Wunder ausgefeßt dem granfen, ober 
Doch rohen Treiben des furchtbaren Meers, 
Den Mann zu grüßen, ihrer Müh' nicht werth, 
Biel ven’ ger feinethalb ihr Leben wagend. 
Florizel. 
Mein gnaͤd'ger Fürſt, ſie kommt von Libyen. 
Leontes. 
Wo Held Smalus gefürchtet und geliebt iſt? 
Florizel. 
Erlauchter Herr, von dort; von ihm, deß Thraͤnen 
Sm Scheiden fie als Tochter anerfannten: 
Bon da bracht’ ung ein günſt'ger Südwind ber, 
Um meines Vaters Auftrag zu erfüllen, 
Euch zu befuchen: meine erften Diener 
Hab’ ich gleich von Sieilien fort gefchiet, 
Nah Böhmen hin, um dort befannt zu machen 
Der Reife glüdiichen Erfolg in Libyen, 
Und mein und meiner Gattin fihre Landung 
Hier, wo wir find. 
Leontes, 
Die gnäd’gen Götter rein’gen 
Don ungefunden Dünften unfre Luft, 
Sp lang’ ihr weit! D, euer frommer Bater, 
Der gnadenvolle Fürft, an deffen Haupt, 
Dem heiligen, ich fo gefrevelt habe: 
Weßhalb der Himmel, zornentbrannt, der Kinder 
Mich hat beraubt; eu’r Vater ift gefegnet, 
Wie von dem Himmel ers verdient, durch euch, 
Werth feines edlen Sinnd. Was wär’ ich felbfl, 
Könnt’ ich auch jet auf Sohn und Tochter ſchaun: 
Solch wackres Paar wie ihr? 
(Ein Hofherr tritt auf) 
Hofherr. 
Mein gnaͤd'ger König, 
Unglaublich wirb euch fcheinen, was ich melde, 


Das Bintermährden. V, I. 343 


Doch gleich beftätigt ſichs. Mein hoher Herr, 
Perföntich grüßt euch Böhmen felbft durch mich: 
Bill, daß ihr feft nehmt feinen Sohn, der kürzlich, 
Den hohen Rang, die Pflichten all’ vergeffend, 
Bon feinem Vater floh, und feinem Erbtheil, 
Mit eines Schäfers Tochter. 

Leontes. 

Böhmen! — ſprich, wo iſt at 

Hofherr. 
Hier in der Stadt; ich fam von ihm fo eben. 
Berwildert red’ ich; wie das Wunderbare 
Mich zwingt und meine Botfchaft. Als er zum Hof 
Hieher geeilt, verfolgend, wie ich glaube, 
Dieß ſchöne Paar, erblickt' er auf dem Wege 
Den Vater dieſer vorgegebnen Fürſtin, 
Und ihren Bruder, die ihr Land verließen 
Mit dieſem Prinzen. 
Florizel. 
Mich verrieth Camillo, 
Deß Redlichkeit und Ehre jedem Wetter 
Bis jetzt getrotzt. 

Hofherr. 


Macht ihm den Vorwurf ſelbſt; 
Denn er iſt mit dem König. 
Leontes. 
Wer? Camillo? 

Hofherr. 
Camillo, Herr, ich ſprach ihn; er verhört 
Die Armen. Niemals fah ich noch Elende 
Sp» zittern; wie fie fnien, den Boden füffen, 
Berfihwören Leib und Seel’ in jedem Wort. 
Böhmen verflopft fein Ohr, und droht mit Tod 
Und tauſend Martern. 

Perdita. 

O, mein armer Vater! 


544 Das Wintermährden. V, 1. 


Der Himmel ſchickt ung Späher nah; er will nicht 
Erfüllung unfres Bunds. 
Leontes. 
Seid ihr vermählt? 
Florizel. 
Wir ſinds nicht, Herr, und werdens nun wohl nimmer! 
Eh werden Sterne noch die Thäler kuſſen. 
Leontes. 
Iſt dieß die Tochter eines Königs, Prinz? 
Flori zel. 
Sie iſt es, iſt fie einſt mit mir vermählt. 
Leontes. 
Dieß Einſt wird wohl durch eures Vaters Eile 
Sehr langſam nahn. Beklagen muß ich böchlıch, 
Daß ihr euch feiner Liebe habt entfrempet, 
Die heil'ge Pflicht euch war: beflagen muß ich, 
Daß die Gewählte Rang nicht hat wie Schönheit, 
Mit Recht euch zu verbleiben. 
Florizel. 
Muth, Geliebte! 
Obgleich das Schickſal ſichtbar uns verfolgt 
Durch meinen Vater, kanns doch unfre vriebe 
Nicht um ein Haar breit ſchwächen. — Herr, ich ditt' euch, 
Gedenkt der Zeit, da ihr nicht mebr als ich 
Dem Alter fchuldig wart: mit dem Wefuhl 
Seid mein Vertreter jedtz denn, wenn ihr birtet, 
Gewaͤhrt mein Bater Großes leicht wıe Zant. 
Leontes. 
Eu'r ſchönes Liebchen müßt’ er dann mir geben, 
Die er für Tand nur achtet. 
Paulina. 
Herr, mein Furſt, 
Eur Aug bat zu viel Jugend; einen Monat 
Bor eurer Rön’gin Tod, war folcher Blıde 
Sie würdiger, ale was ihr jet betrachtet. 


Das Wintermährchen. V, 2. 345 


Leontes. 
Nur ihrer dachte mein entzücktes Auge. — 
Doch unerwidert iſt noch eure Bitte: 
Zu eurem Vater eil' ich; hat Begier 
Gekraͤnkt nicht eure Ehre, bin ich ener, 
Und eurer Wünſche Freund: zu dem Geſchaͤft 
Geh ich ihm jetzt entgegen; folgt mir nun, 
Und feht, wie mirs gelingt. Kommt, ebler Prinz. 
(Alle ab) 


Zweite Scene 
Vor dem Palaſt. 
(Autolycus und ein Edelmann treten anf) 


Autolyeus. 

Ich bitte euch, Herr, waret ihr gegenwärtig bei bie- 
fer Erzählung ? 

Erſter Edelmann. 

Ich war bei dem Teffnen des Bündels, und hörte 
den Bericht des alten Echäfers, wie er ihn fand. Dar- 
auf, nach einem furzen Etaunen, hieß man ung Alle das 
Zimmer verlaffen; nur das, dünkt mich, hörte ich ven 
C chäfer noch fügen, er habe das Kind gefunden. 

Autolycus. 
Ich möchte gern den Ausgang wiſſen. 
Erſter Edelmann. 

Ich mache nur einen unvollſtändigen Bericht von der 
Sache; — aber die Verwandlung, die ich an dem König 
und Camillo bemerkte, war Zeichen einer großen Ver— 
wundrung; fie fehienen faft, fo ftarrten fie einander an, 
ihre Augnenlieder zu zerfprengen; es war Sprache in 
ihrem Berftummen, und Rede felbfl in ihrer Geberbe; 
fie ſahen aus, als wenn fie von einer neu entflandenen 
oder untergegangenen Welt gehört hätten: ſolche Ver⸗ 
zudung des Staunens war an ihnen fichtbar; doch die 
Hügften Zufchauer, die nichts wußten, als was fie fahen, 


346 | Das Wintermährchen. V, 2. 





konnten nicht ſagen, ob der Anlaß Freude oder Schmerz 
war: aber der höchſte Grad des einen oder des andern 
mußte es ſeyn, 
(Ein zweiter Edelmann tritt auf) 
Da kommt ein Herr, der vielleicht mehr weiß. Was 
giebts, Rogero? 
Zweiter Edelmann. 

Nichts als Freudenfeuer: das Orakel iſt erfüllt; des 
Königs Tochter gefunden. Sp viel wunderbare Dinge 
find in dieſer Stunde zum Vorſchein gekommen, daß es 
nicht Balladenmarher genug giebt, fie zu befingen. 
| (E:n dritter Evelmann tritt auf) 

Da kommt der Paulina Hahshofmeifter, der kann euch 

mehr erzählen. — Wie fleht es nun, Herr? diefe Neuig- 

feit, die man als wirklich befräftigt, fieht einem alten 

Mährchen fo ähnlich, daß ihre Wahrhaftigkeit fehr ver- 

bächtig ſcheint. Dat der König feine Erbin gefunden? 
Dritter Edelmann. 

Ganz gewiß, wenn die Wahrheit je durch Umſtände 
bewiefen ward: ihr möchtet ſchwören, das zu fehen, was 
ihr hört, folch eine Uebereinflimmung ift in den Bewei- 
fen. Der Mantel der Königin Hermione — ihr Juwel, 
das fie um den Hals zu tragen pflegte — des Antigonug 
Driefe, dabei gefunden, in denen fie feine Handſchrift er- 
fennen — die Majeflät des Mädchens, in der Achnlich- 
keit mit der Mutter — der Ausdruck von Adel, welcher 
zeigt, wie Natur höher fteht als Erziehung — und viele 
andre Zengniffe befunden fie, mit der aflergrößeften 
Sicherheit, als des Königs Tochter. Sahet ihr vie Zu- 
fammenfunft der beiden Könige! 

Zweiter Edelmann. 


Nein. 
Dritter Edelmann. 
Dann habt ihr einen Anblick verloren, den man ge⸗ 
fehen haben muß, den man nicht befchreiben Tann. Da 


Y 


Das Wintermäbrhen. V, 2. 347 


hättet ihr fehen können, wie eine Freunde die andre krönte; 
fo, auf ſolche Weife, daß es fchien, der Schmerz weinte, 
weil er fie. verlaffen folltes denn ihre Freude watete in 
Thränen. Da war ein Augenauffchlagen, ein Dände- 
emporwerfen, und die Angefichter in einer folchen Ver⸗ 
züctheit, daß man fie nur noch an ihren Kleidern und 
nicht an ihren Zügen erfennen mochte. Unfer König, als 
wenn er aus fich felbft vor Freude über feine gefundene 
Tochter flürzen wollte, als wäre biefe Freude plöglich ein 
Unglüd geworden, fihreit: D, deine Mutter! beine 
Mutter! dann bittet er Böhmen um Vergebung; dann 
umarmt er feinen Eidam, dann wieder zerbrüdt er fafl 
feine Tochter mit Umhalſungen; nun danft er dem alten 
Schäfer, der dabei fleht, wie ein altes verwittertes Brun- 
nenbild von manches Königs Regierung ber. ch hörte 
noch nie von einer folhen Zufammenfunft, die jede Er- 
zählung, welche ihr folgen möchte, Tähnıt, und bie Be— 
fhreibung vernichtet, die fie zeichnen will. 
Zweiter Edelmann. 

Doc, bitte, was ward aus Antigonus, der das Kind 
von bier fort brachte? 

Dritter Edelmann. 

Immer wie ein altes Mährchen, das noch Bieles 
vorzutragen hat, wenn auch der Glaube fehliefe, und fein 
Ohr es hörte: Er wurde von einem Bären zerriffen: 
dieß beflätigt der Sohn des Schäfers, den nit nur 
feine Einfalt, die groß ſcheint, rechtfertigt, fondern auch 
ein Schnupftuch und Ringe vom Manne, die Paulina 
erkennt, 

Erfter Edelmann. 
Was wurde ans feinem Schiffe und feinem Gefolge? 
Dritter Edelmann. 

Gefcheitert, in demfelben Augenblid, da ihre Herr 
ums Leben Fam, und im Angefichte des Schäfers: fo daß 
alle Werkzeuge, welche zur Ausfebung des Kindes bei- 


348 Das Wintermährchen. V, 2. 


tengen, gerade da unter gingen, als das Kind gerettet 
ward. Aber, ach, der edle Kampf, den Schmerz unb 
Frende in Paulina Tämpften! Ein Ange fenfte fih um 
den Berluft des Gatten, indem das andre fich erhob, weil 
das Orakel nun erfüllt wars; fie hob die Prinzeffin von 
der Erde auf, und ſchloß fie fo feft in ihre Umarmung, 
als wollte fie fie an ihr Herz beften, damit fie nur nicht 
von neuem verloren gehen möchte, 
Erfter Edelmann. 

Die Hoheit diefer Scene verbiente Könige und Für- 
fen als Zufchauer, denn von folchen warb fie gefpielt. 
Dritter Edelmann. 

Einer der rührendſten Züge von allen, und ber auch 
nach meinen Augen angelte (das Waffer befam er, aber 
nicht den Fifh), war, wie bei der Erzählung von der 
Königin Tode, mit der Art, wie fie unterlag (wunder⸗ 
voll erzählt und vom König betrauert), wie da flarres 
Hinhören feine Tochter durchbohrte: bis, vom einem Zei⸗ 
chen des Schmerzes zum andern, fie endlich, mit einem 
Ach! möchte ich Doch fagen, Thränen blutete; denn, das 
weiß ich gewiß, mein Herz weinte Blut. Wer am mei— 
flen Stein war, veränderte jetzt die Farbe; einige tau- 
melten ohnmächtig, alle waren tief betrübt: hätte bie 
ganze Welt dieß anfchauen fönnen, der Sammer hätte 
alle Völker ergriffen. 

Erfter Edelmann. 

Sind fie zum Hof zurüdgefehrt? 

Dritter Edelmann. 

Nein, da die Prinzeffin von der Statue ihrer Mut-. 
ter hörte, welche in Paulina's Verwahrung ift, — ein 
Bert, woran ſchon feit vielen Jahren gearbeitet ward, 
und das jetzt Fürzlich erft vollendet ifl, durch Julio Ro— 
mans, ben großen italienifchen Meiſter, der, wenn er ſelbſt 
Ewigkeit Hätte, und feinen Werken Odem einhanchen 
fönnte, die Natur um ihre Kunden brachte, fo vollkom⸗ 


Das Wintermährchen. V,2. 349 


men ifl er ihr Nachäffer: er hat die Hermione fo der Her- 
mione gleich gemacht, bag, wie man fagt, man mit ihr 
fprechen und Antwort erwarten möchte: dorthin, mit aller 
Gier der Liebe, find fie jeßt gegangen, und bort wollen 
fie zu Nacht effen. 

Erfter Edelmann. 

Ich dachte es wohl, daß fie dort etwas Wichtiges 
vor habe, denn feit Hermione’s Tode Hat fie ganz ge- 
heim das entlegene Haus täglich zwei oder drei Dial be- 
ſucht. Wollen wir hin, und durch unfre Gegenwart an 
der Freude Theil nehmen? 

Zweiter Edelmann. 

Wer möchte weg bleiben, der die Wohlthat des Zu- 
tritts genießen darf? mit jedem Augenwinf fann irgend 
eine neue Freude geboren werben: und unfere Abwefen- 
beit verfümmert und dag Mitwiffen. Laßt uns gehn. 

(Die drei Evelleute gehn ab) 
Autolyens. 

Set nun, Flebte nicht der Makel meines vorigen 
Lebens an mir, würde Beförderung auf mich nieder reg- 
nen. ch brachte den alten Mann und feinen Sohn auf 
das Schiff des Prinzen! fagte ihm, daß ich von einem 
Bündel hörte, und ich weiß nicht, was alles: aber er, 
eben zu beforgt um die Schäferstochter, dafür hielt er 
fie noch, welche anfing, fehr ſeekrank zu werben, und er 
nur um weniges beffer, weil der Sturm dauerte, Tonnte 
die Entdeckung des Geheimniffes nicht anhören. Aber 
das iſt Alles Eins für mich: wäre ich auch der Ausfin- 
der der Sache gewefen, würde e8 doch nicht meinen übri— 
gen Berunglimpfungen den fehlechten Geſchmack genom⸗ 
men haben. 

(Der alte und der junge Schäfer treten auf) 
Dier kommen die, denen ich Gutes that gegen meinen 
Willen, und fie erfiheinen ſchon in den Blüthen ihres 
Glücks. 


350 Das Wintermährden. V, 2. 


Der alte Schäfer. 

Nun, Zunge, ich werde Feine Kinder mehr befom- 
men; aber deine Söhne und Töchter werben alle als 
Edelleute geboren feyn. Ä 

Der junge Schäfer. 

Gott grüß’ euch, Herr: ihr wolltet euch neulich nicht 
‚mit mir fihlagen, weil ich Tein geburner Edelmann war: 
feht ihr dieſe Kleider? fprecht, daß ihre fie nicht feht, und 
haltet mich noch immer für feinen gebornen Edelmann: 
ihr. dürftet wohl gar fagen, diefe Putzſachen wären feine 
gebornen Edelleute. Straft mid jebt einmal Lügen, fo 
ſollt ihr erfahren, ob ich ein geborner Edelmann bin, 


Autolycus. 
Herr, ih weiß, daß ihr jet ein geborner Ebel- 
mann ſeid. 
Der funge Schäfer. 
3a, und das bin ich immer gewefen, feit vier Stunden, 
Der alte Schäfer. 
Ich auch, Junge. 
Der junge Schäfer. 
Ja, ihr auch: — aber ich war ein Edelmann gebo- 
ren vor meinem Bater: denn der Sohn des Königs nahm 
mich bei der Hand, und nannte mich Bruders; und dann 
nannten die beiden Könige meinen Vater Bruder, und 
dann nannten der Prinz, mein Bruber, und bie Prinzeß, 
meine Schwefter, meinen Vater Vater, und ba weinten 
wir: und das waren bie erflen Evelmanns- Thränen, die 
wir vergoffen. 
Der alte Schäfer. 
Gott ſchenke ung Tanges Leben, Sohn, damit wir 
noch viele vergießen. 
Der junge Schäfer. 
Sa; font wäre es ein wahres Unglüd, da wir in fo 
defpectablem Zuftande find. 


Das Wintermährchen. V, 2. 351 


Autolyens, 

Ich bitte euch demüthig, Herr, mir Alles zu ver⸗ 
zeihen ‚ was ich gegen Euer Gnaden gefehlt babe, und 
ein gutes Wort für mich bei dem Prinzen, a meinem Herrn, 
einzulegen. 

Der alte Schäfer. 

Ich bitte dich, Sohn, thue das, denn wir müſſen 
edel ſeyn, da wir nun Edelleute find. 

Der junge Schäfer. 

Willſt du deinen Lebenswandel beffern? 

Autolyens - 
‚Sa, wenn Ener Gnaben erlauben. 
Der junge Schäfer. 

Gieb mir die Hand: ich will dem Prinzen fchwören, 
daß du ein ehrlicher und aufrichtiger Menfch biſt, wie 
nur einer in Böhmen. 

Der alte Schäfer. 
- Sagen fannft du das, aber nicht ſchwören. 
Der junge Schäfer. 

Nicht fchwören, da ich nun ein Edelmann bin? 
Bauern und Bürger mögens fagen, ich will es be— 
ſchwören. 

Der alte Schäfer. 

Wenns aber falſch wäre, Sohn? 

Der junge Schäfer. 

Wenn es noch fo falſch iſt, ein ächter Edelmann kann 
es beſchwören, zum Beſten ſeines Freundes: — und ich 
will dem Prinzen ſchwören, daß du dich wie ein herzhaf- 
ter Kerl betragen und dich nicht betrinfen wirft; obwohl 
ich weiß, daß du dich nicht wie ein herzhafter Kerl be= 
tragen, und bich wohl beteinfen wirft; aber ich will es 
doch beſchwören — und ich wollte, du möchteſt dich wie 
ein herzhafter Kerl betragen. 

Autolyens. 
Ich will e8 werben, Herr, aus allen Kräften, 


352 Das Wintermährchen. V, 3. 


Der junge Schäfer. 

Sa, werde nur auf jeden Fall ein wadrer Kerl; 
wenn ich mich nicht verwundre, wie bu das Herz haſt, 
dich zu beteinfen, da du fein herzhafter Kerl bift, fo 
traue mir nie wieder. — Horch! der König und bie 
Prinzen, unfre Verwandiſchaft, gehn zu dem Bilde der 
Königin. Komm, folge ung; wir wollen beine guten 
Herren feyn. (Sie gehn ab) 


Dritte Scene 


Saal in Paulina's Haufe. 


(Es treten auf Leontes, PBolyrenes, Florizel, Ber: 
dita, Eamillo, Paulina, Hofherren und Gefolge) 
Leontes. 
-D, würbige Paulina, wie viel Troft 
Empfing ich flets von dir! 
Hanlına. 
Was, gnäd’ger Herr, 
Sch unrecht that, meint’ ich doch recht. Mein Dieuft. 
Iſt reich bezahlt, dadurch, daß ihr geruht, 
Mit eurem Bruder und den Neuverlobten, 
Einft Herrfihern hier, mein armes Hans zu fehn: 
Es iſt ein Uebermaaß von Huld; mein Leben 
Zu furz, um euch zu banken. 
Leontes. 
O, Paulina, 
Belaͤſt'gung dünkt dich Ehre. Doch wir kamen, 
Zu ſehn der Kön'gin Standbild; deine Säle 
Durchgingen wir, nicht ohne groß Ergötzen 
An mancher Seltenheit; doch ſahn wir nicht, 
Was meine Tochter ſehnlich wünſcht zu ſchaun, 
Der Mutter Bild. 
Paulina. 
Sp wie fie unvergleichlich 
Im Leben war, fo, glaub’ ich, übertrifft: 


Das Wintermährden. V, 8. "353 


Ihr todtes Abbild, was ihr je gefehn 
Und Menfchenhand je fihnf: drum halt’ ichs bier 
Liebend gefondert: fchaut, und feid gefaßt, 
Zu fehn, wie dieß lebendig höhnt das Reben, 
Mehr als ver Schlaf den Tod: hier; fagt, 's iſt gut. 
(Sie zieht einen Vorhang weg, man fieht eine Statue) 
Recht, daß ihr fchweigt, es drückt am beften aus, 
Wie ihr erflannt: doch ſprecht — zuerft, mein König, 
Iſts ihr nicht ziemlich gleich ? 
Leontes. | 
Ganz ihre Haltung! — 
Schilt mich, geliehter Stein; dann mag ich fagen, 
Du feift Hermione: doch mehr bift du's, 
Da du fo freundlich ſchweigſt; denn fie war mild, 
Wie Kindheit und wie Gnade. — Doch, Pauline, 
Hermione war nicht gealtert, fo 
Wie diefes Bildniß fcheint. 
Polyrenes. 
Nein, wahrlich nicht, 
Paulina. 
Um ſo viel höher ſteht des Bildners Kunſt, 
Der ſechzehn Jahre überhüpft, ſie ſchaffend, 
Als lebte jetzt ſie. 
Leontes. 
Wie fie jetzt noch könnte, 
Zum füßen Troft mir, fo wie nun ber Anblid 
Mein Herz durchſchneidet. Ol fo ſtand fie da, 
In fo lebend'ger Hoheit (warmes Leben, 
Bas kalt nun da fleht), als zuerſt ich warb. 
Ich bin befhämt: wirft nicht der Stein mir vor, 
Sch fei mehr Stein als er! — O, fürftlih Bild, 
In deiner Majeſtaͤt iſt Zaubermacht, 
Die meine Sünden neu herauf beſchwört, 
Dein ſtaunend Kind der Lebenskraft beraubt, 
Daß ſie da ſteht, ein Stein wie du! 
IX. 23 


354 Das Wintermährchen. V, 8. 


Perdita. 
Vergoͤnnt; 
Und nennts nicht Aberglanben, wenn ich knie, 
Und bitt? am ihren Segen. — Theure Rön’gin, 
Die endete, als ich begann zu eben, 
Reich mir die Hand zum Ruß. 
Pauline, 
O, nicht fo rafch! 
Das Bild iſt Fürzlich erſt vollendet, noch 
Sind nicht die Farben trocken. 
Camillo. 
Mein Fürſt, eu'r Schmerz iſt allzu tief gewurzelt; 
Da ſechzehn Winterſtürm' ihn nicht verweht, 
Noch ſechzehn Sommer ausgetrocknet: kaum 
Lebt Freude je fo lang', und Kummer nie, 
Er dringt fich früher felder um. 
Polyrenes. 
Mein Bruder, 
Laßt ihm, der Urfach Hiezu gab, das Recht 
So viel des Grams euch zu erleichtern, als 
Er gerne mit euch trägt. 
Pauline. 
Gewiß, mein König, 
Hätt’ ich gewußt, daß dieß mein armes Bild 
Euch fo bewegte (denn der Stein iſt mein), 
Ich haͤtt' es nicht gezeigt. 
Leontes. 
Zieh nicht den Vorhang. 
Paulina. 
Ihr ſollt nicht läͤnger ſchaun; in der Verzückung 
Glaubt ihr am End', es regt ſich. 
Leontes. 
Laß, o laß. 
Könnte mein Tod — doch fieh, — mich dünkt bereits — 
Ber war es, der dieß fhuf? — O feht, mein Fürſt, 


Das Bintermährden V, 8. 355 


Iſts nicht, ale ob es athmet? warmes Blut 
Durch diefe Adern fließt? 
Polyrenes. 
Ein Meifterwerf: 

Das Leben ſelbſt fpielt warm auf ihrer Lippe. 

Leontes. 
Der Glanz in ihrem Auge hat Bewegung. 
Kann uns die Kunſt ſo täuſchen? 


Paulina. 
Ich verhüll' es; 
Mein König iſt fo außer Faſſung; endlich 
Denft er noch gar, es lebt. 
Leontes. 
O theure Freundin, 
Mach', daß ich immer zwanzig Jahr ſo denke; 
Nicht die Vernunft der ganzen Welt kommt gleich 
Der Wonne dieſes Wahnfinns. Zieh nicht vor. 
Panlina. 
Es ängftet mich, daß ich euch fo erregt: 
Sch könnt' euch ſtärker noch erfchüttern. 


Leontes. 
Thu's; 
Denn dieß Erſchüttern iſt ſo ſüße Koſt, 
Wie je ein Labetrunk. — Mich dünkt noch immer, 
Es athmet von ihr her: welch zarter Meißel 
Grub jemals Hauch? O, ſpottet meiner nicht, 
Ich will ſie küſſen. 
Paulina. 
Nicht doch, theurer Fürſt, 
Die Röth' auf ihren Lippen iſt noch naß; 
Eu'r Kuß verdirbt es, und giebt euch von Oel 
Und Farbe Flecken. Schließ' ich jetzt den Vorhang? 
Leontes. 
Die zwanzig Jahre nicht. 
23 * 


856 Das Wintermährchen. V, 3 


Perdita. 
Auch ich fländ’ Hier 
So Iange wohl, e8 anzuſchaun. 
Paulina. 
Verlaßt 

Die Halle jetzt; wo nicht, bereitet euch 
Auf größres Staunen; wenn ihrs tragen könnt, 
. Sp mad’ ih, Daß das Bild fich regt, herab fleigt, 
Und eure Hand ergreift: Doch glaubt ihr dann 
(Was ich abſchwören mag), ich fleh’ im Bund 
Mit böfer Macht. 

Leontes. 

Was du ſie heißeſt thun, 

Das ſeh' ich an mit Freuden; was ſie ſprechen, 
Das hör' ich an mit Freuden: denn ſo leicht 
Machſt du ſie ſprechen wohl, als gehn. 


Paulina. 
Ihr müßt 
Den Glauben werden: und nun Alle fill; 
Und die, fo für ein unerlaubt Beginnen 
Dieß halten, mögen fort gehn. 
Leontes. 
Säume nicht; 
Jedweder bleibe. 
Paulina. 
Wecke ſie, Muſik! ( Muſik) 
Zeit iſts: ſei nicht mehr Stein, komm, ſteig' herab; 
Füll' Alle, die dich ſehn, mit Staunen. Nahe, 
Dein Grab verſchließ' ich: nun, ſo komm doch her; 
Dem Tod vermach' dein Starrſein, denn von ihm 
Erlöft dich frohes Leben. — Schaut, fie regt ſich. 
(Hermione fteigt herab) 
Erſchreckt nicht: Heilig iſt ihr Thun, und auch 
Mein Zauberſpruch ift fromm: nicht kehrt euch von ihr, 
Sonſt ſeht ihr wiederum ſie ſterben; dann 


Das Wintermährden. V, 8. 867 


Habt Ihr fie zwei Mal umgebracht. Die Hand herr 
Als fie noch jung, ba warbt ihr; jet, im Alter, 
Muß fie das Frei’n beginnen. 
Leontes. (indem er fie umarmt) 
Sie ift warm! 
Iſt dieß Magie, fo fer fie eine Kuuft, 
Erlaubt wie Eſſen. 
Polyrenes. 
Sie umarmt ihn wirklich. 
Camillo. 
Gie hängt an feinem Hals; 
Und lebt fie dann, fo mag fie fprechen auch. 
Polyrenes. 
Ya, und verkünden, wo fie hat gelebt, 
Wie fie dem Tod’ entronnen. 
Panlina. 
Daß ſie lebt, 
Wenn mans euch ſagte, würdet ihrs verlachen 
So wie ein altes Mahrchen; doch ihr ſeht, 
Sie Lebt, ſpricht fie gleich nicht. Nur noch ein Weilchen. — 
Ihr, fehönes Kind, müßt dieß bewirken: niet, 
Um eurer Mutter Segen. — Theure Fürftin, 
Schaut her, gefunden unfre Perbita, 
(Perdita kniet vor ber Königin) 
Hermione. 
Ihr Götter, blickt herab, 
Und Gnade gießt aus euren heil’gen Sqalen 
Auf meiner Tochter Haupt! — O ſprich, mein Einz'ges, 
Wie du gerettet wardſt, wo bu gelebt? ’ 
Wie her zum Vater kamſt? dann wifle bu, 
Ich, — durch Paulina Hörend, das Drafel 
Gab Hoffnung, daß du lebſt, — verbarg mich Bier, 
: Den Schluß erwartend. 
Panlina. 
Spart dieß andern Stunden; 


358. Das Wintermährchen. V, 8. 


Sonſt fragt, erzählt im Schreck Hier Jeder, trübt 
Den Bonnetanmel fo. — Geht mit einander, 
Ihr feligen Gewinner: nur Entzüden 
Sprecht Alle jetzt. Ich alte Turteltaube 
Schwing’ mich auf einen dürren Aft und weine 
Um meinen Gatten, der nie wieder kommt, 
Bis ich geflorben bin, Ä 

Leontes. 

Paulina, nein; 
Du mußt von meiner Hand den Gatten nehmen, 
Wie ich von dir ein Weib: ſo wars beſchloſſen, 
Beſchworen unter uns. Du fandſt die Meine, 
Wie, muß ich noch erfahren: denn ich ſah fie, 
Sp glaubt’ ich, tobt; und manch Gebet, im Wahn, 
Sprach ich auf ihrem Grab. Nicht fuch’ ich weit 
(Da mir fein Sinn zum Theil befannt) für dich 
Den ehrenvollen Gatten: — Komm, Camillo, 
Nimm ihre Hand: du, deffen Chr’ und Treue 
Sp wohl bewährt, und Hier befräftigt ift 
Bon zweien Königen. — Kommt fort von hier. — 
Wie? — ſchau auf meinen Bruder — O verzeiht, 
Daß zwifchen euren frommen Blicken je 
Mein böfer Argwohn fland, — dieß ift dein Eidam, 
Und biefes Königs Sohn, durch Himmelsfügung 
Berlobt mit deiner Tochter. O Paulina, 
Führ' uns von hier, daß dann mit beff’rer Muße 
Ein Jeder frag’ und höre, welche Rolle 
Wir in dem weiten Raum ber Zeit gefpielt, 
Seit wir zuerfi ung trennten. Folgt mir ſchnell. 

(Alle ab) 


Anmerfungen. 


Die Iuftigen Weiber von Windſor. 


Wir haben zwei Editionen biefer Comödie. Das Stück 
wurde ſehr wahrfcheinlich 1599 oder 1600 zuerft aufgeführt, 
und fo wurde es 1619 gebrudt. Gs ift viel fürzer als die fpär 
tere Umarbeitung, und in jeder Scene, ja fat jeder Rede, ab- 
weichend ; doch möchte man hie und da dieſen erften Entwurf 
der fpätern Ausführung vorziehn. Malone fegt diefe Umarbei⸗ 
fung in das Jahre 1603;. ich vermuthe, daß fie fpätern Urs 
fprungs if. 

©. 6. 3.6.0. 0. Das Gatter ift uralt. — Um den 
Späßen des Originals, die fich nicht übertragen lafien, irgend 
nahe zu fommen, ift der Ueberfeger hier mit einiger Freiheit 
verfahren. 

S. 12. 3. 12. v. Nugfnader Humor — the nut- 
hook’s humor — nicht, wie Steevens meint, Anfchultigung 
ber Tieberei, fondern Nym vergleicht den dünnen Schmädtig 
jener Stange, die oben einen Hafen bat, und mit welcher Nüfle 
oder andere Früchte vom Baum gebrochen werden. Die Quarto 
liefet base humour, vielleicht, weil der Ausdruck ſchon damals 
nicht allgemein verftanden wurde, denn biefe Quaxt iſt von 1630. 


&.19. Dritte Scene. Der Wirth. Auch bei dem Humor 
nnd den angewöhnten Sprichwörtlichfeiten dieſes Charakters hat 


ſich der Veberfeker große Freiheiten nehmen müflen, um das 2es 


benbige und Dialogifche des Originals ſich nur irgend anzueig- 
nen. Beim erftien Anbli zeigt ſich, daß diefer Host of tlıe 
Garter und Blague, the Host im Luftfpiel the merry devil 
ot Kdmonton (Dodsley’s old plays, Vol. V.) eine und biefelbe 
Berfon find, was Rede, Humor und Manier des Auspruds bes 
trifft. Einer von beiden Dichtern, Shafspeare oder der unbe: 
Iaunte, ift alfo Nachahmer. The merry devil wurde ſchon vor 
3604 geſpielt. S. Alt:Englifhes Theater von Tieck, Bd. IL. 
und die Vorrede. Es bleibt einer genauern Kritik überlaflen, 


360 Anmerkungen. 


zu unterfuchen, ob die profalfchen Scenen jener Comödie von 
Sh. herrühren mögen. 

©. 21. 3.2. v. 0. Er wurde im Trunf erzeugt: ift 
das nicht ein eingefleifhter Humor? — He was gotten 
in drink, is not the humour conceited? — Bon conceive, 
empfangen, fchwanger werden, in Nym’s Weile. — Das Fol: 
gende, welches die gewöhnlichen Ausgaben noch hinzufügen: His 
mind is not heroik, and there’s the humour of it, — fehlt 
in unfrer Weberfegung, weil diefe Stelle ſich nur in der erften 
Edition findet, der die englifhen Editoren fonft nirgend folgen. 
Diefe unfritifche Art, nach welcher unfer angenommener Tert will: 
kührlich bald aus den beften, bald aus mangelhaften Editionen 
giebt, die der Dichter nachher felber verwarf, ift ſchon bei andern 
Gelegenheiten bemerkt worden. In den frühern Ausgaben fehlt 
dafür jene hier überfebte Stelle ganz; dem Dichter waren bie 
früheren Morte offenbar zu unbebeutend, er febte die jegigen, 
und die Editoren fügen beide an einander. 


©. 32. 3.17. v. Grau Page: — „denn wenn 

gleich Liebe die Bernunft als verdammenden Inqui— 
fitor zuläßt“ — for though Love use reason for his pre- 
cisian — bie firengften Puritaner, die die gewöhnlichen in Mo- 
zal, Religion und Sitten übertreffen und überbieten wollten, 
wurden oft precisians genannt; Falftaff jchreibt alfo: Amor, 
oder die Liebe, gebraucht die Vernunft wohl, um die Liebe felbft 
zu verbammen, oder fie nicht anzuerkennen: foll aber dieſe berbe 
Strenge nicht angewendet werben, fo ift diefe Vernunft ald Rath: 
geber ganz unbrauchbar. — Schon früh erklärte Warburton fo 
diefe Stelle, die Feine Schwierigfeit hat, doch Sohnfon und Ans 
dre haben unnöthige Emendationen und zu diefen überflüffige Er: 
Härungen herbei gebracht. 


S. 33. 3.5. v. 9. Diefer flämifhe Trunfenbeold — 
duch die Verbindung mit den Niederlanden, feit 1583, 1584, 
scheint das Lafter der Trunfenheit, welches die englifchen Krieger 
dort nachahmten, fich in London und England mehr verbreitet 
zu haben. Auch bei uns ift der Ausdruck flämifch für grob, 
angezogen, unmäßig, ſprichwörtlich geworben. 

©. 34. 3.7.0.0. Frau Bage — „Nun, um folde 
Nitterfchaft ſtehts oft nurflitterhaft 20.” — Das Enge 
Yifche, welches felbit den Commentatoren nicht ganz deutlich war, 
Heß fich nicht übertragen: These knights will hack; and so 
thou shouldst not alter the article of thy gentry. — In den 
erfien Ausgaben finden ſich diefe Reden nicht; als Jacob I. bei 
feiner Thronbefteigung und auch nachher zu viele Ritter Treirte, 
verlor diefe Würde viel von ihrer Bedeutung, man fcherzte und 
fpottete über die vielen Ritter, die ſich durch nichts ausgezeichnet 


Aumerkungen. 361 


hatten; ehedem waren fie oft im Felde gefchlagen worden, vor 
ober nad) der Schlacht; jept wurden am Hofe Schmeichler, un⸗ 
bedeutende Menfchen, oder diejenigen, die eine Summe für diefe 
Gunſt zahlten, zu Rittern im Balaf, auf der Fußdecke, upon 
the carpet, helälagen. Carpet-knight fommt nun oft als 
Spott vor. Hack-knight oder Hackney gleichbedeutend, ein 
Klepper, Miethyferd, eine Befchimpfung der Frauen, welche bier 
nicht paßt; Ford felbft, fagt Frau Page, wird, falls er Nitter 
werden follte, der Bürgersmann, doch nur ein hack-knight 
hackney feyn. 


©. 34. 3.16. v.u. Als der hundertſte Pfalm und 
die Melodie vom grünen Grmel — to the tune of 
green sleeves. Die Mode, dag Frauen fowohl wie Männer 
doppelte Ermel an ihren Ueberkleidern trugen, hat fih in Eng⸗ 
land lange erhalten. Diefe Exmel, oft weit und hängend, waren 
von verfchicdenen Barben, — warum diefe grünen Grmel, oder 
eine Frau, welche fie getragen, fchon früh anftößig wurden, ift 
jegt nicht mehr zu ermitteln. So viel aber ift gewiß, dag unter 
jenen Bolfsliedern oder auch den fogenannten Gaſſenhauern das 
Lied von den grünen Srmeln eins ver befannteften, waährſchein⸗ 
lih aud eins der anftößigften war, denn als ein foldyes wird es 
fehr oft erwähnt. Als die Puritaner fih mehr ausbreiteten, 
widerſetzten fie fich aller Muſik und allem Gefange; fie wollten 
nur das Singen der Pfalmen geftatten. Diefe Pſalmen waren 
aber, dem Bolfe vorzüglich, durch ihre Gintönigfeit fehr unan- 
nehmlih. Um Proſelyten zu gewinnen, verfucht der flarfe Be⸗ 
kehrungseifer zuweilen feltfame Wege. So gefchah es denn, daß 
man Bialne fo einrichtete, daß fie zu beliebten Volks⸗Melodieen 
in den Berfammlungen gelungen werden fonnten; es fcheint auch, 
dag manche Herzen durch dieſe Nachgiebigfeit find gewonnen 
worden, und daß das Ohr der firengen Puritaner felbit ſich ge⸗ 
wöhnte, und dieſe Gaſſenmelodieen und Iuftigen Weifen nicht 
mehr anftößig fand. Wurde alfo, wie es wahrfcheinlich if, eins 
der beliebteften aber auch loderften und anftößigften Liedchen „von 
den grünen Ermeln“ auch als Pſalm abgefungen, fo ift bier der 
Scherz des Dichters Iufliger und fehlagender, als man beim erflen 
Anblick gewahr wird. 

S. 35. 3.4.0.0. Frau Page — „Lieber möht’ ich 
unter dem Berge Pelion liegen.“ — So viel au bei 
uns Deutfchen und Engländern in neuern Zeiten gelefen wird, 
fo würde man ed doch unnatürlich nennen müflen, wenn ein 
Dichter eine einfache Bürgerfrau fo gelehrt wollte fprechen laflen, 
- wie e8 bier gefchieht, und wie anderswo Shafspeare und feine 
Zeitgenofien jüngere und ältere Frauen mit Anfpielungen auf 
Gabel und Mythologie reden lafien. Die Engländer haben es 
auch oft, aber ohne hinreichenden Grund, getadelt. Denn man 


362 Anmerkungen. 


muß nicht vergeſſen, bag bei allen Feierlichkeiten und Aufzugen 
in den Städten und auf dem Lande, in den gelefenen Romanen, 
in &omödien, Buppenfpielen, den pageants, immerbar der Stoff 
oder einzelne Figuren aus der Mythologie entlehnt waren. Die 
Anfpiclungen waren daher verftändlich, und Bieles, was jeht felbft 
dem halb Wiſſenden dunkel feyn mag, ſprichwörtlich geworden. 


©. 37. 3. 18.0.0. Page „Der Humor davon.” 
Dieg Wort, welches erſt feit wenigen Sahren, feit 1596 etwa, 
Mode geworden war, wurde von den Unwifienden auf alle Art 
gemißbraucht. Viele Dichter felbft brauchten es für Charakter, 
Gefinnung, felbft Angewöhnung. Im Anfange wurde es auch 
oft für luſtige Sufülle gebraucht, für Spaß, der fich entwickelt. 
Aus jener Anarchie, in welcher fih um 1600 und fpäter bieß 
Mort umtrieb, ift es fpäterhin, erft von Sngländern, ſodann von 
Deutfchen noch mehr, geadelt werden, um eine Gattung Wik 
und Scherz, eine Gattung von Kunft- Probuctionen zu bezeich- 
nen. ©. 3. Paul's Aefthetif, wo Humor am heiterften und 
Solger's Erwin, wo er am gründlichflen erklärt wird. 


©. 99. 3.12. v. 0. — „Bring im Korbe.“ youth in 
a basket. — Youth hat in jenen Tagen, wie ich in einer An- 
merfung zu B. Johnſon's Epicöne (f. Tieck's Schriften) gezeigt 
babe, eine befontre Bedeutung, aber immer höhnifch, oder ta⸗ 
delnd, geringfchägig, wenn es im folder Weiſe gebraucht war. 
Hier ift der Ueberfeger dem Tert der Folio und fpätern Quart⸗ 
Ausgabe gefolgt, die gewöhnlichen Editionen vermifchen den alten 
verworfnen Tert mit dem ächten fpäteren und lefen: Somebody 
call my wife: — you, youth in a basket, come out here! 
— Statt: Somebody call my wife: — youth in a basket! 
— O you etc. 


&. 104. Dritte Scene 3.1l.v.u Birth: „nun 
follen fie vatan,“” they must come off. Diele Worte haben 
Zurmer, Steevens und Tyrwhitt zu unpaflenden Noten Gelegen- 
beit gegeben, die nichts erflüren. Come off! mach fchnell, hur⸗ 
tig, ift die alte, gewöhnliche Bedeutung, to come off alfo eilen, 
dazu thun, fich fortmachen, beenden. Um die Zeit, als diefe Co⸗ 
mödie gefchrieben wurde, hatte diefer Ausdruck vorübergehend die 
Bereutung: fie follen dran, — oder, wie bei uns fprichwörtlich: 
fie follen daran glauben! Bei Dramatifern, und Shafspeare 
vorzüglich, wird tauſendmal die wandelbare Sprache des gemels 
nen Lebens gehört und bie Bücherfprache vermieden. Eo ift au 
moͤglich, daß der Gaſtwirth, der fi, fo wie Evans und Cajue, 
eine eigenthümliche Sprache gebildet hat, ven Ausdruck auf eigne 
Gefahr in diefem Sinne, oder ald Euphemismus braucht. 


S. 120.3.7. 0.0. Falſtaff. „meine Seiten will id 


Anmerlungen. 363 


für mid behalten” — mi sides, die Seiten, als ven Sig 
der Leber, Milz und der Leidenfchaften. 


S. 121. Geiſter erfiheinen. — Wenn manche Ehitionen die 
Frau Hurtig und ſelbſt Piftol bier aufführen, fo ift dieß nur 
. Mißverftand, welches die alte Quart und Folio veranlaft. Die 
Schauſpieler, die jene Rollen gefpielt Hatten, wurden hier beim 
Chorus wieder angewentvet, wie das immer geſchah, wenn viele 
Spielenre gebraudht wurden. Hobgoblin aber und der Satyr 
oder der Jäger Herne, welchen Gvans fpielt, find zwei verfchle- 
dene Perſonen. 


©. 123.,3. 13. v. e. „kneipt im Taft ihn!” Nah 
diefem Verſe haben unfre Editionen noh: Evans. It is right; 
indeed he is full of lecheries and iniquity. — Der Dichter 
hat aber felbft diefe Rede geflrichen, denn fie findet fich weber 
im Folio noch Quart, fondern nur im erften mangelhaften Quart, 
wo Alles in diefer Scene anders ift. 


©. 126. 3.13. v. n. Fluth. „— wird die Rückzah— 
lung des Geldes euch noch der bitterfte Schmerz feyn.“ 
Hier fügt die ältefte, von uns verworfene Quart noch hinzu: 

Mrs. Ford. Nay, husband, let that go to make amends: 

Forgive that sum, and so well all be friends. - 

Ford. Well, here’s my hand; all’s forgiven at last. 
Die erfte Scene des Stüds, als Ginleitung, möchte vielleicht 
Harer als die jeßige feyn, in welcher der Dichter, weil die Eos 
mödie fchon oft gefpielt und der Zuſammenhang befannt war, 
vielleicht zu Vieles vorausfegt und anfnüpft, wodurch eine ge- 
wiſſe Dunfelheit entfteht. onft ift aber jene erſte Arbeit faft 
um die Hälfte fürzer, und mit Eile zu Ende geführt. In diefer 
legten Scene ift faſt Alles Vers, in der Umarbeitung die Reden 
Profa, und diefe drei Verſe ſtehn hier alterthümlich in dem 
aeueren Tert. Der Dichter hat mit Verſtand diefe zu weit ge⸗ 
triebene Outmüthigfeit geftrichen. Falſtaff ift Ritter, genießt 
eine anfehnliche PBenfion, er kann dieß Geſchenk vom Bürger, dem 
Mann der Brau, welche er jenem fuppeln follte, nicht annch- . 
men, der Bürger kann e8 dem wohlhabenden, leichtfinnigen 
Schwelger nicht anbieten. Die Critik der Editoren ift, wie ges 
fagt, eine unbegreiflidye, und es ift enplich Zeit, einen beflern 
Text herzuftellen. _ 

S. 129. 3.5.0. u. Falftaff: „Manch Wild fpringt 
anf, will man im Finftern jagen.“ Hier wieder hat die 
ältefte Quart den unnügen Sufap: Evans. I will dance and 
eat plums at your wedding. 


364 Anmerfungen, 


Titus Andronicus. 


Die meiften Ausleger des Dichters haben ihm diefe Tras 
gödle abfprechen wollen. Ihre Gründe können aber vor der ädy- 
ten Kritik fein Gewicht haben, da das Zeugniß der Zeitgenoflen 
and die Herausgeber der Bollo = Ausgabe diefes Stück dem 
Shafspeare beilegen. Wenn eine mißverflandene Verehrung des 
großen Dichters ihm diefes feltfane Werk deßwegen abfprechen 
will, weil es durchaus ſchlecht und feiner unwürdig fei, fo ließe 
fih auch, wenn die Anmerkungen Abhandlungen werben follten, 
Vieles erörtern und in das gehörige Licht flellen. Daß es eine 
frühe Iugenvarbeit des Dichters feyn muß, fällt auch dem un- 
Tritifchen Lefer ins Auge. Es rührt aus einer Zelt her, in wel 
her die englifhe Bühne noch fehr blutig war, und gehäufte 
Mordthaten die Zuſchauer nicht erfchredten. 


Menn Shafspeare der Erfinder dieſer Tragödie war (wie 
ed denn die größte Wahrfcheinlichfeit hat), fo dichtete er fie wohl 
ſchon um 1590; 1592 ward fie öfter geipielt, und 1600, in der 
Höhe feiner Kunft und Anerfennung, gab er ihr die Geſtalt, In 
welcher wir fie jet befigen. 


(S. Borreve zum Erften Bande des Deutfchen Theaters, 
v. Tied, 1817, p. XXVIL wo ich auch über Titus Andronicus 
fpreche.) 
Der Meberfeger hat fih bemüht, das Alterthümliche des 
Tons nachzuahmen und deßhalb meift, wie diefe Weife auch im 
Driginal vorherrfcht, den Ders männlich geendigt. 


&. 159. 3. 17. v. n. Diefe Schilderung des Waldes im 
Munde der Kaiferin wird von M. Mufon als fhön und bes 
großen Dichters nicht unwürdig anerfannt. WBortrefflich ift es, 
wie fie (S.162. 3.11. v. o. ff.) denfelben Wald als erfchred- 
lich darftellt. \ 


©. 184. Diefe zweite Scene fehlt in der Duart: Ausgabe. 
Sie hat ganz das Gepräge eines fpäteren Zuſatzes hei der drits 
ten Umarbeitung des Schaufpield. Die Gritoren, welche fie 
verfpotten, mögen es mit dem Dichter ausmachen. Wer fi 
nicht willführlich vom Gegenftande abwendet, kann ihre Schön 
beit nicht verfennen. If das Stück un 1590 zuerſt gedichtet, 
fo wurde es vielleicht 1595 umgearbeitet und 1600 noch Giniges 
Dinzugefügt. 


Anmerlungen 3685 


©. 224. 3.2. v.0. Marcus. Roms Kalfer und bu, 

Neffe, brecht nun ab — 

Rome’s emperor, and nephew, breack the parle — 
break the parley, oder parle, wie bier, beißt oft eine Unter: 
handlung, Gefpräh anfangen. Sohnfon irrt aber, wenn er 
bemerft, daß es in dieſer Stelle bafielbe bedeute, denn ber Zu⸗ 
fammenhang zeigt das Gegentheil; to break a parley heißt nach 
Öelegenheit, wie das beutfche brechen, abbrechen: to break, 
da es auch erbrechen, eröffnen (Briefe) beveutet, fann daher 

oft anfangen, beginnen bezeichnen. 


©. .226. 3.9. v. 0. Marens. Leidvolle Männer ıc. 
Ohne Roth theilen die früheren Ausgaben diefe Rede des Mars 
cus zwifchen ihm und einem römifchen Senator. 


_ Das Wintermährhen. 


Der Kenner fieht beim erſten Bli an der Eigenthümlich⸗ 
feit und dem Bau der Sprache, an ber Verbindung der Scenen 
und den Parenthefen in den leipenfchaftlichen Reven, baß bie 
ſes wunderfame Schaufpiel mit dem Othello, dem Sturm und 
Eymbeline zu den legten Arbeiten des Dichters nebört, und es 
bliebe unbegreiflih, wie Pope es für eine unreife Jugendarbeit 
Shafspeare'8 habe halten Fönnen, wenn man nicht wüßte, wie 
leihtfinnig nnd obenhin der berühmte Dann die Ausgabe 
Shafspeare’s unternommen und andgeführt hat. Der Inhalt 
des Stücks ift aus einem damals beliebten Roman des Robert 
©reen, Dorastus and Faunia, genommen, defien erfte Ausgabe 
fhon 1588 erfchienen war. In diefen Roman eines nicht un: 
gelehrten Mannes findet fich fchon jene oft befprochene Sünde 
unſers Dichters, dag Böhmen zu einem Lande gemacht wird, 
welches an den Meere liegt und Seehäfen befigt. Man Fannte 
Deutfchland zwar weniger als Stalien, indeſſen war biefe Un- 
wiflenheit des ftudirten Romanciers gewiß cine vorfäßliche, fo 
wie die des nacherzählenden dramatiſchen Dichters. Man wollte 
eine dunkle, feltjame, nicht oft genannte Gegend, und wählte 
Dazu Böhmen, mit welchem weniger poctifcher oder Handels⸗ 
Verkehr war, als mit Italien, Zllyrien oder Spanien, und den 


366 Aamerinugen. 


unbefangnen Lefern und Bühnenfreunden jener Tage war biefe 
Verletzung ihrer Landfarte gleichgültiger, als den fpäteren Zei⸗ 
tungelefern. 


Möglich ift es, daß Shafspeare, ſchon In feiner Jugend von 
der Beliebtheit des Romans angereizt, bie Begebenheit früh auf 
das Theater brachte. Diele feiner Schaufpiele hat er mehrmals 
umgearbeitet. 


S. 240. 3.12. v.u. Dan lefe hier lieber: 
Denn geht nicht Stier und Kuh ein jegliches 
Im Schmud des Hanpts einher? 
Das Wortipiel mit neat Eonnte im Dentfchen nur ſchwach nach⸗ 
geahmt werben. 


©. 241. 3.13. v. u. Leontes. Was giebts? Diefer 
Ders ift nach der Folio (wir haben feine DQuart: Ausgabe biefes 
Schaufpield) dem Leontes mit Recht vwiebergegeben worden. Er 
fährt mit diefen Worten aus feiner Abwefenheit auf. Die Edi⸗ 
toren lichen den Vers ohne Noth den Polyrenes fprechen. 


©. 242. 3.13.9.0. PBolyrenes. Bin ich daheim ıc. — 
Diefe Verſe erinnern an jene fonderbare Rebe ver Helena. ©. 
Ende gut, Alt. 


©. 259. 3.8.9.9. „Wer für fie fpridht, der if 
ſchon deßhalb ſchuldig,“ 

He, who shall speak for her, is afar of guilty, 

ganz wie unfer: der iſt in fo fern ſchuldig, — nicht: er iſt 

entfernt jchuldig. 


©. 275. Dritter Aufzug. Delphi, das Orafel, bie 
Priefter des Apollo, Böhmen, die neueften Sitten mit den ältes 
ften vermifcht, Hermione, die Tochter des Kaifers von Rußland, 
Anfang, Mittel und Ende des Schaufpiels foll den Lefer in jene 
mährdenhafte Stimmung verfegen, in welcher, wie in der „Som: 
mernaächt,“ „Was ihr wollt, und „Wie e8 euch gefällt, man 
alle feine Hiftorifhen und geographifchen Kenntniffe gern auf 
zwei Stunden vergißt. 


©. 290. 3.14. 0.0. — „ift nichts nöthig, als Ver⸗ 
ſchwiegenheit.“ — Es war ber Glaube, taß derjenige, ber 
ein Geſchenk von Feen erhalten habe, nicht davon fprechen dürfe, 
wenn ihm die Gunft nicht wieder zerrinnen und zu feinem Scha- 
den ausfchlagen folle. 


©. 295. 3.11. 0.0. Autolyens. „Mein Handels 
zweig it Hemden.” — Die Gaunerfpracdge ift Hier nicht zu 


Anmrrfungen. 367 


treffen: sheets, Leinen, Lafen, Wälche, zugleich wie cheats ges 
fprochen und dieß angedentet. 


&. 296. 3.4.0.0. Der junge Schäfer. — „Freilich 
find die meiften Tenor und Bag.“ — Wie ſich in Autos 
Inens nicht die Baunerfprache wieder geben läßt, fo hier nicht 
der Doppelfinn des Clown: — but they are of them means 
and bases: — Tenor und Bag, — und was Fönnten fie faſt 
anders fingen? most of them are — means, geringe, fchlecht, 
and bases, und nichts werth, nichtenußig, durch die Art zu fpre- 
den an mean und an base erinnem. „Nur ein PBuri- 
taner, — und der fingt Pſalmen zum Dudelfad.” — 
S. was oben (Luflige Weiber) von der Melodie ‚der grünen 
Aermel“ gefagt if. 


S. 300. 3.4.9.0. „Ein Spiegel mir au ſeyn.“ — 
sworn, I think, tho show myself a glass. — @r, ber Prinz, 
ift der Epiegel, in welchem fie, da er als Schäfer gekleidet geht, 
fih und ihren Stand flieht und erfennt. — 


S. 304. 3.11. 0.0. „Violen, dunfel, wie der Juno 


ugen, 
— violets, dim, But sweeter than the lids of Juno’s eyes, 
Veilchen, dunkler, als the eyes of Juno, und sweeter (duf⸗ 
tender) wie ihre Augenliever. So muß man wohl, etwas ge⸗ 
zwungen, dieſe Verfe conftruiren, wie es auch ber Ueberſetzer ges 
than hat. 


©. 328. 3.16. v. 0. — Dächt' ich nf. w. — nad ber 
alten, richtigen Zefeart: If I thought it were a piece of ho- 
nesty to acquaint the king withall, I would not do it. Es 
it mehr Humor fo in der Stelle, als in Steevens Aenterung: 
If It hought it were not at piece of honesty — I-would 
do’t. — 


©. 338. 3.8.0. u. Cleomenes. Ich ſchweige ſtill. 
Nach der Folio. Unnöthig hat Steevens diefe Worte der Pau: 
ling gegeben. 


©. 354. 3.2.9 u. Leontes. Könnte mein Tod 
u. ſ. w. — Sch erfläre die Stelle, die die Commentatoren nicht 
beachtet haben, fo:- Would I were dead — Ich möchte tobt 
fegn, wenn ich Hermione dadurch wieder beleben fünnte, — but 
that, — methinks, — already — aber indem ich dieg wünfche, 
zeigt fih ja fchon Leben in dem Bildniß. — Und fo: wer 
onnte dieß ſchaffen, Hervorbringen? 


368 Anmerlungen. 


©. 356. 3.1.9... „Sonft feht ihr wiederum fie 
fterben.‘ — do not shun her, Until you see her die again. 
— Der König wendet ſich erfiaunt, erfchroden ab; fie fagt: nicht 
kehrt euch von ihr — fchenen, fih abwenden — until fann hier 
nicht heißen: bis ihr fie werdet fterben fehn, — fondern wie oft 
in der Sprache des gemeinen Lebens: wenn ihr nicht wollt, daß 
je ftirbt: — for then you kill her double, beftätigt dieſe Gr⸗ 

rung. - 





Shakspeare's 


dramatiſche Werke 


überſetzt 
von 
Aug. Wilh. v. Schlegel 
und 


Ludwig Tieck. 


Dritte Auflage. 





Zehnter Band. 


Antonius und Cleopatra. 
Maaß für Maaß. 
Timon von Athen. 





Berlin, 
Druck und Verlag von G. Reimer. 








Antonius und Cleopatra. 


Perfonen: 


Marcus Antonius, 
Detavius Käfer, Triumvirn. 
M. Aemilius Lepidus, 
Sertus Pompejus. 
Domitins Enobarbus, 
Ventidius, 
Eros, 
Scarus, Freunde des Antonius. 
Dercetas, 
Demetrins, 
Philo, 
Mäcenas, 
58— 
olabella, 
Broculeins, Freunde des Eäfar. 
Thyräus, 
Gallus, 
Menas, 
Menecrates, Freunde des Pompejus. 
Varrius, 
Taukus, Oberbefehlshaber unter Cäaſar. 
Canidius, Oberbefehlshaber unter Antonius. 
Solius, ein Officier in ber Armee des Ventidlus. 
Euphronins, ein Gefandter des Antonius "an Caͤſar. 
Alexas, 
VRardi I im Dienſte der Cleopatra. 
Diomedes, 
Ein Wahrfager. 
Ein Bauer 
Cleopatra, Königin von Egypten. 
Detavia, Eifar’s Schwefter, Gemahlin des Antonius. 
a9“ on im Dienfte der Cleopatra. 
Hauptleute, Soldaten, Boten und Gefolge. 


Erfter Aufzug. 


Erſte Scene. 


Alerandria Gin Zimmer in Eleopatra’s Palaſt. 
(Demetrius und Philo freien auf) 


Philo. 
Nein, dieſer Liebeswahnſinn unſres Feldherrn 
Steigt übers Maaß. Die tapfern, edlen Augen, 
Die über Kriegsreih'n und Legionen glühten, 
So wie der erzne Mars, ſie heften ſich 
Und wenden ihrer Blicke Dienſt und Andacht 
Auf eine braune Stirn: ſein Heldenherz, 
Das im Gewühl der Schlachten ſonſt geſprengt 
Die Spangen feiner Bruſt, fällt ab zur Schmach, 
Und iſt zum Fächer worden, und zum Blaf’balg, 
Die Tüflerne Zigeyu’rin abzufühlen. 
Seht da, fie kommen! 
( Trompetenſtoß. Antonius und Cleopatra mit ihrem 
Gefolge und Verfchnittnen, die ihe Luft zufächeln, treten auf) 
Bemerkt ihn recht; fo feht ihr dann in ihm 
Des Weltalls dritte Säule umgewandelt 
Zum Narren einer Buhlerin; ſchaut hin und ſeht! — 
Cleopatra. 
Iſts wirklich Liebe, ſag mir denn, wie viel? 


6. Antonius und Gleopatra. L1. 


Antonius. 

Armfel’ge Liebe, die fich zählen ließel — 
Eleopatra. 

Ich will ven Grenzflein feßen deiner Liebel 
Antonius. 

Sp mußt du neue Erd’ und Himmel fchaffen. 


(Ein Bote tritt auf) 


Bote, 
Zeitung aus Rom, Herr! 
Antonius, 
O Berdruß! ae kurz. 
Cleopatra. 
Nein, höre ſie, Antonius. 
Fulvia vielleicht ift zornig? Oder Hat, — 
— Ber weiß es? — der dünnbaͤrt'ge Cäfar 
Sein. Machtgebot gefandt: „Chu dieß, und das! 
„Dieß Reich erobrel Jenes made freil 
„Thu's gleich, fonft zürnen wirl“ 
Antonius. 
Wie nun! Geliebte! 
Cleopatra. 
Vielleicht, — nein doch, gewiß 
Darfſt du nicht Länger bleiben: Cäſar weigert: 
Dir fernern Urlaub! drum, Antonius, hör’ ihn. — 
Wo ift Fulvia's Aufruf? Cäfar’s meint’ ih — beider? 
— Die Boten ruft. — So wahr ih Königin, 
Antonius, du erröth’ft: dieß Blut erfennt 
Caſarn als Herren, wo nicht, zahlt Scham die Wange, 
Wenn Fulvia's Kreifchen zankt. — Die Abgefandten! — 
Antonius. 
Schmilz in die Tiber, Rom! Der weite Bogen 
Des feften Reichs, zerbrihl Hier iſt die Welt, 
Thronen find Staub: — die koth'ge Erbe nährt 
Wie Menſch, fo Thier: der Adel nur bes Lebens 


Uutonins und Cleopatra. I, 


Iſt, j 9 zu thun, wenn folch ein liebend Paar, 
(umarmt fie) 

Und ſolch Zwiliings- Gehirn es darf: worin 

(Bei ſchwerer Ahndung wiffe bag die Welt), 

Wir unerreichbar find, 


Eleopatra. 
Erhabne Lüge! 

Wie ward Zulvia fein Weib, liebt' er fie nicht? — 
Sp will ih Thörin fcheinen und nicht ſeyn; — 
Anton bleibt lets er ſelbſt. 

Antonius. 
Nur nicht, reizt ihn Cleopatra. Wohlen, 
Zu Liebe unfrer Lieb’ und füßen Stunden, 
Nicht fer durch herb Geſpräch die Zeit verſchwendet. 
Kein Punet in unferm Leben, den nicht dehne 
Noch neue Luſt. Welch Zeitvertreib zu Naht? — 


Cleopatra, 
Hör die Gefandten, 
Antonius, 
Pfui, zanffücht’ge Königin! 
Der Alles zierlich ſteht, Schelten und Lachen, 
Und Weinen; jede Unart fämpft in dir, 
Daß fie zur Schönheit und Bewunbrung wird. — 
Kein Botel Einzig dein, und ganz allein! — 
Zu Nacht durchwandern wir die Stadt, und merken 
Des Volkes Launen. Komm, o Königin, 
Noch geftern wünfchteft du's. — Sprecht nicht zu ung. 
(Antonius mit Cleopatra und Gefolge ab) 
Demetrius, 
Wie! ſchaͤtzt Antonius CAfarn fo gering? 
Philo. 
Zu Zeiten, wenn er nicht Antonius iſt, 
Entzieht ſich ihm die große, würd'ge Haltung, 
Die ftets ihn follte ſchmücken. 


8 Antonius und Eleopatra. I,2. 


Demetrins. 
Mich befümmerts, 
Daß ex bekräftigt den gemeinen Lügner, 
Der fo von ihm in Rom erzäblt. Doch Hoff ich 
Morgen auf ein verfländ’ger Thun, — Schlaft wohl! — 
(Beide ab) 


Zweite Scene. 
Daſelbſt. Ein andres Zimmer. 
(588 treten auf Charmion, Iras, Aleras und ein 
Bahrfager) 
Charmion. 

Herzens Aleras, füßer Aleras, ausbündigſter Aleras, 
du allerfublimirtefler Alexas, wo ift der Wahrfager, den 
du der Königin fo gerühmt? O Tennte ich doch dieſen 
Ehemann, der, wie du fagft, feine Hörner für Kränze 
anfieht! — 

Aleras. 
Wahrſager! — 
Wahrfager. 
Was wollt ihr? — 
Charmion. 
Iſt dieß der Mann? Seid ihres, der Alles weiß? 
Wahrſager. 
In der Natur unendlichem Geheimniß 
LeP ich ein wenig. 
Aleras. 
Zeig’ ihm deine Hand. 
(Euobarbus tritt auf) 
Enobarbus. 
Bringt das Bankett ſogleich, und Wein genug, 
Aufs Wohl Eleopatra’s zu trinken. 
ECharmion, 
Freund, fen? mir gutes Glück. 


Antonius und Cleopatra, I, 2. 9 


Wahrſager. 
Ich mach' es nicht, ich ſeh' es nur voraus. 
Charmion 
Erfied mir eins, 
Wahrfager. 
Ihr werdet noch an Schönheit zunehmen. 
Charmion. 
Er meint an Umfang. 
Fra. - 
Rein, wenn du alt geworben bift, wirft du bich ſchminlen. 
Charmion. 
Nur Feine Runzeln! — 
Alexas. 

Stört den Propheten nicht! gebt Achtung! 
" Charmion. 
Mum! — 

. Wahrſager. 
Ihr werdet mehr verliebt ſeyn als geliebt. 
Charmion. 
Nein, lieber mag mir Wein die Leber wärmen. 


Alexas. 

So hört ihn doch! 

Charmion. 

Nun ein recht ſchönes Glück: laß mich an einem 
Vormittage drei Könige heirathen, und ſie alle begraben: 
laß mich im funfzigſten Jahr ein Kind bekommen, dem 
Herodes, der Judenkoönig, huldigt: ſieh zu, daß du mich 
mit dem Octavius Cäſar verheiratheſt, und meiner Ge— 
bieterin gleich ſtellſt. 

Wahrſager. 
Ihr überlebt die Fürſtin, der ihr dient. — 
Charmion. 

O trefflich! Langes Leben iſt mir lieber, als 

Feigen. 


‚120 Antonins und Sleopatra. I, 2. 


Wahrſager. 
Ihr Habt bisher ein beff’res Glück erfahren, 
Als euch bevorfteht. 
Charmion 
Sp werben meine Kinder wohl ohne Namen blei- 
ben: — fage doch, wie viel Buben und Mädchen be— 
fomme ih noch? — 
Bahrfager. 
Wenn jeder deiner Wünfche wär’ ein Schooß, 
Und fruchtbar jeder Wunſch, — 'ne Million. 
Charmion. 

Geh, Narr, ich vergebe dir, weil du ein Hexenmei⸗ 
ſter biſt. 
Alexas. 

Ihr meint, nur eure Betttücher wüßten um eure 
Wünſche? 
Charmion. 
Nun ſag auch Iras Zukunft! 
Aeras 
Wir wollen Alle unfer Schickfal wiſſen. 
Enobarbus. 
Mein und der meiſten Schickſal für heut Abend 
wird feyn — beirunfen zu Bett, 
Iras. 
Hier iſt eine flache Hand, die weiſſagt Keuſchheit, 
wenn nichts anders. 
Charmion. 
Grade wie die Ueberſchwemmung des Nils Hunger 
weiſſagt. 
Iras. 
Geh, du wilde Geſellin, du verſtehſt nichts vom 
Wahrſagen. 
Charmion. 
Nein, wenn eine feuchte Hand nicht ein Wahrzei- 
hen von Fruchtbarkeit ift, fo kann ich mir nicht das 


’ 


Antonius und Cleopatra. 1,2, , 11 
Ohr kratzen. — Bitte dich, fag ihr nur ein Alltags- 


Schickſal. 

Wahrſager. 

Euer Schickſal iſt fich gleich. 
Iras. 

Doch wie? Doch wie? ſag mirs umſtändlicher. 

Wahrſager. 

Ich bin zu Ende. 
Iras. 

Soll ich nicht um einen Zoll breit beſſ'res Schidſal 
haben als ſie? — 

Charmion. 

Nun, wenn dir das Schickſal juſt einen Zoll mehr 
gönnt, als mir, wo ſollt' ex hinkommen? 

Iras. 
Nicht an meines Mannes Naſe. 
Charmion. 

O Himmel, befire unſre böſen Gedanken! Alexas, 
komm; dein Schickſal, dein Schickſail. DO laß ihn ein 
Weib heirathen, das nicht gehn Tann, liebſte Iſis, ich 
flede dich! Und laß fie ihm flerben, und gieb ihm eine 
ſchlimmere, und auf die fchlimmere eine noch fchlimmre, 
bis die ſchlimmſte von Allen ihm lachend zu Grabe folgt, 
dem funfzigfältigen Hahnreil Gute Iſis, erhöre dieß 
Gebet, wenn du mir auch etwas Wichtiges abfchlägft; 
gute Yfig, ich bitte Dich! — 

Iras. 

Amen. Liebe Göttin, höre dieſes Gebet deines Vol⸗ 
fes! Denn wie es berzbrechend ift einen hübfchen Mann 
mit einer Iodern Fran zu fehn, fo iſts eine töbtliche Be- 
trübnig, wenn ein häßlicher Schelm unbehornt einher- 
geht: darum, liebe Iſis, fieh anf den Anſtand, und fend’ 
ihm fein verdientes Schieffall 

| - Charmion, 
Amen! 


12 Antonins und Cleopatra. 1, 2. 


Alexas. 

Nun ſeht mir! Wenns in ihrer Hand flande mich 
zum Hahnrei zu machen, fie würden zu Huren, um es 
zu thun. 

Enobarbus. 
Still da, Antonius kommt. 
Charmion. 
Nicht er, die Fürſtin. 
(Cleopatra kommt) 


Cleopatra. 

Saht ihr Anton? 
Enobarbus. 

Nein, Herrin. 
Cleopatra. 

War er nicht hier? 
Charmion. 

Nein, gnäb’ge Fran. 
Cleopatra. 


Er war geſtimmt zum Frohfinn, da, auf einmal 
Ergriff ihn ein Gedank' an Rom .... Enobarbus! — 


Enobarbus. 
Fürſtin? — 
Cleopatra. 
Sud’ ihn und bring’ ihn ber. Wo ift Aleras? 
Alexas. 


Hier, Fürſtin, euch zum Dienſt. — Der Feldherr naht. 

| (Antonius fommt mit einem Boten und Gefolge) 
Cleopatra. 

Bir wollen ihn nicht anſehn. Geht mit uns. 


(Cleopatra, Enobarbus, Alexas, Iras, Charmion, Wahrſager 
und Gefolge ab) 


Bote. J 
Fulvia, dein Weib, erſchien zuerſt im Feld. 
Antonius. 


Wider meinen Bruder Lucius? 


Antonins und Cleopatra. I, 2, 13 
Bote. 


3a, 
Doch bald zu Ende war der Krieg. Der Zeitlauf 
Einte die Zwei zum Bündniß wider Cäſar, 
Dep beff’res Glück im Felde von Italien 
Sie nach der erfien Schlacht vertrieb. 


Antonius. 
Nun gut; — 
Ras Schlimmres? — 
Bote. 
Der böfen Zeitung Gift macht krank ven Boten. 
Antonius. 


Denn er fie Narın und Feigen meldet; weiter! 
Mir ift Gefchehnes abgethan. Bernimm, 
Ber mir die Wahrheit fagt, und ſpräch' er Tod, 
Sch Hört ihn an, als ſchmeichelt' er. 
Bote, 

Labienus 
(O harte Poſt!) hat mit dem Partherheer, 
Vom Euphrat aus, ſich Aſien erobert: 
Sein triumphirend Banner weht von Syrien 
Bis Lydien und Jonien; indeß ... 


Antonius. 
Antonius, willſt du ſagen .. 
Bote. 
O mein Feldherr! 


Antonius. 
Sprich dreiſt, verfein're nicht des Volkes Zunge, 
Nenne Cleopatra, wie Rom ſie nennt, 
Tadle mit Fulvia's Schmähn, ſchilt meine Fehler 
Mit allem Freimuth, wie nur Haß und Wahrheit 
Sie zeichnen mag. Nur Unkraut tragen wir, 
Wenn uns kein Wind durchſchüttelt; und uns ſchelten, 
Heißt nur rein jäten. Lebe wohl für jetzt. 


14 Antonius und Cleopatra. J, 8. 


Bote. 
Nach eurem hohen Willen. (ab) 
Antonius. 
Was meldet man von Sicyon? Sag an. 
Erſter Diener. 
Der Bot' aus Sicyon! War nicht Einer da? 
Zweiter Diener. 
Er harrt auf euren Auf. 
Antonius, 
Laßt ihn erfiheinen. — 
(Diener gehn) 
— Die ſtarke egypt’fche Feſſel muB ich brechen, 
Sonſt geh’ in Lieb’ ich unter. — Wer bift du? — 
Zweiter Bote, 
Fulvia, dein Weib, iſt tobt. 


Antonius. 
Wo farb fie? 


Zweiter Bote, 
Herr, 
In Sicyon: 
Der Krankheit Dauer, und was ſonſt von Nachdruck 
Dir frommt zu wiſſen, ſagt dieß Blatt. — 


Antonius. 
Entfernt euch. — 
(Bote ab) 

Da ſchied ein hoher Geiſt! Das ı war mein Wunſch: — 
Was wir verachtend oft hinweggefchleubert, 
Das wünfchen wir zurüd: erfüllte Freude, 
Durch Zeitumfchwung ermattet, wandelt fich 
Ins Gegentheil: gut iſt fie nun, weil tobt: 
Nun reicht’ ich gern die Hand, die ihr gedroht. 
Fliehn muß ich diefe Zauberfönigin: 
Zehntauſend Weh’n, und ſchlimmre, als ich weiß, 
DBrütet mein Müßiggang. Hel — Enobarbus! — 


Antonins und Cleopatra. 52 15 


(Snobarbus fomnt) 
Enobarbus. 
"Was wüunſcht ihr, Herr? — 
Antonius, 
Sch muß in Eil' von Bier. 
Enobarbus. 

Nun, dann bringen wir alle unfre Weiber um: wir 
fehn ja, wie tödtlich ihnen eine Unfreundlichkeit wird: 
wenn fie unfre Abreife überſtehn müffen, fo ift Top bie 
Lofung. | 

Antonius. 

Ich muß hinweg! 

Envbarbus. 

Sf eine Nothwendigkeit da, fo laßt die Weiber fler- 
ben. Schade wär's, fie um nichts wegzuwerfen: aber 
ift von ihnen und einer wichtigen Sache die Nede, fo 
muß man fie für nichts rechnen. Cleopatra, wenn fie 
nur das Mindefte hievon wittert, flirbt augenblicklich: 
ich Habe fie zwanzigmal um weit armfeligern Grund 
fterben fehn. Sch denke, es ſteckt eine Kraft im Tode, 
die wie eine Liebesumarmung auf fie wirft, fo ift fie 
mit dem Sterben bei der Hand. | 


Antonius. 
Sie if Iiftiger, als mans benfen Tann! — 


. Envbarbus. 

Ah nein, Herr, nein; ihre Leidenfchaften beftehn 
ans nichts, als aus den feinften Theilen der reinen Liebe, 
Diefe Stürme und Fluten‘ Tönnen wir niht Seufzer 
und Thränen nennen: das find größere Drcane und Un- 
gewitter, als wonon Kalender Meldung thun. Lift Tann 
Das nicht feyn: wenn es ift, fo macht fie ein Negenwet- 
ter fo gut als Jupiter. 

Antonius. 

Hätt' ich fie nie gefehen! — 


16 Antonins und Cleopatra. L,2%. 
Enobarbus. 
O Herr, dann hättet ihr ein wundervolles Meiſter 
werk ungeſehn gelaffen: euch dieſe Freude verſagen, 
würde eure Reife um allen Kredit gebracht haben. 


Antonius. 
Fulvia iſt tobt. 

Enobarbus. 
Herr? 

Antonius. 
Fulvia iſt tobt. 

Enobarbus. 
Fulvia? 

Antonius. 
Todt! 

Enobarbus. 


Nun, Herr, ſo bringt den Göttern ein Dankopfer. 
Wenn es ihrer himmliſchen Regierung gefällt, einem 
Mann feine Frau zu nehmen, fo gedenke er an bie Schnei⸗ 
der bier auf Erden, und beruhige fih damit, daß, wenn 
alte Kleider aufgetragen wurden, biefe dazu geſetzt find, 
neue zu machen. Gäbe es nicht mehr Weiber, als Ful- 
dia, fo wäre e8 allerdings ein Elend, und die Gefchichte 
fände ſchlimm. Diefer Gram iſt mit Troft gekrönt: 
aus euerm alten Weiberhemd läßt fih ein neuer Unter- 
rock machen: und in der That, die Thränen müffen in 
einer Zwiebel leben, die um dieſen Kummer flöffen, 

Antonius. 
Die Unruß’n, bie fie mir im Staat erregt, 
Erlauben mir nicht mehr, entfernt zu feyn. 
Enobarbus- 

Und die Unruhe, die ihr hier erregt habt, erlaubt 
nicht, daß ihr geht: befonvers Die der Cleopatra, die al⸗ 
lein von eurem Hierfein Iebt. 

Antonius, 
Richt Teichter Reden mehr. Unfern Beſchluß 


Antonine und Gleopatre. I, 8. 17 


Thu fund den Führern. Ich verfländ’ge daun 
Der Königin den Anlaß dieſer Eil', 
Urlaub von ihrer Liebe fordernd. Nicht allein 
Der Fulvia Tod und andre ernfle Mahnung 
Ruft uns nachdrücklich; andre Briefe auch, 
Bon vielen wohlbesühmten röm’fchen Freunden, 
Verlangen uns daheim. Sextus Pompeins 
Hat Läfarn Trotz geboten, und beherricht 
Das weite Meer: das wantelmüth’ge Volk, 
(Det Gunſt nie feſt dem wohlverdienten bleibt, 
Bis fein Berbienft vorüber) wirft nun fihon, 
Was je Pompejus nur, der Große, that, 
Auf feinen Sohn, der hoch in Macht und Namen, 
Und Höher noch durch Muth und Kraft erfteht, 
Als Held des Heeres. Sein Anfehn, wäh es ferner, 
Bedroht den Bau der Welt, — Biel brütet jebt, 
Das gleich dem Roßhaar nur erfl Leben hat, 
Noch nicht der Schlange Gift. — Geh, und verfünde 
Des Heers Hanptleuten, unfer Wille forbre 
Schleunigen Aufbruch Aller. 
Enobarbus. 
Ich beſorg' es. 
(Beide ab) 


Dritte Scene 
(Es treten auf Cleopatra, Charmion, Iras n. Aleras) 


Cleopatra. 
Wo iſt er? 
Charmion. 
Ich ſah ihn nicht ſeitdem. 
Cleopatra. 
Sieh, wo er iſt, wer mit ihm, was ex thut, 
(3% ſchickte dich nicht ab): find'ſt du ihr trauris 


18 Antonius und Gleoyatra. I, 3. 


Sag ihm, ich tanze; ift ex munter, meld’ ihm, 
Sch wurde plöglich krank. Schnell bring’ mir Antwort. 
(Alerae ab) 
. Charmion. 
Fürftin, mir foheint, wenn ihr ihn wirklich liebt, 
Ihr wählt die rechte Art nicht, ihn zur Liebe 
Zu zwingen. 
Cleopatra. 
Und was ſollt' ich thun und laſſ' es? 
Charmion. 
Gebt immer nach, laßt euch von ihm nur führen. 
Cleopatra. 
Thörichter Rath! Der Weg, ihn zu verlieren! — 
Charmion. 
Verſucht ihn nicht zu ſehr; ich bitt', erwägt, 
Wir haſſen bald, was nft ung Furcht erregt. 
(Antonius kommt) 
Doch feht, er kommt. 
Cleopatra. 
Ich bin verſtimmt und krank. 
Antonius. 
Es quält mich, meinen Vorſatz ihr zu ſagen. 
Cleopatra. 
Hilf, liebe Charmion, hilf, ich ſinke hin: 
So kanns nicht dauern, meines Körpers Bau 
Wird unterliegen. | 
Antonius. 
Theure Königin... ... 
Cleopatra. 
Ich bitt' dich, ſteh mir nicht fo nah! — 
| Antonius. 


Was giebts? — 
Elevpatra. 


Ich ſeh' in dieſem Blick die gute Zeitung! 
Was ſagt bie Ehgemahlin? Geh nur, geh! 
Hätte fie dirs doch nie erlaubt, zu kommen! 


Antonius und Eleopatra. I, 3. ‚19 


Sie fol nicht fagen, daß ich Hier Dich halte; 
Was kann sch über dich? Der Ihre bift du! 
Antonius. 
Die Götter wiffen..... 
Cleopatra. 
Nie warb eine Fürflin 
So ſchredlich je getäuſcht. Und doch, von Anfang 
Sah ich die Falſchheit keimen. 
Antonius. 
Cleopatra ... 
Cleopatra. 
Wie ſoll ich glauben, du ſeiſt mein, und tren, 
Erſchüttert au dein Schwur der Götter Thron, 
Wenn du Fulvia verriethſt? Schwelgenvder Wahnſinn, 
An ſolchen mundgeformten Eid ſich feſſeln, 
Der ſchon im Schwur zerbricht! — 
Antonius. 
Geliebte Fürftin ..... 
Cleopatra. 
Nein, ſuch nur keine Färbung deiner Flucht. 
Geh, fag Lebwohl: als du zu bleiben flehteft, 
Da galts zu fprechen: damals nichts von Gehn! — 
In unferm Mund und Blick war Ewigfeit, 
Wonn' auf den Brau’n, fein Tropfen Blut fo arm, 
Der Göttern nicht entquoll: und fo iſts noch, 
Oder der größte Feldherr du der Welt, 
Wurdeſt zum größten Lügner. 
Antonius. 
Mir das! Wie] 
Cleopatra. 
Hätt' ich nur deine Sehnen, daß du ſähſt, 
Auch in Egypten gäb’s ein Herz .... 
Antonius. 
Vernimm, 
Der Zeiten ſtrenger Zwang heiſcht unſern Dienſt 
2% 


20 Antonins und Cleopatra. 1, 8. 


Für eine Weile: meines Herzens Summe 
Bleibt dein, hier zum Gebrauch. Unfer Italien 
Blist rings vom Bürgerſtahl; Sertus Pompejus 
Bedroht mit feinem Heer die Häfen Roms: 
Die Gleichheit zweier heim’fchen Mächte zeugt 
Gefährliche Partheiung: — flarl geworben, 
Liebt man bie fonft Berhaften: der verbannte 
Pompejus, reich durch feines Vaters Ruhm, 
Schleicht in die Herzen Aller, die im Staat 
Seht nicht gebeihn, und deren Menge ſchreckt: — 
Und Ruhe, Frank durch Frieden, ſucht verzweifelnd 
Heilung durch Werhfel. Doch ein nährer Grund, 
Und der zumeift mein Gehn euch ſollt' entfchulp’gen, 
SR Fulvia's Tod, 
Cleopatra. 
Wenn mich das Alter auch nicht ſchützt vor Thorheit, 
Doch wohl vor Kindiſchſein. Kann Fulvia ſterben? — 
Antonius. 
Geliebte, ſie iſt todt. 
Sieh hier, in übermüß'ger Stunde lies 
Die Händel, die fie ſchuf: zuletzt ihr Beſtes, 
Sieh, wann und wo fie flarb. 
Cleopatra. 
O falſches Lieben! 
Wo find Phiolen, die du füllen ſollteſt 
Mit Than bes Grams? Nicht Zulvia’s Tod beweinen, 
Zeigt mir, wie leicht du einſt erträgft den meinen. 


Antonius. 
Zanfe nicht mehr! nein, fei gefaßt zu hören, 
Was ich für Plän’ entwarf: fie fiehn und fallen, 
Wie du mir rathen wirft. Ya, bei dem Feuer, 
Das Rilus Schlamm belebt, ich geh’ von bier, 
Dein Held, dein Diener: Krieg erklaͤr' ich, Frieden, 
Wie dirs gefälft. 


Antonius und Eleopatra. I, 3 21 
Cleopatra. 
Komm, Charmion, ſchnür' mich auf. 
Rein, laß nur, mir wird wechfelnd ſchlimm und wohl, 
Ganz wie Antonin Tiebt. 
Antonius. 
Stift, theures Kleinod! 
Gieb beff’ces Zengniß feiner Treu'; bie ſtrengſte 
Prüfung wird ſie beſtehn. 
Cleopatra. 
Das lehrt mich zeloial 
O bitte, wende dich und wein' um ſie, 
Dann ſag mir Lebewohl, und ſprich: die Thränen 
Sind für Egypten: ſpiel' uns eine Scene 
Ausbünd’ger Heuchelei, und mag fie gelten 
Für achte Ehrel — — 


s 


Antonius. 
Dun erzürnft mich! Laß! — 
Cleopatra. 
Das geht ſchon leidlich: doch du kannſt es beſſer. 
Antonius. 
Bei meinem Schwert..... 
Cleopatra. 
Und Schild: — er ſpielt ſchon beſſer, 
Doch iſts noch nicht ſein Beſtes. Sieh nur, Charmion 
Wie tragiſch dieſer röm'ſche Herkules 
Auffährt in feinem Grimm! 
Antonius. 
So leb denn wohl 
Cleopatra. 
Höflicher Herr, ein Wort: 
Wir beide müſſen ſcheiden, doch das iſts nicht, — 
Wir beide liebten einſt, — doch das iſts auch nicht, — 
Das wißt ihr wohl — Was wars doch, das ich meinte? 
D mein Gedächtniß iſt recht ein Antonius, 
Und ich bin ganz vergeffen! 


Pr} Antonius und Eleopatra. I, 4. 


Antonius. 
Wär’ nicht Thorheit 

Die Dien’rin deines Throns, fo hielt’ ich dich 
Für Thorheit ſelbſt. 

Cleopatra. 

O ſchwere Mäh' des Lebens, 
Dem Herzen nahe ſolche Thorheit tragen, 
Wie dieſe ich! Doc, theurer Freund, vergieb mir, 
Denn Tod bringt mir mein Treiben, wenn es dir 
Nicht gut ins Auge fällt. Dich ruft die Ehre, 
Hör’ denn auf meinen eiteln Wahnfinn nicht! 
Und alle Götter mit dir! Siegeslorbeer 
Kränze dein Schwert, und mühelos Gelingen 
Bahne den Weg vor deinen Füßen! 

Antonius. 

Komm; 

Es flieht zugleich und weilet unfre Trennung: > 
Denn du, bier thronend, gehft doch fort mit mir, 
Und ich, fortſchiffend, bleibe doch mit dir. — 
Hinweg! (Alle ab) 


Vierte Scene. 
Rom. Ein Zimmer in Cäſar's Haufe 
( Es treten auf Octavius Eäfar, Lepidus und Gefolge) 


Cäfar. 
Ihr feht nun, Lepidus, und wißt hinfort, 
Es iſt nicht Cäfar’s neid'ſche Art zu hafſen 
Den großen Mitbewerber. Ans Egypten 
Schreibt man uns bieß: er fifcht und trinkt, verſchwendet 
Der Nächte Kerzen fchwelgend, nicht mehr Mann. 
Als diefe Köwgin, noch Cleopatra 
Mehr Weib als er. Kaum fprach er die Gefanbten, 
Noch dacht’ er feiner Mitregenten. — In ihm feht 


Antonins und Cleopatra. TI, 4. 23. 


Den Mann, ber alle Fehler in ſich faßt, 
Die Jedermann verloden. 
Lepidus. 
Doch denl' ich, hegt er 
Nicht fo viel Sünde, al’ fein Gut zu fhwärzen: — 
Denn feine Fehler, wie die Sterne, glänzen 
Heller in fchwarzer Nacht: find angeflammt 
Mehr ale erworben: unwillkürlich mehr, 
Als freie Wahl. 
CAfar. 
Ihr feid zu duldſam. Sei es auch verzeihlich, 
Sich auf des Ptolemäus Lager wälzen, 
Mit Kronen zahlen einen Scherz, umtrinfen 
Zur Wette nach der Kunſt mit jenem Sclaven, 
Am hellen Tag die Stadt durchtaumeln, balgen 
Mit Schuften, fihweißbetrieft: das ſteh' ihm an, 
(Und deffen Anſtand, traun, muß felten feyn, 
Den folches nicht entehrt): doch für Antonius 
Giebts Fein Entfchuld’gen feiner Schmach, wenn wir 
So fhwer an feinem Leichtfinn tragen. Füllt' er 
Die leeren Stunden fih mit Wolluſt aus, 
Vertrocknet Mark und Efel zögen ihn 
Zur Rechenfihaft: — doch folche Zeit verwüſten, 
Die ihn vom Schmerz wegtrommelt, — und fo laut, 
Wie Weltherrfchaft nur mahnt: das muß man fchelten, 
Wie man den Knaben ſchmählt, der wohlerfahren, - 
- Einficht der Luft des Augenblicks Hinopfert, 
Empört dem eignen Urtheil. 
(Ein Bote tritt auf) 
Lepidus. 
Neue Botſchaft! — 
Bote. 

Erfüllt ift dein Gebot; zu jeber Stunde, 
Erhabner Eäfar, ſollſt du Nachricht hören, 
Wie's auswärts flieht. Pompejus herrſcht zur Ger, 


24 Antonius und Sleopatrn. I, &. 


Und wie es fcheint, gewann er fi Die Herzen, 
Die Caͤſarn nur gefürdtet. Zu den Häfen 
Strömen die Mißvergnügten; höchſt gefränft 
Nennt ihn die Menge. 

Cäſar. 

Konnt' ich, mirs doch denken! — 
Vom erſten Anbeginn lehrt die Geſchichte, 
Daß, wer hoch ſteht, erſehnt wird, bis er ſtand! 
Wer ſtrandet, — nie zuvor der Liebe werth, — 
Theuer erſcheint, wenn man ihn mißt: der Haufe, 
Gleich einer Flagg' umtreibend in der Strömung, _ 
Schwimmt vor, zurück, die Wechfelfinten geißelnd, 
Und ihn zerflört die Reibung. 

Bote. 
Höre ferner: 

Menerrates und Menas, mächtige Piraten, 
Herrfchen im Meer, und pflügen und verwundens 
Mit Kielen aller Art: manch frecher Einbruch 
Berheert Italien: alles Volk der Küſte 
Erblaßt vor Schred: bie kühne Jugend zürnt, 
Kein Segel taucht nur auf, es wird gelfapert, 
Wie mans erblickt: Pompejus Name ſchadet 
Mehr als fein Heer im offnen Krieg. N 

Cäſar. | 
Laß deine üpp’gen Becher! Als gefchlagen 
Du zogſt von Mutina, wo du die Conſuln 
Hirtius und Panfa erft befiegt, da folgte 
Der Hunger deinen Ferſen: den beftandft du, 
(Dbgleih fo zart gewöhnt) mit mehr Geduld, 
Als Wilde felbft vermöchten; ja, du tranffl 
Den Harn der Roffe, und ben falben Schlamm, 
Der Bieh zum Efel zwänge: dein Baum verfchmäßte 
Die herbfie Beere nicht auf rauhſter Hecke. 
Ja, wie ber Hirfch, wenn Schnee die Weide deckt, 


Autonins und Cleopatra. I, 4. 


Nagt'ſt du der Bäume Rinden: auf den Alpen 
(Erzählt man), aßeſt du fo efles Fleiſch, 
Daß mander flarb, es nur zu fehn: und Alles 
(D Schande deinem Ruhm, daß ichs erzähle), 
Trugft du fo heldenmüthig, daß die Wange 
Dir nicht einmal erbleichte, 
. Lepidus. 
Schad' um ihn! — 
Caſar. 
Die Schande treib' ihn bald 
Nach Rom zurück: Zeit wär's dem Zwillingspaar, 
Daß wir im Feld’ uns zeigten: dem gemäß 
Ruf mir den Rath zufammen, denn Pompejus 
Gedeiht durch unfer Säumen. 
Lepidus. 
Morgen, Caͤſar, 
Werd’ ich vermögenb feyn, dir zu berichten, 
Was ich zu Meer und Rand verfammeln Tann, 
Die Stirn der Zeit zu bieten. 
Eäfer. 
. Bis dahin 
Sei dieß auch meine Sorge. Lebe wohl, — 
Lepidus. | 
‚Lebt wohl denn, Säfar. Meldet man euch mehr, 
Was fih im Ausland regt, erfuch’ ich euch, 
Mirs mitzutheilen. 
Caſar. 
Zweifelt nicht daran, 
Ich kenn's als meine Pflicht. 


(Alle ab) 


26. Antonius und Eleopatra. I 5 


Sünfte Scene 
Alerandria. Ein Zimmer im Palaft. 


(E8 treten auf Eleopatra, Charmion, Iras und 
Mardian) 


Cleopatra. 
Charmion ... | 
Charmion. 
Eu’r Hoheit? 
Cleopatra. 
Ach! 
Gieb mir Mandragora zu trinken. 
Charmion. 
Wie? 
Cleopatra. 
Daß ich die große Kluft der Zeit durchſchlafe, 
Wo mein Antonius fort iſt! 
Charmion. 
Allzuviel 
Denkt ihr an ihn. 
Cleopatra. 
Du ſprichſt Verrath. 
Charmion. 
O Nein! 
Cleopatra. 
Du Haͤmling, Mardian! 
Mardian. 
Was gefaͤllt Eu'r Hoheit? 
Cleopatra. 
Nicht jetzt dich ſingen hören: Nichts gefällt mir 
An einem Hämling. Es iſt gut für dich, 
Daß ohne Saft und‘ Marf dein freier Sinn 
Nicht fliehn mag aus Egypten. — Kannfl du Kieben? . 


Antonins und Eleopatra. 7,5. 27 


Mardian. 
Sa, guäb’ge Fürſtin. 
Cleopatra. 
In der That? 
Mardian. 


Richt in der That: ihr wißt, ich Tann nichts thun, 
Was in der That nicht ehrfam wird gethan. 
Doch fühl ich heft'ge Trieb’, und denke mir, 
Was Benus that mit Mars, . 
Cleopatra. 
O liebe Charmion, 
Wo denkſt du dir ihn jetzt? ſag, ſteht er? ſitzt er? 
Wie, geht er wohl? Sitzt er auf ſeinem Pferd? 
O glücklich Pferd, Antonius Laſt zu tragen! 
Sei ſtolz, mein Pferd! Weißt du wohl, wen du trägft? 
Den halben Atlas diefer Erde, Schild 
Und Schuß der Welt! — Jetzt fpricht er, ober murmelt: 
Wo weilft du, meine Schlang’ am alten Nil? 
Denn alfo nennt er mich. Jetzt weid' ich mic 
Am allzuſüßen Gift! Gedenfe mein, 
Ob auch von Phöbus Liebesſtichen braun, 
Und durch die Zeit gerunzeltl Als du bier 
Ans fer tratft, breitſtirn'ger Eäfar, war ich 
Werth eines Königs: Held Pompejus flanb 
Und ließ fein Aug’ anf meinen Brauen wurzeln, 
Da warf ſein Blick den Anfer ein, er flarb 
Sm Aunſchaun feines Lebens. 
(Alexras fommt) 
Aleras. 

Herrin Egyptens, Heil! 
° Cleopatra. 
Wie ganz unähnlich biſt du Marc Anton! 
Doch fahft du ihn: Die köſtliche Tinktur 
Vergoldet dich mit ihrem Glanz. 
Wie geht es meinem eblen Marc Anton? 


W Antonius und Cleopatra. I, 5. 


Alexas. 
Sein Letztes, Fürſtin, war: 
Er küßte, — vieler Doppelküſſe letzter, — 
Die Perle hier: ſein Wort lebt mir im Herzen. 


Cleopatra. 
Von dort muß es mein Ohr ſich pflücken. 
Alexas. 


Freund, 
So ſagt' er mir, ſprich du: 
Der treue Römer ſchickt der großen Königin 
‚Dieß Kleinod einer Muſchel: ihr zu Füßen, 
Dieß Nichts zu beffern, firen’ ich KRönigreiche 
Bor ihren üpp’gen Thron: der ganze Off, 
Sprich, fol ſie Kön’gin nennen: — nidt mir zu, 
Und ſteigt gelaffen auf fein hohes Streitroß, 
Defß helles Wichern, was ich gern erwiebert, 
Zu thier'ſchem Schweigen brachte. 
Clespatra, 
War er munter ober eraft? 
Alexas. 
Der Jahrszeit gleich, die auf der Mitte ſchwebt 
Von. heiß und kalt: er war nicht ernſt noch munter, 
Cleopatra. 
D wohl getheilte Stimmung! o bemerk' ihn, Charmion! 
Bemerk' ihn, Charmion, welch ein Mann! O merk' ihn! 
Er war nicht ernſt, denn die wollt’ er beglänzen, 
Die heiter find durch ihn: er war nicht munter: 
Dieß ſchien zu fagen, fein Erinnern weile 
Mit feiner-Luft hier: fondern zwifchen beiden. 
O himmliſche Vermifchung! Ernſt und Munter, 
Das Aeußerfte von Beiden flebt dir ſo, 
Wie keinem Manne fonfl. — Trafft du die Boten? 
Aleras. 
Ya, Fürftin, zwanzig auf bemfelben Wege; 
Warum fo biht? 


Antonius und Eleopatra. I,5. 29 


Eleoyatra 
Wer an dem Tag geboren, 
Wo ich vergaß an Marc Anton zu fchreiben, 
Der flerb’ als Bettler. — Papier und Tinte, Charmion! — 
Willkommen, mein Alerıs. — Sag mir, Charmion, 
Liebt' ich je Caſarn fo? 
Charmion. 
Du edler Cäſarl! 
‚Cleopatra. - 
Erſtick, wenn du den Ausruf wiederholſt! 
Sprich, edler Marc Anton! 
Charmion. 
Der tapfre Eäfar! — 
Eleopatra. 
Bei Zfis, deine Zähne werben biuten, 
Wenn du mit Cäfarn irgend noch vergleichft 
Den erften aller Männer! Ä 
Charmion. 
Mit Vergunſt, 
Ich ſing' in euerm Tone. 
Cleopatra. 
Meine Milchzeit, 
Als mein Verſtand noch grün! — Du kaltes Herz, 
Das noch wie bamals fühlt! Doch eile nun; 
Ein flündlich wiederholtes Liebeswort 
Grüß’ ihn von mir, entvölkr' ich auch Egypten. 
(Alle ab) 


Zweiter Aufzug. 


Erſte Scene 
Meffina Ein Zimmer in Bompejus Haufe. 
(88 treten auf Bompejus, Menecrates und Menas) 
Pompeijius. 
Sind ſie gerecht, die Götter, ſchützen ſie 
Die Thaten der Gerechten. 
Menecrates. 
Denkt, Pompejus: 
Was fie verzögern, nicht verweigern ſie's. 
Pompeinus. 
Indeß wir flehn vor ihrem Throne, wellkt 
Die Gab’, um die wir flehn. 
Menecrates. 
Wir Blinden bitten 
Dft unfer eignes Leid, das weile Mächte 
Zu unferm Wohl verfagt: fo find wir reicher 
Durch des Gebets Verluft. 
Dompeius. 
.Ich muß gebeißn! 
Mich Tiebt das Volk, mein iſt das ganze Meer, 
Mein Glück ift Neumond, mein prophetifch Hoffen 
Sieht ſchon die volle Scheibe. Marc Anton 
Hält Tafel in Egypten, wird nicht draußen 
Zu Felde ziehn: Cäſar macht Geld, wo Herzen 
Er einbüßt: Beiden ſchmeichelt Lepidus, 


Antonius und Cleopatra. H,1. 31 


Läßt ſich von Beiden ſchmeicheln, und liebt Keinen, 
Und Keiner haͤlt ihn werth. 

Menecrates. 

Caſar und Lepidus 

Stehn ſchon im Feld, mit großer Macht gerüſtet. 

Pompeinus. 
Wer ſagt euch das? 's iſt falſch. 

Menecrates. 

Das ſagte Silvius. 

Pompeius. 
Er träumt: ich weiß, ſie ſind in Rom zuſammen, 
Und harren auf Anton: doch Liebreiz würze 
Der üpp'gen Cleopatra dünne Lippen, 
Zauber erhoͤh' die Schönheit, Wolluſt beide; 
Den Schwelger bind' ein Heer von Feſtgelagen, 
Sein Hirn umnebelnd: Epikur'ſche Köche 
Skhärfen mit Träftig neuen Brühn die Eßluſt, 
Daß Schlaf und Schwelgen feinen Ruhm vertagen, 
Bis zur Betäubung Lethe's. Was bringt Varrius? 


‚ (Barrius tritt auf) 


Barrius, 
Was ich zu melden hab’, ift zuverläffig: 
Antonius kann zu jeder Stund’ in Rom 
Eintreffen; feit er Africa verlieh, 
Bar Raum für weitre Reife. 

Pompeius. 
Mir wäre kleinre Zeitung weit willlommner. 
Menas, ich glaube nicht, 
Dog um fo dürft’gen Krieg der Liebesichwärmer 
Den Helm fih aufgefest: fein Felpherrngeift 
Iſt zwiefach der der Beinen: doch erheb’ ung 
Sp Höher das den Muth, daß unfer Zug 
Den nimmer Iuflgefättigten Anton 
Dem Schooß der Wittw’ Egyptens konnt' entreißen. 


82 Antonin und Gleopatra. I, 2 


Menas. 
Ich glaube nie, 
Daß Cäfar und Anton ſich freundlich grüßen. 
Sein Weib, nun todt, hat Cäfarn ſchwer gereizt, 
Sein Bruder kriegte gegen ihn, obwohl 
Nicht auf Antons Geheiß. 
Sompeins - 

Ich weiß nicht, Menas, 
Wie bald der größern Feindfchaft kleinre weicht: 
Ständen wir jeßt nicht gegen Alle auf, 
Geriethen fie ohn' Zweifel an einander; 
Denn Anlaß haben Alle Tängfi genug, 
Das Schwert zu ziehn: doch wie die Furcht vor uns 
Ein Leim wird ihrer Trennung, und verknüpft 
Die Heine Spaltung, wiffen wir noch nicht. — 
Sei's, wie’s die Götter fügen! Unfer Leben 
Steht auf dem Spiel, wenn wir nicht muthig ſtreben. 


- Komm, Menas. 
(Alle ab) 


Zweite Scene 
Rom. Im Haufe des Lepidne. 
(Es treten auf Enobarbus und Lepidus) 


Lepidus. 
Mein Enobarbus, es iſt wohlgethan, | 
Und bringt dir Ruhm, bewegft du deinen Feldherrn 
Zu mildem fanften Wort. 
Enobarbus. 

Sch werd’ ihn bitten, 
Zu reden, wie Er ſelbſt. Reizt Caͤſar ihn, 
So ſchau Anton anf Caͤſar's Haupt herab, 
Und donn’re Iaut wie Marsl Beim Zupiter, 
Hätt’ ich Antonius Bart an meinem Finn, 
Hent ſchoör' ich ihn nicht ab. 


Antonius und Eleopatra. I, 2. : 33 


Lepidus. 
’S iſt nicht die Zeit 
Sr Zwift der Einzelnen. 
Envbarbus. 
Segliche Zeit 
Paßt wohl für das, was fie zu Tage bringt. 
Lepidas. 
Doch muß das Kleine ſich dem Größern fügen! 
Enobarbus. 
Nicht, kommt das Kleine erſt. 
Lepidus. 
Ihr ſprecht im Zorn; 
Doch flört nicht auf die Aſche. Seht, hier kommt 
Der edle Marc Anton. 


(Antonius und Ventidius treten auf) 


Enobarbus. 
Und dort kommt Cäſar. 


(Eaſar, Mäcenas und Agrippa treten auf) 


Antonius. 
Im Fall wir einig werben, dann nad Parthien; 
Hörft du, Ventidius? — 
Eäfar. 
Frage den Agrippa, 
Mäcen; ich weiß es nicht. 
Lepidus. 
Erhabne Freunde, 
Was uns vereinte, war ſo groß; nun laßt nicht 
Geringen Zwiſt uns trennen. Was zu tadeln, 
Hört es mit Nachſicht an: verhandeln wir 
Den nicht'gen Streit fo laut, dann wird ein Mord, 
Was Wunden follte heilen. Drum, edle Freunde, 
(Und um fo mehr, je ernftlicher ich bitte), 
Berührt mit mild'ſtem Wort die berbften Puncte, 
Daß Laune nicht das Webel mehre. 
X. 3 


HM. Antonins und Cleopatra. I, 2. 


Antonins. 
Wohl gefprochenz 
Und fländ’ ich vor dem Heer zum Kampf bereit, 
Ich dächte fo. 
Cäſar. 


Willkomm' in Rom! 
Antonins. 
Habt Danf. 
Cäfar. 
Seht end. 
Antonin. 
Geht euch, Herr. 
Cäfar. 
Nun! fo... 
Antoning. 
Ich feh’, ihr findet Anſtoß, wo nichts iſt, 
Und wär's, euch nicht betrifft. 
Käfer. 
Bon mir, zum Lachen, 
Wenn um ein Nichts, ein Weniges, ich mich Hielt” 
Bon euch beleidigt; und vor allen Menfchen 
Bon euch zumeifi: — noch Tächerlicher, daß ich 
Nur einmal euch mit Abſchaͤtzung genannt, 
Wenn euern Namen auch nur auszufpreigen 
Mir fern lag. 


Antonius. 

Mein Verweilen in Egypten, 

Was war es euch? 
eäf ar. 
Richt mehr, als euch mein Walten hier in Rom 
Mocht' in Egypten fen: doch wenn ihr dort 
Was gegen mich gefihmiedet, war mir wichtig 
Ener Berweilen in Egypten. 

j Antoning. 
Wie nun! was nennt ihre fehmieden | 


Antonius und Cleopatra. H, 2. 35 


Eäfar. 
Beliebte euch, faßt ihr wohl, was ich bezeichne, 
Aus dem, was bier mich traf. En’r Weib und Bruder 
Bekriegten mich: für ihren Anlauf wart 
Der Borwand ihr: ihr wart das Feldgefchreil 
Antonius. 
Ihr irrt in eurer Anficht. Nie berief ſich 
Mein Bruder je'auf mid. Ich forſchte nad, 
Und Hab’ aus fihrer Kunde die Gewißheit 
Bon euern Freunden felbfi: befämpft’ er nicht 
Mein eignes Anfehn, wie das eurige? 
Führt’ er den Krieg nicht meinem Sinn entgegen, 
Der euch verbündet war? AP meine Briefe 
Beweifens Far; drum, wollt ihr Händel flicden 
(Denn nicht aus ganzem Tuch könnt ihr fie ſchneiden), 
Sp muß es dieß nicht feyn. 
Ä Cäſar. 
Ihr preiſt euch ſelbſt, 
Indem ihr ſchwach mein Urtheil nennt; doch ihr 
Flickt nur Entſchuld'gung ſo. 
Antonius. 
O nein, o nein, 
Es kann euch nicht entgehn, ich weiß gewiß, 
Die ſichre Folgrung: daß, mit euch vereint 
In jener Sad’, um die er Krieg geführt, 
Ich nie mit Luft den Zwift betrachten konnte, 
Der meine Ruß? bedroht. — Was Fulvia that, 
— Ich wänfht’ euch, ſolch ein Geiſt regiert’ eu’c Weib! 
Ihr Ienft der Erde Dritttheil: mit ’nem Halfter 
Zügelt ihrs Leicht, noch nimmer folch ein Weib. 
Enobarbus. 
Hätten wir doch alle folche Weiber, daß die Maͤnner 
mit ihren Weibern in ven Krieg gehn Fönnten! — 
Antonius. 
Ganz wiverfpenftig hatt’ ihr Kampftumult 
3 


36 Antonius und Cleopatra. 1,2. 


Erregt von ihrem Jähzorn, dem nicht fehlte 
Der Klugheit bittere Schärfe, — (mit euch beflag’ ichs), — 
Euch Unruh' viel erregt. Doch gebt mir zu, 
Dieb ändern konnt' ich nicht. 

Cäfaer. 

Sch fchrieb an euch: 
Ihr aber, fchwelgend in Egypten, ſtecktet 
Beifeit mein Schreiben, und mit Hohn und Lachen 
Ward ungehört mein Bote fortgewiefen. 
Antonius. 

Er fiel mich an noch kaum gemeldet: eben 
Hatt? ich drei Könige bewirthet, und mir fehlte 
Was ih am Morgen war: doch nächften Tags 
Sagt’ ich dieß felbft ihm, was nicht minder war, 
Als um Berzeihung bitten. — Nicht der Burſch 
Sei nur genannt im Zwift, und wenn wir flreiten, 
Sei er ganz ausgeflrichen. 

Cäſar. 

Eures Eids 
Hauptpunct habt ihr gebrochen: deß kann nimmer 
Mich eure Zunge zeihn. 

Lepidus. 
Halt, Cäſar! 
Antonius. 
Nein, 
Lepidus, laßt ihn reden. — 
Die Ehr' iſt rein und heilig, die er angreift, 
Sm Wahn, ich fer ihr treulos. Weiter, Caͤſar, 
Der Hauptpunct meines Eids.... 
Eäfar. 
Mir Hülf' und Macht zu leihn, wenn ichs verlangte, 
Und Beides ſchlugt ihr ab. 
Antonius, 
‚Berfäumt’ eg nur; 
Und zwar, als ein vergiftet Dafein mir 


Antonins und Elcopatra. II, 2. 37 


Mein Selbſtbewußtſein raubte. So viel möglich, 
Zeig’ ich den Renigen: doch mein Gradſinn ſoll 
Nicht meine Größe ſchmälern; meine Macht 
Nicht ohne diefen wirfen. Wahr iſts, Fulvia 
Bekriegt' euch, aus Egypten mich zu fiheuchen: 
Wofür ich jest, unmwiffentlich die Urfach, 
Soweit Berzeihung bitt’, als ih mit Würde 
Nachgeben Tann. 
Lepidus. 
Ihr ſpracht ein edles Wort. 
Mäcenas. 
Gefiel's euch doch, nicht ferner zu gebenfen 
Des Streites: um ihn gänzlich zu vergeſſen 
Erinnert euch, wie gegenwärt’ge Noth 
Euch an Rerfühnung mahnt. 
Lepidus. 
Ein würd'ges Wort! — 
Enobarbus. 

Oder wenn ihr euch Einer des Andern Freundſchaft 
für den Augenblick borgt, Fönnt ihr fie, wenn vom Pom- 
pejus nicht mehr Die Rede iſt, wieber zurüdgeben: ihr 
mögt Zeit zu zanfen finden, wenn ihr fonft nichts anders 
zu thun habt. ” 

Antonius, 
Du bift nur ganz Soldat, drum fprich nicht mehr. 
Enobarbus. 

Ich Hätte bald vergeflen, dag Wahrheit fchwei- 

gen muß. 
Antonius. 
Du Fränffi den würb’gen Kreis, drum fprich nicht mehr. 
Enobarbus. 
Schon recht: fo bin ich eu'r vorficht’ger Stein. — 
Cäſar. 
Ich tadle nicht den Inhalt ſeiner Rede, 
Nur ihre Weiſe: denn unmöglich ſcheints, 


48 Antonius und Eleopatra. II, 2. 


Pompejus mäffen wir alsbald nun fuchen, 
Sonſt fuht er uns. 
Antonius, 
Wo ankert feine Flotte? 
Cäſar. 
Am Vorgebirg Miſenum. 
Antonius. 
Seine Landmacht, 
Wie ſtark? 
Cäſar. 
Groß und im Wachſen; doch zur See 
Gebeut er unumfchränft. 
Antonius. 
So fagt der Ruf. — 
Hätt ich ihn doch geſprochen! Hin in Eil'. — 
Doch eh wir uns bewaffnen, bringt zu Ende, 
Ras eben warb gelobt. 
Cäſar. 
Mit hoͤchſter Freude: 
Sp lad' ich euch zum Anblick meiner Schwefter, 
Und führ’ euch gleich zu ihr. 
Antonius. 

Bönnt, Lepidus, 
Uns eure Gegenwart. 
Lepidus. 

Edler Antonius, 
Selbſt Krankheit hielt' mich nicht zurück. 
(Trompetenſtoß. Caſar, Antonius und Lepidus a) 
Mäcenas. 
Willkommen von Egypten, Herr. 
Enobarbus. 
Hälfte von Cäſar's Herzen, würdiger Mäcenas! 
Mein ehrenwerther Freund Agrippal — 
Agrippa. 
Wackrer Enobarbus! 


Antonins nnd Eleopatre. 41,2. 41 


Mäcenas. 

Wir haben Urſach, froh zu feyn, daß Alles ſich fo 
gut entwirrt hat. Ihr habts euch indeffen in Egypten 
wohl feyn Laffen ? 

Enobarbus. 

Ja Herr, wir ſchliefen, daß ſich der helle Tag ſchämte, 

und machten die Nacht mit Trinken hell. 
Mäcenas. 

Acht wilde Schweine ganz gebraten zum Frühſtück, 

und nur für zwölf Perſonen, iſt das wahr? 
Enobarbus. 

Das war nur wie eine Fliege gegen einen Adler; 
wir hatten viel andre ungeheure Dinge bei unſern Feſten, 
die wohl werth waren, daß man darauf achtete. 

Mäcenas. 

Sie ift eine ganz unwiderſtehliche Fran, wenn fie 
ihrem Ruf entfpricht. 

Envbarbus. . 

Als fie den Marc Anton das erfte Mal ſah, fahl 
fie ihm fein Herz; es war auf dem Fluſſe Eybnus. 

Agrippa. 

Dort zeigte fie fih ihm in der That, ober mein Be- 

richterftatter Hat viel für fie erfunden. 
Enpbarbus. 

/ 34 wills berichten. — . 
Die Bark', in der fie faß, ein Feuerthron, 
Drannt’ auf dem Strom: getriebnes Gold der Spiegel, 
Die Purpurfegel buftend, daß der Wind 
Entzückt nachzog; die Ruder waren Silber, 
Die nach der Flöten Ton Tart hielten, daß . 
Das Wafler, wie fies trafen, fchneller ſtroͤmte, 
Berliebt in ihren Schlag; doch fie nun ſelbſt, — 
Zum Bettler wird Bezeichnung: fie lag da, _ 
In ihrem Zelt, das ganz ans Gold gewirkt, 
Noch farbenftrahlender, als jene Venus, 


42 Antonius und Gleopatre. II, 2. 


Wo die Natur der Malerei erkiegt. 
Zu beiden Seiten ihr’ holdſel'ge Kuchen, 
Mit Wangengrübchen, wie Cupido Tächelnd, 
Mit bunten Fächern, deren Wehn durchglühte 
(Sp fohiens) die zarten Wangen, die fie fühlten; 
Anzündend Ratt zu Löfchen. 
Agrippa. 
Ihm, welch Shaufpet — 

Enobarbus. 
Die Dienerinnen, wie die Nereiden, 
Spannten, Sirenen gleich, nach ihr die Blicke, 
Und Schmud warb jede Bengung; eine Meerfrau 
Lenfte das Steuer; ſeidnes Tauwerk ſchwoll 
Dem Drud fo biumenreicher Händ’ entgegen, _ 
Die frifh den Dienft verfahn. Der Bar entfirömend 
Betäubt' ein würz’ger Wohlgeruch die Sinne 
Der nahen Uferbämme; fie zu fehn 
Ergießt die Stadt ihr Volk; und Marc Anton, 
Hochthronend auf dem Marktplatz, faß allein, . 
Und pfiff der Luft, die, wär’ ein Leeres möglich, 
Sich auch verlor, Eleopatra zu fehaun, 
Und einen Riß in der Natur zurückließ. ⸗ 

Agrippa. 

O wundervolles Weib! — 

Enobarbus. 
Als ſie gelandet, bat Antonius ſie 
Zur Abendmahlzeit; ſie erwiederte, 
Ihr ſei willkommner, ihn als Gaſt zu ſehn, 
Und Ind ihn. Unſer höflicher Anton, 
Der feiner Frau noch jemals Nein gejagt, 
Zehnmal recht ſchmuck barbirt, geht zu dem Fehl, 
Und dort muß nun fein Herz die Zeche zahlen, 
Wo nur ° fein Auge zehrte. 
Agrippa. 

Zauberin! — 


* 


Antonius und Cleopatra. II, 2. 43 


Sie ließ des großen Eäfarrs Schwert zu Bett gehn, 
Er pflügte fie, fie ärntete. 
Enobarbus. 
Ich ſah fie 
Einſt wen'ge Schritte durch die Straße hüpfen, 
Und als ſie athemlos, ſprach ſie in Pauſen: 
So daß zur Anmuth ſie den Fehl erhob, 
Und ohne Athem Kraft entathmete. 
Mäcenas. 
Nun muß Antonins fie durchaus verlaffen! 
Euobarbus. 
Niemals! Das wird er nicht! Nicht kam fie Niter 
Hinwelten, täglih Sehn an ihr nicht flumpfen 
Die immerneue Reizung; andre Weiber 
Sätt’gen die Aufl gewährend: fie macht hungrig, 
Se reichlicher fie ſchenkt; denn das Gemeinfte 
Wird fo geadelt, daß die heil’gen Priefler 
Sie fegnen, wenn fie buhlt. 
Mäcenas. 
Wenn Schöndeit, Sitt’ und Weisheit feffeln Lönnen 
Das Herz Anton’s, dann iſt Octavia ihm 
Ein ‚fegensreiches Loos. 
Agrippa. 
Kommt, laßt ung gehn. 
Ihr, werther Enobarbus, feid mein Gafl, 
So lang’ ihr hier verweilt. 
Enobarbus. 
Ich dank' euch dbeſtens. 
(Alle ab) 


44 Antonius und Cleopatra. I, 3. 


Dritte Scene. 
Dafelbfi. In Eäfar’s Hanfe. 


(Es treten auf Cäſar, Antonius, Dctavia zwifchen 
iönen; Gefolge; ein Wahrfager) 
Antonius, 
Die Welt, mein großes Amt, wird jezumweilen 
Bon deiner Bruſt mich trennen. 
Detapvia. 
AM die Zeit 
Beugt vor den Göttern betemd ſich mein Knie 
Zu deinem Heil. 
Antonius. 


Gut’ Nacht, Herr. D Octavia, 
Lies meinen Tadel nicht im Ruf der Welt; | 
Ich Hielt nicht fiets das Maaß, doch für die Zukunft 
Fügt Alles fih der Form. Gut’ Nacht, Geliebte! — 


Detavia, 
But’ Nacht, Herr. 
Cäſar. 
Gute Nacht. 
(Caͤſar und Octavia ab) 

Antonius. 
Nun, Freund? Du ſehnſt dich heim wohl nach Eaypten? 

Wahrfager. 
Ging’ ich doch nie von dort, noch jemals ihr 
Dahin! — 

Antoning. 

Den Grund, wenns einen giebt? — 


W 
en ggg thn 


Im Geiftz doch nicht mit Worten fall? ichs. Dennoch 
Eilt nur nach Afrika. 

Antonius. 

Weiffage mir, 
Weß Glück fleigt Höher? Cäſar's oder meins? 


"Antonius und Gleopatra. II, 3. 45 | 


Bahrfager. 
Cäfar’s; 
Drum, o Antonius, weile nicht bei ihm. 
Dein Geift, der dich befchüßt, dein Damon, iſt 
Hochherzig, muthig, edel, unerreichbar, 
Dem Caͤſar fern: doch nah ihm wird dein Engel 
Zur Furt, wie eingefchüchtert. Darum bleibe 
Raum zwifchen dir und ihm. . 


Antonius. 
Sag das nicht mehr. 
Wahrfager. 
Niemand als dir: dir nicht zum zweiten Mal. 
Berfuhe du mit ihm, welch Spiel du willſt, 
Gewiß verlierfi du; Tein natürlich Glück 
Schlägt dich, wie fihlecht er fteht; dein Glanz wirb trübe, 
Strahlt er daneben: noch einmal, dein Geift, 
Kommt er ihm nah, verliert den Muth zu herrfchen, 
Doch ihm entfernt, erhebt er fi. 


Antonius, 

. Hinweg! 

Sag dem Ventidius, ſprechen woll' ich ihn: 
(Wahrſager ab) 
Er ſoll nach Parthien. — Ob Geſchick, ob Zufall, 
Er ſagte wahr. Der Würfel ſelbſt gehorcht ihm! 
In unſern Spielen weicht vor ſeinem Glück 
Mein beſſ'rer Plan: ziehn wir ein Loos, gewinnt er; 
Sein Hahn fiegt’ über meinen flets im Kampf, 
Wenn Alles gegen Nichts fland: feine Wachtel 
Schlug meine, ob auch ſchwächer. Nah Egypten! 
Und ſchloß ich dieſe Heirat mir zum Frieden, 
(Bentidius fommt) 

Im Oſt wohnt meine Luſt. O komm, Bentidiug, 
Du mußt nach Parthien; fertig iſt dein Auftrag, 
Komm mit und hol' ihn. | (Gehn ab) 





46 Antonins und Eleopatra. I, 4. 5. 


Bierte Scene 
Dafelbfl. Eine Straße. ' 
(Es treten auf Lepidus, Mäcenas und Agrippa) 


Lepidus. 
Bemüht euch ferner nicht; sch bitt' euch, eilt, 
Folgt eurem Feldherrn nach. 
Agrippa. 
| Herr, Marc Anton 
Umarmt nur noch Octavien; gleich dann gehn wir. 
Lepidus. 
Bis ich euch wiederſeh' in Kriegertracht, 
Die Beide zieren wird, lebt wohl. 
Mäcenas. 
Wir ſind, 
Kenn' ich die Gegend recht, am Vorgebirg 
Roch eh'r als ihr. 
Lepidus. 
Weil eure Straße kürzer — 
Mein Vorſatz führt mich einen weiten Umweg, 
Ihr kommt zwei Tage früher. 
Mäcenas. 
Viel Erfolg! 
Lepidus. 


Lebt wohl! 
(Alle ab) 


Fünfte Scene. 
Alexandrien. Zimmer im Palaſt. 
(Cleopatra, Charmion, Iras und Alexas treten auf) 


Cleopatra. 
Gebt mir Muſik; Muſik, ſchwermüth'ge Nahrung 
Für uns verliebtes Volk! — 


Antonius und Gleopatra. H,5. 47 


Diener. 
He! Die Muſik! 
(Mardian kommt) 
Cleopatra. 
Laßt es nur ſeyn. Wir wolln zum Kugelſpiel: 
Komm, Charmion. 
Charmion. 
Mich ſchmerzt der Arm; ſpielt doch mit Mardian. 
Cleopatra. 
Ein Weib ſpielt mit dem Haͤmling wohl ſo gut 
Als mit 'nem Weibe. Wollt ihr mit mir ſpielen? 
Mardian. 
Fürſtin, ſo gut ich kann. 
Cleopatra. 
Wo guter Will' iſt, kaͤm' er auch zu kurz, 
Muß man dem Spieler nachſehn. Doch was Anders: — 
Gebt mir die Angel, kommt zum Fluſſe; dort, 
Während Muſik von fern erklingt, berück' ich 
Den goldbefloßten Fiſch, mit krummen Haken 
Die ſchleim'gen Kiefern faſſend, und bei jedem, 
Den ich aufzog, denk' ich, es ſei Anton, 
Und ſag': ahal dich fing ih! — 
Charmion. 
Luflig war 
Mit ihm das Wette- Angeln, als eu’r Taucher 
Den Salzfiſch hängt’ an feine Schnur, den er, 
So eifrig aufzog. 
Cleopatra. 
Jene Zeit! O Zeiten! 
Ich lacht' ihn aus der Ruh'; dieſelbe Nacht 
Lacht' ich ihn in die Ruh'; den nächſten Morgen 
Noch vor neun Uhr trank ich ihn auf ſein Lager, 
That meinen Mantel ihm und Schleier um, 
Und ich derweil trug fein Philippiſch Schwert, — 
D von Stalien! — 


48 Antonins und Gleopatra. II, 5. 


(Ein Bote kommt) 
Stopp mir fruchtbare Zeitung in mein Ohr, 
Das lange brach gelegen. 
Bote. 
Fürftin! Fürſtin! — 
Cleopatra. 
Antonius todt? — 


Sagſt du das, Sclav, ſo mordſt du deine Herrin: — 
Doch meldft du ihn 
Gefund und frei, nimm Gold, und hier zum Kuß 
Die blauften Adern: eine Hand, bie zitternd 
Der Kön'ge Tippen Füßten. 
Bote. 
Er ift wohl. 
Cleopatra. 
Hier noch mehr Gold. — Doch, Menſch, wir ſagen oft, 
Wohl ſei den Todten: wenn du's ſo gemeint, 
Schmelz' ich das Gold, das ich dir gab, und gieß' es 
In deinen Gott verhaßten Schlund. 


Bote. 
O, hört mich! 
Cleopatra. 

Nun wohl, ich wills — 
Doch ſagt dein Blick nichts Gutes. Wenn Anton 
Frei und geſund, — wozu die finſtre Miene 
Zu ſolcher frohen Poſt? Iſt ihm nicht wohl, 
Solltſt du als Furie kommen, ſchlangumkränzt, 
Und nicht in Mannsgeſtalt. 


Bote. 
Wollt ihre mich Hören? 
Eleopatra. 

Ich möchte gleich dich fchlagen, eb du ſprichſt: 

Doch wenn du meldft, Anton fei wohl, er Iebe, 

Sei Eäfar’s Freund, und nicht von ihm gefangen, 
Dann firdm’ ein golpner Regen dir, ein Hagel 

Don reichen Perlen. 


Antonins und Bleopatra. IL 5: 49 


Bote. 
Er ift wohl. 
Cleopatra. 
Recht gut. 
Bote. 
Und Caͤſar's Freund. 
Cleopatra. 
Du biſt ein wackrer Mann! 
Bote. 
Cäfar und er find größre Freund’ als je. 
Cleopatra. 
Begehr' ein Glück von mir! | 
Bote. 
Fürftin, und doch ... 
Cleopatra. 
Ich haſſe dieß „und doch:“ es macht zu Nichts 
Den guten Vorderſatz: Pfui dem „und doch:“ 
„Und doch“ iſt wie ein Scherg' und führt heran 
Fluchwürd'ge Miffethäter. Bitt' dich, Freund, 
Geuß mir die ganze Botfchaft in mein Ohr, 
Das Schlimm’ und Gute. — Er iſt Freund mit Cäfar, 
Geſund und frifeh, fagft du, und fagft, in Freiheit? 
Bote. 
Sn Freiheit, Fürftin? Nein, fo fagt’ ich nicht: 
‚Detavia bindet ihn. 
Elevpatra. 
In welchem Sinn? 
Bote. 
Als Ehgemahl. | 
Cleopatra. 
Ich zittre, Charmion. 
Bote. 
Fürſtin, er iſt Octavien vermäßlt. 
Cleopatra. 
Die giftigſte von allen Seuchen dir! (ESchlaͤgt ihn) 
x. . 4 


50. Antonius und Cleopatra. II, 5. 


Bote. 


Cleopatra. 
Was ſagſt du? Fort, 
Elender Wicht! Sonſt ſtoß' ich deine Augen 
Wie Bälle vor mir herz raufe dein Haar, 
Laffe mit Drath dich geißeln, brühn mit Salz, 
In Lauge ſcharf gefättigt. 
Bote. 
Gnäd’ge Fürſtin, 

Ich meldete die Heirath, ſchloß ſie nicht! 

Cleopatra. 
Sag, 3 iſt nicht ſo: ich ſchenke dir ein Land, 
Daß du im Glücke ſchwelgeſt; jener Schlag 
Sei Buße, daß du mich in Wuth gebracht, 
Und ich gewähre jede Gunſt dir noch, 
Die Demuth wünſchen mag. 


Geduld, o Königin! 


Bote. 
Er iſt vermählt. 
Cleopatra. 
Schurke, du Haft zu lang’ gelebt... 
Biest einen Dolch) 
Bote, 


Dann lauf ih — 
Was wollt ihr, Fürftin, 's iſt nicht mein Vergehn! 


(ab)- 

Charmion. 

O Fürſtin, faßt euch! feid nicht außer euch! — 

Der Mann iſt ſchuldlos! 
Cleopatra. 

Wie manch Unſchuld'gen trifft der Donnerkeil! 

Der Nil erſäuf' Egypten! Werdet Schlangen, 

Ihr ſanfteſten Geſchöpfel — Ruf’ den Sclaven; 

Bin ich auch toll, ich beiß' ihn nicht. — Ruft ihn. 
Charmion. 


Er fürchtet ſich vor dir. 


Antonius und Cleopatra. IL, 5. 


Cleopatra. 
Ich thnu' ihm nichts. 
Ihr Hände ſeid entabelt, weil ihre fchlngt 
Den Mindern als ich felbfl: denn nur ich felbft 
War Urfah meines Zorn. — Hieher denn, fomm. 
(Bote kommt zurüf) 
Ob wohl es redlich ifl, wars nimmer gut, 
Die ſchlimme Nachricht bringen: Frendenbotfchaft 
Berkünd’ ein Heer von Zungen, doch die fohlimme 
Mag feibft fich melden, wenn man fie empfindet. 
Bote. 
Ich that nach meiner Pflicht. 
Cleopatra. 
Iſt er vermählt? 
Ich kann nicht mehr dich haſſen, als ich that, 
Sagft du noch einmal Sa. 
Bote. 
Er iſt vermäßlt. 
Cleopatra. 
Fluch über dich! Sp bleibſt du ſtets dabei? — 
Bote. 
Sollt' ich denn lügen? 
Cleopatra. 
O daß du es thaͤt'ſt! 
Und wär’ mein halb Egypten überſchwemmt, 


Ein Pfahl für ſchupp'ge Natternl Geh, entfleuh, 


Haͤtt'ſt du ein Antlig, wie Narciß, für mich 

Schienſt du ein Ungeheuer! — Er vermählt? — 
Bote. 

Sch bit’ euch um Vergebung... . 


Cleopatra. 
Er vermählt? 
Bote 
Zürnt nicht, daß ich euch nicht erzürnen will; 
4 % 


51 


52 Antonius und Cleopatra. I, 5. 


Mich dafür flrafen, was ihr felbft verlangt, 

Scheint höchſt unrecht. — Er iſt Octaviens Gatte. 
Cleopatra. 

O daß dein Frevel dich zum Schurken macht, 

Der du nicht biſt! Wiel weißt du's ſicher? Fort! 

Die Waare, die du mir von Rom gebracht, 

Iſt mir zu theuer; bleibe ſie dir liegen, 


Und moͤge dich verderben. (Bote ab) 
Charmion. 
Faßt euch, Hoheit. 
Cleopatra. 

Antonius zu erheben, ſchalt ih Caſarn, .... 
Charmion. 

Oft, gnäd’ge Fürſtin. 
Cleopatra. 


Dafür lohnt er nun! — 
- Kührt mid) von bier! 
Mir ſchwindelt. Iras, Eharmion! — Es geht vorüber | 
Geh zu dem Boten, mein Alexas, heiß’ ihn 
Oetavia's Züge fhildern, ihre Jahre, 
Ihr ganz Gemüth: er foll dir nicht vergeffen 
Die Farbe ihres Haare: gieb ſchnell mir Nachricht. 
(Alexas ab) 
Er geh’ auf immer! — Nein doch! Liebe Charmion, 
Wenn er auch Gorgo ähnlich fieht von hier, 
Bon dort gleicht er dem Mars; fag dem Alerag, 
Er melde mir, wie groß fie if. Hab Mitleid, 
Doch fag nichts, Charmion. — Führt mich in mein 
Zimmer. 
° (Alte ab) 





Antonins und Eleoyatra. II, 6. 53 
— — —— 


Sechste Scene. 
In der Nähe von Miſenum. 


( Es treten anf von der einen Seite Pompejus und Me⸗ 
nas, mit Trommeln und Trompeten ; von der andern 
Gäfar, Antonius, Lepidus, Enobarbus und Maͤ⸗ 
cenas mit Truppen) 

Bompeius. 
Ihr Habt nun meine Geißeln, ich die euern, 
Sp laßt ung reden vor der Schladt. 


Cäſar. 
Sehr löblich, 
Daß erſt verhandelt werde; darum ſandt' ich 
Voraus, was wir dir ſchriftlich zugeſtanden. 
Haſt du dieß wohl erwogen, zeig' uns an, 
Obs in der Scheibe hält dein zürnend Schwert, 
Und führt zurüd Siciliens muth’ge Jugend, 
Die fonft Hier fallen muß. 
Pompeins. ’ 
Hört mich, ihr drei 
Allein'ge Rechtsverwefer diefer Welt, 
Höchſte Statthalter Zupiters. Ich weiß nicht, 
Weßhalb mein Vater Rache follt’ entbehren, 
Dem Sohn und Freunde blieben, da doch Käfer, 
Der fih dem edlen Brutus offenbart, 
Euch bei Philippi für ihn kämpfen fah. 
Was trieb den bleichen Eaffins zur Verſchwörung? 
Was tränfte der altröm’fche biedre Brutus, 
Und wer noch fonft für holde Freiheit focht, 
Mit Blut das Capitol? Nur da Ein Mann 
Nicht mehr fer als ein andrer Mann! Und deßhalb 
Rüſtet' auch ich die Seemacht, deren Laſt 
Das Meer zornſchaͤumend trägt, mit ihr zu geißeln 


54 Antonins und Cleopatra. H,6. 
N — HERE 


Den Undanf, den dieß fchnöde Nom erwies . 
Meinem erhabnen Bater. 
Cäſar. 
- Nimm wahr der Zeit. 
Antonius. 
Du ſchreckſt mit deiner Flott' uns nicht, Pompejus: 
Wir ſprechen uns zur See; zu Lande weißt du, 
Wie viel wir reicher ſind. 
Pompejus. 
O ja, zu Sande 
Biſt reicher du durch meines Vaters Haus; 
Doch weil der Kucku für fich ſelbſt nicht baut, 
Bleib drin, fo lang’ du kannſt. 


Lepidus. 
Gefällts euch, ſagt 
(Denn dieß führt uns vom Ziel), wie euch bedünkt 
Der Vorſchlag, den wir thaten. 
Cäfar. 
Dieß der Punct. — 
Antonius. 
Nicht fei dazu gebeten, fondern wäge, 
Was du dadurch gewinnft. 
Cäſar. 
Und was geſchehn kann, 
Roch größres Glück zu finden. 
Pompejus. 
Ihr botet mir 
Sicilien und Sarbinien, und ich fol 
Das Meer befrein von Räubern; foll nach Rom 
Vorrath von Waizen ſenden: thu' ich dag, 
Ziehn wir mit unzerhacktem Schwert nach Haus, 
Und glattem Schilb. 
Cäfar. Antonius. Lepidus. 
Das boten wir. 


Antonius und Eleopatra. II, 6 


Pompejus. 
So wißt, 
Sch kam vor euch hieher mit dem Entſchluß 
Dieß anzunehmen; nur daß Marc Anton 
Ein wenig mich verſtimmt. — Büß' ich ſchon ein 
An Ruhm, erzähl’ ichs felber: — dennoch, wißt! 
Als Caͤſar Krieg mit euren Brüdern führte, 
Fand eure Mutter in Sicilien damals 
Den gaftlichften Empfang. 
Antonius. Ä 
Ich weiß, Pompeiusz 
Und fann zeither auf edle Dankbarkeit, 
Die ich euch ſchuldig. 
Pompeijus. 
Gebt mir eure Haud. 
Sch hätte nicht gebacht, euch Hier zu treffen. 
Antonius. 
Es ruht ſich fanft im Dften, und ich dan?’ end, 
Daß ihe mich Herrieft, eh's mein Vorſatz war; 
Denn ich gewann babei. 
Cäſar. 
Seit ich euch ſah, 
Habt ihr euch ſehr veraͤndert. 
Pompejus. 
Nun, ih weiß nicht, 
Wie herbes Schickſal mein Geſicht gefurcht; — 
Doch nimmer ſoll mirs dringen in die Bruſt, 
Mein Herz zu überwält'gen. 


Lepidus. 
Seid willkommen! 
Pompejus. 


Das hoff’ ich, Lepidus. Go find wir Eins. — 
Sch wünfchte num gefihrieben den Bertrag 
Und unterzeichnet. 


56 Antonius und Sleopatra I, & 


Käfer. 
Das gefchehe gleich. 

Bompeins. R 

Wir wollen uns bewirthen, eb wir. fcheiden, 
Und Iopfen, wer beginnt. — 
| Antonius. 
Laßt mich beginnen! 

Bompeins 
Nein, looſen wir, Antonius: ob der Erſte, 
Dh Letzte; enrer Kochfunft aus Egypten 
Gebührt dee Preis. Ich hörte, Julius Cäfar 
Ward dort vom Schmaufen fett. 


Antonius. ' 
Ihr hörtet Vieles! 
* Bompeius. 
Ich mein’ es gut. 
Antonius. 
Und fett die Worte gut. 
Bompeius. 


Nun wohl, ich hört’ es; 
Und Hört’ auch das: Apollodorus trug... . 
Ensbarbus. 
O fl davon! Er trug.... 
Pomp ejus. 
Was? — 
Enobarbus. 
Eine gewiſſe 
Monarchin Hin zum Käfer in 'ner Dede. 
\ Bompejus. 
Nun kenn' ich bich: wie geht dire, Kriegsmann? 
Enobarbus. 
Gutz 
Und, wie mirs ſcheint, auch ferner wu; ich ſebe, 
vier Schmauſe ſind im Werk. 


Antonins und Gleopatra. II, 6. 57 


Pompeijus. 
Reich mir die Hand; 
Ich Hab’ bich nie gehaßt; ich ſah dich fechten, 
Und neidete dir deinen Muth. 
Enobarbus. 
Mein Feldherr, 
Ich liebt' euch nie ſehr ſtark, doch lobt' ich euch, 
Da ihr wohl zehnmal ſo viel Lob verdient, 
Als ich euch zugeſtand. 
Pompeijnus. 
Dein offnes Weſen 
Erhalte dir, es ſteht dir wohl. — 
Ich lad' euch: Al’ an Bord meiner Galeere; 
Wollt ihr vorangehn? 
Alle. 
Führt uns, Feldherr! — 
Pompejus. 
Kommt. 
(Pompejus, Caſar, Antonius, Lepidus, Soldaten u. Gefolge ab) 
Menas. (beiſeit) 
Dein Bater, Pompejus, wäre nimmer biefen PVer- 
gleich eingegangen. — Ihr und ich haben uns ſchon ge- 


ſehn, Herr. 
Enobarbus, 
Zur See, dene’ ich. 
Menas. 
Ganz recht, Herr. 
Enobarbus. 
Ihr habt euch gut zur See gehalten. 
Menas. 
Und ihr zu Lande. 
Enobarbus. 
Ich werde jeden loben, der mich lobt, obgleich nicht 
zu laͤngnen iſt, was ich zu Lande gethan. 


58 Antonins und Cleopatra. II, 6. 


Menas. 
Noch was ich zu Waſſer gethan. — 
Enobarbus. 

Nun etwas koͤnnt ihr ſchon für eure Sicherheit laͤng⸗ 

nen; ihr ſeid ein großer Dieb zur See geweſen. 
Menas. 

Und ihr zu Lande. 

Enobarbus. 

Solchen Landdienſt laͤugne ich ab. Aber gebt mir 
die Hand, Menas; hätten unfre Augen jetzt Vollmacht, 
fo würden fie hier zwei ſich Füffende Diebe ertappen. 

Menas. 

Aller Menſchen Gefichter find ohne Falſch, wie auch 

ihre Hände befchaffen find. 
Enobarbus, 

Aber noch Fein Hübfches Weib Hatte je ein Geſicht 
ohne Falſch. 

Menas. 


Das ift Fein Tadel, fie fehlen Herzen. — 
Enobarbus. 
Wir kamen, mit euch zu fechten. 
Menas. 

Mir für mein Theil thuts Leid, daß daraus ein Trinf- 

gelag ward. Pompeins lacht heut fein Glück weg! 
Enobarbus. 

Wenn das ift, jo kann ers gewiß nicht wieder zu- 
rück weinen. 

Menas. 

Sehr gewiß, Herr; wir dachten nicht, Marcus An- 
tonins bier zu treffen. Sagt doch, ift er mit Cleopatra 
vermählt? — 

Enobarbus. 
Cäfar’s Schwefter heißt Octavia. 
Menas. 
Ja wohl, ſie war des Cajus Marcellus Weib. 


Antonins und Cleopatra. II, 6. 59 


Enobarbus. 
Und iſt nun des Marcus Antonius Weib. 
Menas. 
Was ihr jagt! 
Enobarbus. 
»S iſt wahr! 
Menas. 

Dann ſind Cäſar und er für immer an einander 
geknüpft! 

Enobarbus. 

Wenn es meines Amtes wäre, von dieſer Vereini— 
gung zu weiſſagen, ich prophezeite nicht ſo. 

Menas. 
. Ich denke, in dieſer Angelegenheit that die Politik 
mehr für die Heirath, als die Liebe der Vermählten. 
Enobarbus. 

Das denk' ich auch. Aber ihr ſollt ſehn, das Band, 
das ihre Freundſchaft zu verknüpfen ſcheint, erwürgt 
ihre Verbrüdrung. Octavia iſt von kaltem, ſtillen Tem- 
perament. 

Menas. 
Wer wünſchte ſein Weib nicht ſo? — 
Enobarbus. 

Der nicht, der ſelbſt nicht fo iſt: und das iſt Marc 
Anton. Sein egyptifhes Mahl wird ihn zurückziehen; 
dann werden Drtavin’s Seufzer Cäfar’s Feuer anfachen, 
und wie ich vorhin fagte: was die Befefligung ihres 
Bundes fcheint, wird die unmittelbare Veranlaffung ih- 
zer Entzweinng werden. Antonius wird feiner Liebe 
zeigen, wo fie iſt; bier hat er nur feinen Vortheil ge- 
beirathet. — 

. Menas. 

So wirds wohl fommen. Sagt, Herr, wollt ihr 

an Bord? Ich habe eine Gefundheit für euch. 


60 Antonins and Cleopatra. 1,7. 


Envbarbus. 
Die nehm’ ich an, Herr; wir haben nufre Gurgeln 
in Egypten eingeübt. 
Menas. 
Bir wollen gehn, 
(Beide ab) 


Siebente Scene, 
An Bord von Pompeijus Galeere. 


(Mufif. Es treten auf zwei oder drei Diener, die cin 
Banfett anrichten) " 
Erfier Diener. 

Gleich werben fie hier feyn, Kamrad; ein Paar von 
biefen edlen Bäumen find nicht mehr im Boden feflge- 
wurzelt, der Feinfte Wind kann fie ummwerfen. 

Zweiter Diener. 
Lepidus iſt ſchon hochroth. 
Erſter Diener. 
Der hat trinken müſſen, wie Keiner mehr mochte. — 
Zweiter Diener. 

Wie nur Einer dem Andern den wunden Fleck be— 
rührt, ruft er: haltet ein! und macht, daß Jeder fich fer- 
nen Friedensworten und er fi dem Becher ergiebt. , 

Erfter Diener. 

Deſto größerer Krieg erhebt fich zwifchen ihm und 
feinen fünf Stimmen. 

Zweiter Diener. 

Das fommt dabei heraus, in großer Herren Gefell- 
[haft Kamrad zu ſeyn; eben fo gern hätte ich ein Schilf- 
rohr, das mir nichts mehr nutzen kann, als eine Helle» 
barbe, bie ich nicht regieren könnte. 

Erfler Diener. 
In eine große Sphäre berufen feyn, und fich nice 


Antonius und Gleopatra. IL 7. 61 


einmal darin bewegen können, ift wie Löcher, wo Augen 
ſeyn follten; was das Geſicht jämmerlich entſtellt. 

(Bine Zinfe wird geblafen. Es treten auf Cäfar, Anto- 
nius, Bompejus, Lepidus, Agrippa, Mücenas, 
Enobarbus, Menas und andre Dauptleute) . 

, Antonius. (zum Eifer) 
So iſt der Brauch: fie meffen dort den Strom 
Nah Pyramidenflufen; daran fehn fie, 
Nah Höhe, Tief’ und Mittelſtand, ob Theurung, 
Ob Fülle folgt. Ye höher ſchwoll der Nil, 
Se mehr verfpricht er; fällt er dann, fo freut 
Der Sämann auf den Schlamm und Moor fein Korn, 
Und erntet bald nachher. 


Lepidus. 
Ihr Habt ſeltſame Schlangen dort! — 
Antonius. 
Ya, Lepidus. — 
Lepidus. 


Eure egyptiſche Schlange wird alſo durch die Kraft 
eurer Sonne aus eurem Schlamm ausgebrütet; ſo auch 
euer Crocodil? — 


Antonius. 

So iſts. 
Pompeijus. 

Setzt euch. — Mehr Wein! Auf Lepidus Geſundheit! 
Lepidus. 


Mir iſt nicht ſo wohl, als ich ſeyn ſollte, aber ich 

bin dabei. 
Enobarbus. 

So lange bis ihr einſchlaft; bis dahin bleibt ihr 

gewiß nebenbei. 
Lepidus. 

Ja, das muß wahr ſeyn, dieſe ptolomäͤiſchen Pyra- 
michien, ſagt man, find allerliebſte Dinger; in allem 
Ernſt, das ſagt man. 


62 Antonius und Cleopatra. I, 7. 


Menas. (beiſeit) 
Ein Wort, Pompejus. 
Pompeins. 
Sag insg Ohr, was iſts? 
Menas. Cbeifit) - 
Steh’ auf von deinem Sig, ich bitt' dich, Felbherr, 
Und Hör’ mi auf ein Wort. 
Pompejus. 
Wart' noch ein Weilchen, 
Den Wein für Lepidus, 
Lepidus. 
Was für »ne Sorte von Geſchöpf iſt euer Crorodil? 
Antonius. 

Es hat eine Geſtalt, Herr, wie es ſelbſt, und iſt ſo 
breit als ſeine Breite betraͤgt; juſt ſo hoch, als es hoch 
iſt, und bewegt ſich mit ſeinen eignen Gliedern; es lebt 
von feiner Nahrung, und haben feine Elemente ſich auf- 
gelöft, fo wird ein neues Wefen aus ihm. 


Lepidus. 

Was hat es für eine Farbe? 
Antonius. 

Auch ſeine eigenthümliche Farbe. 
Lepidus. 

Ein curioſer Wurm! — 
Antonius. 

Allerdings. Und feine Thränen find naf. 
Cäſar. 

Wird ihm dieſe Beſchreibung genügen? — 

Antonius. 


Nach allen Geſundheiten, die Pompejus ihm bringt; 
ſonſt iſt er ein wahrer Epicur. 
Pompeius. (beiſeit zu Menas) 
Geh mir und laß dich hängen! mit mir reden? 
Geh, thu, wie ich dir hieß. Wo bleibt mein Becher? — 


Antonius nnd Eleopatra. II, 7. 63 


Menas. 
Hab’ ich die Treu’ bewiefen, hör’ mich an, 
Und komm beifeit. 
Pompejus. 
Dir bift nicht klug. Was willft du? 
Menas.: 
Ich zog die Mütze ftets vor deinem Glück.... 
Pompejus. 
Du haſt mir immer brav gedient: was weiter? 
— Munter, ihr edlen Herrn! 
Antonins. 
Nehmt euch in Acht 
Bor biefer Sandbank, Lepidus; ihr ſinkt! — 
Menas. 
Willſt du Herr ſeyn der ganzen Welt? 
Pompejus. | 
Was fagft du? 
Menas. 
Willſt Herr der ganzen Welt feyn? Zweimal ſagt' ichs. 
Pompeijus. 
Wie ſollte das geſchehn? 
Menas. 
Sei willig nur; 
Und ſchein ich noch ſo arm, ich bin der Mann, 
Der dir die ganze Welt giebt. 
Pompejus. 
Biſt du trunken? 
Mena. 
Mein Felvherr, vor dem Becher wahrt’ ich mich; 
Du bift, wenn du’s nur wagft, der Erde Zeus, 
Und was das Meer umgränzt,' umwölbt der Himmel, 
Sfl.dein, wenn du's nur willſt. 
Pompeius. 
| So fag mir, wie? — 


64 Antonius und Cleopatr« I, 7. 


Menas, 
Diefe drei Weltentheiler, die Trinmvirn, 
Faßt unfer Schiff; ich kappe jebt das Tan, 
Wir ſtoßen ab, ich greif’ an ihre Kehle, 
Und dein iſt Alles. 

Pompejus. 

AH! hätt'ſt du's gethan, 
Und nicht geſagt! In mir iſts Büberei, 
Bon dir getreuer Dienſt. Vergiß es nie, 
Mein Bortheil nicht geht meiner Ehre vor, 
Die Ehre ihm. Bereu’ es, dag dein Mund 
So deine That verrieth. Thatſt du's geheim, 
Dann hätt’ ichs, wenns geſchehn, als gut erkannt, 
Doch nun maß ichs verbammen. — Bergiß, und trink! 


Menas. 
Hinfort 
Folg' ich nie wieder deinem morſchen Glück! 
Wer ſucht, und greift nicht, was ihm einmal zuläuft, 
Findets nie wieber. 
Pompeijus,. 
Lepidus ſoll leben! 
Antonius. 
Tragt ihn ans Land; ich thu' für ihn Beſcheid. 
Enobarbus. 
Menas, dein Wohl! 
Menas. 


Willkommen, Enobarbus! — 
Pompeius. 
Füllt bis zum Rand den Becher! — 
Enobarbus. 
Der Kerl hat Kräfte, Menas! 
Menas. 
Wie? 
Enobarbus. 
Da trägt er 
Den dritten Theil der Welt: Mann, ſiehſt du's nicht? 


Antonius und Gleopatra U, 7. 65 


| Menas. 
Dieß Dritttheil alſo trunken! Waͤr's die ganze, 
So kaͤm' es bald zu Rande. 
Envbarbus. 
Trink', mach’ uns feine Schande! — 
Menas. 
Sp komm! 
Pompeins. 
Dieß iſt noch kein egyptiſch Feſt! 
Antonius. 
Es kommt ihm doch ſchon nah. Stoßt an die Becher! 
Der hier für Cäſar! 
Eifer. 
Ich verbät es Lieber; 
'S if ſchwere Arbeit mein Gehirn zu wachen; 
Und es wird ſchmutz'ger. 
Antonius. 
Set ein Rind der Zeit. 
Caſ ar. 
Trink' aus, ich thu' Beſcheid: doch lieber faſt' ich 
Vier Tage lang, als einen ſo viel trinken. 
Enobarbus. 
O wackrer Imperator! 
Solln wir egypt'ſchen Bacchustanz beginnen, 
Und feiern biefen Trunk? — 
Pompeins. 
Recht fo, mein Krieger! — 
Antonius. 
Kommt, ſchließen wir den Reih'n, 
Dis der fieghafte Wein den Sinn uns taucht 
Im füßen, weichen Lethe. 
Enobarbus. 
| Nun umfaßt euch; 
Beſtürmt das Ohr mit Tärmender Mufif, 
Bis ich euch flelle: dann fingt der Knab' ein Lied, 
X. 5 


66 Antonius und Cleopatra. I, 7. 


Und Jeder fällt mit ein im Chor, fo Iant, 
Als feine ſtarke Bruft nur fehmettern Tann. — 
(Duft. Enboarbus ftellt fie, und fie fchliegen ven Reihen) 


Uied 
Komm, du König, weinbefränzt, 
Bachus, deffen Auge glänzt: 
Du verjagft die Leidgedanken! 
In den Locken Epheuranten, 


Trinkt, bis alle Welten ſchwanken, 
Trinft, bis alle Welten ſchwanken! — 


Cäfar. 
Was wollt ihr mehr? Gut’ Wacht, Pompejus. Bruder, 
Gehn wir, ich bitt? euch; unfer ernft Gefchäft 
Zürnt diefem Leichtfinn. Werthe Herrn, brecht auf, 
Ihr feht, die Wangen glühn. Selbft Enobarbus 
Iſt ſchwächer als der Wein; auch meine Zunge 
Spaltet die Worte; wilder Taumel hat ung 
Zu Geden faft vermummt. Was red’ ich hier? 
Gut Nacht! 
Die Hand, Antonius! ich bring’ euch ans Land. 


Antonius. 
Out, gebt die Hand, Herr. 
Pompeijus. 
O Anton, ihr habt 
Des Vaters Haus: was thuts, wir find ja Freunde! — 
Kommt jett ins Boot. 
Enobarbus. 
Nehmt euch in Acht, und fallt nicht. 
(Pompejus, Caͤſar, Antonius und Gefolge ab) 
Menas, ich will nicht mit. 
Menas. 
Komm zur Cajüte. 
Se, unfre Trommeln, Flöten, Cymbeln, bel 





Antonius nnd Eleopatra Ul, J. 67 


Hör’ es, Neptun, welch lauten Abfchieb wir 
Diefen Gewalt’gen bringen; blaf’t, fo blaf’t doch! — 

(Trompeten und Trommeln) 

Enobarbns. 
Hallohl die Mützen fchwenft! 
Menas. 
Brav, wadrer Kriegsmann! — 
Kommt! — 
(Gehn ab) 


Dritter Aufzug. 


Erſte Scene. 


Bine Ebene in Syrien. 


(Bentidins tritt auf, wie nach einem Siege; mit ihm Sis 
lins und andre römifhe Hanptleute und Soldaten; vor 
ihnen wird der Leichnam des Pacorus getragen) 

Ventidius. 
So, kühnes Parthien, ſchlug ich dich, und ſo 
Erwaͤhlte mich das Glück, des Crafſus Tod 
Zu rächen. Tragt den tobten Rönigsfohn 
Dem Heer voran. Drobes, dein Pacorus 
Zahlt dieß für Eraffus. 
Silius. 

Würdiger Ventidius! 
Weil noch vom Partherblute raucht dein Schwert, 
Folge den flücht'gen Parthern ſchnell durch Medien, 
Meſopotamien und in alle Schluchten, 
Wohin die Flucht ſie trieb. Dann hebt dein Feldherr 

5 v 


68 Antonius und Cleopatra. I, 1. 


Antonius anf den Siegeswagen Dich, 
Und Fränzt dein Haupt mit Lorbeern. 
Ventidius. 
Silius, Silius! — 
Ich that genug. Ein Untergebner, merk' es, 
Glänzt leicht zu hell; denn wiſſe dieß, o Silius: — 
Beſſer nichts thun, als zu viel Ruhm erwerben 
Durch tapfre That, wenn unfre Obern fern. 
Eifer und Marc Anton gewannen flets 
Durch Diener mehr als durch ſich felber. Soſſius, 
Sein Hauptmann (der vor mir in Syrien ‚fland), 
Berlor, weil ihn zu fchnell der Ruf erhob, . 
Den er erlangt im Umfehn, feine Gunft. 
Wer mehr im Krieg thut, als fein Feldherr Tann, 
Wird feines Feldherrn Feldherr; und der Ehrgeiz, 
Des Kriegers Tugend, wählt Verluft wohl Lieber, 
Als Sieg, der ihn verbunfelt. 
Ich könnte mehr thun zu Antonius Vortheil, 
Doch würd's ihn Fränfenz und in feiner Kränkung 
Berfhwände mein Bemühn. 
Silius. 
Du haſt, Ventidius, 
Was, fehlt es ihm, den Krieger und ſein Schwert 
Kaum unterſcheiden läßt. — Schreibſt du dem Marc 
Anton? 
Bentiding, 
Ich meld’ in Demuth, was in feinem Namen, 
Dem mag’fchen Feldgefchrei, uns dort gelang: 
Wie fein Panier, fein wohlbezahltes Heer, 
Die nie befiegte parth’fche Reiterei 
Mit Schmach vom Feld gejagt. 
Silius. 
Wo ift er jetzt? 
Ventidius. 
Er wollte nach Athen: und dort mit ſo viel Eil', 


Antonius und Eleopatra. IM, 2. 69 


Als unfers Zugs Beſchwer vergönnen will, 
Erſcheinen wir vor ihm. Nun vorwärts, Lente! weiter! 
(ab) 


Zweite Scene. 
Rom. Ein Borzimmer in Eäfar’s Haufe. 
(Agripypa und Enobarbus begegnen einander) 


Agrippa, 

Wie! trennten fih die Brüder? 

Envbarbus. 
Sie find Eins mit Pompejus; er iſt fort, 
Die Andern unterzeichnen. Octavia weint, 
Bon Rom zu gehn; Cäſar ıfl traurig; Lepidus, 
(Wie Menas fagt), Hat feit Pompejus Schmaus 
Die Bleichfucht. 


Agrippa. 
Ei du wackrer Leyidus! — 
Enobarbus. 
Ausbündigſtes Gemüth! Wie liebt er Caſarn! — 
Agrippa. 
Und wie entzückt ihn vollends Marc Anton! — 
Enobarbus,. 
Caſar? Das iſt der Zupiter der Menfchheit! 
Agrippa. 
Und Mare Anton? Der Gott des Jupiter! — 
Enobarbus. 
Spracht ihr vom Cäſar? O der nie Erreichtel — 
Agrippa. 
Und Marc Anton? Der Phönix aus Arabien! 
Enobarbus. 
Caſarn zu loben ſprecht: Cäſar! Nichts mehr! — 
Agrippa. 


Ja, Beiden ſpendet er erhabnes Lob. 


[ 


70 Antonius und Eleopatra. II, 2. 


Envbarbus. 
Doch Eäfarn mehr. Zwar liebt er auch Anton, 
Nicht Herz, Wort, Griffel, Schreiber, Bard’ und 
Dichter, 
Denkt, fpricht, malt, fehreibt, fingt, rveimt, was er 
empfindet 
Zür Marc Anton: doch nennt ihr Cäſarn, kniet, 
Kniet nieder, kniet und flaunt. 
Agrippa. 
Er liebt fie Beide. 
Enobarbus. 
Sie ſind ihm ſchwere Flügel, er ihr Käfer. — 
(Trompetenſteß) Sp: 
Das heißt zu Pferd. Leb wohl, edler Agrippal — 
Agrippa. 
Biel Gläck, mein warrer Krieger, und lebt wohl! — 
( Es treten auf Cäſar, Antonius, Lepidus und Octavia) 
Antonius. 
Nicht weiter, Herr! — 
Cäſar. 
Ihr nehmt von mir ein groß Theil von mir ſelbſt; 
Ehrt mich in ihm. Schweſter, ſei ſolch ein Weib, 
Wie dich mein Herz gedacht, mein höchſtes Pfand 
Dir Bürgſchaft leiſten möchte. Mein Anton, 
Laß nie dieß Stärkungsmittel, zwiſchen ung 
Als unfrer Liebe Mörtel eingeſetzt, 
Sie feft zu gründen, — Mauerbrecher werben, 
Sie zu zerfihmettern. Beſſer dann für ung, 
Wir liebten ohne fie, wenn Beide nicht 
Dieß Mittel Heilig achten. 
Antonius. 
Kraͤnkt mich nicht 
Durch Mißtraun. 
Cäfar. 
Run genug. 


Antonius und Gleopatra. II, 2 7 


Antonius. 
Nie geb’ ich euch, 
So fein ihe prüfen mögt, den Heinflen Anlaß 
Zu folcher Furcht. So ſchützen dich die Götter, 
Und Ienfen deinem Wunſch die Herzen Roms! — 
Wir. fcheiden hier! — 
Eäfar. 
Leb wohl, geliebte Schwefter, lebe wohl! 
Die Elemente fei’n dir hold, fie ſtaͤrken 
Mit frohem Muth dein Herz! Gehab dich wohl! 
Detavia. 
Mein edler Bruder! — 
Antonius, 
April iſt dir im Aug’, der Liebe Lenz, - 
Und Thränen find der Regen, die ihn künden! 
Blick' Heiter! 
Detavia. 
O, forge doch für meines Gatten Dans, 
Eäfar. 
Wie, Detavia! 
Detavia. 
..... heimlich ſag' ichs bir. 
Antonius. 
Ihr Mund gehorcht dem Herzen nicht, noch Tann 
Das Herz die Zunge meiftern: wie des Schwans 
Flaumfeder flieht auf hochgefchwellter Flut, 
Und finft auf feine Seite. 
Enobarbus. 
Wird Caͤſar weinen? 
Agrippa. 
Wolfen flehn im Auge! — 
Enobarbus. 
Das wäre fchlimm genug, wär’ er ein Pferd; 
Se mehr für einen Dann. 


72 Antonins und Cleopatra. II, 8. 


Agrippa. 
Wie, Enobarbus? 
Antonius, als er Caͤſarn ſah erſchlagen, 
Da ſchluchzt' er bis zum Schrei, und weinte auch 
Ueber des Brutus Leiche bei Philippi, 
Enobarbus. 
Nun, in dem Jahre hatt' er wohl den Schnupfen! 
Was er mit Luſt zerſtoͤrt, netzt' er mit Thraͤnen? 
Das glaubt, wenn ich auch weine. 
Caͤſar. 
Nein, theure Schweſter! 
Stets ſollſt du von mir hören; keine Zeit 
Soll dein Gedächtniß tilgen. 
Antonius. 
Kommt nun, kommt! 
Laßt mich mit euch in Kraft der Liebe ringen, 
Seht, fo noch Halt’ ich euch: ſo laſſ' ich los, 
Und gebe euch den Göttern. 
Säfar. 
‚Geht! Seid glücklich! — 
Lepidus. | 
Die ganze Schaar der Stern’ umleuchte bir 
Den heitern Pfad! — 
Cäſar. 
Leb wohl! leb wohl! 


(Umarmt Octavia) 


Leb wohl! 
( Trompetenſtoß. Alle ab) 


Antonius. 


Dritte Scene. 
Alerandria Bin Zimmer im Balafl. 
(83 treten auf Cleopatra, Charmion, Iras und Aleras) 


Cleopatra. 
Wo iſt der Menſch? 


Antonius und Eleopatra. IH, 3 73 


Aleras. 
Er fürchtet fi, zu kommen. 
Eleopatra. 
Nur zu, nur zu: tritt näher, Freund. 


(Bote tritt auf) 


Aleras. 
Monarchin, 
Herodes von Judäaͤa ſcheut dein Auge, 
Wenn du nicht lächelſt. 
Cleopatra. 
Des Herodes Haupt 
Verlang' ich: aber wie? wer kann mirs ſchaffen, 
Seit Mare Anton nicht hier iſt! — Komm, nur näher! 
Bote, 
Huldreiche Majeflät.. . . - 
Cleopatra. 
Haft du Octavien 
Selber gefehn? 
Bote 
Ja, Herrin. 
Cleopatra. 
Wo? 
Bote. 
In Rom. 
Ich ſah ihr ins Geſicht; ſah ſie geführt 
Bon ihrem Bruder und vom Marc Anton, 
Cleopatra. 
Iſt ſie ſo groß als ich? 
Bote. 
Nein, gnäd'ge Fürſtin. 
Cleopatra. 
Und ihre Sprache? Iſt tief fie oder Hei? 
Bote. 
Ich hoͤrte, wie fie ſprach mit tiefer Stimme, 


74 Antonius und Cleopatra. II, 3. 


Cleopatra. 
Dann klingts nicht gut, dann liebt ex fie nicht lang'. 
Charmion. 
Sie lieben? Nun bei Iſis, ganz unmöglich! 
Cleopatra. 
Das Hoff’ ih, Charmion! dumpf von Stimm’ und 
zwerghaft! 
IR Majefiät in ihrem Gang? Beftnn’ dich, 
Wenn du je Majeflät gefehn! 
Bote. 
Sie kriecht; 
Ihr Stilffiehn und Bewegen find faſt Eins; 
Gie zeigt fi) mehr ein Körper als ein Leben, 
Mehr Bildniß als befeelt. 
Cleopatra. 
Sf das gewiß? 
Bote. 
Sonſt fehlt mir Scharfblick. 
Charmion. 
Drei in ganz Egypten 
Bemerken beſſer nicht. 
Cleopatra. 
Er zeigt Verſtand, 
Das ſeh' ih wohl. Bon der iſt nicht zu fürchten: — 
Der Menfch Hat gutes Urtheil. 
Charmion. 
Ausgezeichnet! — 
Cleopatra. 
Wie alt wohl mag ſie ſeyn? 
| Bote. 
Sie war 
Schon Wittwe, Fürflin. 
Elespatra. 
Wittwe? Charmion, hörſt du? — 


Antonius und Gleopatra. IU,3. 75 


Bote. 
Auf Dreißig ſchaͤtz' ich fie. 
Cleopatra. 
Schwebt dir ihr Antlitz vor? lang ober rund? 
Bote. 
Ganz übertrieben rund. 
Cleopatra. 
Solche Geſichter 
Verrathen meiſt auch Eifsl. Was für Haar? — 
Bote. 
Braun, Fürftin, und fo niedrig ihre Stirn, 
Wie mans nur fehn mag. 
Elevpatra. 
Nimm, da haſt du Gold. — 
Du mußt mein Eifern von vorhin vergeflen: — 
Ich geb’ dir Briefe mit zurück; du ſcheinſt mir 
Sehr brauchbar in Gefchäften. Mach dich fertig; 
Die Briefe find bereit. (Bote ab) 
Charmion, 
Ein hübſcher Dann! — 
Cleopatra. 
Das iſt er auch; und ich bereue ſehr, 
Daß ich ihn fo gerauft. Nun, fo nach ihm 
Kann das Gefhöpf nicht viel bedeuten. 


Charmion. 
Gar nichts. 
’ Cleopatra. 
Er ſah doch Majeſtaͤt, und muß fie kennen. 
Charmion. 


Ob er fie fahl Nun, Iſis mög’ ihm helfen, 
Sp lang’ in euerm Dienſt! — 
Cleopatra. 
Ich muß ihn Eins noch fragen, gute Charmion; 
Doch thut es nichts. Geh, bring ihn auf mein Zimmer, 
Da will ich ſchreiben. Noch vielleicht gelingts! 


6 Antonins und Eleopatra. III, 4. 


Charmion. 
Fürſtin, verlaßt euch drauf. (Gehn ab) 


Dierte Scene. 
Athen. Zimmer in Antonius Hanje. 
(Antonius und Octavia treten auf) 


Antonius, 
Nein, nein, Octavia; 's iſt nicht das allein; 
Das wär’ verzeihlich: das und tauſend Andres 
Bon gleicher Art, Doch neuen Krieg begann er, 
Wider Pompeius; las fein Teflament 
Dem Bolfe vor; 
Sprach leicht von mir, und mußt’ er mein durchaus 
Ruhmvoll erwähnen, that ers doch nur Falt 
Und matt, und brauchte höchſt verfleinernd Maaß. 
Den nächſten Anlag nahm er nicht, und mußt’ er, 
Geſchah's nur nebenher. 

Detavia,. 

O thenrer Gatte, 

Glaub doch nicht Allem, oder mußt du glauben, 
Nimms nicht als Kränkung. Unglüdfel’ger fland 
(Trennt ihr euch jetzt) kein Weib je zwifchen zweien, 
Für beide betend; 
Die guten Bötter werben meiner fpotten, 
Fleh' ich zu ihnen: Schützet meinen Bruder, 
Und widerruf' es mit gleich lautem Flehn: 
Schützt den Gemahl! Mag Gatte, Bruder ſiegen, 
Zerſtört Gebet das Beten; kein Vermitteln 
Liegt zwiſchen dieſem Aeußerſten. 

Antonius. 

O Theure, 

Schenk' deine beſte Liebe dem, der ihr 
Den beſten Schutz verheißt. Die Ehre miſſen, 


Antonius und Gleopatra. III, 5. 77 


Heißt Alles miffen. Beſſer, nicht der Deine, 
Als dein fo ſchmuckberaubt. Doch, wie du's bateft, 
Sei Botin zwifchen uns; derweil, Detavia, 
Bil ich die Rüftung ordnen diefem Krieg, 
Der deinem Bruder Schmach bringt. Eiligfl fort; 
Sp wird dir, was du wünfcheft. 

Detavia. 

Dank, mein Gatte! 

Der Weltregierer mache mich, die Schwächſte, 
Euch zur Berföhnerin! — Krieg zwilchen euch, 
Das wär’, als fpaltete die Welt, und Teichen 
Füllten die weite Kluft! — 

Antonius. 
Wenn du es einfiehft, wer den Zwiſt begann, 
Lenk' dorthin deinen Tadel: — Unfre Schuld 
Kann nicht fo gleich feyn, daß fich deine "Liebe 
Gleichmäßig theilte. Nun betreib’ die Reife, 
Wahl’ dein Gefolge felhft, und wie viel Aufwand 


Dir irgend nur beliebt. 
| (Geht ab) 


Sünfte Scene 
Gin anderes Zimmer dafelbf. 


(Enobarbus und Eros, einander begegnend ) 


Enobarbus. 
Was giebt es, Freund Eros? 
Eros. 
Herr, man hoͤrt ſeltſame Neuigkeiten. 
Enobarbus. 
Was denn? 
Eros. 


Caͤſar und Lepidus haben dem Pompejus Krieg 
erklärt. 


78 Antonins und Gleopatra. II, 5. 


Envbarbus. 
Das ift etwas Altes. Wie war der Ausgang? 
Eros. 

Caäſar, nachdem er ihn im Krieg wider Pompejus 
gebraucht, verweigert ihm jebt alle Mitgenoffenfchaftz 
laßt ihm feinen Theil an dem Ruhm des Feldzugs; und 
damit nicht zufrieden, befchuldigt er ihn, vormals dem 
Pompejus Briefe gefchrieben zu haben; auf feine eigne 
Anflage ſetzt er ihn feft, und fo ifls nun mit dem armen 
dritten Dann vorbei, bis Tod fein Gefängniß öffnet. 

Envbarbus. 
Sp wollt’ ich denn, du wärft der einz’ge Rachen! 
Werft ihm die ganze Welt als Futter hin, 
So fhlingt er Alles. Wo ift Marc Anton? 
Eros. 
Er geht im Garten fo: ſtößt mit dem Fuß 
Die Binfen vor fi) her; ruft: Lepidns! du Thor! 
Und droht der Gurgel des Soldaten, der 
Pompejus fohlug. 
Enobarbus. 
Die Flott' iſt ſegelfertig. 
Eros. | 
Wider Ztalien und den Cäſar. — Eins noch: 
Anton verlangt euch jet; die Neuigfeit 
Konnt’ ich euch fpäter fagen. 
Enobarbus. 
»S wird nichts ſeyn: 
Doch wolln wir ſehn. Führ' mich zu ihm. 
Eros. 
So komm. 
(Gehn ab) 


Antonins und Cleopatra. II, 6. 


Sedhste Scene 


Rom Zimmer in Eäfar’s Hanfe 


(E83 treten auf Cäſar, Agrippa und Mäcenas) 


Cäfar. 
Rom zur Verhöhnung that er dieß und mehr. 
In Alerandria, (hier ſchreibt man mirs,) 
Thronten auf offnem Markt, vor allem Bolt, 
Cleopatra und er auf goldnen Stühlen 
Und filbernem Gerüft: zu ihren Füßen 
Cäfarion, meines Vaters Sohn genannt, 
Und al’ die Baſtardbrut, die ihre Luſt 
Seitdem erzeugt. Zur Herrſchaft von Egypten 
Gab er ihr Eypern, Nieder- Syrien, Lydien, 
Als einer unumfchränften Königin. 
Mäcenas,. 
Dieß vor den Augen alles Volks? 
Cäfar. 
Auf öffentliher Bühne, wo fie fpielen, 
Setzt er zu Kön’gen über Kön'ge feine Söhne: 
Groß-Medien, Parthien und Armenien 
Gab er dem Alexander; Ptolemäus: 
Syrien, Eilicien und Phönieien. Sie 
Trug an dem Tag der Göttin Iſis Kleid, 
In dem fie oft zuvor, wie man erzählt, 
Gehör ertheilt. 
Mäcenas. 
Die Nachricht laßt in Rom 
Berbreiten. 
Agrippa. 
Längſt durch feinen Uebermuth 
Verſtimmt, wird es ihm feine Gunſt entziehn. 


79 


80 Antonius und Cleopatra. II, 6. 


Cäſar. 
Das Volk erfuhrs, und hat von ihm nun gleichfalls 
Die Klag' erhalten. 
Agrippa. 
Wen beſchuldigt er? 
Cäſar. 
Cäſarn: Zuerſt, daß, als Sieilien wir 
Pompejus nahmen, wir nicht abgetheilt 
Für ihn die Hälfte: daß er Schiffe mir 
Geliehn, und nicht zurück erhielt; dann zürnt er, 
Daß Lepidus aus dem Triumvirat 
Entſetzt ward, und wir auf ſein ganz Vermögen 
Beſchlag gelegt. 
Agrippa. 
Darauf müßt ihr erwiedern. 
Cäſar. 
Das iſt geſchehn, ich ſandte ſchon den Boten. 
Lepidus, ſchrieb ich, ſei zu grauſam worden; 
Gemißbraucht hab' er ſeine hohe Macht, 
Und dieſen Fall verdient. Was ich erobert, 
Das woll' ich theilen; doch verlang' ich auch 
Ein Gleiches für Armenien, und die andern 
Beſiegten Reiche. 
Mäcenas. 
Nimmer räumt ers ein. 
Cäſar. 
So wird das Andre ihm nicht eingeräumt. 


(Octavia tritt auf) 


Octavia. 
Heil Cäſarn, meinem Herrn! Heil, theurer Cäſarl 
Cäſar. 
Daß ich dich je Verſtoßne mußte nennen! — 
Dretavia, 
Du nannteft nicht mich fo, noch haft du Grund, 


) 


Antonius und Eleopatra. II, 6. 81 


Eäfar. 
Stahlſt du dich heimlich nicht Hierher? Du kommſt nicht 
Wie Cäfar’s Schwefter! Des Antonins Weib 
Mußt' uns ein Heer anmelden, und das Wiehern 
Der Rofie ihre Ankunft uns verkünden, 
Lang’ eh fie felbft erſchien: die Baum’ am Wege 
Beſetzt mit Menfchen feyn, Erwartung ſchmachten 
Sn fehnlihem Berlangen: ja, der Staub 
Mußte zum Dach des Himmels fich erheben, 
Erregt vom Volksgewühl! allein du kommſt 
Gleich einer Bän’rin her nah Rom, die Huld’gung 
Bereitelnd unfrer Gunſt, die, nicht gezeigt, 
Dft ungeliebt bleibt. Dich begrüßen follten 
Geftad’ und Meer, auf jeder Ruheſtätte 
Mit neuem Prunk dich feiernd. 
Detapia. 
Theurer Bruder, 
Nicht kam ich fo, weil man mich zwang; ich thats 
Aus freier Wahl. Antonius, mein Gebieter, 
Bon deiner Rüftung hörend, gab mir Nachricht 
Der böfen Zeitung; und fogleich begehrt’ ich 
Urlaub zur Heimkehr. 
Eifer. 
| Den er gern gewährt, 
Weil zwifchen ihm und feiner Luft du ſtandſt! 
Oetavia. 
Denke nicht ſo. 
Caͤſar. 
Ich faßt' ihn wohl ins Auge, 
Mir bringt der Wind von ſeinem Thun die Kunde. 
Wo iſt er jetzt? 
Detavia. | 
Noch in Athen, mem Bruder! — 
Säfar. 
Nein, ſchwer gefränkte Schwefter. Cleopatra 
X. 6 


82 Antonius und Gleopatra. IM, 6. 


Hat ihn zu fih gewinkt. Ex gab fein Reich 
An eine Mete, und nun werben fie 
Der Erde KRön’ge für den Krieg. Ihm folgen 
Bochus, König von Libyen; Archelaus 
Bon Cappadocien; Philadelphus, König 
Bon Paphlagonien; Thrariens Fürft Adallas; 
Fürſt Malchus von Arabien; der von Pontus; 
Herodes von Judäa, Mithridat 
Bon Eomagene: — Polemon und Amintas, 
Der Lycaonier und der Meder Fürften, 
Und noch viel andre Scexter. 
Octavia. 
Ach, ich Aermſte, 
In deren Herz ſich zwei Geliebte theilen, 
Die bittre Feindſchaft trenntl — 
Cäſar. 
Sei hier willkommen. 
Nur deine Briefe hemmten noch ven Ausbruch, 
Bis wir zugleich erfannt, wie mau dich. täufchte, 
Und Säumniß uns gefährde. Sei getroſt, 
Dich kümmre nicht der Zeitlauf, deſſen ſtrenge 
Nothwendigkeit dein friedlich Glück bedroht. 
Nein, ſchau den vorbeſtimmten Schickſalsgang 
Jetzt ohne Thränen; ſei gegrüßt in Rom, 
Theurer als je. Weit über alles Maaß 
Wardſt du gefränft; und die erhabne Gottheit 
Macht, dich zu rächen, ung zu ihren Dienern, 
Und alle, die dich lieben. Theures Leben, 
Sei immer ung gegrüßt. 
Agrippa. 
Gegrüßt, Verehrte. 
Mäcenas. 
-Gegrüßt, erhabne Fran; 
Ganz Rom if. euch ergeben, und beflagt euch; 
Nur Mare Anton, im frechen Chebruch 


Antonins und Elespatra. 11,7 83 


Und allem Greu'l vermeffen, ſtoͤßt euch aus, 
Und giebt fein Scepter einer Buhlerin 
Als Waffe wider uns. 
Detavia. 
Iſt dieß die Wahrheit? 
Caͤſar. 
Nur zu gewiß. Willkommen, Schweſter; bitt' dich, 
Bleib ſtandhaft und geduldig. — Liebſte Schweſter! — 
(Alle ab) 


Siebente Scene. 


Antonius Lager bei dem Vorgebirge Actinm. 
(Cleopatra und Enobarbus treten auf) 


Cleopatra. 
Ich werde dirs gedenken, zweifle nicht! — 
Enobarbus. 
Warum? warum denn? — 
Cleopatra. 
Du widerſprachſt, daß ich zum Kriege folgte, 
Und ſagt'ſt, es zieme nicht? 


Enobarbus. 
Nun, ziemt es denu? 
Cleopatra. 


Warum — rechtfert'ge dich — warum nicht zög' ich 
Mit ihm ins Feld? 
Enobarbus. (beiſeit) 

Ei nun, ich könnt' erwiedern, 
Wenn wir mit Stut' und Hengſt zuſammen ausziehn, 
Dann ſei der Hengſt zuviel; die Stute trüge 
Den Reiter und fein Roß. 

Cleopatra. 

Was ſagſt du da? 
6 4 


84 Antonins und Eleopatra. I, 7. 


Enobarbus. 
Eu'r Beiſein muß durchaus Anton verwirren, 
Und ihm an Herz und Hirn und Zeit entwenden, 
Was dann Höchft unentbehrlih. Zeiht-man doc 
Ihn ſchon des Leichtfinns, und erzählt in Rom, 
Photinus der Eunuch, und eure Weiber 
Regierten diefen Krieg. 
Clevpatra. 
Fluch Rom! VBerborren 
Die Zungen diefer Läftrer! Unſer iſt 
Der Krieg, und als der Vorſtand meines Reiche 
Streit’ ich in ihm als Mann. Sprich nicht dagegen, 
Ich bleibe nicht zurück. 
Enobarbus. 
Ich ſage nichts; 


Hier kommt der Imperator. 
(Antonius und Canidius treten auf) 


Antonine. 
Wie feltfam iſts, Canidins, 
Pie konnt' er von Tarent doch und Brunduſium 
Sp ſchnell durchſchneiden das Jon'ſche Dieer, 
Und Toryn nehmen? hoͤrteſt du's, Geliebte? 

Elevpatra. 
Geſchwindigkeit wird nie fo fehr bewundert, 
Als von Saumfeligen. 

Antonius. 

Ein guter Vorwurf, 

Wie er dem beften Manne wohl geziemt, 
Nachläffigkeit zu rügen. — Wir, Canidius, 
Belämpfen ihn zur See. 

Cleopatra. 

Zur See! Wie ſonſt? — 

Canidius. 

Warum denn das, mein Feldherr? 





Antonins und Cleopatra. III, 7. 


Antonius. 
Weil er uns dorthin forbert. 
Enobarbus. 
Mein Fürſt hat auch zum Treffen ihn gefordert. 
Canidius. 
Und bei Pharſalia dieſe Schlacht zu liefern, 
Bo Caͤſar mit Pompejus focht: Doch beides, 
Weils ihm nicht vortheilhaft, weiſt er zurück; 
So ſolltet ihr. 
Enobarbus. 
Die Flott' iſt ſchlecht bemannt: 
Eu'r Schiffsvolk Landſoldaten, Bauern, Leute 
In flücht'ger Eil' geworben; Caͤſar's Mannfchaft. 
Diefelbe, die Pompejus oft bekämpft, 
Leicht feine Segler, eure fhwer. Kein Unheil 
Erwähft für euch, wenn ihr zur See ihn meibet; 
Zu Lande fein ihr flark. 
Antonins, 
Zur See! Zur See! — 


Enpbarbus. 
D großer Mann! dadurch vernichteft du 
Dein’ unerreichte Feldherrnkunſt zu Land; 
Verwirrſt dein Heer, von dem bie größte Zahl 
Erprobtes Fußvolk iſt: unangewandt 
Bleibt deine Kriegesfenntniß: du verfehlſt 
Den Weg, der dir Erfolg verheißt, und giebft 
Di felbft dem eitlen Glück und Zufall Hin, 
Statt fefter Sicherheit ! 


Antonius. 
Zur Seel — 
Clespatra. 
Ich bring’ 
Euch fehzig Segel, Cäſar Hat nicht beff’re. 
Antonius. 


Der Schiffsmacht Ueberzahl verbrennen wir, 


85 


86 Antenins und Gleopatre. 11,7. 


And mit dem wohlbemannten Reſt, am Borland 
Bon Actinm, fchlag’ ich Eäfar'n. Fehlt es uns, 
Dann ſei's zu Lande noch verfuht. — 
(Sin Bote tritt auf) 
Was bringſt du? 
Bote. 
Es iſt beftätigt, Herr, man ſah ihn ſelbſt, 
Caſar nahm Toryn ein. 
Antonius. 
Kann er perſoͤnlich dort ſeyn? ’S iſt unmöglich. 
Schon viel, wenn nur fein Heer es iſt. Canidius, 
Du bleibfi am Land mit nennzehn Legionen, 
Und den zwölftaufend Pferben; wir gehn an Bord. 
(Ein Soldat tritt auf) 
Komm, meine Thetis. — Nun, mein würb’ger Kriegsmann % 
Soldat. 
O, Imperator! Fechtet nicht zur See, 
Baut nicht auf morfche Planfen! Trant ihr nicht 
Dem Schwert und biefen Wunden, laßt die Syrer 
Und die Egypter wie die Enten tauchen: 
Wir lernten fiegen auf dem feflen Grund, 
Und fechtend Fuß an Fuß. 
Antonius. 
Schon gut! hinweg! — 
(Sleopatra, Antonius und Enobarbus ab) 
| Soldat. 
Deim Hercules! Mir däucht, ich habe Recht. 
Canidius. 
Das haſt du, Freund. Doch all' ſein Thun keimt nicht 
Aus eigner Macht: So führt man unſern Führer, 
Und wir ſind Weiberknechte. 
Soldat. 
Ihr behaltet 
Zu Land das Fußvolk und die Reiter alle? — 


Antonius uud Eleopatra. HI, 8. 9 


Eanidins,. 
Mareus Octavius, und Marcus Aufkeius, 
Publicola und Eälins find zur Ser; 
Wir alle ſtehn am Lande. Dieſe Eil’ 
Des Caſar iſt unglaublich. 
Soldat. 
Seine Macht 
Zog ſo vereinzelt ſich aus Rom, daß er 
Die Späher täufchte. 
Canidius. 
Wißt ihr, wer ſie führt? 
Soldat. 
Man nannte Taurus. 
Canidius. 
Der iſt mir befannt. 
(Ein Bote kommt) 


Bote 
Der Imperator läßt Canidius rufen. 
Canidius. I 
Die Zeit iſt Neuigkeiten⸗ſchwanger; ſtündlich 
Gebiert fie eine. (Alte ab) 


Achte Scene. 
Gine Ebne bei Actium 
(Säfar, Taurus, Hanptleute und Gefolge treten auf) 


z Eifer. 
aurus! — 


Herr? 


Taurus. 


Cäſar. 
Kaämpf' nicht zu Lande; bleib' geſchloſſen, 
Beut nicht die Schlacht, bis ſichs zur See entſchied; 


88 Antonins und Eleopatra. II, 8. 


Durchaus nicht übertrete dieß Gebot. 


Auf diefem Wurf flieht unfer Glück. (Gehn ab) 
(Antonius und Enobarbus treten auf) 
Antonius. 


Stellt unfre Schaaren hinterm Hügel auf, 
Im Angefiht von Eäfar’s Heer. Bon dort 
Laßt fih die Zahl der Segel überfehn, 
Und dem gemäß verfahren. (Gehn ab) 
(Bon der einen Seite Canidius, mit feinen Landtruppen 
über die Bühne ziehend; von ber andern Taurus, Eäfar’s 


Unterfeldherr. Nachdem fie vorbei marfchirt find, hört man 
das Getöfe einer Seefchlacht) 


(Feldgeſchrei. Enobarbus kommt zurüd) 


Enobarbus. 
Schmach, Shmah!l O Schmach! Ich kanns nicht län⸗ 
ger ſehn! 
Die Antoniad', Egyptens Admiralſchiff, 
Mit allen ſechz'gen flieht, und kehrt das Ruder: 
Dieß ſehn, verzehrt die Augen mir! — 
(Scarus tritt auf) 
Scaruß, 
D Götter und Böttinnen! 
O Rathsverfammlung aller Himmelsfchaaren! — 
Enobarbus. 
Warum ſo außer dir? 
Scarus. 
Das größre Eckſtück dieſer Welt, verloren 
Durch baaren Unverſtand; wir küßten weg 
Provinzen und Königreiche! 
Enobarbus. 
Wie ſchaut das Treffen? 
Scrarns. 
Auf unfrer Seite wie gebeulte Beft, 
Wo Tod gewiß. Die Schandmähr’ aus Egypten, — 
— Der Ausſatz treffe fiel In Kampfes Mitte, 


Antonius und Eleopatra. II 8 89 


Als Bortheil wie ein Zwillingspaar erfchien, 
Sie beide gleich, ja Alter faft ver unfre, — 
Die Bremf’ auf ihr, wie eine Kuh im Junius, 
Hißt alle Segel auf und flieht. 

Enpbarbus, 

| Ich ſah's; 
Mein Aug’ erkrankte, wie's geſchah; nicht konnt' es 
Ertragen mehr zu ſchaun. 
Scarus. 
Sie kaum gewandt, 

Als ihres Zaubers edler Wrack, Antonius, 
Die Schwingen ſpreitend wie ein brünſt'ger Entrich, 
Die Schlacht verläßt auf ihrer Höh', und fliegt 
Ihr nach: — 
Noch nimmer ſah ich eine That fo ſchaändlich; 
Erfahrung, Mannheit, Ehre hat noch nie 
Sid, felber fo vernichtet! — 

Envbarbus. 

Weh uns! weh! — 


(Canidius tritt auf) 


Canidius. 
Zur See iſt unſer Glück ganz außer Athem, 
Und ſinkt höchſt jammervoll. War unſer Feldherr heut 
Nur wie er ſelbſt ſich kannte, ging es gut! 
O, er hat Beifpiel unfrer Flucht gegeben, 
Höhft ſchmählich, durch die eigne! — 
Enobarbus. Cbeifeit) 
Ho! ſteht die Sache fo? Dann freilich iſt 
Es aus. | 
Canidius. 
Zum Peloponnes ſind ſie entflohn. 
Scarus. 
Der laͤßt ſich bald erreichen; dort erwart' ich 
Was weiter folgt. 


99 Autenins und Gleopatra. IH,®. 


Canidius. 
Ich überliefre Cäſar'n 

Die Reiter und Legionen; ſchon ſechs Kön'ge 
Zeigten, wie man die Waffen ſtreckt. 

Enobarbus. 

Noch will ich 

Dem wunden Glück Antonius folgen, Hält 
Bernunft fihon mit dem Gegenwind die Richtung. 
. (Sehn ab) 


Neunte Scene. 
Alerandrien. Bin Zimmer im Balafl. 
(Antonius tritt auf, von einigen Dienern begleitet) 


Antonius, 
Hoch! Mir verbeut der Boden, ihn zu treten, 
Er fhämt ſich, mich zu tragen! Freunde, kommt: 
Bin ich doch fo verfpätet in der Welt, 
Daß ich den Weg verlor auf ewig. Nehmt 
Mein Schiff mit Gold beladen; theilt es, flieht, 
Und macht mit Caͤſar Frieden. 

Alle. 
Fliehn? nit wirl — 

Antonius. 
Sch felber floh, und lehrte Diemmen fließn, 
Und ihren Rüden zeigen. Freunde, gebt; 
Zu neuer Laufbahn Hab’ ich mich entfchloffen, 
Die euer nicht bedarf: drum geht, 
Mein Schag Liegt dort im Hafen, nehmt ihn. — OD, 
Dem folgt’ ih, was mich roth macht es zu ſchaun; 
Ya, felbf mein Haar empört ſich; denn das weiße 
Tadelt des brammen NRafıhheit, dieß au jenem 
Feigheit und Wahnwitz! — Freunde, geht! ich will 
Euch Brief? an Sole geben, die den Weg 
Euch ebnen follen. Bitt' ench, feld nicht traurig, 


Antonius und Bleepatra. UI, 9. 9 


Erwiedert nicht mit Trübſiun, nehmt bie Weiſung, 
Die mir Verzweiflung räth: verlaffen fei, 

Was felber ſich verläßt! . Seht. firads zur See, 
Sch ſchenk' euch jenes Schiff, und alles Gold. — 
Laßt mich, ich bitt’, ein wenig: ich bitt’ euch jebt, 
O thuts! denn mein Befehl iſt nun zu Ende, 
Drum bitt? ich euch. — Ich folg’ euch augenblicks. 


(Sr ſetzt fih nieder. Cleopatra, geführt von Charmicn , 
und Iras, und Eros treten auf) 


Eros, 
O güt'ge Frau, zu ihm! D teöflet ihn! — 
Iras. 
Thut es, geliebte Fürſtin! 
Charmion. 
Ja, thut es: was auch ſonſt? 
Cleopatra. 
Laß mich niederſitzen. O Juno! 
Antonius, 
Nein, nein, nein, nein! — 
Eros. 
Seht ihr hier, o Herr? 
| Antonius. 
O pfui, pfui, pfuil — 
Charmion. 
Gnädige Frau! — 
Iras. 
O Fürſtin, güt'ge Kaiſerin! — 
r 


Erbs. 
Herr, Herr! — 
Antonius. 


Ja, Herr, o ja! — Er, zu Philippi, führte 
Sein Schwert recht wie ein Tänzer, während ich 
Den Hagern, finflern Caſſius ſchlug! Ih fällte 
Den tollen Brutus; er ließ Andre handeln 


92 Antonius und Cleopatra. I, 9. 


An feiner Statt, und hatte nicht Erfahrung 
Sm wadern Kampf des Fels. Doc jet, — es thut 


sihtel — 
Elevpatra. 
D, ſteht zurüd! — 
Eros, 
Die Königin, Herr, die Königin! 
Iras. 


Geht zu ihm, Fürſtin, ſprecht zu ihm! — 
Er iſt ſich ſelbſt entfremdet vor Beſchämung! — 

Cleopatra. 
Nun wohl denn, — führt mich, — O! 

Eros. 
Erhabner Herr, ſteht auf: die Königin naht, 
Ihr Haupt geſenkt: der Tod ergreift fie, — nur 

Durch euren Troft kann fie genefen. 

Antonins. 
Verletzt hab’ ich die Ehre: — 
Sp ſchändlich zu entflichn! 

Eros. 
Die Fürſtin, Herr .... 

Antonius. 
O, wohin bracht'ſt du mich, Egypten? Sieh, 
Wie ich die Schmach entziehe deinem Auge, 
Und ſeh' zurück auf das, was ich verließ, 
Zerſtört in Schande! — 

Cleopatra. 

O mein theurer Herr, 

Vergieb den ſcheuen Segeln. Nimmer glaubt’ ich, 


Du würbeft folgen. 
Antonius. 


Wußt'ſt du nicht, Egypten, 
Mein Herz fei an dein Steuer fefl gebunden, 
Und dag du nach mich riſſeſt? Ha, du Fannteft 
Die Oberherrſchaft über meinen Geift, 


Antonins und Eleopatra. II, 10. 03 


Und daß dein Wink vom göttlichen Gebot 
Zurück mich herrſchte! 

Cleopatra. 

O, verzeih! 

Antonius. 

Nun muß ich 
Dem jungen Mann demüth'gen Vorſchlag ſenden, 
Mich windend krümmen niedrigem Vertrag, 
Ich, deſſen Laune mit des Weltballs Wucht geſpielt, 
Schickſale ſchaffend und vernichtend. Ja du wußteſt, 
Wie du ſo ganz mein Sieger warſt, und daß 
Mein Schwert, entherzt durch meine Lieb', ihr blind 
Gehorchen würde. 
Cleopatra. 

O vergieb, vergieb! 
Antonius. 
Laß keine Thräne fallen. Eine zahlt 
Gewinn ſo wie Verluſt; gieb einen Kuß, 
Schon dieß vergilt mir Alles. — Unſern Lehrer ſandt' ich; 
Kam er zurück? Ich fühl' mich ſchwer wie Blei; 
Bringt etwas Wein und- Speife. — Glück, du weißt, 
Trifft du ung hart, fo trotzen wir zumeift. 


(Alle ab) 


Zehnte Scene. 


Cäſar's Lager in Egypten. 
(88 treten auf Cafar, Dolabella, Thyreus und Andre) 


Cäſar. 
Der trete vor, der vom Autonius kommt; — 
Kennſt du ihn? 
Dolabella. 
'S iſt der Lehrer feiner Kinder: 
Das zeigt, wie kahl er ift, entſandt' er ung 


94 Antonius und Eleopatra. HI, 10. 


Aus feinem Flügel ſolche dürft'ge Feder, 
Er, der vor wenig Monden Könige konnt' 
Als Boten ſchicken. 
(Euphronius tritt auf) 
Eifer. 
Komm heran und ſprich. 
Enphronius. 
Sp wie ich bin, fomm’ ih vom Marc Anton: 
Ich war noch jüngft fo Hein für feine Zwecke, 
Wie anf dem Myrtenblatt der Morgenthau 
Dem Meer verglichen. 
Cäfar. 
Sei's! Sag deinen Auftrag. 
Euphroning. 
Er grüßt dich, feines Schickſals Herrn, und wünfcht 
Zu leben in Egypten. Schlägft du’s ab,. 
Sp mäßigt er die Fordrung, und erfucht dich, 
‚Gönn’ ihm zu athmen zwifchen Erd’ und Himmel 
Als Bürger in Athen. So viel von ihm. 
Dann: Cleopatra huldigt deiner Macht, 
Beugt fi) vor deiner Größ', und fleht von dir 
Der Ptolemäer Reif für ihre Söhne, 
Als Willkür deiner Gnade. 
Cäſar. 
Für Anton 
Bin ich der Fordrung taub. Der Königin 
Wird nicht Gehör noch Zugeſtändniß fehlen, 
Treibt ſie hinweg den ſchmachentſtellten Buhlen, 
Oder erfchlägt ihn hier: vollbringt fie dieß, 
Sei ihr Geſuch gewährt. So viel für Beide. — 
Enphbronins. 
Das Glück geleite dich! 
Cäſar. 
Führt ihn durchs Heer! 
(Euphronius ab) 


Antonius und Cleopatra. II, 11. 95 


(Zum Thyrens) Nun zeige deine Nebnerfunft: enteife, 
Gewinn’ Cleopatra ihm ab: verfprich 
In unferm Namen, was fie heifcht, und beut 
Nach eignem Siun weit mehr. Stark find die Weiber 
Im Höchften Gläck nicht: Mangel lockt zum Meineid 
Selbſt der Beftalin Tugend; deine Liſt verſuche; 
Den Preis der Müh' beſtimme felber bir, 
Uns ſei Geſetz dein Wort. 
Thyreus. 
Cäfar, ich gehe. 
Cäfar. 
Betrachte, wie Anton den Riß erträgt, 
Und was fein ganz Benehmen dir verfünbet 
In jeder aͤußern Regung. 
Thyrens. 
Zah auf mid. 
(Alle ab) 


Elfte Scene 


Alerandrien. Ein Zimmer im Palaſt. 
(88 treten auf Eleopatra, Enobarbus, Charmien. 


und Iras) 

\ Cleopatra. 

Was bleibt uns jetzt noch übrig? 
Enobarbus. 

Denken, — ſterben. 

Cleopatra. 

Hat dieß Antonius, — haben wirs verſchuldet? 
Enobarbus. 


Anton allein, der ſeinen Willen machte 

Zum Herrſcher der Vernunft. Nun, floht ihr auch 
Des Kriegs furchtbares Antlitz, deß Geſchwader 
Einander ſchreckten: weßhalb folgt' er euch? 


96 Antonius und Eleopatra. IL, II. 


Da durfte feiner Neigung Kitel nicht 
Sein Feldherrnthum wegipotten, im Moment, 
Da balb die Welt ver andern Hälfte troßte, 
Und Alles ruht’ auf ihm! Das war ein Schimpf, 
Sp groß, als fein Berluft, als er euch nachzeg, 
Und Tieß die Flotte gaffend. 

Cleopatra. 

Bitt' dich, ſchweigl — 


(Antonius tritt auf mit Euphronius) 


Antonius. 
Dieß feine Antwort? . 
Euphronius. 
Ja, mein Herr. 
Antonius. 
Die Königin 
Sof alfo Gunft erfahren, wenn fie uns 
Berrathen will? 
Euphronius. 
So iſt es. 
Antonius. 

Nun, ſo ſag ihrs. 
Schick dieß ergran'nde Haupt dem Knaben Caͤſar, 
Dann füllt er dein Begehren bis zum Rand 
Mit Fürſtenthümern. 

Cleopatra. 
Dieſes Haupt, mein Feldherr? 

Antonius. 
Geh wieder hin. Sag ihm, der Jugend Roſe 
Schmück' ihn, und Großes fordre drum die Welt 
Bon ihm. — All' feine Schätze, Flotten, Heere 
Koͤnnt' auch ein Feigling führen, deſſen Diener 
Auf eines Knaben Wort ſo leicht wohl ſiegten, 
Als unter Cäfar: drum entbiet' ich ihn, 
Sein glänzend Außenwerk beifeit zu tun, 








Antonins und Eleopatra. II, 11. 97 


Mit mie Gebeugtem Schwert um Schwert zu fechten, 
Er ganz allein. Ich will es fhreiben: — Komm. 
(Antonius und Buphronins ab) 
Enobarbus. 
O jal Recht glaublich! Eäfar, ſchlachtenſtolz, 
Sollte ſein Glück vernichten, mit dem Fechter 
Den Bühnenkampf verſuchen? Ich ſeh', Verſtand 
Der Menſchen iſt ein Theil von ihrem Glück, 
Und aäußre Dinge ziehn das innre Weſen 
Sich nach, daß Eines wie das Andre krankt. — 
Daß er fihs träumen läßt, 
(Der das Verhältniß kennt) die Fülle Cäfar’s 
Soll feiner Leerheit Rede ſtehn! 
Auch den Verſtand bat Caͤſar ihm beſiegt. 
(Ein Diener fommt) 


Diener. 
Botfehaft vom Eäfarl — 
Cleopatra. 
Wie? Nicht mehr Gepränge? 
Seht, meine Frau'n, 
Die zeigen Ekel der verblühten Roſe, 
Die vor der Knospe Fnieten. Laßt ihn ein, © 
Enobarbus. (beiſeit) 
Die Redlichkeit und ich beginnen Hänbel: 
Die Pflicht, die feſt an Thoren hält, macht Treue 
Zur Thorheit ſelbſt: doch wer ausdauern kann, 
Standhaft zu folgen dem gefallnen Fürften, 
Beſieget den, der feinen Herrn befiegt, 
Und erntet einen Pla in der Hiſtorie. 
(Thyreus tritt auf) 
Cleopatra. 
Was ſendet Däfar? 
| Thyrens, 
Hört mich allein. 
X. 


| 08 Antonins und Eleopatra. IH, 11. 


Cleopatra. 
Hier ſtehn nur Freunde: Redet! 
Thyreus. 
Dann finds vermuthlich Freunde Marc Antons?. 
Enobarbus, 
Anton bedarf fo viel als Cäfar hat, 
Oder bedarf nicht unfer. Forderts Caͤſar, 
Sp flürzt mein Herr ihm zu, fein Freund zu feyn: 
Und wir find def, dem er gehört, des Cäſar. 


Thyreus. 
Wohlan: — 


Bernimm dann, Hochgerühmte, Cäfar wünſcht, 
Nicht dein Geſchick mögft du fo fehr bebenfen, 
Als daß er Cäſar fer. 

Cleopatra. 

Fahr' fort: recht fürſtlich! 

Thyreus. 
Er weiß, du haſt dich dem Anton verbündet, 
Aus Neigung minder als gezwungen... 

Cleopatra. (beiſeit) 


Thyreus. 
„Die Kraͤnkung deiner Ehre drum beklagt er, 
Als unfreiwill'ge Schmach, die du erbulbet 


Und nicht verdient. — 
Cleopatra. 


Er iſt ein Gott, und fickt 

Die Wahrheit, Deine Chr’ ergab.fich nicht, 
Nein, warb geranbt. 

Ensbarbus. (hbeifeit) 
Das recht genau zu wiffen, 
Frag' ich Anton, Du Armer warbft fo leck, 
Wir müffen dich verfinfen Yaffen, denn 
Dein Liebfles wird dir treulos! — (ab) 


Thyrens. 
Meld' ih Cäſarn, 








Antonius und Cleopatra. ULM. 


Was du von ihm begehrſt? Er bittet dringend, 
Du mögeft fordern, daß er geb’; es freut ihn, 
Willſt du fein Glück als einen Stab gebrauchen, 
Dich drauf zu flüben; doch fein Herz wirb glühn, 
Erfährt er, dag du Mare Anton verließeft, 
Und willft dich bergen unter feinem Schirm, 
Des großen Weltgebieters, 
Cleopatra. 
Wie dein Name? 
Thyreus. 
Mein Nam' iſt Thyreus. 
Cleopatra. 
Leber Abgeſandter, 
Dem großen Cäſar ſag, die Hand des Siegers 
In dieſem Kampfe küſſ' ich; meine Krone 
Leg' ich zu Füßen ihm, und wolle knieend 
Von ſeinem mächt'gen Hauch Egyptens Schickſal 
Vernehmen. 
Thyreus. 
Dieſen edlen Weg verfolge, 
Wenn Klugheit mit dem Glück den Kampf beginnt, 
Und jene wagt nur alles, was ſie kann, 
Iſt ihr der Sieg gewiß. Laß huldreich mich 
Auf deiner Hand der Ehrfurcht Pflicht beſiegeln! 
Cleopatra. 
Der Vater eures Cäſar 
Hat oft, wenn er auf Sturz der Kön'ge ſann, 
Auf den unwürd'gen Fleck den Mund gedrückt 
Mit tauſend Küſſen. 
(Antonius und Enobarbus kommen zurück) 
Antonius. 
Ha! Gunſtbezeugung! bei dem Zeus, der donnert, 
Wer biſt du, Menſch? 
Thyreus. 
Ein Diener dem Gebot 
7 * 


100 Antonins und Cleopatra. ZU, IL 


Des allergrößten Manns, des würbigften, 
Sein Wort erfüllt zu fehn. 


Enobarbus. 
Man wird dich peitſchen. 
Antonius. 


Heran, du Geier! Nun, Götter und Teufel, 
Mein Anfehn ſchmilzt! Noch jüngft rief ih nur: Hol 
Und Könige rannten, wie zum Raufen Buben, 
Und riefen: was befehlt ihr? Hört ihre? Noch 
Bin ich Anton. — Nehmt mir den Schall und peitfcht 
ihn! 
Enobarbus. 
Ihr fpielt noch fichrer mit des Löwen Jungen, 
Als mit dem alten flerbenven. 


Antonius. 
Mond und Sternel — 

Peitſcht ihn! und wärens zwanzig Bundesfürften, 
Die Cäfarn anerkennen; fänd’ ich fie 
Mit ihrer Hand fo frech, — wie heißt fie doch, 
Seit fie nicht mehr Cleopatra? Geht, yeitfcht ihn, 
Bis er fein Angeficht verzieht, wie Knaben, 
Und wimmert laut um Gnade. Führt ihn fort. 

Thyreus. 
Antonius.... 

Antonius. 

Schleppt ihn weg; iſt er gepeitſcht, 
Bringt ihn zurück. Der Narr des Cäſar ſoll 
Uns ein Gewerb’ an ihn beftellen. 
(Gefolge mit den Thyrens ab) 

Ihr wart Halb werk, eh ich euch Fannte: Ha! — 
Ließ ich mein Kiffen ungevrüdt in Rom, 
Entfagt’ ich der Erzeugung ächten Stamms 
Bom Kleinod aller Frau'n, daß biefe Hier 
Mit Sclaven mich befchimpfe? 





Antonius und Cleopatra. III, II. 101 


Cleopatra. 
Theurer Herr! ..... 
Antonius. 
Ihr wart von jeher ungetren und falſch. 
Doch wenn wir in der Sünde ung verhärtet, 
O Zammer! dann verblenden unfre Augen 
Mit eignem Schmus die Götter; trüben ung 
Das Hare Urtheil, daß wir unfern Irrthum 
Anbeten; lachen über ung, wenn wir 
Zum Tode hin fiolziren! 
Cleopatra. 
Kams fo weit? 
Antonius. 
Ich fand euch, einen Taltgeworbnen Biffen 
Auf Cäfar’s Teller, ja ein Ueberbleibfel 
Enefus Pompejus; andrer heißer Stunden 
Gedenk' ich nicht, die eure Luft ſich auflas, 
Und nicht der Leumund nennt; denn ganz gewiß, 
Wenn ihr auch ahnen mögt, was Keufchheit fei, 
Ihr Habt fie nie gefannt! — 
Cleopatra. 
Was ſoll mir das? 
Antonius. 
Da fol ein Selav, der wohl ein Trinfgelb nimmt, 
Und fpriht: Gott fobm euch! keck fih wagt an meine 
Gefpielin, eure Hand, dieß Königsfiegel 
Und großer Herzen Pfand! O daß ich flände 
Auf Bafan’s Hügel, die gehörnte Heerbe 
Zu überbrüffen! Warb ich doch zum Stier. 
Dieß fanft verfünden, wär’ wie ein armer Sünder, 
Der mit umflridtem Hals dem Henfer dantt, 
Daß ers fo vafıh gemacht. — Ward er gepeitfht? — 
(Diener fommen mit Thyrens zurüd) 
Diener, 
Recht derb, mein Feldherr. 


102 Antonins und Cleopatra. II, 11. 


Antonius. 
Schrie er? flieht’ um Gnade? — 


Diener. 
Er bat um Schonung. 


Antonius. 
Haft du ’nen Vater noch, der folls bereun, 
Daß du Fein Weib geworben. Dir fei Angfl, 
Caͤſarn in feinem Glück zu folgen, feit 
Du für dein Folgen warbft gepeitfht. Fortan 
Schreck' did im Fieber jede Damenhand, 
Und fchüttle dich der Anblick. Geh zum Cäſar, 
Erzähl’ ihm deinen Willkomm'; fag ihm ja, 
Daß er mich zornig macht: er ſcheint durchaus 
Stolz und Berfhmähn, nur ſchauend, was ich bin, 
Bergeffend, was ich war. Er macht mid zornig; 
Und dazu kommt es leicht in diefer Zeit, 
Seit gute Sterne, die mich fonft geführt, 
Berließen ihre Bahn, und ihren Glanz 
Zum Pfuhl der Hölfe fandten. Steht mein Wort 
Und was geſchehn Cäfarn nicht an, fag ihm, 
Hipparchus, meinen Freigelafinen, hab’ er, 
Den foll nach Luft er peitfchen, hängen, foltern, 
Dann iſt er wett mit mir: fo zeig’ ihm an. — 
Nun fort mit deinen Striemen! — Geh! — 

(Thyrens ab) 


Cleopatra. 
Seid ihr zu Ende? | 
Antonius. 
Ah! unfer ird'ſcher Mond 
Iſt nun verfinftert, und das deutet nur 
Den Fall des Marc Anton! 


Cleopatra. 
Ich muß ſchon warten. 








‘ 
Antonius und Cleopatra. IN, 12. 108 


Antonins. 
Caſarn zu ſchmeicheln, konnteſt du liebaͤugeln 
Dem Sclaven, der den Gurt ihm ſchnallt? 
Cleopatra. 
Das glaubt du? 
Antoning. 
Kalt gegen mich? 
Cleopatra. 
Ah Theurer, ward ich das, 
Verhärte Zeus mein kaltes Herz zu Hagel; 
Bergift’ ihn im Entflehn, und fend’ auf mich 
Die erſte Schloffe: wie fie trifft mein Haupt, 
Schmelze mein Leben hin; Eäfarion töbte 
Die nähfl’, und das Gedaͤchtniß meines Schooßes, 
Und nah und nad mein ganz Egypter Bolt 
Lieg’ ohne Grab, wenn der eryſtallne Regen 
Zergeht, bis Rilus Müden fie und Sliegen 
Als Raub befkatteten! 
Autonins. 
Ich bin befriedigt. — 
Cäfar rüdt vor auf Alerandrienz 
Da will ich ihn erwarten. Unfer Lanbheer 
Hielt rühmlich Stand; auch die zerflreuten Schiffe 
Sind nun vereint und drohn im Meer als Flotte. — 
Wo warft du, kühnes Herz?... Hörft du, Geliebte: 
Wenn ih vom Schlachtfeld nochmals wieberfehre, 
Den Mund zu füffen, komm' ich ganz in Blut, 
Ich und mein Schwert find Schnitter für die Chronik; 
'S iſt noch nicht aus! — 
Cleopatra. 
Das iſt mein wackrer Held! — 
Antonius. 
Ich will verdoppeln Herz und Muth und Sehnen, 
Und wüthig fechten. Sonſt, als meine Zeit 
Noch leicht und heil, erfanft’ ein Dann fein Leben 


104 Antonius und Cleopatra. HI,1. 


Durch einen Scherz; nun ſetz' ich ein die Zähne, 
Zur Höll' entfendend, was mich aufhält. Kommt, 
Noch einmal eine wilde Nacht; ruft mir - 
AN meine ernflen Krieger; füllt die Schalen, 
Die Mitternacht noch einmal wegzufpotten! — 
Cleopatra. 
Morgen iſt mein Geburtstag, 
Ich wollt' ihn ſtill begehn, doch da mein Herr 
Antonius wieder ward, bin ich Cleopatra. 
Antonius. 
©» halten wir ung dran. 
Cleopatra. 
Ruft alle tapſern Krieger meines Herrn! 
Antonius. 
Thut das, ich ſprech' ſie an. Heut Nacht ſoll Wein 
Aus ihren Narben glühn. Kommt, Königin, 
Noch friſcher Muth! Und kampf' ich morgen, fol 
Der Tod in mich verliebt ſeyn; denn wetteifern 
Will ich mit feiner völkermäh'nden Sichel. 
(Antonius mit Eleopatra und Gefolge ab) 
Enobarbus. 
Den Blitz nun übertrotzt er. Tollkühn ſeyn, 
Heißt aus der Furcht geſchreckt ſeyn: ſo gelaunt, 
Hackt auf den Strauß die Taub'; und immer ſeh' ich, 
Wie unſerm Feldherrn der Verſtand entweicht, 
Waͤchſt ihm das Herz. Zehrt Muth das Urtheil auf, 
Frißt er das Schwert, mit dem er kämpft. Ich finne, 
Auf welche Art ich ihn verlaffen mag. — ab) 
Q 


Vierter Aufzug. 


Erfle Scene 


Caͤſar's Lager bei Alerandrien. 


(Eäfar, einen Brief lefend, Agrippa, Mäcenas und 
Andre treten auf) 
Cäfar. _ 
Er nennt mich Knabe; ſchilt, als hätt’ er Macht, 
Mich von hier wegzufchlagen; meine Boten 
Peitſcht' er mit Ruthen; bot mir Zweilampf an: 
Anton dem Läfar! Wi’ es, alter Raufer, 
Es giebt zum Tod noch andre Weg’; indeß 
Berlach’ ich feinen Aufruf. 
Mäcenas. 
Denft, o Cäſar, 
Wenn ein ſo Großer raſt, ward er gejagt 
Bis zur Erſchoͤpfung. Komm’ er nicht zu Athem, 
Nutzt feinen Wahnſiun: nimmer hat die Wuth 
Sich gut vertheibigt. 
Eifer, 
Thut den Führern Fund, 
Daß morgen wir die lebte vieler Schlachten 
Zu fechten denfen. In den Reih'n der Unfern 
Sind, die noch Fürzlich dienten Marc Anton, 
Genug, ihn einzufangen. Dieß beforgt, 
Und gebt dem Heer ein Mahl. Wir haben Borrath, 
Und fie verdientens wohl, Armer Antonius! — 
(Gehn ab) 


106 Antonins und Gleopatra. IV, 2. 


Zweite Scene. 
Alexrandrien. Ein Zimmer im Palaft. 


(Es treten auf Antonius, Eleopatra, Bnobarbus, 
Charmion, Iras, Aleras und Andre) 
Antonius, 
Er ſchlug den Zweifampf aus, Domitins? 
Enobarbus. 


Ja. 
Antonius. 
Und warum that ers? 
Enobarbus. | 
Er meinte, weil er zehnmal glücklicher, 
Sei er Zehn gegen Einen. 
Antonius, 
Morgen ſchlag' ich 
Zu Meer und Land; dann eb’ ich, oder babe 
Die flerbende Ehre im Blute mir, 
Das wieder Leben ſchafft. Wirft on brav einhaun? 
Enobarbus. 





Fechten und ſchrein: jetzt gilts! — 


Antonius. 
Brav! Geh, mein Freund, 

Ruf meine Hausbedienten. Dieſe Nacht 
Seid fröhlich beim Gelagl — Gieh mir die Hand, 
Du warft ehrlich und treu: und fo auch du, 
Und du, und du, und dus ihr bientet brav, 
Und Kön’ge waren eure Kameraden. 

Cleopatra. 
Was ſoll das? 

Enobarbus. (beiſeit) 

Solch ſeltſam Ding, wie Kummer ſproſſend treibt 
Aus dem Gemüth. 


Antonius und Gleopatra. IV, 2. 107 


Antonius. 
Und ehrlich biſt auch du. — 
Würd’ ich in euch, die Bielen, doch verwandelt, 
Und ihr zufammen ausgeprägt zu Einem 
Antonius, daß ich euch Fönnte dienen, 
So bündig, wie ihr mir. 
Diener. 
Berhät’ es Gott! 
Antonius. 
Gut denn, Kam’raden, heut bevient mich noch, 
Füllt fleißig meine Becher; ehrt mich fo, 
Als wäre noch mein Weltreih eu'r Kam'rad, 
Und folgfam meinem Ruf. 
Cleopatra. 
Was finnt er nur? 
Enobarbus. 
Zum Weinen ſie zu bringen. 
Antonius. 
Pflegt mich heut; 
Kann ſeyn, es iſt das eure letzte Pflicht! 
Wer weiß, ob ihr mich wiederſeht, und thut ihrs, 
Ob nicht als blut'gen Schatten; ob nicht morgen 
Ihr einem Andern folgt. Ich ſeh' euch an, 
Als naähm' ich Abſchied. Ehrliche, liebe Freunde, 
Ich ſtoß' euch nicht von mir, nein, bleib’ eu’r Herr, 
Bermählt bis in den Tod fo trenem Dienfl. — 
Gönnt mir zwei Stunden noch, mehr bitt’ ih nicht, 
Und Iohnens euch die Götter! — 
Enobarbus. 
Herr, was macht ihr, 
Daß ihr ſie ſo entmuthigt? Seht, ſie weinen, 
Ich Eſel rieche Zwiebeln auch: ei ſchaͤmt euch, 
Und macht uns nicht zu Weibern! — 
Antonius. 


Da, ha, Hal — 


108 Antonius und Cleopatra. IV,3. 


Sp will ich doch verhext feyn, meint’ ich das 
Heil fprieße diefem Thränentfaul Herzfreunde, 
Ihr nehmt mich in zu ſchmerzensvollem Stan, 
Denn ich fprach euch zum Troft: sch wünfchte ja, 
Daß wir die Nacht durchſchwaäͤrmten; wißt ihr, Kinder, 
Ich hof? auf morgen Glück, und will ench führen, 
Wo ich ein fiegreich Leben eh’r erwarte, 
Als Tod und Ehre. Kommt zum Mahle, kommt, 
Und alle Sorg’ ertränft. 
(Alle ab) 


Dritte Scene 
Dafelbf vor dem Balaft. 
(Zwei Soldaten auf ihrem Boften treten auf) 


Ä Erſter Soldat. 
Bruder, ſchlaf wohl! auf morgen iſt der Tag. 
Zweiter Soldat. 
Dann wirds entfchienen, fo ober fo: leb wohl! — 
Vernahmſt du nichts Seltfames auf der Strafe? 
Erſter Spidat. 
Nichts. Was geſchah? 
Zweiter Soldat. 
Vielleicht iſts nur ein Mähren; — 
Nochmals gut’ Nacht! 
Erſter S oldat. 
Gut' Nacht, Kam'rad! 
(Zwei andre Soldaten kommen) 
Zweiter Soldat. 
Soldaten, 
Seid ja recht wach! 
Dritter Soldat. 
Ihr auch: gut’ Nacht, gut’ Nail 
(Die beiden erſten Soldaten ftellen ſich auf ihren Boften) 








Antonins und Bleopatra. IV, 8. 109 


Bierter Soldat. 
Hier flehn wir: wenns nur morgen 
Der Flotte glüdt, fo Hoff’ ich ſehr gewiß, 
Die Landmacht hält ſich brav. 
Dritter Soldat. 
Ein wackres Heer, 
Boll Zuverſicht. >(Hoboen unter der Bühne) 


Vierter Soldat. 
Stil! welch ein Klingen? 
Erſter Soldat. 
Horch! 
Zweiter Soldat. 
Hört! 
Erſter Soldat. 
In der Luft Muſik? 
Dritter Soldat. 
Im Schooß der Erdel — 
Vierter Soldat. 
Das iſt ein gutes Zeichen, meint ihr nicht? 
Dritter Soldat. 
Nein! 
Vierter Soldat. 
Stille, ſag' ich. Was bedeutet das? — 
Zweiter Soldat. 
Gott Herkules, den Mare Anton geliebt, 
Und der ihn jebt verläßt. 
Erfler Soldat. 
Kommt, laßt uns fehn, 
Obs auch die Andern hörten. 
(Gehn zu den andern Poſten) 
Zweiter Soldat. 
Hedal Leute! 
Alle Soldaten. 
Was iſt das? Hört ihrs wohl? 


110 Antonins und Eleopatra. IV,4. 


Erfter Soldat. 
Ya, iſts nicht ſeltſam? 
Dritter Soldat. 
Hört ihr Kam'raden? Hört ihre jetzt? 
Erfier Soldat. 
Folgt diefem Klang bis zu des Poflens Grenze, 
Seht, wie das abläuft. 
Alle Soldaten. 
Sa, 's iſt wunderbar! — 
(Gehn ab) 


Vierte Scene. 
Dafelbi. Ein Zimmer im Palaſt. 


(Antonius und Bleopatra, Charmion, und anderes 
Gefolge treten auf) 
Antonins. 
Eros! Die Rüftung, Eros! 
Cleopatra. 
Schlaf ein wenig! 
Antonius. 
Nein, Täubchen! Eros komm; die Rüſtung, Eros! — 
(Eros kommt mit der Rüftung) 
Komm, lieber Freund, leg’ mir dein Eifen am. 
Wenn uns Fortuna hent verläßt, fo iſts, 
Weil wir ihr troßten. 
Elespatra. 
Sieh, ich helfe auch. 


Antonius, 
Ah, laß doch! laß! du bift 
Der Wappner meines Herzens. Falſch; fo, fü. — 
Cleopatra. 
Geh, ſtill; ich helfe doch, — fo muß es ſeyn. 


Wozu iſt dieß? 


Antonius und Eleopatra. IV, 4. 111 


Antonius. 
Gut, gut; 
Nun fieg’ ich fiher. Siehft on, mein ſam'rad? — 
Nun geh, und ruf’ dich auch. 
Eros. 
Sogleih, mein Feldherr. — 
Cleopatra. 
Iſt dieß nicht gut geſchnallt? 
Antonius. 
O herrlich! herrlich! — 
Wer dieß aufſchnallt, bis es uns ſelbſt gefällt 
Es abzuthun zur Ruh’, wird Sturm erfahren. — 
Du fuſchelſt, Eros: kräft'gern Knappendienſt 
Thut meine Kön'gin hier, als du. Mach fort! 
O Liebe, 
Saͤh'ſt du doch heut mein Kämpfen, und verſtaändeſt 
Dieb Königshandwerf, dann erblickteft du 
Als Meifter mich. 
(Ein Hauptmann tritt auf, gerüftet) 
Guten Morgen dir! Willkommen! 
Du fiehft dem gleich, der Krieges- Amt verfleht: 
Zur Arbeit, die ung lieb, flehn früh wir auf, 
Und gehn mit Freuden dran. 
Erfler Hauptmann. 
Schon taufend, Herr, 
So früh es ift, flehn in dem Kleid von Eiſen, 
Und warten dein am Strand. 
( Feldgefchrei, Kriegsmuſik, Trompeten) 
(Andre Hauptleute und Soldaten treten auf) 
Zweiter Hauptmann. 
Der Tag iſt ſhön. Guten Morgen, General! 
Alle. 
Guten Morgen, Generall 
Antonius. 
Ein edler Gruß! — 


112 Antonius und Cleopatra. IV,5. 


Früh fängt der Morgen an, fo wie der Geiſt 

Des Yünglings, der ſich zeigen will ver Welt. — 

Sp, fo; fommt, gebt mir das; hieher: — fo recht. — 

Fahr’ wohl denn, Frau; wie es mir auch ergeht, 

Nimm eines Kriegers Ruß. Man müßte fchelten, 

Und Scham die Wange röthen, weilt’ ich länger 

In müß’gem Abſchied. Und fo laſſ' ich Dich, 

Ein Mann von Stahl! Ihr, die ihr kämpfen wollt, 

Folgt mir ganz dicht; ich führ' euch hin. Lebt wohll — 
(Antonius, Eros, Hauptleute und Soldaten ab) 


Charmion. 
Wollt ihr in eu'r Gemach gehn? 
Cleopatra. 

Führe mich. — 


Er zieht hin wie ein Held. O, daß ſich beiden 
Der große Streit durch Zweikampf könnt' entſcheiden! 
Dann, Marc Anton.... doch jetzt, — Gut — fort! — 


Fünfte Scene. 


Antonius Lager bei Alexandrien. 


(Trompeten. Antonius und Eros treten auf; ein Sol⸗ 
dat begegnet ihnen) 
Soldat. 
Gebt heut, ihr Götter, dem Antonius Glück! 


Antonius. 
Hätt'ſt du und deine Narben mich beſtimmt, 
Damals zu Land zu ſchlagen! ... 


Soldat. 
Thatſt du ſo, 
Die abgefallnen Kön'ge, und der Krieger, 
Der dieſen Morgen dich verließ, ſie folgten 
Noch deinen Ferſen. 


Antonins und Gleopatra. IV, 6. 113 


Antonius. 
Wer ging heut Morgen? 
Soldat. 
Wert 
Dir flets der Nächſte. Ruf den Enobarbus, 
Er hört nicht, oder fpricht ans Cäfar’s Lager: 
Nicht dir gehör' ih am. 
Antonius. 
Was fagft du? 
Soldat. 
Herr, 
Er if beim Cäfar. 
Eros. 
Seine Schäh’ und Riften 
Rahm er nicht mit fich. 
Antonius. 
Iſt er fort? 
Soldat. 
Gewiß. 
Antonius. | 
Geh, Eros; fend’ ihm nach den Schatz. Beſorg' es, 
Behalte nichts zurück, befehl’ ichz meld' ihm 
(3 unterfchreib’ es) Freundes Gruß und Abfchied, 
Und fag, ich wünfch’, er finde nie mehr Grund 
. Den Heren zu wechſeln. O mein Schiedfal hat 
Auch Ehrliche verführt! Geh! — — Enobarbusl — 
(Gehn ab) 


Sehste Scene. 


Eäfar’s Lager bei Alerandrien. 


(Trompetenftoß. Es treten auf Säfar, Agrippa, Eno- 
barbus und Andre) . 


CAfar. 
Rück' aus, Agrivpa, und beginn’ die Schlacht. 
X. 8 


114 Antonius und Gleopatra. IV, 6. 


Anton ſoll lebend mir gefangen feyn: 
So thu' es Fund. 
Agrippa. 
Cäfar, wie du befiehlſt. (ab) 
Eäfer. 
Die Zeit des allgemeinen Friedens naht, 
Und fieg’ ich heut, dann fproßt von felbfl der Delzweig 
Der dreigetheilten Welt. 
(Ein Bote tritt auf) 
Bote. 
Antonius Heer 
Rückt an zur Schlacht. — 
j Cäfar. 
Geh Hin, und heiß’ Agrippa 
Die Ueberläufer vorn ins Treffen ftellen, 
Daß anf fich felbft Antonius feine Wuth 
Zu richten fcheine. (Eifar und Gefolge ab) 
Enobarbus. 
Alexas wurde treulos: in Judaäa, 
Wohin Antonius ihn geſchickt, verführt’ er 
Herpes, fih zum Cäfar Hinzuneigen, 
Abtrünnig feinem Herren. Für diefe Müh' 
Hat Cäſar ihn gehängt. Canidius und die Andern, 
Die übergingen, haben Rang und Stellen, 
Nicht ehrendes Vertrau'n. Schlecht Handelt’ ich, 
Und das verklagt mich mit fo bitterm Schmerz, 
Daß nichts mich freut. 


(Einer von Eäfar’s Soldaten tritt auf) 


Soldat. 

Enobarbus, Marc Anton 
Hat deinen ganzen Schaß dir nachgefanbt 
Mit feiner Liebe. — Zu meinem Poſten kam 
Der Bote; der ift jebt vor deinem Zelt, 
Und lädt Die Mäuler ab. — 








Antonius und @leopatra. IV, 7. 115 


Enobarbus. 
Ich ſchenk' es dir! — 
Soldat. 
Spotte nicht, Enobarbus; 
Ich rede wahr. Schaff' nur in Sicherheit 
Den Boten fort; ich muß auf meinen Poſten, 
Sonſt hätt' ichs ſelbft gethan. Dein Imperator 
Bleibt doch ein Zeus! — (Seht ab) 
Enobarbus. 
Ich bin der einz'ge Böſewicht auf Erden 
Und fühl es ſelbſt am tiefſten. O Anton, 
Goldgrube du von Huld, wie zahlteft du 
Den treuen Dienft, wenn du die Schändlichkeit 
Sp Frönft mit Gold! Dieß fehwellt mein Herz empor; 
Brichts nicht ein ſchneller Gram, fol ſchnellres Mittel 
Dem Gram voreilen; doch Gram, ich fühl's, genügt. 
Ich föchte gegen dich? Nein, ſuchen will ich 
»Nen Graben, wo ich ſterben mag. — Der ſchmaͤhlichſte 
Ziemt meiner lebten That am beften. (ab) 


Siebente Scene 
Schladtfeld zwifdhen ven Lagern. 


(Schlahtgefchrel. Trommeln und Trompeten. Agrippa 
und Andre treten auf) 


Agrippa. 
Zurück! Wir haben uns zu weit gewagt, 
Selbſt Caͤſar Hat zu thun; der Widerſtand 


Iſt ſtärker, als wir dachten. (Sehn ab) 
(Schlachtgefihrei. Es treten auf Antonius und Scaru s, 
verwundet) \ | 
Searus. 


O tapfrer Imperator! das hieß fechten! 
8* 


116 Antonius und Cleopatra. IV, 8. 


Schlugen wir fo zuerft, wir jagten fie 
Mit blut’gen Köpfen heim. 

Antonius. 

Du biuteft fehr. 

Scrarus. 
Hier diefer Hieb glich anfangs einem T, 
Nun warb daraus ein H. 

Antonius. 

Sie ziehn zurüd! 
Secarus. 
Wir jagen ſie bis in die Kellerlöcher: 
Ich habe Platz noch für ſechs Schmarren mehr. 
(Eros tritt auf) 
Eros. 

Sie find gefchlagen, Herr, und unfer Bortheil 
Iſt gleich dem fchönften Sieg. 

Scarus. 

Kerbt ihre Rücken, 

Und greift ſie an den Ferſen auf, wie Haſen; 
Die Memmen klopfen iſt ein Spaß. 

Antonius. 

Die lohn' ich 

Erſt für dein kräft'ges Troflwort, zehnfach dann 
Für deinen Muth. Nun komm. 

Scarns, 


Ich hinke nach. 
(Alle ab) 


Achte Scene. 


Unter den Mauern von Alexandrien. 


( Schlachtgeſchrei. Antonius im Anmarſch; mit ihm Sca⸗ 
rus und Fußvolk) 


Antonius. 
Wir fchlngen ihn ins Lager. Einer Laufe, 


Antonius und Eleopatra. IV,8. 117 


Der Kön’gin meld’ er unfre Gäſte. Morgen, 
Eh Sonn’ ung fieht, vergießen wir dag Blunt, 
Das dent uns noch entkam. Ich dank' euch Allen; 
Denn tücht'ge Hände habt ihr, fochtet nicht, 
Als dientet ihre der Sache, nein, als wär? fie 
Wie meine, Jedes eigne: Alle wart ihr Hektors. 
Zieht in die Stadt, herzt eure Freund’ und Weiber, 
Rühmt enre That, laßt fie mit Freudenthränen 
Eu’r Blut abwafhen, eure Ehrenwunden 
Geſund euch küffen. (Zum Scarus) Gieb mir deine Hand! 
(Cleopatra tritt auf mit Gefolge) 
Der großen Fee laß mich dein Lob verkünden, 
Ihr Dank ſoll dich befel’gen. Tag der Welt, 
Umſchließ' den erznen Hals, fpring’, Schmud und Alles 
Durch feften Harnifch an mein Herz, und bort 
Siegprang' auf feinem Klopfen! — 
Cleopatra. 
Herr der Herrn! — 
O unbegränzter Muth! Kommft du fo Lächelnd 
Und frei vom großen Net der Welt? 
Antonius. 
D Nachtigall, 
Wir fchlugen fie zu Bett! Ha, Kind! Ob Grau 
Sich etwas mengt ins junge Braun; doch blieb ung 
Ein Hirn, das unfre Nerven nährt, den Preis 
Und Kampf der Jugend abgewinnt. Schau diefen, 
Reich’ feinen Lippen deine Götterhand; 
Küff’ fie, mein Krieger: der hat heut gefochten, 
Als ob ein Gott, dem Menſchenvolk verderblich, 
In der Geftalt es würgte. 
Elevpatra, 
Du befommft 
Ne Rüftung ganz von Gold: ein König trug fiel 
Antonius, 
Er hats verdient: wär’ fie auch voll Earfunfeln, 


118 Antonins und Eleopatra. V, v. 


Wie Phöbns heil'ger Wagen. — Deine Hand! 
Durch Alerandrien in freub’gem Marſch 

Tragt den zerhadten Schild, wie's Helden ziemt. 
Hätt’ unfer großer Burghof Raum genug 

Für dieſes Heer, wir zechten dort zu Nacht, 

Und tränfen auf des nächften Tages Glück 

Und Fönigliche Todsgefahr. Drommeten, 
Betäubt mit erzuem Schall das Ohr der Stadt, 
Mifcht euch mit unfrer Trommeln Wirbelfchlag, 
Daß Erb’ und Himmelsfhall zufammen dröhnen, 
Und unfre Ankunft grüßen. ( Gehn ab) 


Neunte Scene, 
Caͤſar's Lager. 
(Schildwachen auf ihren Poſten. Enobarbns tritt auf) 


Erfter Soldat. 
Sind wir nicht abgelöft in einer Stunde, 
Sp müffen wir zurüd zur Wacht. Der Mond . 
Scheint hell, und wie es heißt, beginnt die Schlacht 
Früh um die zweite Stunde, 
Zweiter Soldat. 
Geftern war 
Ein ſchlimmer Tag für uns! — 
Enobarbus. 
Nacht, fei mein Zeuge! 
Dritter Soldat. 
Ber if der Mann? 
Zweiter Soldat. 
Sei fill und horch' auf ihn. 
Enobarbus. 
Bezeuge mirs, o fegenreicher Mond, 
Wenn einſt die Nachwelt treuvergeff’ner Männer 








Antonins und Eleopatra. IV, 119 


Mit Haß gebeuft, — der arme Enobarbus 
Bereut vor deinem Antlis. 

Erfter Soldat, 

Enobarbus! 

Dritter Soldat. 

Still dal horcht weiter! — _ 
Enobarbus. 

Du höchſte Herrſcherin wahrhafter Schwermuth, 
Den gift'gen Than ber Nacht geuß über mich, 
Daß Leben, meinem Willen laͤngſt empört, 
Nicht Sänger auf mir laftel Wirf mein Herz 
Wider den harten Marmor meiner Schuld! 
Gebörrt von Gram zerfall’ es dann in Staub, 
Mit ihm der böfe Stan! D Marc Antonius, 
Erhabner, als mein Abfall fchändlich iſt, 
Bergieb du mir in deinem eignen Selbfl, 
Doch laß die Welt mich zeichnen in die Reih'n 
Der flüht’gen Diener und der Ueberläufer! — 
D Mare Anton! O Mare Anton! — ( Er flirbt) 


Zweiter Soldat. 
Kommt, redet 


Ihn an. 
Erſter Soldat. 
Nein, horcht, denn was er ſagt, 
Kann Caͤſarn angehn. 
Zweiter Soldat. 
Du haſt Recht. Doch ſchlaͤft er. 
Erſter Soldat. 
Liegt wohl in Ohnmacht; denn ſo ſchlimmes Beten 
Ging keinem Schlaf voran. 
Zweiter Soldat. 
Gehn wir zu ihm. 
Dritter Soldat. 
Erwacht, erwacht, Herr. Redet! 


120 Antonius und Eleopatra. IV, 10. 


Zweiter Soldat. 
| Hört ihr, Herr? 

Erfter Soldat. 
Die Hand des Tode ergriff ihn. Hört! die Trommel 
Weckt feierlich die Schläfer; kommt und tragt ihn 
Zur Wach’: er iſt von Anfehn. Unfre Stunde 
Iſt abgelaufen. 

Dritter Soldat. 

Nun fo kommtz; vielleicht 

Erholt er fi. (Gehn ab und tragen den Körper fort) 


Zehnte Scene 


Zwifhen den zwei Lagern. 
(88 treten auf Antonius und Scarus mit Truppen) 


Antonius. 
Heut rüften fie fih auf den Kampf zur See, 
Zu Land gefalln wir ihnen nicht. 
Scarus. 
Herr, nirgend! — 
Antonius. 
Und Tämpften fie in Feuer vder Luft, 
Wir füchten auch dort. Doc fo ſei's: das Fußvolk 
Dort auf den Hügeln, fo die Stabt begrenzen, 
Zieht her zu mirz zur See befahl ich ihnen, 
Den Hafen zu verlafien. Run hinan, 
Wo ihre Stellung wird erfpäht am beften, 
Und jeglihe Bewegung. (Gehn weiter) 
(Säfar fommt mit feinen Truppen) 
Cäfar. 
Greift er nicht an (und kaum vermuth' ich es), 
So bleibt zu Lande ruhig: ſeine Hauptmacht 
Entſandt' er auf die Schiffe. Nun zur Niedrung, 
Und haltet euch aufs Beſte. (Gehn ab) 


Antonius und Eleopatra. IV, 10. 121 


(Antonins und Scarns fommen zurück) 
Antonius. 
Noch nicht zum Kampf gefihaart! Dort bei der Fichte 
Kann ichs ganz überfehn: gleich meld’ ich dir, 
Wie es fich anläßt. (ab) 
Scrarus. 
Schwalben nifteten 
In den egypt’fihen Segeln. Unfre Augurn 
Berfiummen, wolln nichts wiffen, find verftört, 
Und foheun zu reden, was fie fahn. Antonius 
SR muthig und verzagt, und fieberhaft 
Giebt fein zerflörtes Glück ihm Furcht und Hoffnung 
Def, was er bat und nicht Hat. 
(Schladhtgetöfe in der Gerne, wie von einem Seectreffen. An: 
tonins fommt zurüf) 
Antonins. 
Alles Hin! 
Die ſchaͤndliche Egypterin verrieth mich; 
Dem Feind ergab fich meine Flotte: dort 
Schwenfen fie ihre Mützen, zechen fie, 
Wie Freunde lang getrennt. Dreifache Hure! 
Du haft dem Knaben mich verfauft! Mein Herz 
Führt Krieg mit dir allein. — Heiß?’ Alle fliehn! 
Denn wenn ich mich gerächt an meinem Zanber, 
Bin ih zu Ende: Geh! heiß’ Alle fliehn! — 
( Scarus ab) 
O Sonne! Nimmer ſeh' ich deinen Aufgang! 
Ich und Fortunaga ſcheiden hier: — bier grade ſchütteln 
Die Hand wir uns! Kam es dahin? Die Herzen, 
Die hündiſch mir gefolgt, die jeden Wunſch 
Von mir erlangten, 
Die ſchmelzen hin und thauen ihre Huld 
Auf den erblüh'nden Caäſar; 
Und abgeſchält nun ſteht die Fichte da, 
Die Alle überragt! Ich bin verkauft! 


122 Antonins uud Eleopatra. V, 10. 


O falſch egyptiſch Herz! o tiefer Zauber! 
Du winft’fl mein Heer zum Rrieg, du zogſt es heim, 
Dein Bufen war mein Diabem, mein Ziel, 
Und du, ein echt Zigeunerweib, betrogft mic 
Beim falfhen Spiel um meinen ganzen Einſatz! 
He, Eros! Eros! 
(Eleopatra fommt) 
Ah du Blendwerk! ort! 
Cleopatra. 
Was tobt mein Freund fo gegen die Geliebte? 
Antonius, 
Entfleuch, fonft zahl’ ich dir verbienten Lohn, 
Und fohände Cäſar's Siegeszug. Nehm’ er dich; 
Hoch aufgeſtellt den jauchzenden Plebejern, 
Zolg’ feinem Wagen als der größte Fleck 
Des Fraungefchlechts! — Laß dich als Monflrum zeigen 
Den fchäbigftien Gefell’n und Tölpeln; Yaß 
Die fanfte Detavia bein Geſicht zerfurchen 
Dit ſcharfen Nägeln. (Cleopatra ab) — Gut, ba du 
gegangen, 
Wenns gut ift, daß du lebſt; doch beffer wars, 
Du fielef meiner Wuth: der Einen Tod 
Erhielt am Leben Biele. — Eros, hal 
Des Neffus Hemd umfchließt mich! Lehre mic, 
Alcives, großer Ahnherr, deine Wuth; 
Laß mich ans Horn des Monde den Lichas fehleudern, 
Und diefe Hand, die Riefenfeulen ſchwang, 
Mein edles Selbſt zerflören. Tod der Zanb’rin! 
Dem Buben Roms gab fie mich Preis; ich falle 
Dur diefen Trug: drum Tod ihr! — Eros, hol — 
(ab) 


Antonius und Cleopatra. IV,11. 22. 123 


Elfte Scene 


Alerandrien. Simmer im Palaſt. 
(Eleopatra, Charmion, Iras und Mardian treten auf) 


Eleopatra. 
Helft mirl o er raſt mehr, als Telamon 
Um feinen Schild; der Eher von Theffalien 
Hat niemals fo gefhäumt. 
Charmion. 
Zum Monument! 
Da fchließt euch ein, meldet ihm enern Tod. 
Mehr ſchmerzt das Scheiven nicht von Seel’ und Leib, 
Als Größe, die uns abfällt. 
Cleopatra. 
Hin zum Grabmal! 
Mardian, geh, ſag ihm, ich erſtach mich ſelbſt; 
Sag ihm, mein letztes Wort war Mare Anton; 
Und recht wehmüthig ſprichs: ich bitt' dich. Geh, 
Mardian, und melde mir, wie er es nimmt. 
Zum Monnmentl (Alle ab) 


Zwölfte Scene 
Daſelbſt. Bin anderes Zimmer. 
(Antonius und Eros treten anf) 
Antonius. 
Eros, ſiehſt du mich noch? 
Eros. 
Ja, hoher Feldherr. 
Antonius. 
Oft ſehn wir eine Wolfe, drachenhaft, 
Oft Dunſtgeſtalten gleich dem Len, dem Bär, 





'124 Antonius und Eleopatra. IV, 12. 


Der hochgethürmten Burg, dem Felſenhang, 
Gezackter Klipp' und blauem Borgebirg’, 
Mit Bäumen drauf, die nicken anf die Welt, 
Mit Luft die Augen täuſchend: folche Zeigen ſahſt du, 
Des dunkeln Abends Prachtgebilde. 
Eros. 
Ja, 


Mein edler Herr. 
Antonius. 
Was jetzt ein Pferd noch war, im nachſten Nu 
Verſchwemmts der Wollenzug, unkenntlich wirds, 
Wie Waffer it im Wafler, — 
Eros. 
Ja, ſo iſts. 
Antonius. 
Mein guter Freund, ſolch einem Bilde gleicht 
Dein Feldherr jetzt. Noch bin ih Marc Anton; 
‚ Doc bleibt mir nicht, mein Freund, dieß Lebensbild. 
— Der Krieg war für Egypten, — und die Königin — 
Ihr Herz, wähnt’ ich, war mein, denn meins war ihr, — 
Und als es mein, da zogs Millionen Andre 
Mir nach, die jet dahin, — fie Hat mit Cäfarn 
Die Karten mifchenn falfch ihm meinen Ruhm, 
Dem Triumph des Feindes zugefpielt. 
Nein, lieber Eros! Weine nicht! Es blieb noch 
Ich felbft, mit mir zu enden. O die Argel — 
(Mardian fommt) 
Sie hat mein Schwert geftohlen! 
Mardian. 
Nein, Antoning, 
Meine Herrin liebte dich, und kuüpft' ihr Schidfal 
An deines feſt. 
Antonius. 
Fort, ſchnöder Hämling, ſchweig; 
Berratben hat fie mich, und fie fol flerben. 


Antonius und Eleopatra. IV, 12. 125 


Mardian. 
Den Tod Tann jeder Menſch nur Einmal zahlen; 
Sie hat die Schuld getilgt. Was du gewollt, 
Iſt Schon vollbracht. Ihr letztes Wort im Leben 
War Marc Antonius, edler Marc Anton! — 
Dann brach ein ſtöhnend Hechzen mitten durch 
Das Wort Antonius; e8 blieb getheilt 
Sp zwifchen Herz und Lippen: fie verfchied, 
Und ward des Namens Grab. 
Antonius. 
Todt alſo? 
Mardian. 
Todt. 
Antonius. 
— — Eros, entwaffne mich, 
Des langen Tages Arbeit iſt gethan, 
Ich geh' zur Ruh'. Daß du in Frieden ziehn magſt, 
Zahlt reichlich deinen Gaug. Fort! Ab! Reiß' ab! — 
( Mardian geht) 
Nicht Ajax ſiebenfält'ger Schild bewahrte 
Vor dieſem Sturm mein Herz. O brecht, ihr Seiten! 
Herz, dießmal ſtärker ſei als deine Hülle, 
Spreng' dein zerbrechlich Haus! Schnell, Eros, ſchnell! 
Kein Krieger mehr! Lebt wohl, zerſchlagne Waffen, 
Ihr dientet mir mit Ehren. — Geh ein Weilchen! — 
(Eros ab) 
Ich hole bald dich ein, Cleopatra; 
Und weine um Verzeihung: alſo ſei's. 
Aufſchub iſt Folter; weil dein Licht erloſch, 
Ruh' aus, ſchweife nicht laͤnger. Jetzt verdirbt 
Alles Bemühn das Werk: Kraft ſelber wird verſtrickt 
Durch Kraft... .. Drum zugefiegelt, dann ifls gut! — 
Eros! — ich komme, KRön’gin! Eros! — Weile noch; 
Wo Seelen ruhn auf Blumen, wandeln wir, 
Daß Geifter flaunen unferm freud’gen Gang, 


126 Antonins und Cleopatra. IV, 12. 


Dido und ihr Aeneas ſtehn verlaflen, 
Und Alles ſchwärmt uns nah. Komm, Eros! Eros! 
(Eros fommt zuräd) 
Eros. 
Was ruft mein Herr? 
Antonius | 
Seit fie vorangegangen, 
Lebt? ich in ſolcher Schmach, daß meine Feigheit 
Den Böttern ward zum Abfchen. Ich, deß Schwert 
Die Welt getheilt, der auf des Meeres Wogen 
Schiffe zu Städten fchuf, bin nun verdammt, 
Dem Weib an Diuth zu weichen, minder kühn 
Als fie, die flerbend unferm Cäfar fagt: 
Ich überwand mich felbfl. Du ſchwurſt mir, Eros, 
Kaͤm' es zum Aeußerſten, — (und wahrlich, jebt 
Kam es fo weit,) und ſäh' sch Hinter mir 
Die unvermeibliche Verfolgung 
Bon Schmah und Schande: dann, anf mein Geheiß, 
Wolltſt du mich töten. Thu's! die Zeit iſt dal 
Nicht teiffft du mich, den Caͤſar fehlägft du nieder. 
Ruf Farb’ auf deine Wangen. 
Eros, 
Götter! Nein! 
Sollt' ich das thun, was alle Barther- Speere, 
Ob feindlich, nicht vermocht, ihr Ziel verfehlend? 
Antonius, 
Mein Eros, 
Möcht'ſt du am Fenfter fiehn im großen Rom, 
Und beinen Feldherrn ſchaun, verfchränft den Arm, 
Geneigt den unterjochten Hals, fein Antlıt 
Durchglüht von Scham, indeß ber Siegerwagen 
Des freud’gen Cäfar auf des Folgers Feigheit 
Ein Braudmal vrüdte? 
Eros, 
Nimmer möcht’ ichs ſchaun. 


Antonius und Eleopatra. IV, 12. 127 


Antoning. 
Sp komm, mit einer. Wunde heilft du mich. 
Zieh dieß dein wadres Schwert, das du geführt 
Sp nuͤtzlich für dein Land. 
Eros. 
D Herr, verzeißt mir! 
Antonius, 
Als ich dich frei Tieß, ſchwurſt du's damals nicht, 
Zu thun, wenn ichs verlangte? Thu's mit Eins, 
Sonſt wird dein frührer treuer Dienſt durchaus 
Gedankenloſer Zufall. Zieh, und ſchnell! 
Eros, 
Sp wende denn von mir das edle Antlig, 
Aus dem die Majeflät des Weltalls blickt! 
Antonius. 
Wohlen! (wendet ſich ab) 
Eros. 
Ich zog das Schwert. 
Antonius. 
Vollende dann mit Eins, 
Weßhalb du's zückteft. 
Eros. 
Mein geliebter Herr, 
Mein Held, mein Imperator! Nun ſag' ich 
Vor dieſem blut'gen Streich dir Lebewohl! 


Antonius. 
Du ſprachſt es, Lieber: leb denn wohl! — 
Eros. 
Leb wohl, mein Feldherr. Stoß’ ich jetzt? 
Antonius. 
Ya, Eros. 
Eros. 


Nun, fo dann: fo entrinn’ ich denn der Dual, 
Antonius Tod zu fehn. 
(Faͤllt in fein Schwert) 


128 Antonius und Glevpatra. IV, 12 


Antonius. 
D dreimal ebler du als ich! . 
Du lehrteft mich, mein tapfrer Eros, was 
Ich follt’ und du nicht Fonntefl. Meine Königin 
Und du, ihr mahntet durch eu’r großes Beifpiel 
Mich an den alten Muth. Nun will ich feyn 
Ein Bräutigam dem Tod, und zu ihm eilen 
Wie zu der Liebften Bett. Wohlan! Und Eros, 
Dein Meifter flirbt dein Schüler: das zu thun 
(fällt in fein Schwert) 
Lernt’ ich von dir... Was? — Nicht todt? Nicht 
todt? Wache! 
D endet nun mit mir! — 


(Dercetas fommt mit Mache) 


Erfte Wade. 
Was für ein Lärm? 
Antonius. 

Ich machte fchlecht mein Werk; vollendet, Freunde, 
Was ich begonnen. 

Zweite Wade. 

Unfer Stern ging unter! 
Und unfre Zeit iſt aus! 


Alte, 
Weh Allen! Weh! — 
Antonius. 
OD, wer mich lieb hat, tödte mich! 
Erſte Wache. 
.. Nicht ich. 


Zweite Bade. 
Ich auch nicht. | 
Dritte Wade, 


Reiner bier! (Wachen gehn ab) 
Dercetas, 
Dein Tod und Schickſal Theucht die Freunde weg. — 








Antonius und Eleopatra. IV, 12. 129 


Caͤſarn dieß Schwert mit biefer Poft nur zeigen, 
Berfihafft mir Würden. 


(Diomedes tritt auf) 


Diomedes. 
Wo ift Anton? 
Dercetas. 
Hier, Diomed. 
Diomedes. 
Lebt er? 
Willſt du nicht Antwort geben? 
( Dercetas geht) 
Antonius. 
Diomed, biſt du's? o zieh dein Schwert und gieb- mie 
Den Topdesftreich! 
Diomedes. 
Erhabenſter Gebieter, 
Cleopatra, meine Fürſtin, ſandte mich. 


Antonius. 
Wann ſchickte ſie? 
Diomedes. 
Jetzt eben, Herr. 
Antonius. 
Wo iſt ſie? 
Diomedes. 


In ihrem Grabmal. Ein prophetiſch Ahnen 
Weiſſagt' ihr, was geſchehn. Denn als ſie ſah 
(Was nimmer fi) bewähren wird) euch mißtraun, 
Sie Halt’ e8 mit dem Käfer, und en’r Grimm 
Sei nicht zu fänft’gen, gab fie ſich für todt; 
Dann, fürchtend, wie ihre tragen möchtet, hieß fie 
Mich, euch die Waprpeit fünden: doch ich Fam 
Zu fpät, beforg’ ich. 

Antonius. 
30 ſpat⸗ mein Diomed. Ruf mir die Bade! — 





330 Antonius und Gleopatra. IV, 13. 


Diomedes. 
He, he! Des Feldherrn Wache! Wache, he! 
Kommt, eu'r Gebieter ruft. 

(Einige von der Wache kommen zurück) 

Antonius. 
Tragt mich zur Kön’gin, meine guten Freunde, 
Dieß ift der letzte Dienft, den ich verlange, 

Erfte Wade. 
Weh' über uns! Daß ihr nicht überlebt 
AM’ eure treuen Diener! 
Alle. 
Tag des Jammers! 

Antonius. 
Rein, Kinder, fehmeichelt nicht dem argen Schiefal, 
Gönnt ihm nicht euren Kummer; heißt willkommen, 
Was uns als Strafe naht, fo ftrafet ihre, 
Indem ihrs Leicht ertragt. Nun hebt mich auf) 
Ich führt” euch oft, nun tragt mich, Liebe Freunde, 
Und nehmt für Alles Dank! — Ä 

(Sie tragen den Antonius weg) 


Dreizehnte Scene. 
Daſelbſt. Ein Monument. 


(Sleopatra, Charmion und Iras erfcheinen oben auf 
dem Monument) 
Eleopatra. 
D Charmion, ich will nie von bier mehr gehn. 
Charmion. 
O teöftet euch, Verehrte! | 
Cleopatra. 
Nein, ich will nicht; 
Entſetzen ſei und Schreckniß mir willlommen, 
Doch Troſt verſchmaͤhn wir: unſres Schmerzes Größe, 


Antonius nud Cleopatra. IV, 18. 131 


Der Urſach gleich gemeffen, fei fo furchtbar, 
Als was ihn uns erregt. 
(Diomedes tritt auf) 
Sprich, ift er tobt? 

Diomedes. 
Sein Tod ſchwebt über ihm, doch lebt er noch. 
Schaut nur nach jener Seite eures Grabmalg, 
Dort bringt ihn Schon Die Wache. 


(Antonius wird von der Wache hereingefragen ) 


Cleopatra. 
O du Sonne, 
Verbrenne deine Sphäre! Nacht, ſteh feſt 
Auf wechſelnden Weltfluren! O Antonius, 
Anton, Anton! O Charmion hilf, hilf, Iras, 
Helft, Freunde, unten! Zieht herauf ihn! 
Antonius. 
Still! 
Nicht Cäſar's Kraft beſiegte Marc Anton, 
Nein, Marc Anton erlag ſich ſelber nur! 
Cleopatra. 
So mußt' es ſeyn; Antonius konnt' allein 
Anton bewältigen: doch weh’ dem Tag! 
Antonius. 
Ich fterb’, Egypten, flerbe; nur ein Weilchen 
Laff’ ich den Tod noch warten, bis ich bir 
- Bon fo viel taufend Küſſen den armen letzten 
Auf deine Lippen drückte. 
Clevpatra. 
Ich wag’ es nicht, — 
O theurer Herr vergieb! — Ich wag’ es nicht, 
Sie fahn mich ſonſt. Nein! nicht das Siegsgepränge 
Des hochbeglückten, übermüth’gen Cäfar 
Zier' ich jemals. Bleibt Meffern, Giften, Schlangen 
Nur Schärfe, Kraft und Stachel, bin ich ſicher. 
9% 


132 Antonins und Eleopatra. IV, 18. 


Eu'r Weib Octavia mit dem Talten Blick 
Und ſtillem Gleichmuth foll nicht Ehr’ empfangen, 
Indem fie fireng mich anfieht. Komm, Antonius, 
Helft, meine Frau'n, wir ziehn dich Hier herauf; 
Faßt Alle an. 
Antonins, 
O ſchnell, fonft bin ich Hin. 
Cleopatra. 
O ſeltſam Spiel, wie ſchwer du wiegſt, Geliebter! 
AN’ unfre Stärfe ging in Schwermuth unter, 
Das mehrt die Laſt. Hätt’ ich der Juno Macht, 
Mercnr, der Kraftbefchwingte, höbe dich, 
Und feste did an Jovis Seite. Komm nurl 
Wünſchen war nimmer Thorbeit: komm, komm, komm: 
Willkommen, Willkommen! Stirb nun, wo du lebteſt, 
Leb' auf im Kuß! Vermöchten das die Lippen, 
Wegküſſen ſollt'ſt du ſiel — 
Alle. 
O jammervoll! 
Antonius. 
Ich ſterb', Egypten, ſterbe! — 
Reicht mir ein wenig Wein, daß ich noch redel — 
Cleopatra. 
Nein, laß mich reden, laß ſo laut mich ſchelten, 
Bis fie, gekraͤnkt, das falſche Weib Fortune, 
Ihr fpinnend Rab- zerbricht. 
Antonius. 
Ein Wort, Geliebte: 
Beim Cäfar ſuch' dir Schug und Ehre.... Op! 
Elevpatra. 
Die gehn nicht mit einander. 
Antonius. 
Hör’ mich, Liebe: 
Bon Eäfar’s Bolt trau nur dem Proculejus. 





Antonius und Gleopatra. IV, 18. 133 


Cleopatra. 
Ich trau' auf meinen Muth und meine Hand, 
Keinem von Cäſar's Volk. 
Antonius. 
Den jammervollen Wechſel und mein Sterben 
Beweint, beklagt fie nicht; flärkt eu'r Gedächtniß 
An der Erinnrung meines frühern Glücks, 
Das mich erhob zum erſten Weltgebieter, 
Zum edelſten; und jetzt, nicht feige ſterb' ich, 
Noch ehrlos, neige meinen Helm dem Landsmann, 
Ein Römer, männlich nur befiegt vom Römer. 
Jetzt num entflieht mein Geift, das Wort erflirbt. 
(Er ſtirbt) 
Cleopatra. 
O edelſter der Männer! willſt du ſcheiden? 
So ſorgſt du nicht um mich? Aushalten ſoll ich 
In dieſer ſchaalen Welt, die ohne dich 
Nicht mehr iſt als ein Viehſtall? Seht, ihr Frau'n, 
Die Krone ſchmilzt der Erdel O mein Herr! 
O hingewellt iſt aller Sieges⸗-Lorbeer, 
Geſtürzt des Kriegers Banner, Dirn' und Knabe 
Stehn jetzt den Männern gleich: kein Abſtand mehr, 
Nichts Achtungswerthes bietet mehr ſich dar 
Unter dem ſpäh'nden Mond. 
(Sie faͤllt in Ohnmacht) 
Charmion. 
O Faſſung, Fürſtin! 
Iras. 
Sie ſtirbt auch, unfre Königin! 
Charmion. 
O Fürfiin, Fürftin, Fürftin! — 
Iras. 
Egyptens Krone, unſre Herrſcherin! 
Charmion. 
Still, Iras, ſtill! 


134 Antonius und Eleovatra. IV, 18. 


Cleopatra. 

Nichts mehr, als jeglich Weib, und unterthan 
Sp armem Schmerz, als jede Magd, die melkt 
Und niedern Hausdienft thut. Nun könnt’ ich gleich 
Mein Scepter auf die neid'ſchen Götter fchlenvern, 
Und rufen: „diefe Welt glich’ ihrer ganz, 
Bis fie geftohlen unfern Diamant!” 
Nichtsnutzig Alles jet! 
Geduld ift laͤppiſch, Ungeduld ziemt nur 
Den tollgeworbuen Hunden! Iſts denn Sünde, 
Zu flürmen ins geheime Hans des Todes, 
Eh Tod zu uns fi wagt? Was macht ihr, Mädchen? 
Was, was? getroft! Wie geht dirs, Charmion? 
Ihr edlen Dirnen! Ah! — Seht, Weiber, feht, 
Unfre Leucht' erloſch, if aus! Seid herzhaft, Kinder, 
Degraben wolln wir ihn: was groß, was ebel, 
Bollziehn wir dann nach hoher Nömer Art. 
Stolz fer der Tod, uns zu empfangen! Kommt, 
Died Hans des Riefengeiftes ift nun Falt! 
Ah Mädchen, Mädchen, kommt! In diefer Roth 
Blieb uns fein Freund, als Muth und fehneller Tod. 

(Geht ab. Antonius Leiche wird oben weggetragen) 


Fünfter Aufzug. 


Erfte Scene. 


Eifar’s Lager vor Alexandrien. 


CEs treten auf Gäfar, Agrippa, Dolabella, Mäce: 

nas, Gallus, Proculejus und Andre) 

Cäfar. 
Geh, Dolabella, heiß' ihn, ſich ergeben: 
Da es fo ganz umſonſt; ſag ihm, er ſpotte 
Der Zögrung, die er macht. 
Dolabella. 
Ich gehe, Caͤſar. (ab) 
(Dercetas kommt mit dem Schwert des Antonius) 
Cäſar. 
Was ſoll uns das? Und wer biſt du, der wagt, 
Uns ſo zu nahn? 
Dercetas. 

Dercetas heiß' ich, Herr, 
Ich diente Mare Anton, dem Beſten, werth 
Des beſten Dienſts; ſo lang' er ſtand und ſprach, 
War er mein Herr: mein Leben trug ich nur, 
An ſeine Haſſer es zu wagen. Willſt du 
Mich zu dir nehmen? Was ich ihm geweſen, 
WIN ich dem Cäſar ſeyn. Gefällt dirs nicht, 
So nimm mein Leben hin. 


136 Antonius und Cleopatra. V, L 


» 
v 


Eäfar. 
Was fagft bu mir? 
Dercetas. 
Ich ſag', o Käfer, Marc Anton ift tobt. . 
Cäſar. 


Daß nicht den Einſturz ſolcher Macht verkündet 
Ein flärfres Krachen! Soll der Welt Erſchüttrung 
- Nicht Löwen in der Städte Baflen treiben, 
Und Bürger in die Wüſte? Antonius Tod 
* nicht ein einzeln Sterben: denn ſo bei 
Die Halbe Welt. 
Dercetas. 
Er iſt gefturben, Eäfer. 
Rein DHenfer des Gerichts auf offnem Markt, 
Kein mordgedungner Stahl, nein, jene Hand, 
Die ſeinen Ruhm in Thaten niederſchrieb, 
Hat mit dem Muth, den ihr das Herz geliehn, 
Sein Herz durchbohrt. Dieß iſt fein Schwert, 
. 3 raubt' es feiner Wund'; es iſt gefärbt 
Mit feinem reinften Blut. 
- Käfer. 
Ihr trauert, Freunde? 
Sp ftrafe Zeus mich! Dieß ift eine Botfchaft, 
Ein Rönigsaug’ zu feuchten. 
Agrippa. 
Seltſam iſts, 
Daß ung Natur das zu beweinen zwingt, 
Was wir erfirebt mit Eifer! 
Mäcenas. 
Ruhm und unwerth 
Wog gleich in ihm. 
Agrippa. 
Nie lenkt' ein hohrer Geiſt 
Ein menſchlich Weſen; doch ihr Götter leiht 
Uns Fehler, daß wir Menſchen ſei'n. Weint Cäſar? 





R 


24 . Antonius und Cleopatra. V, 1 137 


Maͤcenas. 
Wird ihm ſolch mächt'ger Spiegel vorgehalten, 
Muß er As 9 felber Ham. 
Cäfar. 
D Mare Anton! — 
Bis dahin bracht ich dich! doch naͤhren wir 
Den Todeskeim in unfrer Bruſt: gezwungen mußt’ ich 
Dir folchen trüben Tag des Falls bereiten, 
Wenn du nicht mir: Raum war nicht für uns Beide 
In ganzer weiter Welt. Und doch beflag’ ichs num, 
Mit Thränen, koflbar wie des Herzens Blut, 
Daß du, mein Bruder, du, mein Mitbewerber 
Zum Gipfel jedes Ruhms, mein Reichsgenof, 
Freund und Gefährt’ im wilden Sturm der Schlacht, 
Arm meines Leibes, Herz, an dem das meine 
Sih Glut entzündete, — daß unfre Sterne, 
Nie zu verfühnen, fo zerreißen mußten 
Die vor’ge Einheit. Hört mich, werthe Freunde, — 
— Doch fag’ ichs Lieber euch zu beff’rer Zeitl 
(Ein Bote fommt) 
Des Mannes Botfchaft kündet fchon fein Blid, 
Laßt uns ihn Hören. Woher biſt du? 
Bote, 
Nur 

Ein armer Egypter. Meine Königin, 
Sn ihrem Grabmal (ihrer Habe Reft) 
Berfchloffen, wünſcht zu wiſſen deine Abſicht; 
Daß fie fich faſſen mög’ umd vorbereiten 
Auf ihre Zukunft. 

Cäſar. 
Sprich ihr Muth und Troſt; 
Bald meldet einer ihr der Meinigen, 
Welch ehrenvoll und mildes Loos wir ſchon 
Für ſie beſtimmt: denn Cäſar kann nicht leben, 
Und hart geſinnt Io. 


[ 


138 Antonius und Cleopatra. V, 2. 


Bote. 
Schütze dich der Himmel! (ab) 
Caͤſar. 
Komm hieher, Proenlejus; geh, verkünd' ihr, 
Sch ſei nicht Willens fie zu fränfen. Gieb ihr 
Troft, wies der Umfang ihres Wehs erheiſcht, 
Daß fie großhergig nicht durch eignen Tod 
Uns überwinde. Site, nah Rom geführt, 
Würd’ unfern Siegs- Triumph verew’gen. Geh, 
Und auf das ſchnellſte bring’ mir, was fie fagt, 
Und wie du fie gefunden. 
Proculeius. 
Sch eile, Caäſar. (ab) 
Cäſar. 
Gallus, begleit' ihn. Wo iſt Dolabella, 
3u helfen Procnleius? — (Gallus geht ab) 
Agrippa und Mäcenas. 
Dolabella! 
Cäſar. 
Laßt ihn; denn eben jetzt beſinn' ich mich, 
Wozu ich ihm gebraucht. Er muß bald hier ſeynz — 
Kommt mit mir in mein Zelt, da follt ihr hören, 
Wie fihwer ich mich für diefen Krieg entſchied, 
Wie mild und ruhig ich mich flets geäußert 
In allen Briefen. Folgt mir, und erfahrt, 
Was mich euch mitzutheilen drängt. 


+ 


(Alle ab) 


Zweite Scene. 
Alexandrien. Ein Zimmer im Monument. 
(Eleoyatra, Charmion und Iras treten auf) 


Cleovpatra. 
Schon giebt Verzweiflung mir ein beſſ'res Leben; 
Armfelig ift es, Cäſar feyn: da er 


% 


Antonins und Cleopatra. V, 2. 139 


Kortuna nicht, iſt er nun Knecht Fortunens, 
Handlanger ihres Willens. — Größe iſts 
Das thun, was alle andern Thaten endigt, 
Zufall in Ketten fhlägt, verrammt den Wechel, 
Feſt ſchläft, und nicht nach jenem Koth mehr hungert, 
Des Bettlers Amm’ und Eäfar’s. 
(Procnlejus, Gallus und Soldaten erfcheinen unten an 
der Thür des Begräbnifles ) 
Grocnleins. 
Cäfar begrüßt Egyptens Königin, 
Und Heißt dich finnen, welchen bill’gen Wunſch 
Er dir gewähren foll. 
Eleopatra. (ven innen) 
Wie iſt dein Name? — 
Broculejus. 
Mein Nam’ iſt Proculeins. 


Cleopatra. 
Marc Anton 

Sprach mir von euch, hieß mich anf euch vertraun; 
Doch wenig foll michs fümmern, ob ihr täufcht, 
Da Gradheit mir nicht nutzt. Will euer Herr 
Zu feiner Bettlerin ein fürftlich Hanpt, 
Sagt: Majeftät, Thon Wohlſtandshalber, dürfe 
Nicht wen’ger betteln als ein Reich. Gefällts ihm, 
Für meinen Sohn Egypten mir zu fchenfen, 
Sy giebt er mir ſo viel des Meinen, daß ich 
Ihm Inieend danken will. 


Proculejus. 
Habt guten Muth! 
Ihr fielt in Fürſtenhand, ſeid unbeſorgt, 
Vertraut euch ohne Rückſicht meinem Herrn, 
Der fo voll Gnad' if, daß fie überftrömt 
Auf alle Hülfsbedürft'gen. Ich bericht’ ihm 
Eu’r fanftes Unterwerfen, und als Sieger 


140 Antonius und Cleopatra. V, 2, 


Erfcheint er euch, der das von euch erbittet, 
Um was ihr Inieend fleft. 
Cleopatra. 
O meldet ihm, 
Ich, ſeines Glücks Vaſallin, bring' ihm dar 
Die Hoheit, die er ſich gewann: gehorchen 
Lern’ ich jetzt ſtündlich, und mit Freuden ſaäh' ich 
Sein Angeſicht. 
Proenlejus. 
Dieß ſag' ich, werthe Fürſtin; 
Seid ruhig, denn ich weiß, eu'r Unglück weckt 
Deß Mitleid, ders veranlaßt. 
Gallus. 
Ihr ſeht, wie leicht wir jetzt ſie überfallen! 
(Proculejus und einige von der Wache erſteigen das Grab⸗ 


mal auf einer Leiter, und umringen Eleopatra. Zugleich 
wird das Thor entriegelt und aufgefprengt) 


Bewacht fie gut, bis Cäſar kommt. (ab) 
Iras. 
O Fürſtin! 
Charmion. 
Cleopatral Du biſt gefangen, — Fürſtin! — 
Cleopatra. 
Schnell, liebe Hand! (Zieht einen Dolch hervor) 
Proculejus. 
Halt, edle Frau; laßt ab! 
(Ergreift und entwaffnet ſie) 
Thut euch nicht ſelbſt ſo nah; dieß ſoll euch retten, 
Nicht euch verrathen! 
Cleopatra. 
Auch den Tod mißgönnt ihr, 
Der fetbft den Hund von feiner Angft erlöft? 
Proculeius, 
Entzieht euch nicht des Feldherrn Gnade, Fürftin, 
Durch euern Untergang! — Die Welt erfahre 





Antonius und Gleopatra. V,2. 141 


Das Wirken feiner Großmuth, das en'r Tod 
Nicht Läßt zum Ziel gelangen. 
Cleopatra. _ 
Tod, wo bift ou? — 
Komm her! Komm, komm! Nimm eine Königin, 
Mehr werth, als viele Säuglinge und Bettler! — 
PBroculeius. 
O mäßigt euh! — 
Cleopatra. 
Freund, keine Speiſe nehm’ ich, Freund, nicht trin® ich, 
Und wenn auch müßig Schwahen nöthig ift, 
Schlaf ih auch nicht: dieß ird'ſche Haus zerftör ich; 
Thu’ Cäfar, was er Tann. Wißt, Herr, nicht fröhn' ich 
In Ketten je an eures Feldherrn Hof, 
Roc fol mich je das Falte Auge zücht’gen 
Der nüchternen Octavia. Hochgehoben 
Sollt' ich des ſchmäh'nden Roms jubelndem Pöbel 
Zur Schau ſtehn? Lieber fei ein Sumpf Egyptens 
Mein freundlih Grab! Lieber in Nilus Schlamm 
Legt mich ganz nadt, Laßt mich die Wafferfliege 
Zum Scheufal ſtechen; lieber macht Egyptens 
Erhabne Pyramiden mir zum Galgen, 
Und hängt mich auf in Ketten! 
Proculejus. 
Ihr dehnt weiter 
Die Bilder ſolches Schauders, als euch Cäaſar 
Veranlaſſung wird geben. 
(Dolabella tritt auf) 
Dolabella. 
Procnleiug, 
Was du gethan, weiß Eäfar, dein Gebieter. — 
Er Hat gefandt nach dir; die Königin 
Nehm' ich in meine Hut. 
Proculejus. 
Wohl, Dolabella, 


142 Antonius und Cleopatra. V, 2. 


Mir um fo lieber. Seid nicht fireng’ mit ihr. — 
Cäfarn beſtell' ich, was du irgend wünſcheſt, 
Wenn du mirs aufträgft. | 
Cleopatra. 
Sprich, ich wolle ſterben. 
( Proculejus mit den Soldaten ab) 
Dolabella. 
Erhabne Kaiſ'rin, Hörtet ihr von mir! 
Cleopatra. 
Ich weiß nicht. 
Dolabella. 
Ganz gewiß, ihr kennt mich ſchon. 
Cleopatra. 
Gleichviel ja: wen ich kenne, was ich hörtez — 
Ihr lacht, wenn Frau'n und Kinder Träum' erzählen; 
Nicht wahr? ihr lacht? — 
Dolabella. 
Was wollt ihr damit ſagen? 
Cleopatra. 
Mir träumt’, es lebt' ein Feldherr Marc Anton, — 
Ah, noch ein folcher Schlaf, damit ich nur 
Noch einmal fähe ſolchen Mann! — 
Dolabella. 





Gefällts euh.... 
’ Cleopatra. 
Sein Antlitz war der Himmel: darin flanden 
Sonne und Mond, kreiſ'ten und gaben Licht 
Dem feinen DO, der Erbe. 
Dolabella. | | 
Hohes Welen, ..... | 
Eleopatra. | 
Den Decean überfhritt fein Beinz fein Arm 
Erhoben, ward Helmſchmuck der Welt; fein Wort- 
War Harmonie, wie aller Sphären Klang, 
Dod Freunden nur; 


Antonius und Eleopatra. V, 2. 143 


Denn galts, ven Weltfreis flürmifch zu erſchüttern, 
Ward es ein bonnernd Schelten. Seine Güte — 

— Rein Winter jemals; immer blieb fie Herbft, 

Die mehr noch wuchs im Erndten: Seine Freuden — 
Delphinen gleih — flets ragte hoch fein Nacken 

Aus ihrer Flut; es trugen feine Karben 

Krone wie Fürſtenhut; gleich Münzen fielen 

Ihm aus der Tafıhe Königreich’ und Inſeln — 


Dolabella. 
Clevpatra, . . 

Cleopatra. 
Gab es wohl jemals, giebts je ſolchen Mann, 
Wie ich ihn ſah im Traum? — 


Dolabella. 
Nein, edle Fürſtin! — 
- Eleopatra. 
Du Tügft, hinauf bis zu dem Ohr der Götter! 
Doch gab es je, giebts jemals einen folchen, 
Sp überragt er alle Fantaſie: — 
Stoff mangelt der Natur, 
Die Wunderform bes Traums zu überbieten; 
Doch daß fie einen Marc Anton erfann, 
Dieß Kunſtſtück ſchlug die Traummwelt völlig nieder, 
AP ihre Schatten tilgend. 
Dolabella, 
Fürftin, hört: 
Groß wie ihr felbft iſt eu'r Berluft, und ihr 
Tragt ihn der Laſt entſprechend. Mög' ich nie 
Erfehntes Ziel erreichen, fühl? ich nicht 
Durch Rüdfchlag eures Grams den tiefflen Schmerz, 
Bis in des Herzens Grund. 
Cleopatra. 
Ich dank' euch, Freund. — 
Wißt ihr, was Cäaͤſar über mich beſchloß? 


132 Antonius und Eleopatra. IV, 18. 


Eu'r Weib Detavia mit dem falten Bid 
Und flillem Gleichmuth Toll nicht Ehr’ empfangen, 
Indem fie fireng mich anfieht. Komm, Antoning, 
Helft, meine Frau’n, wir ziehn dich bier herauf; 
Faßt Alle an. 
Antonius, 
O ſchnell, fonft bin ich Hin. 
Cleopatra. 
O ſeltſam Spiel, wie ſchwer du wiegſt, Geliebter! 
AM unfre Stärke ging in Schwermuth unter, 
Das mehrt die Laſt. Hätt' ich ver Juno Macht, 
Merenr, der Kraftbefihwingte, höbe dich, 
Und fette dich an Jovis Seite. Komm nur! 
MWünfchen war nimmer Thorheit: komm, fomm, komm: 
Willkommen, Willfommen! Stirb nun, wo du lebteſt, 
Leb' anf im Kuß! Bermöchten das die Lippen, 
Wegküffen ſollt'ſt du fiel — 
Alle. 
O jammervoll! 
Antonius. 
Sch ſterb', Egypten, ſterbe! — 
Reicht mir ein wenig Wein, daß ich noch redel — 
Cleopatra. 
Nein, laß mich reden, laß ſo laut mich ſchelten, 
Bis ſie, gekraͤnkt, das falſche Weib Fortuna, 
Ihr ſpinnend Rad zerbricht. 
Antonius. 
Ein Wort, Geliebte: 
Beim Eäfar ſuch' dir Schutz und Ehre.... Ohl 
Cleopatra. 
Die gehn nicht mit einander. 


Antonius. 
Hör' mich, Liebe: 
Bon Cäſar's Volk trau nur dem Proculejus. 


Antonius und Eleopatra. IV, 1% 133 


Cleopatra. 
Ich trau' auf meinen Muth und meine Hand, 
Keinem von Cäſar's Volk. 
Antonius. 
Den jammerpollen Wechfel und mein Sterben 
Beweint, beflagt fie nicht; flärkt eu'r Gedächtniß 
An der Erinnerung meines früheren Glücks, 
Das mich erhob zum erſten Weltgebieter, 
Zum edelſten; und jett, nicht feige ſterb' ich, 
Noch ehrlos, neige meinen Helm dem Landsmann, 
Ein Römer, männlich nur befiegt vom Römer. 
Jetzt nun entflieht mein Geift, das Wort erflirbt. 
(Er ftirbt) 
Cleopatra. 
O edelſter der Männer! willſt du ſcheiden? 
So ſorgſt du nicht um mich? Aushalten ſoll ich 
In dieſer ſchaalen Welt, die ohne dich 
Nicht mehr iſt als ein Viehſtall? Seht, ihr Frau'n, 
Die Krone ſchmilzt der Erdel O mein Herr! 
O hingewelkt iſt aller Sieges⸗-Lorbeer, 
Geſtürzt des Kriegers Banner, Dirn' und Knabe 
Stehn jetzt den Männern gleich: kein Abſtand mehr, 
Nichts Achtungswerthes bietet mehr ſich dar 
Unter dem ſpaͤh'nden Mond. 
(Sie fällt in Ohnmacht) 
Charmion. 
O FZaffung, Fürſtin! 
Iras. 
Sie ſtirbt auch, unſre Königin! 
Charmion. 
O Fürſtin, Fürſtin, Fürſtin! — 
Iras. 
Egyptens Krone, unfre Herrſcherin! 
Charmion. 
Still, Iras, ſtill! 


134 Antonius und Eleoyatra. IV, 13. 


Cleopatra. 

Nichts mehr, als jeglich Weib, und unterthan 
Sp armem Schmerz, als jede Magd, die melkt 
Und niedern Hausdienſt thut. Nun könnt’ ich gleich 
Mein Scepter auf die neiv’fchen Götter ſchleudern, 
Und rufen: „dieſe Welt glich’ ihrer ganz, 
Bis fie geftohlen unfern Diamant!“ 
Nichtsnutzig Alles jebt! 
Geduld ift Täppifch, Ungeduld ziemt nur 
Den tollgewordnen Hunden! Iſts denn Sünde, 
Zu flürmen ins geheime Hans des Todes, 
Eh Tod zu uns fih wagt? Was macht ihr, München? 
Was, was? getroſt! Wie geht dirs, Charmion? 
Ihr edlen Dirnen! Ah! — Seht, Weiber, feht, 
Unfre Leucht' erloſch, ift aus! Seid herzhaft, Kinder, 
Degraben wolln wir ihn: was groß, was edel, 
Bolziehn wir dann nach hoher Römer Art. 
Stolz fei der Tod, uns zu empfangen! Kommt, 
Dieß Haus des Riefengeiftes ift nun Falt! 
Ah Mädchen, Mäpchen, kommt! Sn diefer Roth 
Dlieb ung fein Freund, als Muth und fchneller Tod. _ 

(Geht ab. Antonius Leiche wird oben weggetragen ) 


Fünfter Aufzug. 


Erfte Scene. 


Cäſar's Lager vor Alexandrien. 


(88 treten auf Gäfar, Agrippa, Dolabella, Mäce: 

nas, Gallus, Proculejus und Andre) 

Cäfar. 
Geh „Dolabella, heiß’ ihn, ſich ergeben: 
Da es fo ganz umfonftz fag ihm, er fpotte 
Der Zögrung, die er macht. 
Dolabella, 
Ich gehe, Caſar. (ab) 
(Dercetas fommt mit dem Schwert des Antonius) 
Cäſar. 
Was ſoll uns das? Und wer biſt du, der wagt, 
Uns ſo zu nahn? 
Dercetas. 

Dercetas heiß' ich, Herr, 
Ich diente Mare Anton, dem Beſten, werth 
Des beſten Dienſts; ſo lang' er ſtand und ſprach, 
War er mein Herr: mein Leben trug ich nur, 
An ſeine Haſſer es zu wagen. Willſt du 
Mich zu dir nehmen? Was ich ihm geweſen, 
Will ich dem Cäſar ſeyn. Gefällt dirs nicht, 
So nimm mein Leben hin. 


136 Antonius und Gleopatra. V, 1 


% 


Eäfar. | 5 
Was fagft du mir? 
Dercetas, “ 
Ich fag’, o Caſar, Marc Anton iſt todt. u 
Cäſar. 


"Daß nicht den Einſturz ſolcher Macht verkündet 


Ein ſtärkres Krachen! Soll ver Welt Erfpüttrung 


- Nicht Löwen in der Stäbte Gaſſen treiben, + 


%“ 


Und Bürger in die Wüfle? Antonius Tod 
Iſt nicht ein einzeln Sterben: denn fo vie 


Die halbe Welt. 8, 


Dercetas, 
Er iſt geftorben, Cäfer.. 
Kein Genfer des Gerichts auf offnem Markt, 
Kein morbgebungner Stahl, nein, jene Hand, 
Die feinen Ruhm in Thaten niederfchrieb, 


Hat mit dem Muth, den ihr das Herz gelichn, 


Sein Herz durchbohrt. Dieß if fein Schwert, 


Ich raubt' es feiner Wand’; es iſt gefärbt 


Mit feinem reinften Blut. 
Cäſar. 
Ihr trauert, Freunde? 
So ſtrafe Zeus mich! Dieß iſt eine Botſchaft, 


Ein Königsaug' zu feuchten. 


Agrippa. 
⸗ Seltſam ifts, 


Daß uns Natur das zu beweinen zwingt, 


Wog gleich in ihm. 


Was wir erſtrebt mit Eifer! 
Mäcenas. 
Ruhm und uUnwerth 


Agrippa. 
Nie lenkt' ein höhrer Geiſt 


Ein menſchlich Weſen; doch ihr Götter leiht 


Ans Fehler, daß wir Menſchen fein. Weint Caſar? 








-. Antonius und Cleopatra. V, 1 137 


Mäcenas. 
Wird ihm fol mächt'ger Spiegel vorgehalten, 
Muß er fü 9 felber ſchaun. 
&äfar. 

D Marc Anton! — 
Dis dahin bracht' ich dich! doch naͤhren wir 
Den Todeskeim in unſrer Bruſt: gezwungen mußt' ich 
Dir ſolchen trüben Tag des Falls bereiten, 
Wenn du nicht mir: Raum war nicht für uns Beide 
In ganzer weiter Welt. Und doch beklag' ichs nun, 
Mit Thränen, koſtbar wie des Herzens Blut, 
Daß du, mein Bruder, du, mein Mitbewerber 
Zum Gipfel jedes Ruhms, mein Reichsgenoß, 
Freund und Gefährt’ im wilden Sturm der Schlacht, 
Arm meines Leibes, Herz, an dem das meine 
Sich Glut entzündete, — daß unfre Sterne, 
Nie zu verföhnen, fo zerreißen mußten 
Die vor’ge Einheit. Hört mich, werthe Freunde, — 
— Doch fag’ ichs Lieber euch zu beff’rer Zeit! 

(Ein Bote kommt) 


Des Mannes Botfchaft fündet ſchon fein Blick, 


Laßt uns ihn hören. Woher bift du? 
Bote. 
Nur 
Ein armer Egypter. Meine Königin, 


In ihrem Grabmal (ihrer Habe Reft) 


Berfchloffen, wänfcht zu willen beine Abficht; 
Daß fie fich faſſen mög’ und vorbereiten 
Auf ifre Zukunft. 
Eifer. 

Sprich ihr Muth und Troſt; 
Bald meldet einer ihr der Meinigen, 
Welch ehrenvoll und mildes Roos wir ſchon 
Für fie beflimmt: denn Eäfar kann nicht Ieben, 
Und hart gefinnt feyn. 


138 Antonius und Gleopatra. V, 2. 


Bote. 
Schütze dich der Himmel! (a6) 
| Säfar. 
Komm hieher, Proculejus; geh, verfünd’ ihr, 
Ich fei nicht Willens fie zu fränfen. Gieb ihr 
Troft, wie’s der Umfang ihres Wehs erheifcht, 
Daß fie großherzig nicht durch eignen Tod 
Uns überwinde. Sie, nah Rom geführt, 
Würd’ unfern Siegs- Triumph verew’gen. Geh, 
Und auf das ſchnellſte bring’ mir, was fie fagt, 
Und wie bu fie gefunden. 
Proculejus. 
Ich eile, Eäfar. (ab) 
Cäſar. 
Gallus, begleit' ihn. Wo iſt Dolabella, 
Zu helfen Proculejus? — (Gallus geht ab) 
Agripya und Mäcenas. 
Dolabella | 
Cäſar. 
Laßt ihn; denn eben jetzt beſinn' ich mich, 
Wozu ich ihn gebraucht. Er muß bald Hier feynz — — 
Kommt mit mir in mein Zelt, da follt ihr hören, 
Wie ſchwer ich mich für dieſen Krieg entfchied, 
Wie mild und ruhig ich mich ſtets geäußert 
In allen Briefen. Folgt mir, und erfahrt, 
Was mich euch mitzutheilen drängt. 


—* 


(Alle ab) 


Zweite Scene. 
Alerandprien. Gin Simmer im Monument. 
(Eleopatra, Charmion und Iras treten auf) 


Cleopatra. 
Schon giebt Verzweiflung mir ein beſſ'res Leben; 
Armfelig ift es, Cäfar feyn: da er 


% 


Antonins und Gleopatra. V, 2. 139 


Fortuna nicht, ift er num Knecht Fortunens, 
Handlanger ihres Willens. — Größe ifls 
Das thun, was alle andern Thaten endigt, 
Zufall in Ketten ſchlägt, verrammt den Wechfel, 
Feſt fchläft, und nicht nach jenem Koth mehr hungert, 
Des Bettlers Amm’ und Eäfar’s. 
(Proenleius, Gallus und Soldaten erfcheinen unten an 
der Thür des DBegräbnifies ) 
Grocnleins. 
Cäfar begrüßt Egyptens Königin, 
Und Heißt dich finnen, weldhen bill’gen Wunſch 
Er dir gewähren foll. 
Cleopatra. (ven innen) 
Wie iſt dein Name? — 
Broculejus. 
Mein Nam’ iſt Proculejus. 


Cleopatra. 
Marc Anton 

Sprach mir von euch, hieß mich auf euch vertraun; 
Doch wenig foll michs kümmern, ob ihr täufcht, 
Da Gradheit mir nicht nutzt. Will euer Herr 
Zu feiner Bettlerin ein fürftlih Haupt, 
Sagt: Majeftät, ſchon Wohlſtandshalber, dürfe 
Nicht wen’ger betteln als ein Reid. Gefällts ihm, 
Für meinen Sohn Egypten mir zu fihenfen, 
Sp giebt er mir fo viel des Meinen, daß ich 
Ihm Inieend danken will. 


Brocnleius. 
Habt guten Muth! 
Ihr fielt in Fürſtenhand, ſeid unbeforgt, 
Vertraut euch ohne Nüdficht meinem Herrn, 
Der fo voll Gnad' ift, daß fie überfirömt 
Auf alle Hülfsbedürft’gen. Ich bericht’ ihm 
Eu'r fanftes Unterwerfen, und als Sieger 


140 Antonius und Cleopatra. V, 2, 


Erſcheint er euch, der das von euch erbittet, 
Um was ihr Inieend fleft. 
Cleopatra. 
O meldet ihm, 
Ich, ſeines Glücks Vaſallin, bring' ihm dar 
Die Hoheit, die er ſich gewann: gehorchen 
Lern' ich jetzt ſtündlich, und mit Freuden ſäh' ich 
Sein Angeſicht. 
Proculejus. 
Dieß ſag' ich, werthe Fürſtin; 
Seid ruhig, denn ich weiß, eu'r Unglück weckt 
Deß Mitleid, ders veranlaßt. 
Gallus. 

Ihr ſeht, wie leicht wir jetzt ſie überfallen! 

(Proculejus und einige von ber Wache erfteigen das Grab: 


mal auf einer Leiter, und umringen Cleopatra. Zugleich 
wird dag Thor entriegelt und aufgefprengt ) 


Bewacht fie gut, bis Cäſar kommt. (ab) 
Iras. 
O Fürſtin! 
Charmion. 
Cleopatral Du biſt gefangen, — Fürſtin! — 
Cleopatra. 
Schnell, liebe Hand! (Zieht einen Dolch hervor) 
Proculejus. 
Halt, edle Frau; laßt ab! 
(Ergreift und entwaffnet ſie) 
Thut euch nicht ſelbſt ſo nah; dieß ſoll euch retten, 
Nicht euch verrathen! 
Cleopatra. 
Auch den Tod mißgönnt ihr, 
Der ſelbſt den Hund von feiner Angſt erlöſt? 
Proculejus. 
Entzieht euch nicht des Feldherrn Gnade, Fürſtin, 
Durch euern Untergang! — Die Welt erfahre 


Antonins und Cleopatra. V,2. 141 


Das Wirken feiner Großmuth, das en’c Tod 
Nicht laͤßt zum Ziel gelangen. 
Eleopatra. _ 
Ton, wo bift du? — 
Komm her! Komm, fomm! Nimm eine Königin, 
Mehr werth, als viele Säuglinge und Bettler! — 
Hroculejus. 
O mäßigt euch! — 
Cleopatra. 
Freund, keine Speiſe nehm’ ich, Freund, nicht trinP ich, 
Und wenn auch müßig Schwaten nöthig ifl, 
Schlaf ih auch nicht: dieß ird'ſche Haus zerſtör' ich; 
Thu’ Eäfar, was er Tann. Wißt, Herr, nicht fröhn' ich 
In Ketten je an eures Feldherrn Hof, 
Roc fol mich je das kalte Auge zücht'gen 
Der nüchternen Octavia. Hochgehoben 
Sollt' ich des ſchmäh'nden Roms jubelndem Pöbel 
Zur Schau ſtehn? Lieber ſei ein Sumpf Egyptens 
Mein freunplih Grab! Lieber in Nilus Schlamm 
Legt mich gauz nackt, laßt mich die Wafferfliege 
Zum Scheufal ſtechen; lieber macht Egyptens 
Erhabne Pyramiden mir zum Galgen, 
Und hängt mich auf in Ketten! 
Proculejns. 
Ihr dehnt weiter 
Die Bilder folhes Schauders, als euch Eäfar 
Beranlafiung wird geben. 
(Dolabella tritt auf) 
Dolabelle. 
Proculejus, 
Was du gethan, weiß Caſar, dein Gebieter. — 
Er hat geſandt nach dir; die Königin 
Nehm' ich in meine Hut. 
Droculeins. 
Wohl, Dolabella, 


142 Antonins und Eleopatra. V, 2. 


Mir um fo Lieber. Seid nicht fireng’ mit ihr. — 
Caͤſarn beſtell' ich, was du irgend wünfcheft, 
Wenn du mirs aufträgfl. 
Clevpatra. 
Sprid, ih wolle flerben. 
(Broculejus mit den Soldaten ab) 
Dolabella. 
Erhabne Kaiſ'rin, Hörtet ihr von mir! 
Cleopatra. 
Ich weiß nicht. 
Dolabella. 
Ganz gewiß, ihr kennt mich ſchon. 
Cleopatra. 
Gleichviel ja: wen ich kenne, was ich hörtez — 
Ihr lacht, wenn Frau'n und Kinder Traum’ erzählen; 
Nicht wahr? ihr lacht? — 
Dolabella. 
Was wollt ihr damit ſagen? 
Eleopatra. 
Mir träumt’, es lebt' ein Feldherr Marc Anton, — 
Ah, noch ein folher Schlaf, damit ich nur 
Noch einmal fähe folhen Mann! — 


Dolabella. 
Gefällts eu... . 
’ Cleopatra. 
Sein Autlitz war der Himmel: darin ſtanden 
Sonne und Mond, Freif’ten und gaben Licht 
Dem Heinen D, der Erbe, 
. Dolabella. 
Hohes Weſen,..... 
Eleopatra. 
Den Dcean überfchritt fein Bein; fein Arm 
Erhoben, ward Helmſchmuck der Welt; fein Wort- 
Bar Harmonie, wie aller Sphären Klang, 
Doch Freunden nur; 


“ 


Antonins und Glespatra. V, 2. 143 


Denn galts, den Weltfreis flürmifch zu erfchüttern, 
Ward es ein donnernd Schelten. Seine Güte — 

— fein Winter jemals; immer blieb fie Herbft, 

Die mehr noch wuchs im Erndten: Seine Freuden — 
Delphinen gleih — flets ragte hoch fein Nacken 

Aus ihrer Flut; es trugen feine Farben 

Krone wie Fürſtenhut; gleich Münzen fielen 

Ihm aus der Tafıhe Königreich” und Inſeln — 


Dolabella. 
Cleopatra,.. 

Cleopatra. 
Gab es wohl jemals, giebts je ſolchen Mann, 
Wie ich ihn ſah im Traum? — 


Dolabella. 
Nein, edle Fürſtin! — 

- Elevpatra. 
Du lügſt, hinauf bis zu dem Ohr der Götter! 
Doch gab es je, giebts jemals einen folchen, 
Sp überragt er alle Fantaſie: — 
Stoff mangelt der Natur, 
Die Wunderform des Traums zu überbieten; 
Dod daß fie einen Marc Anton erfann, 
Die Kunſtſtück fchlug die Traumwelt völlig nieder, 
AM ihre Schatten tilgend. 


Dolabella, 
Fürftin, hört: 

Groß wie ihr felbft iſt eu’r Verluſt, und ihr 
Tragt ihn der Laft entfprechend. Moͤg' ich nie 
Erfehntes Ziel erreichen, fühl’ ich nicht 
Durch Rüdichlag eures Grams den tiefften Schmerz, 
Bis in des Herzens Grund, | 

Cleopatra. 

Ich dank' euch, Freund. — 

Wißt ihr, was Cäſar über mich beſchloß? 


- 


144 Antonius und Eleopatea. Y,2. 
Dolabella. - 
Ich wollt, ihr wüßtet, was ich ungern ſage. 
Cleopatra. 
Sch bitt' euch, Herr.... 
Dolabella. 
Wie groß ſein Edelmuth, — 
Cleopatra. 
Er will mich im Triumph aufführen? 
Dolabella. 


Fürſtin, 
So iſts, ich weiß es. 
(Hinter der Scene) Platz! macht Platz dem Cäſar! — 


(Cäſar, Gallus, Proculejus, Mäcenas, Seleucue 
und Gefolge treten auf) 


Eäfar. 
Welch iſt die Kön’gin von Egypten ? 
Dolabella. 
'S iſt 
Der Imperator, edle Frau. (Cleopatra kniet) 
Caſar. 
Steht auf; 
Ihr ſollt nicht knien, ich bitt' euch drum; ſteht auf; 
Steht auf, Egypten! 
Cleopatra. 
Alſo wollten es 
Die Götter; meinem Sieger und Gebieter 


Muß ich gehorchen. 
Cäfar. 


Trübes Sinnen, ferne! 
Erinnrung afler Unbill, ung erwiefen, 
Sei nur, obfhon in unfer Blut gefchrieben, 
Wie Kränfung bloß durch Ungefähr, 
Cleopatra. 
Allein'ger Herr der Welt, 


Antonius und Eleopatra. V,2. 145 


Ich Tann nicht meinem Thun das Wort fo führen, 
Daß es ganz klar erfcheine: ich befenn’ es, 
Mich drücken folhe Schwächen, wie fihon fonft 
Dft mein Geſchlecht befhämt. 
Caſar. 

Cleopatra, 
Wir wollen mildern lieber als verſtaͤrken: 
Wenn ihr euch unfrer Abficht fügfam zeigt, 
Die gegen euch ſehr fanft iſt, findet ihr 
Gewinn in diefem Taufh. Doch wenn ihr fucht 
Auf mich den Schein der Grauſamkeit zu werfen, 
Antonius Bahn betretend, raubt ihr euch, 
Was ich euch zugedacht: flürzt eure Kinder 
In den Ruin, vor dem ich gern fie fhüßte, 
Wenn ihr darauf verharrt. — Sp geh’ ih nun. 

Cleopatra. 
Das könnt ihr, durch die Welt Hin! Sie iſt euer, 
Und uns, Schildzeihen und Trophäen gleich, 
Hängt auf, wo's euch gefällt. Hier, edler Herr, .. 
Säfar. 
Ihr ſelbſt folit für Cleopatra mir rathen. 
Cleopatra. 

Hier ſteht an Geld, Geräth und Schmuck verzeichnet 
Was mein Beſitz: es iſt genau verfaßt, 
Nur Kleinigkeiten fehlen; wo iſt Seleucus? 


Selencus. 
Hier, Fürſtin. 
Cleopatra. 


Dieß iſt mein Schatzverwalter; fragt ihn, Herr; 

Daß ich euch nichts entzog, laßt ihn verſichern 

Dei feiner Pflicht. — Seleucus, ſprich die Wahrheit! — 
Selencus. 

Eh ſchließt den Mund mir, als daß ich auf Pflicht 


Verſichre, was nicht wahr. 
x. 10 


146 Antonius und Gleopatra. V,2. 


Cleopatra. 
Was denn verhehlt' ich? 

Selencus. 

Genug, damit zu Tanfen was ihr hergabt. 
Cäſar. 

Erröthet nicht, Eleopatra! Ich lob' euch 
Für eure Klugheit. 

Cleopatra. 

Seht, o Cäſar, lernt 
Des Siegers Macht! Die Meinen werben euer, 
Und tanfchen wir das Glück, die Euern mein. 
Diefes Seleucus ſchnöder Undank macht 
Ganz wüthend mich. O Sclav! Nicht treuer bu, 
Als feile Liebe! fchleichft du fort? Du fonf 
Zortfchleihen, glaub mirsl Doch dein Aug’ erhafch’ ich, 
Und hätt’ es Flügel. Hund! Sclav! Fühllos Thier! — 
O Schandfleck, einzig! — 

Cäſar. 
Fürſtin, mäßigt euch! — 

Cleopatra. 
O Cäſar, wie verwundet dieſe Schmach! 
Daß, wenn du würdigſt ſelbſt mich hier zu ſehn, 
Die Ehre gönnend deiner Fürſtlichkeit 
Der tief Gebeugten, — daß mein eigner Knecht 
Entehrt die große Summe meines Unglüds 
Durch Zuthat feiner Bosheit. — Geſetzt auch, Eäfar, 
Daß ich behielt? ein wenig Frauentand, 
Unwichtig Spielwerf, Dinge folches Werthes, 
Wie man fie leichten Freunden ſchenkt; — geſetzt, 
Ein edles Kleinod haͤtt' ich aufgefpart 
Für Livia und Octavia, ihr Bermitteln 
Mir zu gewinnen; — mußte mich verrathen 
Ein Menſch, den ich genäht? O Gott, das flürzt mid 
Noch tiefer als mein Fall. Du weilſt noch? — Fort! — 
Sonft follen Funfen meines Geiftes ſprühn 


Antonins und Cleopatra. V, 2. 147 


Aus meines Unglücks Aſche. Waͤrſt du menfchlich, 
Du hätt’ Mitleid für mich. 


Cäfar. 
Geh fort, Seleucns. 
EESeleucus geht) 
Cleopatra. 

Ihr wißt, uns Größte trifft ſo oft Verdacht 
Um das, was Andre thaten; fallen wir, 
Sp fommt auf unfer Haupt die fremde Schuld, 
Statt Mitleid, das ung ziemte. 


Cäſar. 
Koͤnigin, 
Nicht was ihr angezeigt, noch was verhehlt, 
Wolln wir als Beute anſehn; euch verbleib' es. 
Schaltet damit nach Willkür. Denkt auch nicht, 
Cäfar ſei Handelsmann, mit euch zu dingen 
Um Raufmannswaaren: deshalb fein getroft, 
Macht euren Wahn zum Kerker nicht. Rein, Theure, 
Wir wollen fo mit euch verfügen, wie 
Ihr ſelbſt uns rathen werbet: eßt und ſchlaft; 
So ſehr gehört euch unſre Sorg' und Tröflung, 
Daß ihr als Freund uns finden ſollt. Lebt wohl. 
Cleopatra. 
Mein Herr! mein Sieger! 
Cäſar. 
Nicht alſo; lebt wohl! — 
(Caͤſar und fein Gefolge ab) 
Cleopatra. 
Ha, Worte, Kinder! Worte! Daß ich nur 
Nicht edel an mir Handle! — Horh du, Eharmion. — 
(Spricht leife mit Charmion) 
Iras. 
Zu Ende denn! der klare Tag iſt hin, 
Im Dunkel bleiben wir! 
10 * 


148 Antonius und Eleopatra. V, 2. 


Eleopatra. 
Komm ſchnell zurück; 
Ich hab' es ſchon beſtellt, es iſt beſorgt. 
Geh, daß mans eilig bringe. 
Charmion. 
Ja, fo ſei's. 


(Dolabelta kommt) 


Dolabella. 
Wo iſt die Fürſtin? 
Charmion. 
Hier. (Geht ab) 
Eleopatra. 
Nun, Dolabella,... 
Dolabella. 


Auf eures Föniglichen Worts Geheiß, 
Dem meine Lieb’ als heilig treu gehorcht, 
Meld' ich euch dieß: duch Syrien denkt nun Cäfar 
Den Marfch zu Ienfen; innerhalb drei Tagen 
Schickt er mit euern Kindern euch voraus. 
Nutzt dieſe Friſt, fo gut ihr Fönnt: ich that 
Nach enerm Wunſch und meinem Wort. 
Cleopatra. 
Ich bleib’ ench 
Berpflichtet, Dolabella. 
Dolabella. 
Ich eu’r Knecht. 
Lebt, Fürftin, wohl, ih muß dem Cäfar folgen. 
Cleopatra. 
Lebt wohl! ich dank' euch. (Dolabella geht ab) 
Nun, was denkſt du, Iras? 
Du ‚als ein fein egyptiſch Püppchen, ſtehſt 
In Rom zur Schau wie ich: Handwerkervolk, 
Mit ſchmutz'gem Schursfell, Maaß und Hammer, hebt 
- Uns auf, ung zu beſehn; ihr trüber Hauch, 


Antonius und Gleopatra. V, 2. 149 


BWidrig von efler Speif’, umwölkt uns bampfend, 
Und zwingt zu athmen ihren Dunft. 


Iras. 

Verhũtens 

Die Götter! — 
Cleopatra. 
O ganz unfehlbar, Iras! Freche Lictorn 

Packen uns an wie Huren; ſchreiend ſingt uns 
Der Baͤnkelſaͤnger; aus dem Stegreif ſpielen 
Uns ſelbſt und Alexandriens Gelage 
Die luſt'gen Hiſtrionen: Marc Anton 
Tritt auf im Weinrauſch; und ein quäfender Junge 
Wird als Cleopatra meine Majeftät 
In einer Metze Stelung höhnen! — 


Iras. 
Götter! — 
Cleopatra. 
Ja, ganz gewiß! 
Iras. 
Das ſeh' ich nimmer. Meine Nägel, weiß ich, 
Sind flärfer als mein Auge. 


Eleopatra. 
Freilich; fo nur 
Höhnen wir ihren Anſchlag und vernichten 
Den aberwiß’gen Plan. 
(Charmion fommt zurüd) 
Nun, Charmion? Nun? 
Schmückt mich als Königin, ihr Frau'n; gebt, Holt 
Mein fchönftes Kleid; ih will zum Cydnus wieder, 
Und Mare Anton begegnen. Hurtig, Iras! — 
Nun, edle Charmion, wirklich enden wir, 
Und thatft du heut dein Amt, dann magfl bu fpielen 
Bis an den jüngflen Tag. Bringt Kron’ und Alles. — 
Was für ein Lärm? (Iras geht. Lärm Hinter der Scene) 


150° Antonius uad Gleopatra. V, 2, 


(Ein Soldat tritt auf) 


Soldat. 

Es fteht ein Bauer draußen, 
Der will durchaus mit Eurer Hoheit veben: 
Er bringt euch Feigen. 

Cleopatra. 
Laßt ihn herein. (Soldat ab) Welch armes Werkzeug oft 
Das Edelſte vollführt! Ex bringt mir Freiheit! 
Mein Entſchluß wanket nicht; nichts fühl’ ich mehr 
Dom Weib in mir: vom Kopf zu Fuß ganz bin ich 
Nun marmorfeſt; der unbeflänn’ge Mond 
Iſt mein Planet nicht mehr. 


(Der Soldat fommt zurück mit einem Baner, welcher einen 
Korb trägt) 


Soldat. 
Dieß if der Mann. 
Cleopatr a. 
Sc fort und laß ihn bier. (Soldat ab) 


Haft du den art'gen Nilmurm mitgebracht, 
Der tödtet ohne Schmerz? 
Bauer. 

Ya freilich; aber ich möchte nicht der Mann feyn, 
ders euch riethe, euch mit ihm abzugeben, denn fein Bei— 
Ben ift ganz unfterblih: die, welche daran verfiheiden, 
fommen felten oder nie wieder auf. 

Cleopatra. 
Weißt du von Einem, der daran geſtorben? 


Bauer. 

Sehr viele; Mannsleute und Frauenslente dazu: 
ich hörte ganz Fürzlich, noch geftern, von Einer, ein recht 
braves Weib, nur etwas dem Lügen ergeben (und das 
follte eine Frau nie feyn, außer in reblicher Art und 
Beife), die erzählte, wie fie an feinem Biß geſtorben 


Antonius und Cleopatra. V,2& 151 


war, was fie für Schmerzen gefühlt. Mein Sur”, fie 
fagt viel Gutes non dem Wurm; aber wer bau Renten 
Alles glauben will, was fie fagen, dem Hilft nicht bie 
Hälfte von dem, was fie thun. Das iß aber auf jeden 
Fall eine incomplete Wahrheit: der Wurm ift ein curiofer 
Burn. 


Cleopatra. 
Geh, mach dich fort, leb wohl! 
Bauer. 
Ich wünſche euch viel Zeitvertreib von dem Wurm. 
Cleopatra. 
Leb wohl! 
Bauer. 


Das müßt ihr bedenken, ſeht ihr, daß ber Bam 
nicht von Art läßt. 

Cleopatra. 

Ja, ja, leb wohl! 

Bauer. 

Seht ihr, dem Wurm iſt nicht zu trauen, außer in 
geſcheidter Leute Händen; denn mein Seel', es ſteckt nichts 
Gutes in dem Wurm. 

Cleopatra. 
Sei unbeſorgt, wir wolln ihn hüten! — 
Bauer. 
Recht ſchön, gebt ihm nichts, ich bitt' PER er iſt 
ſein Futter nicht werth. 
Cleopatra. 
Wird er mich eſſen? 
Bauer. 

Denkt doch nicht, ich wäre ſo dumm, daß ich nicht 
wiſſen follte, der Teufel ſelbſt werde fein Weibsbiln effen. 
Ich weiß, ein Weibsbild iſt ein Gericht für die Götter, 
wenns der Teufel nicht zugerichtet hat; aber mein Seel, 
Diefe Hurenföhne von Teufeln machen den Göttern viel 


152 Antonins and Cleopatra. V, 2. 


Verdruß mit den Weibern: denn von jedem Dutzend, das 
fie erfchaffen, verderben ifnen vie Teufel fechfe. 
Cleopatra. 
Nun geh nur, geh! leb wohl. 
. Bauer. 
Ja wahrhaftig, ich wünſche euch viel Zeitvertreib 
von dem Wurm. (ab) 
(Iras fommt zurüd mit Krone und Kleid) 
Cleopatra. 
Den Mantel gieb, ſetz mir die Krone auf, 
Ich fühl' ein Sehnen nach Unſterblichkeit! 
Nun netzt kein Traubenſaft die Lippe mehr. — 
Raſch, gute Iras! Schnell! mich dünkt, ich höre 
Antonius Ruf: ich ſeh' ihn ſich erheben, 
Mein edles Thun zu preiſen; er verſpottet 
Des Cäſar Glück, das Zeus nur als Entſchuld'gung 
Zulünft’gen Zorns verleiht. Gemahl, ich komme — 
Jetzt fchafft mein Muth ein Recht mir zu dem Titel! 
Ganz Feu’r und Luft geb’ ich dem niedern Leben 
Die andern Elemente. — Seid ihr fertig, 
Sp fommt, nehmt meiner Lippen lebte Wärmel — 
Leb wohl, du gute Charmion! liebſte Iras! 
Ein Ianges Lebewohl! (Küßt fie, Iras fällt Yin und ſtirbt) 
Hab’ ich die Natter auf der Kippe? Falk du? 
Kann ſich Natur fo freundlich von dir trennen ? 
Sp trifft ung Tod wie Händenrud des Liebften, 
Schmerzlich und doch erfehnt. Liegſt du fo ſtill? 
Wenn du fo Hinfcheibft, meldeft du der Welt, 
Sie fei nicht werth des Abſchieds. 
Charmion. 
Zerſchmilz in Regen, trübe Luft, dann glaub’ ich, 
Daß ſelbſt die Götter weinen. 
Cleopatra. 
Dieß beifhämt mich! — 
Sieht fie zuerſt Antonius lockig Haupt, 


Antonius und Eleopatra. V, 2. 153 


Wird er fie fragen, und den Kuß verfchwenden, 
Der mir ein Himmel if. — Komm, tödtlich Spielzeug, 
(fest die Schlange an ihre Bruft) 
Dein fcharfer Zahn löſe mit Eins des Lebens 
Berwirzten Knoten. Armer, gift’ger Narr! 
Sei zornig, mad’ ein End’! O koͤnnt'ſt du reden, 
Sp Hört’ ich dich den großen Cäfar fhelten 
Kurzſicht'gen Tropf. 
Charmion. 
D Stern des Oſtens! 
Cleopatra. 
Still, 
Siehſt du den Säugling nicht an meiner Bruſt 
In Schlaf die Amme fangen? 
Charmion. 
Brich, mein Herz! 
Slevpatra. 
So füß wie Thau! fo mild wie Luft! fo lieblich — 
D mein Antonius! — Ja, dich nehm’ ich auch, 
(feht eine zweite Schlange am ihren Arm) 
Was wart’ ih noh.... (Faͤllt zurück und flirbt) 
Charmion. 
... in biefer öden Welt? fo fahre wohl! 
Nun triumphire, Tod! du führteft heim 
Das ſchönſte Fraunbild. Schließt euch, weiche Fenfter! 
Den golpnen Phöbus ſchaun Hinfort nicht mehr 
Sp föniglihe Augen. Deine Krone 
Sitzt ſchief; ich richte fie: dann will ich fpielen. — — 
(Wache fürzt herein) 
Erfie Wade. 
Wo ift die Königin? 
Eharmion. 
Stift, wedt fie nicht! — 
Erſte Wade. 
Eäfar fit... . 


154 Antonius und Eleopatra. V, 3. 


Charmion. 
Biel zu langſam feine Boten! — 
(Sept fih die Schlange an) 
O komm! Nun ſchuell! rg fort! Dich fühl’ ich kaum! 
Erfie Wade. 
Kommt ber; hier fteht es fchlimm, fie täufchten Täfarn. 
Zweite Wade. 
Ruft Dolabela, Eäfar ſandt' ihn Her! 
Erfte Wade. 
Was giebts Hier? Ehormion, ift das wohlgethan? — 
Charmion. 
Ya, wohlgethan; und wohl ziemts einer Fürſtin, 
Die fo viel hoben Königen entflaumt — — 
Ah, Krieger! — — (firbt) 
(Dolabella tritt auf) 
Dolabella. 
Wie flehts Hier? ' 
Zweite Wache. 
Alle tobt. 
Dolabella. 
Cäfar, dein Sorgen 
Berfehlte nicht fein Ziel. Du felber kommſt, 
Erfüllt zu fehn die graufe That, die du 
Gern hindern wollteft. 
(Hinter der Scene) Platz für Eäfar! Plag! — 


(Eäfar tritt auf mit Gefolge) 


Dolabella. 
D Here! ihr wart ein allzu ſichrer Angus, 

Was ihr beforgt, geſchab. 

Cäſar. 

Ihr End' erhaben! — 
Sie rieth, was wir gewollt, und königlich 
Ging ſie den eignen Weg. Wie ſtarben ſie? 
Ich ſeh' kein Blut. 


Antonins une Gleopatra. V, 2. 155 


Dolabella. 
Ber war zulett mit ihnen? 
Erſte Bade. 
Ein ſchlichter Landmann, der ihre Zeigen brachte; 
Dieb war fein Korb. 
Eäfer. 
Gift alfol — 
Erfie Wade. 
Eben noch, 
O Eäfar, lebte Charmion, fand und ſprach, 
Und ordnet’ an dem Rönigs- Diabem 
Der todten Herrin; zitternd fland fie da, 
Und ploͤtzlich ſank fie nieder. 
Caſar. 
Edle Schwachheit! 
Hätten fie Gift geſchluckt, fo fände ſich 
Geſchwulſt von außen; doch fie gleiht dem Schlaf, 
Als wollte fie Anton von neuem fangen 
Im flarfen Net der Schönheit. 
Dolabella. 
Ihre Bruſt 
Iſt blutgefärbt und etwas aufgeſchwollen, 
Und eben ſo ihr Arm. 
Erſte Wache. 
Dann wars 'ne Schlange; auf den Feigenblättern 
Iſt Schleim zu ſehn, ſo wie die Schlang' ihn läßt 
In Höhlungen des Nils. 
Cäfar. 
Sehr zu vermuthen, 
Daß fo fie farb: denn mir erzählt’ ihr Arzt, 
Wie oft und wiederholt fie nachgeforfcht 
Schmerzlofen Todesarten. Nehmt ihr Bett, 
Und tragt die Dienerinnen fort von bier; 
Mit ihrem Marc Anton laßt fie beftatten! — 
Kein Grab der Erde fihließt je wieder ein 


156 Antonins und Eleopatra. V, 2. 


Solch Hohes Paar. Der ernſte Ausgang rührt 
Selbft den, der ihn veranlaßt, und ihr Schiekfal 
Wirbt fo viel Leid für fie, als Ruhm für den, 
Der fie geftürzt. Laßt unfre Kriegerſchaaren 
In Feterpracht begleiten dieſe Bahren, 

Und dann nah Rom. — Komm, Dolabella, dir 


Bertraun wir der Beflattung große Zier. 
(Alle gehn ab) 


Maaß für Man, 


Perfonen: 


Bincentio, Herzog von Wien. 

Angelo, Statthalter während des Herzogs Abwefenheit. 

Escalus, ein alter Herr vom Staatsratb und Gehülfe des 
- Angelo. 

Claudio, ein junger Edelmann. 

Lucio, ein Wüftling. 

Zwei junge Gvellente, Freunde des Lucio. 

Varrius, ein Edelmann, in des Herzogs Dienften. 

Ein Kerfermeifter. 

Thomas, . 

Meter, Mönche. 

Elbogen, ein einfältiger Gerichtsdiener. 

Schaum, ein alberner junger Menſch. 

Pompeius, Bierzapfer bei der Frau Meberley. 

Grauslich, ein Scharfrichter. 

Bernardino, ein Mörder. 


Sfabella, Schwefter des Claudio. 

Dariane, Angelo’ Berlobte. 

Julia, Claubio's Geliebte. 

Francisca, eine Nonne. 

Frau Ueberley, eine Kupplerin. 
Herren, Wachen, Gerichtsdiener und andres Gefolge. 


Die Scene iſt in Wien. 


Eriter Aufzug. 


Erfte Scene. 
Gin Zimmer in bes Herzogs Palaſt. 


(58 treten auf der Herzog, Esſscalus, Herren vom Hofe 
und Gefolge) 


Herzog. 
Escalus — Ä 
Escalus. 
Mein Fürſt? — 
Herzog. 
Das Wefen der Regierung zu entfalten, 
Erfchien’ in mir als Luſt an eitler Rebe, 
Weil mir bewußt, daB eure eigne Kenntniß 
Die Summe alles Rathes überfchreitet, 
Den meine Macht euch böte. Nehmt fie denn, 
Wie euer Evelfinn und Werth verdient, 
Und laßt fie wirken. Unfers Bolfes Art, 
Der Stadt Geſetze wie des ganzen Staats 
Gemeines Recht Habt ihr fo wohl erforfcht, 
As Kunſt und Uebung irgend wen bereichert, 
Den wir gefannt. Sp nehmt die Vollmacht hin, 
Die euch die Bahn bezeichne, Ruft hieher 
Den Angelo, daB er vor uns erfiheine. (Ein Diener geht) 


160 Maaß für Maaß. LL 


Wie meint ihr, wird er unfern Platz vertreten? 
Denn wißt, daß mit befonderm Vorbedacht 
Wir ihn erwählt, an unfrer Statt zu berrfchen, 
Ihm unfre Schreden liehn und unfre Gnade, 
Und ihm als Stellvertreter alle Waffen 
Der eignen Macht vertraut. Wie dünkt euch dieß? — 

Escalus. 
Wenn irgend Einer je in Wien verdient 
So reihe Huld und Ehre zu erfahren, 
So ifls Lord Angelo. 

(Angelo tritt auf) 

Herzog. 

Da fommt er felbf. 

Angelo. 
Stets Ener Hoheit Willen unterthänig, 
Bitt' ich um euern Auftrag. 

Herzog. 

Angelo, 

Es iſt 'ne Schrift in deiner Lebensweiſe, 
Die dem Bemerker klar entfaltet, was 
Du je erlebt. Du ſelbſt und dein Talent 
Sind nicht dein eigen, daß du dich verzehrſt 
Für deinen eignen Werth, den Werth für dich. 
Der Himmel braucht uns, ſo wie wir die Fackeln, 
Sie leuchten nicht für ſi * wenn unſre Kraft 
Nicht ſtrahlt nach außen hin, wär's ganz ſo gut, 
Als hätten wir fie nicht. Geiſter find ſchön geprägt 
Zu fihönem Zwed; noch leiht jemals Natur 
Den Heinften Serupel ihrer Trefflichkeit, 
Daß fie fih nicht, als wirthfchaftliche Göttin, 
Den Bortheil eines Glänb’gers ausbebingt, - 
Sp Dank mie Zinfen. Doc ergeht mein Wort | 
An einen Mann, der mich belehren fönnte: 
Nimm hin denn, Angelo! 
Sp lang' wir fern, fei unfer zweites Self; 





Maaß für Maaß. L1. 161 


Tod und Begnad’gung wohn’ allein in Wien 
In deiner Bruft und Zunge. Escalus, 
Obſchon zuerft berufen, ſteh' dir nach: 
Empfange deine Vollmacht. 
Angelo. 
D mein Fürft, 
Laßt fhärfre Prüfung mein Metall beftehn, 
Bevor ein fo erhabnes edles Bild 
Darauf geprägt wird. 
Herzog. 
Reine Ausfluht mehr, 
Dit wohl gereifter, lang’ bedachter Wahl 
Wardſt du erſehn; deßhalb nimm deine Würden. 
So ſchnelle Eil' erfordert unſre Reiſe, 
Daß fie mich drängt, und unentſchieden laͤßt 
Gefchäfte wicht’ger Art. Wir fohreiben euch, 
Wie uns DBegebenheit und Zeit ermahnt, 
Was uns betrifft; und wünfchen zu erfahren, 
Was hier begegnen mag. So lebt denn wohl, 
Ein glüdliches Gelingen fei mit end), 
Nah unfern Wünfchen. 
Angelo. 
Doch erlaubt, mein Fürft, 
Daß wir ein Stüd des Weges euch geleiten. 
Herzog. 
Die Eil' erlaubt es nichts 
Ihr follt, bei meinem Wort, mit feinem Zweifel 
Euch plagen. Eure Macht iſt gleich der meinen: 
So fohärft nun, oder mildert die Geſetze, 
Wie’s eure Einficht heifcht. Gebt mir die Hand; 
Ich reif’ im Stillen. Lieb’ ich gleich das Volt, 
Doch wünſcht' ich nicht, zur Schau mich ihm zu flellen; 
Ob wohl gemeint, doch mundet mir nicht wohl 
Sein lauter Ruf, fein ungeftümes Jauchzen; 
X. 11 


162 Maag für Maaß. I, 2. 


Noch fcheint mir der ein Mam von reifem Urtheil, 
Der fi) daran erfreut. Nochmals, lebt wohl! 
Angelo. 
Der Himmel ſei mit euch und euerm Thun! 
Escalus. 
Er leit' und bring’ euch glücdlich wieder heim. 
Herzog. 
Ich dank' euch. Lebet wohl! (ab) 
Escalus. 
Ich werd' euch um ein ungeſtört Geſpräch 
Erſuchen, Herr; es liegt mir viel daran, 
Ganz durchzuſchaun mein Amt bis auf den Grund. 
Vollmacht hab' ich, doch welcher Kraft und Art, 
Ward mir noch nicht erflärt. 
Angelo. 
Sp ifls mit mir. Laßt uns zufammen gehn, 
Dann wird fih Auskunft wohl genügend finden, 
Was dieſen Punkt betrifft. 
Escalus. 
Ich folg’ Eu’r Gnaden. 
(Gehn ab) 


Zweite Scene, 
Eine Straße. 
(88 treten auf Lucio und zwei Epdellente) 


Lucio. 

Wenn fih der Herzog und die andern Herzoge nicht 
mit dem flönig von Ungarn vergleichen, nun fo fallen 
alle Herzoge über den König her. 

Erfier Edelmann. 
"Der Himmel gebe uns feinen Frieden, aber nicht 
des Königs von Ungarn Frieden! — 


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Maaß für Maaß. I, 2. | 163 


Zweiter Edelmann. 

Amen! 

Lucio. Ä 

Du fprihft dein Schlußgebet wie der gottfelige 
Seeräuber, ber mit den zehn Geboten zu Schiff ging, 
das eine aber aus der Tafel auskratzte. 

Zweiter Edelmann. 

Du folk nicht ſtehlen? 

Lucio. 

Sa, das ſchabte er ans. 

Erfter Edelmann. 

Nun, das war ja auch ein Gebot, das dem Kapitän. 
und feinem ganzen Haufen gebot, ihren Beruf aufzu- 
geben: fie hatten fich eingefchifft, um zu fiehlen. Da 
ift feiner von uns Soldaten, dem beim Tifchgebet vor 
der Mahlzeit die Bitte um Frieden recht gefiele. 

| Zweiter Edelmann. 
Ich habe noch Feinen gehört, dem fie mißfallen hätte, 
Lucio. 
Das will ich dir glauben! Denn ich denke, du bift 
nie dabei gewefen, wo ein Gratias gefprochen ward. 
Zweiter Edelmann . 
Nicht? Ein Dubend Mal wenigflens! — 
Erfler Edelmann. 
Wie Haft du's denn gehört? In Berfen? 
Zweiter Edelmann. 
In allen Sylbenmaafen und Sprachen! 


Erfler Edelmann. 
Und wohl auch in allen Eonfeffionen? — 


Lucio. 
Warum niht? Gratias ift Gratias, aller Contro- 
vers zum Troß, fo wie du, Exempli gratia, ein burdh- 
triebener Schelm bifl, und mehr von den Grazien weißt, 


als vom Gratias. 
11 * 


164 Maag für Man. I, 2. 


Erfier Edelmann. 
Schon gut; wir find wohl beide über einen Kamm 
gefchoren. 
Lucio. 
Recht, wie Sammt und Eggez du bift die Egge. 
Erfter Edelmann. 

Und du der Sammt; du bift ein ſchönes Stück 
Sammt, von der dreimal geſchornen Sorte. Ih will 
viel lieber die Egge von einem Stüd englifchen haa— 
richten Fries feyn, als ein Sammt, über den eine fran- 
zöſiſche Scheere gefommen if. Habe ich dich nun ein— 
mal recht herzhaft geſchoren? 

Lucio. 

Nein, ich denke, du haft dieſe Scheere fihon recht 
ſchmerzhaft verfchworen, und ich will nach deinem eignen 
Geſtändniß deine Geſundheit ausbringen Iernen, aber, fo 
Yange ich Iebe, vergeffen, nach dir zu trinken. 

Erfter Edelmann. 
Ich babe mir wohl eben felbft zu nahe gethan; habe 


ich nicht? 
Zweiter Edelmann. 
Das haft du auch, du magft dich verbrannt haben 
oder nicht. 
Lucio. 
Seht nur, fommt da nicht unfre Frau Minnetroft ? 
Ich habe mir Krankheiten unter ihrem Dad geholt, Die 
often mih — — 
Zweiter Edelmann, 
Wie viel? 
Erfter Edelmann. 
Rathet nur! — Ä 
Zweiter Edelmann. 
Er wird euch nicht geflehn, wie viel Mark fie ihm 
jährlich koſten. 


Mark für Maaf. I, 2. 166 


Erſter Edelmann. 
Recht, und überdem noch — — — 
Lucio, 
Ein Paar franzöfifche Kronen! — 
Erfier Edelmann. 
Immer willſt du mir Krankheiten andichten; aber 
du ſteckſt im Irrthum, ich Habe mir nichts geholt. 
Lucio, 
Und doch biſt du Hohl durch und durch; beine Kno⸗ 
hen find Hohl, die Ruchloſigkeit hat in dir gefchwelgt. 


(Eine Kupplerin fommt) 


Erſter Edelmann. 

Nun, wie gehts? An welcher von beinen Hüften 

haft du jetzt die gründlichſte Sciatica ? 
Rupplerin. 

Schon gut! Eben wird Einer verhaftet und ins 
Gefängnig geſteckt ‚ der war mehr werth, als fünftau— 
fend ſolche, wie ihr. 

Erfter Edelmann. 
Wer denn, fagt doch? 
Rupplerin. 
Zum Henker, Herr, Claudio iſts, Signor Claudio! 
Erfter Edelmann. 
Claudio im Gefaängniß? Nicht möglich! 
Rupplerin, 

Ich fage euch, es ift gewiß; ich fah ihn verhaftet, 
ich fah ihn weggeführt; und was noch mehr ift, binnen 
drei Tagen foll ihm der Kopf abgehauen werben. 

Lucio. 

Nun, trotz allen Thorbeiten von eben, das follte 

mir leid feyn. Weißt du's denn gewiß! 
Rupplerin. 

Nur zu gewiß, es gefchieht, weil Fräulein Julia 

ſchwanger von ihm warb. 


166 Maaß für Maaß. I, 2 


Lucio, 

Glaubt mir, es ift nicht unmöglich. Ex verſprach 
mir, mich vor ‚awei Stunden zu treffen, und er war im⸗ 
mer pünktlich im Worthalten. 

Aweiter Edelmann. 
Dazu kommt, daß es ganz mit dem übereisftimmt, 
wovon wie zufammen fprachen. 
Erfter Edelmann. 
Und am meiften mit dem legten öffentlichen Ausruf. 
Lucio. 

Kommt, hören wir, was an ber Sache ift. 

(Lucio und die Evelleute gehn ab) 
Kuppleriu. 

So bringen mich denn theils der Krieg, und theils 
das Schwitzen, und theils der Galgen, und theils die 
Armuth um alle meine Kunden. Nun? Was bringſt du 
mir Neues? 

(Pompejus kommt) 


Pompeijus. 

Den haben ſie jetzt eben eingeſteckt! — 
Kupplerin. 

Und was hat er vorgehabt? 
Pompeius. 

Ein Mädchen. 
Rupplerin. 

Ich meine, was bat er begangen? 
Pompeius. 

In einem fremden Bach Forellen gefiſcht. 
Kupplerin. 

Wie? Hat ein Mädchen ein Kind von ihm? 
Pompeius. 


Nein, aber es hat eine Weibsperſon ein Mädchen 
von ihm. Habt ihr nicht von dem Ausruf gehört? He? 
Rupplerin. 

Was für ein Ausınf, Mann? 


Maaß für Mask. I,2. 167 


Bompeins. 
Alle Hänfer in den Vorftäbten von Wien follen ein⸗ 
‚geriffen werben. 
Rupplerim. 
Und was foll aus denen in der Stabt werben? 
Pompeius. 

Die follen zur Saat ftehen bleiben; fie wären auch 
drauf gegangen, aber ein wohlweifer Bürger hat fih für 
fie verwendet. 

Rupplerin. 

Sollen denn alle unſre Gaſt⸗ und Schenfhänfer in 

Der Vorſtadt eingeriffen werben? 
Pompeius. 

Bis auf den Grund, Frau. 
Kupplerin. 

Nun, das heiß' ich eine Veränderung im Staat! 
Was ſoll nun aus mir werden? — 

Pompeijus. 

Ei, fürchtet ihr nichts; guten Advocaten fehlt es 
nicht an Clieuten. Wenn ihr ſchon euer Quartier aͤn⸗ 
dert, braucht ihr darum nicht euer Gewerbe zu aͤndern; 
ih bleibe noch immer euer Zapfer. Muth gefaßt! Mit 
euch wird mans fo genau nicht nehmen; ihr habt eure 
Augen in enerm Beruf faſt aufgebraucht; über euch 
werben fie ſchon ein Auge zudrücken. 

Kupplerin. 

Was ſoll nun werden, Zapfer Thomas? Laß uns 
auf die Seite gehn. 

Pompeijus. 

Hier kommt Signor Claudio, den der Schließer ins 
Gefaͤngniß führt, und da iſt auch Fräulein Julia. 

(Gehn ab) 


168 Maaß für Maaß. 1,3. 


Dritte Scene 
Daſelbſt. 


(Es treten auf der Schließer, Claudio nnd Gerichta— 
diener; Lucio und die zwei Edelleute; Julia wird 
vorũber gerührt) 

| Claudio. 

Menſch, warum muß die ganze Welt mich ſehn? — 

Bring' mich zum Kerker, wie dir aufgetragen. 

Schließer. 

Ich thu' dieß nicht ans eignem böſen Willen, 

Nur weils Lord Angelo beſtimmt verlangt. 
Claudio. 

Ja, ſo kann dieſer Halbgott Majeſtät 

Uns nach Gewicht die Sünde zahlen laſſen. 

Des Himmels Wort: wen ich erwaͤhl', erwaͤhl' ich, 
Wen nicht, verfioh’ ih... . und doch flets gerecht! — 
Lucio, 

Nun fag’ doch, Claudio, woher folder Zwang? 
Claudio. 

Bon zu viel Freiheit, Lucio, zu viel Freiheit! 

Wie Ueberfüllung firenge Faſten zeugt, 

Sp wird die Freiheit, ohne Maaß gebraucht, 

In Zwang verkehrt; des Menſchen Hang verfolgt 

(Wie Ratten gierig felbft ihr Gift fih rauben) 

Die durſt'ge Sünd’, und tödlich wird der Trunf! — 

Lucio. 

Wenn ich im Arreft fo weislich zu reden wüßte, fo 
würde ich einige von meinen Gläubigern rufen Iaffen. 
Und doch, die Wahrheit zu fagen, mir iſt die Narren- 
theidung der Freiheit lieber, als die Moral der Gefan- 
genſchaft. Was ift dein Vergehn, Claudio! — 

| Claudio. 
Was nur zu nennen nenen Anftoß gäbe! 





Maaß für Maag. 1,3. 169 


Lucio. 
Was: ifls ein Mord? 
Elaudio. 
Rein! 
Lucio. 
Unzucht? 
Claudio. 
Nenn' es ſo. 
Schließer. 
Fort, Herr, ihr müßt jetzt weiter. 
Claudio. 
Ein Wort, mein Freund; Lucio, ein Wort mit euch. 
(Nimmt ihn auf die Seite) 
Lucio. 
Ein Dutzend, wenns dir irgend helfen kann. 
Wird Unzucht ſo beſtraft? 
Claudio. 
Sp flehts mit mir: — nach redlichem Verlöbniß 
Nahm ich Beſitz von meiner Julia Bett. 
Ihr Fennt das Fräulein; fie ift ganz mein Weib, 
Nur daß wir noch bisher nicht fund gethan 
Die äufre Förmlichkeitz dich unterbliech 
Um einer nicht bezahlten Mitgift willen, 
Die noch in ihrer Vettern Truhen Liegt; 
So daß wir unfern Bund verfihweigen wollten 
Bis Zeit fie uns befreundet. Doch der Raub 
Höchft wechſelſeit'gen Koſens zeigt fich leider 
Mit allzu großer Schrift auf ihr geprägt. 
Lucio. 
Schwanger vielleicht? 
Claudio. 
Zum Unglüd ift es fo! 
Denn unfers Herzogs neuer Stellvertreter, 
Sei es die Schuld und falfiher Glanz der Neuheit, 
Sei's, dag ihm das gemeine Wohl erfcheint 


170 Maaß für Maaß. I, 3. 


Gleich einem Roß, auf dem der Landvogt reitet, 

Der, faum im Sattel, daß es gleich empfinde 

Des Reiters Kunſt, den Sporn ihm fühlen läßt; 

Sei's, daß die Tyranneı im Herrfiheramt, 

Sei's, daß fie wohn’ im Herzen Seiner Hoheit, — 

— Ich weiß es nicht: genug, ber neue Richter 

Wert mir die längft verjährten Strafgefete, 

Die glei beſtäubter Wehr im Winkel hingen, 

Sp lang’, daß neunzehn Jahreskreiſe ſchwanden, 

Und feine gebraucht ward; und aus Sucht nach Ruhm 

Muß ihm das fchläfrige, vergeſſ'ne Recht. 

Frisch wider mich erfiehn: ja, nur aus Ruhmſucht! 
Lucio. 

Ya, wahrhaftig, fo ift es, und dein Kopf fleht fo 
tislich auf deinen Schultern, daß ein verliebtes Milch⸗ 
mädchen ihn herunter fenfzen Tönnte. Sende bem Her- 
309 Botfchaft und appellire an ihn. — 

Claudio. 
Das that ich Schon, doch iſt er nicht zu finden; 
Ich bitt dich, Lucio, thu mir diefe Freundſchaft: 
Hent tritt ing Kloſter meine Schwefter ein, 
Und ihre Probezeit beginnt fie dort: 
Erzähl’ ihr die Gefahr, die mich bedroht, 
In meinem Namen flehe, daß fie Freunde 
Dem firengen Richter ſchickt, ihn ſelbſt befchwört. 
Sch Hoffe viel von ihr; denn ihre Jugend 
Iſt kräft'ge Rebnergabe ohne Wort, 
Die Männer rührt; zudem ift fie begabt, 
Wenn fie es will, mit holdem Spruch und Witz, 
Und leicht gewinnt fie jeden. 

Lucio. 

Der Himmel gebe, daß fie es könne, fowohl zum 
Troft aller derer, die fih im gleichen Fall befinden, und 
fonft unter ſchwerer Zucht flehn würden, als damit du 
dich. eines Lebens erfreuftz denn es wäre mir leid, wenn 


Maaß für MNaaß. I, 4 171 


du's fo närrifcher Werfe um ein Spiel Triktrak verlie- 
zen follteft. Ich gebe zu ihr. 


Claudio. 
Ich danfe bir, mein befter Freund. 
Lucio. 
In zwei Stunden — — 
Claudio. 


Kommt, Schließer; wir gehn. 
„Schließer; geh (Alle ab) 


Vierte Scene. 
Ein Kloſter. 
(Es treten auf der Herzog und Pater Thomas) 


Herzog. 
Nein, heil'ger Vater! Fort mit dem Gedanken! 
Glaubt nicht, der Liebe leichter Pfeil durchbohre 
Des ächten Mannes Bruſt. Daß ich dich bat 
Um ein geheim Afyl, bat ernſten Zweck, 
Gereifteren, als Ziel und Wünſche find 
Der glüh’nden Jugend. 

Mönch. 

Könnt ihr mir vertraun? 

Herzog. 
Mein frommer Freund, ihr felber wißt am beften, 
Wie fehr ich flets die Einſamkeit geliebt, 
Geringe Freude fand am eitlen Schwarm, 
Wo Jugend herrſcht und Gold und finnlos Prunfen. 
Dem Grafen Angelo hab’ ich vertraut 
(As einem Dann von firenger Zucht und Keuſchheit) 
Mein unumfchränftes Anfehn bier in Wien; 
Und diefer wähnt, ich fer verreift nach Polen, 
Denn alſo hab’ ichs ausgefprengt im Volk, 
Und alfo glaubt man’s. Nun, mein beil’ger Freund, 
Fragt ihr mich wohl, weßhalb ich dieß gethan? 


172 Mach für Maaß. 1, N 


Mönch. 
So fragt' ich gern. 

Herzog. 
Hier gilt ein ſcharf Geſetz, ein ſtarres Recht, 
Als Kappzaum und Gebiß halsſtarr'gen Pferden, 
Das wir ſeit vierzehn Jahren ließen ſchlafen, 
Gleich einem alten Löwen in der Höhle, 
Der nicht mehr raubt. Nun, wie ein ſchwacher Vater, 
Der wohl die Birkenreiſer drohend bindet, 
Und hängt fie auf zur Schau vor feinen Rindern, 
Zum Schred, nicht zum Gebrauch: bald wirb die Ruthe 
Berhöhnt mehr, als gefchent: fo unfre Sabung, 
Todt für die Straf, ift für fich felbft auch todt, 
Und Frechheit zieht den Richter an der Nafe; 
Der Säugling fohlägt die Amm’, und ganz verloren 
Geht aller Anftand. 

Mönch. 

Euch, mein Fürſt, lag ob, 
Die Feſſeln des gebundnen Rechts zu löſen; 
Und dieß erſchien von euch noch ſchrecklicher, 
Als von Lord Angelo. 

Herzog. 

Zu ſchrecklich, fürcht' ich. 

Da meine Säumniß Freiheit ließ dem Volk, 
Wär's Tyrannei, wollt’ ih mit Härte ſtrafen, 
Was ich erlaubt. Denn der ertheilt Erlaubniß, 
Der freien Lauf der böfen Luft gewährt, 
Anftatt der Strafe. Drum, verehrter Vater, 
Hab’ ih auf Angelo dieß Amt gelegt: 
Der, hinter meines Namens Schug, mag treffen, 
Derweil ich felbft vom Kampfe fern mich halte, 
Und frei vom Tadel bleibe. Sein Verfahren 
Zu prüfen, will ih als ein Drdensbruder 
Beſuchen Fürft und Voll; drum bitt' ich euch, 
Schafft mir ein Höfterlih Gewand, belehrt mich, 


— —— — 


Mach für Maaß. L5. 173 


Wie ich in aller äußern Form: erjcheine 
Als wahrer Mind. Mehr Gründe für dieß Thun 
Will ich. bei beff’rer Muße euch enthüllen. 
Nur dieß: — Lord Angelo ift fcharf und ſtreng, 
Bor Läfleung auf der Hut, gefteht ſich kaum, 
Blut fließ’ in feinen Adern, und fein Hunger 
Sei mehr nad) Brod als Stein. Bald wird ſichs zeigen, 
Ob Macht ihn lockt, ob Achte Treu’ ihm eigen. 
(Gehn ab) 


Sünfte Scene. 
Ein Nonnenfloiter. 
(88 treten auf Ifabella und Francisca) 


Iſabella. 
Und habt ihr Nonnen keine Freiheit ſonſt? 
Francisca. 
Scheint diefe dir zu Fein? — 
Iſabella. 
O nein! Ich ſprachs nicht, als begehrt' ich mehr, 
Im Gegentheil, ich wünſchte ſtrengre Zucht 
Sanet Clarens Schweſterſchaft und ihrem Orden. 
Lucio. (draußen) 
Hel Friede dieſem Ort! —. 
Iſabella. 
Wer ruft denn da? — 
Francisca. 
Es iſt ein Mann. O liebe Iſabella, 
Schließt ihr ihm auf und fragt, was ſein Begehr. 
Ihr könnt es thun, ich nicht: ihr ſchwurt noch nicht; 
Doch eingekleidet ſprecht ihr nie mit Männern, 
Als nur in der Aebtiſſin Gegenwart, 
Und wenn ihr ſprecht, bleibt eu'r Geſicht verhüllt; 


174 Maaß für Maaß. 1,5. 


Entſchleiert ihr das Antlitz, müßt ihr fchweigen. 
Er ruft noch einmal: bit? euch, gebt ihm Antwort. 
( Francisca ab) 
Iſabella. 
Frieden und Heil mit euch! Wer iſts, der ruft? — 


(Lucio tritt auf) 


Lucio. 
Heil, Jungfrau! Daß ihre fein, verkündet mir 
Die Wangenblüte. Könnt ihr fo mich fördern, 
Zum Fräulein Iſabella mich zu führen, 
Die hier Novize iſt; der fchönen Schwefter 
Des unglüdfel’gen jungen Claudio? 
| Iſabella. 
Warum unſel'gen Claudio? frag' ich euch, 
Und um ſo mehr, weil ich euch melden muß, 
Ich ſelbſt bin Iſabella, ſeine Schweſter. 
Lucio, 
Holdſel'ge Schöne, euer, Bruder grüßt end), 
Doch daß ichs kürzlich meld’: er iſt im Kerfer. 
Iſabella. 
Weh' mir! für was? — 
Lucio. 
Um das, wofür, wenn ich fein Richter wär’, 
Er feine Straf’ empfangen ſollt' in Dank: 
Er Half zu einem Finde feiner Freundin. 
Iſabella. 
Herr, macht mich nicht zu euerm Scherz. 
Lucio. 
'S iſt wahr; 
Ich möchte nicht, iſts gleich mein alter Fehl, 
Mit Maͤdchen Kiebitz ſpielen, weit vom Herzen 
Die Zunge, — fo mit allen Jungfrau'n tändeln, 
Ihr ferd mir ein verflärter Himmelsgaft, 
Und durch Enthaltfamfeit unlörperlich, 


Maaß für Maaf. I, 5. 175 


Drum muß das Wort mit euch wahrhaftig ſeyn, 
Als nahte man fih einer Heiligen. 
Iſabella. 
Ihr kaͤſtert das Erhabne, mich verhöhnend. 
Lucio. 
Das glaubt nicht! Kurz und wahr, ſo ſteht die Sache: 
Eu'r Bruder und ſein Liebchen herzten ſich; 
Und wie die Speiſe füllt; der blüh'nde Mai 
Den dürren Furchen nach der Saat verhilft 
Zu ſchwell'nder Fülle: alſo zeigt ihr Schooß 
Sein fleißiges Bemühn und emſig Thun. 
Iſabella. 
Iſt jemand von ihm ſchwanger? Muhme Inlia? 
Lucio. 
So, iſt ſie eure Muhme? 
Iſabella. 
Durch Wahl: wie Schülerinnen Namen tauſchen 
In kindiſch treuer Freundſchaft. 
Lucio. 
Dieſe iſts. 
Iſabella. 
O, nehm' er ſie zur Frau! 
Lucio. 
Das iſt der Punkt: — 
Der Herzog hat höchſt ſeltſam ſich entfernt; 
Und manchen Edeln — (mich nebſt andern) foppt er 
Mit Hoffnung auf ein Amt; doch hören wir 
Von Solchen, die den Nerv des Staates kennen, 
Was er uns vorgab, ſei unendlich weit 
Von ſeiner wahren Abſicht. Jetzt regiert 
Statt feiner, mit der unbeſchraͤnkt'ſten Vollmacht, 
Lord Angelo, ein Mann, dem flatt des Bluts 
Schneewaffer in den Adern fließt; der nie 
Der Sinne muntre Trieb’ und Regung Fannte; 
Der ihren Stachel hemmt und abgeflumpft 


176 Maag für Maaß. 1, 5. 


Mit geiſt'ger Arbeit, Faſten und Studiren. 
Dieſer, in Furcht zu ſetzen Luſt und Freiheit, 
Die lang' das drohende Geſetz umſchwaärmt 
(Wie Mänf’ um Löwen), Haubt den Spruch hervor, 
Durch deffen fchweren Inhalt Claudio's Leben 
Berwirkt iſt; ſetzt fogleich ihn in Verhaft, 
Und folgt genau der Satzung todtem Wort 
Zu firenger Warnung. Alles iſt verloren, 
Wenn euch nicht Gnade wird durch holdes Alehn, 
Ihn zu erweichen. Dieß nun iſt der Kern 
Des Auftrags, den mir euer Bruder gab. 

Iſabella. 
So will er ſeinen Tod? 

Lucio. 
Hat die Sentenz 

Schon unterſchrieben, und der Schließer, hör’ ich, 
Erhielt Befehl, das Urtheil zu vollziehn. 

Iſabella. 
Ach, welche arme Fähigkeit beſitz' ich, 
Ihm noch zu helfen? 

Lucio. 
Eure Macht verfucht! 


$fabella. 

Weh' mirl Sch zweifle — — 
Lucio. 
Zweifel find Verraͤther, 

Die oft ein Gut entziehn, das wir erreichten, — 
Weil den Verſuch wir fiheuten. Geht zu Angelo, 
Und lehrt ihn, daß, wenn Jungfrau'n flehn, die Männer 
Wie Götter geben; weinen fie und knien, 
Dann wird ihr Wunfch fo frei ihr Eigenthum, 
Als ob fie felber die Gewährung ſprächen. 

Sfabella. 
Ich will verfuhen, was ich Tann. 


Maaß für Maaß. 1,1. 177 


Lneio. 
Nur ſchnell! — 
Iſabella. 
Ich geh' ſogleich, 
Nicht Länger ſäum' ich; der Aebtiſſin nur 
Meld' ichs vorher. Ich dank' euch, Herr, in Demuth; 
Empfehlt mich meinem Bruder, noch vor Nacht 
Send’ ich ihm fihre Nachricht des Erfolgs. — 
Lncio. 
Dann nehm’ ih Abſchied. 
Sfabella. 
Gott befohlen, Herr! — 
(Beide gehn) 


Zweiter Aufzug. 


Erſte Scene. 
Eine Halle in Angelo’s Haufe. 


(&s treten auf Angelo, Escalus, ein Richter, Schlie: 
Ber, Gerichtspiener und Gefelge) 
Angelo. 
Das Recht darf nicht zur Vogelſcheuche werben, 
Als fländ’ es da, um Habichte zu fehreden, 
Und bliebe regungslos, big fie zuletzt 
Gewöhnt, drauf ausruhen, flatt zu fliehn. 
Escalus. 
Gut, laßt uns 
Dann Iieber fcharf feyn und ein wenig ſchneiden, 
X. 12 


178 Maaß für Maaß. IL, 1. 


Als tödtlich nieverfchlagen. Ach, der Jüngling, 
Für den ich bat, bat einen edeln Vater! 
Bedenkt, mein werther Herr, (von dem ich weiß, 
Ihr ſeid fehr fireng’ in Tugend) 
Ob in der Regung eurer Leivenfchaft, 
Wenn Zeit mit Drt geflimmt, und Ort mit Wunſch, 
Dh, wenn das heft’ge Treiben eures Bluts 
Das Ziel erreichen mochte, das ench lockte, — 
Ob, fag’ ich, ihr nicht felbft wohl konntet irren 
Sn diefem Punkt, den ihr an ihm verdammt, 
Und dem Gefes verfallen? — 
Angelo. 
Ein Andres ift, verfucht feyn, Escalug, 
Ein Andres fallen. Läugnen will ich nicht. 
In dem Gerichte, das auf Tod erfennt, 
Sei unter zwölf Geſchwornen oft ein Dieb, 
Wohl zwei noch ſchuld'ger, als der Angeklagte. 
Mer offenbar dem Nechte ward, 
Den flraft das Recht. Was fümmerts das Geſetz, 
Ob Dieb den Dieb verurtheilt? 'S iſt natürlich, 
Daß wir den Demant auf vom Boden heben, 
Weil wir ihn fehn, doch was wir nicht gefehn, 
Wir treten drauf und denfen nicht daran. 
Ihr dürft nicht deßhalb mildern fein Vergehn, 
Weil ich auch fehlen konnte; fagt vielmehr, 
Wenn ich, fein Richter, folch Verbrechen übe, 
Sei mir der eigne Spruch Vorbild des Todes, 
Und nichts entfchuld’ge mich. Freund, er muß flerben. — 
Escalus. 
Wie's eurer Weisheit dünkt. 
Ungelo, 
Wo ift der Schlieger? 
Schließer. 


Hier, gnäd'ger Herr. 


Maaß für Maaf. H,1. 179 


Angelo. 

Ihr fleht dafür, daß Claudio 
Enthauptet werde morgen früh um neun. 
Bringt ihm den Beicht’ger, laßt ihn fich bereiten, 
Denn das ift feiner Wallfahrt letzte Stunde. 

( Schließer ab) 

Escalus. 
Nun, Gott verzeih' ihm und verzeih' uns Allen! 
Der ſteigt durch Schuld, der muß durch Tugend fallen; 
Vom Eis, das bricht, kommt der geſund herab, 
Den ſtürzt ein einz'ger Fehltritt in das Grab. 


(Es treten auf Elbogen, Schaum, Pompeins, Ge⸗ 
richtsdiener) 
Elbogen. 

Kommt, bringt ſie herbei. Wenn des rechtſchaffne 
Leute im gemeinen Weſen ſind, die nichts thaten, als 
ihre Unthaten in gemeinen Haͤuſern auszurichten, ſo weiß 
ich nicht, was Jura iſt. Bringt ſie herbei. 

Angelo. 

Was giebts, Freund, wovon iſt die Rede? wie 
heißt ihr? 

Elbogen. 


Mit Euer Gnaden Vergunſt, ich bin des armen 
Herzogs Conſtabel, und mein Name iſt Elbogen: ich bin 
ein Stück Juſtiz, Herr, und führe Eurer geſtrengen 
Gnaden hier ein Paar notoriſche Benefikanten vor. 

Angelo. 

Benefikanten? Was denn für Benefikanten? Ihr 

meint wohl Malefikanten? 
Elbogen. 

Nichts für ungut, gnädiger Herr; ich weiß nicht 
recht, was fie find; aber zwei abfolutgefinnte Spitzbuben 
find fie, und ohne ein Hörnchen von der Contribution, 
die ein guter Chrift haben muß. 


12 * 


180 Maap für Maag. U,1. 


Escalus. 

Vortrefflich vorgetragen! Da haben wir einen ver⸗ 

ſtaͤndigen Eonftabell — ⸗¶ 
Angelo. 
Zur Sache: Was für Leute ſind es? Elbogen heißt 
du, warum ſprichſt du nicht, Elbogen? — 
Pompeius. 
Er kann nicht, Herr, er iſt am Ellbogen zerriſſen. 
Angelo. 
Wer ſeid ihr, Freund? 
Elbogen. 

Der, gnädiger Herr? Ein Bierzapfer, Herr; ein 
Stück von einem Kuppler; dient einem ſchlechten Weibs- 
bilde, deren Haug, wie es beißt, in den Vorſtädten ein- 
geriffen iſt: und nun macht fie Prozeffion von einem 
Badehauſe, und das iſt auch ein recht fehlechtes Haus. 

Escalus. 

Wie wißt ihr das? 

Elbogen. 

Mein Weib, gnädiger Herr, wie ichs vor Euer Gna- 
pen beteflire, — — 

Escalus. 

Wie! dein Weib? 

Ellbogen. 

%a, Herr, maaßen es, Gott fei Danf, ein ehrliches 
Weib if, — 

Escalus. 

Und darum deteſtirſt du's? 

Elbogen. 

Ich ſage, Herr, ich für meine eigne Perſon deteſtire 
hierin eben ſo gut, wie ſie: wenn dieſes Haus nicht einer 
Kupplerin Haus iſt, ſo wär's Schade drum; denn es iſt 
ein ganz nichtsnutziges Haus. 

Escalus. 
Wie weißt du das, Conſtabel? — 


Maaß für Mana. II, 1. 181 


Elbogen. 

Blitz, Herr, von meiner Frau: denn wenn fie eine 
Frau wäre, die den carbinalifchen Lüften nachhinge, fo 
hätte fie in diefem Haufe zu Profeription und Ehebruch 
und aller Unfauberfeit verführt werben können. 

Escalus. 

Durch diefes Weibes Anftiften? 

Elbogen. 

Ya, Herr, durch das Anfliften der Fran Ueberley; 
wie fie ihm aber ins Geficht fpudkte, fo wußte er, woran 
er war. 

Pompeius. 
Herr, mit Euer Gnaden Erlaubniß, ſo wars nicht. 
Elbogen. 
Das beweiſe mir einmal vor dieſen Schlingeln, du 
ehrenwerther Mann, das beweiſe mir! — 
Escalus. 
Hört ihr, wie er ſich verſpricht? 
Pompeius. 

Herr, fie fam an, und war hochfihwanger, und hatte, 
— (mit Eu’r Gnaden Reſpekt) — ein Gelnft nach ge- 
fochten Pflaumen. Nun hatten wir nur zwei im Haufe, 
gnäbiger Herr, und bie lagen eben in dem Monument 
gleichfam auf einem Fruchtteller, ein Teller für drei oder 
vier Dfennige: Ener Gnaden müffen folche Teller ſchon 
gefehn haben; es find feine Teller aus China, aber doch 
fehr gute Teller. 

Escalus, 
Weiter, weiter; am Teller iſt nichts gelegen. 
Pompejus. 

Nein, wahrhaftig, Herr, nicht fo viel, als eine Sted«- 
nadel werth ift, das iſt vollkommen richtig. Aber num 
zur Dauptfache: Wie gefagt, die Frau Elbogen war, wie 
gefagt, guter Hoffnung, und anſehnlich ſtark, und hatte, 
wie gelagt, ein Geluft nach Pflaumen; und weil, wie 


182 Maaß für Maaf. ILL. 


gejagt, une zwei auf dem Teller lagen, — denn Junker 
Schaum, der nämliche Herr hier, hatte, wie gefagt, die 
andern gegefienz; — und er bezahlte fie fehr gut, das 
muß ich jagen; denn wie ihr wohl wißt, Junker Schaum, 
ich Tonnte euch feinen Dreier herausgeben, — — 
Schaum. 
Ya, das ift wahr. 
Pompeins. 

Seht ihr wohl? Ihr wart eben dabei, wenn ihre 
euch noch befinnt, und knacktet die Steine von den vor- 
befagten Pflaumen. 

Schaum. 
Ya, das that ich auch, mein Seel. 
Pompeijus. | 

Nun, feht ihr wohl? Ich fagte euch jufl, wenn ihre 
euch noch befinnt, daß der und der, und diefer und jener 
von der Krankheit, die ihre wohl wißt, nicht durcheurirt 
worden wären, wenn fie nicht fo fehr gute Diät gehalten 
hätten, fagte ich euch. 


Schaum, 
Alles richtig. 
Bompeius. 
Seht ihre? 
Escalus. 


Geht mir, ihr feid ein Iangweiliger Narr: zur Sache. 
Was that man benn der Frau des Elbogen, daß er Ur- 
fah zu Hagen hat? Kommt jebt auf das, was man 
ihr that. 

Pompeijus. 

Herr, Eu'r Gnaden kann darauf noch nicht kommen. 
Escalus. 

Das iſt auch nicht meine Abſicht. 
Pompejus. 

Herr, ihr ſollt aber darauf kommen, mit Eu'r Gna⸗ 
den Vergunſt; und betrachtet euch einmal den Innker 





Maaß für Maaß. I,1. 1883 


Schanm hier, mein gnäbiger Herr: er bringts auf achizig 
Pfund im Jahr, nnd fein Vater flarb am Alferheiligen- 
Tage. Wars nicht am Allerheiligen - Tage, Junker 
Schaum? — 
Schaum. 
Allerheiligen - Abend. 
Pompeius. 

Nun, ſeht ihr wohl? Ich Hoffe, Hier giebts Wahr⸗ 
heit! Er ſaß eben auf einem niedrigen Seſſel, gnädiger 
Herr: es war in ber goldnen Traube, wo ihr fo gern 
ſitzt, nicht fo? 

Schaum. 


Ya, das thu' ich; denn es ift ein offues Zimmer, 
and gut für den Winter. 


Pompeins. 
Seht ihre wohl? Sch Hoffe, Hier giebts Wahrheit! — 
Angelo. 


Dieß währt wohl eine Winternacht in Rußland, 
Wenn Nähte dort am Jängften find. Ich geh’, 
Und überlaff’ euch diefe Unterfuchung: 
Ich Hoff, ihr findet Grund, fie AU zu fläupen. 
Escalus. 
Das den?’ ich auch, ich wünſch' euch guten Morgen. 
(Angelo ab) 
Nun, Freunde, weiter! Was that man Elbogens 
Fran, noch einmal? 
Pompejus. 
Einmal, gnädiger Herr? Einmal hat man ihr nichts 
gethan. 
Elbogen. 
Ich erſuche euch, Herr, ragt ihn, was biefer Mann 
hier meiner Frau gethan hat. 
Dompeius. 
Ich bitt' Eu'r Gnaden, fragt mid. 


184 Maaß für Maaß. U,1. 


Escalus. 
Nun denn, was hat diefer Herr ihr geihan? 
Pompejus. 

Ich bitt' Eu’r Gnaden, feht diefem Herrn einmal ins 
Gefiht. Lieber Junker Schaum, feht doch ihre Gnaden 
anz ich fags aus guter Meinung; betrachten ſich Eu’r 
Gnaden fein Geficht. 


Escalus. 
O ja, recht wohl. 
Bompeius. 
Nein, ich bitte, betrachtets euch genau! 
Escalus. 
Nun ja, das thu' ich. 
Pompejus. 


Sieht Euer Gnaden etwas Unrehts in feinem 
Geſicht? 

Escalus. 

O nein. 

Pompeijus. 

Ich wills vor Gericht declamiren, daß ſein Geſicht 
das Schlimmſte an ihm iſt. Nun gut: wenn ſein Ge— 
ſicht das Schlimmſte an ihm iſt, wie konnte Junker Schaum 
des Conſtabels Frau etwas Unrechts thun? — Das möcht? 
ih von Euer Gnaden hören. 

Escalus. 
Da hat er Recht. Conſtabel, was ſagt ihr dazu? 
Elbogen. 

Erfllich, mit Eu'r Gnaden Erlaubniß, iſt es ein re⸗ 
ſpeetirliches Haus; ferner iſt dieſer hier ein reſpeetirlicher 
Kerl, und feine Wirthin iſt ein reſpectirliches Weibsbild. 

Pompeius. 

Bei dieſer Hand, Herr, Elbogen's Frau iſt eine ſo 

reſpectirliche Perſon, als Einer von uns Allen. 
Elbogen. 
Schlingel, du lügſt, du Tügft, gottlofer Schlingel! 





Naaß für Maag. IL1. 185 


Die Zeit ſoll noch kommen, wo fie je refpectirt war mit 
Mann, Weib und Find. 
Pompeijus. 

Here, fie war ſchon mit ihm reſpectirt, eh er mit 
ihr verheirathet war. 

Escalus. 

Wer iſt nun hier geſcheidter? Die Gerechtigkeit 
oder die Ruchloſigkeit? Iſt das wahr? — 

Elbogen. 

O du Lumpenkerl! O du Schlingel! O du men- 
ſchenfreſſeriſcher Hannibal! Ich mit ihr refpectirt vor 
unferer Heirath? Wenn ich mit ihr oder fie mit mir 
refpectirt gewefen ift, fo fol Eu’r Gnaden mid nicht für 
des armen Herzogs Diener halten. Beweiſe das, bu 
gottloſer Hannibal, fonft belange ich dich wegen thätlicher 
Mißhandlung! — 

Escalus. 

Wenn er euch jetzt eine Maulfchelle gäbe, ſo hättet 

ihr noch obendrein eine Klage wegen anzüglicher Reden. 


Ellbogen. 

Sapperment, ich danfe Eu’r Gnaden. Was wäre 
En’r Gnaden Inclination, dag ich mit diefem gottlofen 
Lump anfaugen fol? 

Escalns. 

Ich denke, Conſtabel, weil er allerlei Bosheiten in 
fih trägt, die bu gern heraus brächteft, wenn du könnteſt, 
ſo mags mit ihm fein Bewenden haben, bis wir erfah- 
ren, worin fie beflebn. 

Ellbogen. 

Sapperment, ich danfe Eu’r Gnaden. Da fiehft du 
nun, du gottlofer Schlingel, wohin es mit dir gefommen 
if; das Bewenden ſollſt du Eriegen, das Bewenden! — 

. Escalus. (zu Schaum) 

Wo feid ihr geboren, Freund ? 

% 


* 


186 Maaß für Maaß. ILL 


Schaum. 
Hier in Wien, gnäbiger Herr. 
Escalns. 
Habt ihr achtzig Pfund im Jahr? 
Schaum. 
Sa, wenns Euer Gnaden gefällig ift. 
Escalus. 
SH. — Was ift dein Gewerbe, Freund? 
Pompeius. 
Ein Bierzapfer, Herr; einer armen Wittwe Zapfer. 
Escalus. 
Wie heißt eure Wirthiu? 
Pompeius. 
Frau Ueberley. 
Escalus. 
Hat fie mehr als einen Mann gehabt? 
Pompeins. 
Neun, Herr; der letzte war Ueberley. 
Escalus. 


Neun! Kommt einmal her, Zunfer Schaum. Yun- 
fer Schaum, ich dächte, ihr Tießt euch nicht mit Zapfern 
ein: fie ziehn euch nur aus, Junker Schaum, und ihre 
bringt fie an den Galgen. Geht eurer Wege, und laßt 
mich nichts mehr von euch hören. 

Schaum. 

Ich danke Eurer Herrlichkeit. Ich für mein Theil 
bin auch nie in eine Schenffiube gefommen, daß ichs nicht 
recht anziehend gefunden Hätte. 

Escalus. 
Schon gut, Junker Schaumz geht mit Gott! 
(Schaum ab) 
Jetzt kommt ihr einmal heran, Meiſter Bierzapfer; wie 
beißt ihr, Meifter Zapfer? 
Pompeins. 
Pompeijus. 


Maaß für Maaf. ILL. 187 


Escalus. 
Wie weiter? 
Pompeijus. 
Pumphoſe. 
Escalus. 


Sp! An eurer Pumphoſe Habt ihr freilich etwas 
Großes, und ſo waͤret ihr, wo von Hoſen die Rede iſt, 
Pompejus der Große. — Pompejus, ihr ſeid ein Stück 
von einem Kuppler, Pompejus, obgleich ihr euch Hinter 
euer Bierzapfer-Amt verfleden wollt. Seid ihre nicht? 
Kommt, fagt mir die Wahrheit, es foll euer Schade 
nicht feyn. 

Pompeius. 

In Wahrheit, Herr, ich bin ein armer Junge, der 
gern leben will. 

Escalus. 

Wovon willſt du leben, Pompejus? Vom Kuppeln? 
Was duünkt dich von dieſem Gewerbe, Pompejus? Iſt 
das ein geſetzlich erlaubtes Gewerbe? 

Bompeins. 
Wenn das Geſetz nichts dagegen bat, Herr — — 
Escalus. 

Aber das Geſetz hat etwas dagegen, Pompejus, und 

wird in Wien immer etwas dagegen haben. 
Pompeijus. 
Will denn Eure Herrlichkeit aus allen jungen Leu- 
ten in der Stadt Wallachen und Capaunen machen? 
Escalns, 
Nein, Pompejus. 
Pompejus. 

Sieht Eur' Herrlichkeit, ſo werden ſie nach meiner 
geringen Meinung nicht davon laſſen. Wenn En’r Herr- 
Iichfeit nur bie Jüderlichen Dirnen und Iofen Buben in 
Ordnung halten kann, fo braucht fie die Kuppler gar 
nicht zu fürchten, 


188 Maaß für Maaß. ILL. 


Escalus. 

Es fängt auch jetzt ein hübſches Regiment an, kann 
ich dir ſagen; es handelt ſich nur um Köpfen und Hängen. 
Pompejus. 

Wenn ihr nur zehn Jahre lang hinter einander alle 
bie hängen und köpfen laßt, die ſich in dieſem Stücke 
vergehn, fo könnt ihre euch bei Zeiten danach umfehn, 
woher ihr mehr Köpfe verfchreiben wollt. Wenn dieß 
Gefeß zehn Jahre in Wien befteht, will ich im ſchönſten 
Haufe das Stodwerf für fehs Dreier miethen; folltet 
ihrs erleben, daß es fo weit kommt, fo fagt nur, Pom- 
pejus hab’ es euch voraus gefagt. | 

Escalus. 

Dank, treffliher Pompejus. Nun, um dir die Pro- 
phezeiung zu erwiebern, fo rath' ich die, verftehft du, 
laß dich auf Feiner neuen Klage betreffen, und eben fo 
wenig in deiner jetigen Wohnung; benn wenn das ge— 
ſchehn follte, Pompejus, fo werde ich dich in dein Zelt 
zurüdichlagen, und ein fchlimmer Cäfar für dich werben: 
und, grade heraus zu fagen, Pompejus, ich werbe dich 
peitſchen laſſen. Sp, für dießmal, Pompejus, gehab dich 
wohl. 

Pompeijus. 

Ich dank' Eu'r Herrlichkeit für euern guten Rath; 

aber folgen werd' ich ihm, wie Fleiſch und Schickſal es 


gen. 
Mich peitſchen? Peitſchen laßt den Kärrner ſeine 


Mahre, 
Wer peitſcht aus dem Beruf je einen Mann von 
Ehre? (ab) 
Escalus. 


Kommt einmal her, Meifter Elbogen, kommt einmal 
her, Meifter Eonflabel. Wie Iange ift es her, daß ifr 
eurem Amt als Eonftabel vorfieht? — 


| Man für Maaß. IL. 189 


Ellbogen. 
Sieben und ein halbes Jahr, gnaͤdiger Herr. 
Escalus. 

Ich dachte mirs nad) eurer Fertigkeit im Amt, ihr 
müßtet es ſchon eine Weile verwaltet haben. Sieben 
ganze Fahre, fagt ihr? 

Ellbogen. 

Und ein halbes. 

Escalus. 

Ah! da hat es euch viel Mühe gemacht. Es ge- 
fchieht euch Unrecht, dag man euch fo oft zum Dienft 
requirirt; find denn nicht andre Lente in enerm Kirch⸗ 
fpiel, die im Stande wären, ihn zu verfehn? 

Elbogen. 

Meiner Tren, gnäbiger Herr, es find wenige, bie 
etwas Einſicht in folchen Dingen haben; wenn fie ge- 
wählt werben, find fie immer froh, mich wieder flatt 
ihrer zu wählen; ich thu’s für ein Stück Geld, und über- 
nehme es fo für fie Alle. 

Escalns. 
Hört, fehafft mir die Namen von ſechs oder fieben 
Leuten, die die brauchbarften in euerm Kirchfpiele find. 
Elbogen. 
In Euer Herrlichkeit Haus, mein gnädiger Herr? 
Escalus. 

In mein Haus. Lebt wohl! Was iſt wohl die Uhr? 

( Elbogen ab) 

Richter. 

Elf, gnaͤdiger Herr. 
Escalus. 

Wollt ihr ſo gut ſeyn, und mit mir eſſen? 
Richter. 

Ich danke euch unterthänig. 


190 Man für Maaf. I, 2. | 


Escalus. 
Es iſt mir herzlich leid um Claudio's Tod, 
Doch ſeh' ich keinen Ausweg. 
Richter. 
Lord Angelo iſt ſtreng! 
Escalus. 
Das thut auch Noth; 
Ihr ſeid nicht gnädig, zeigt ſich immer Huld: 
Verzeihung iſt nur Mutter neuer Schuld. 
Und doch, du armer Claudio! '»S iſt kein Ausweg! — 
Kommt, Herr. (Gehn ab) 


Zweite Scene 
Ein andres Zimmer dafelbft. 
(88 treten auf der Schließer und ein Diener) 


" Diener. 
Cr hält noch ein Verhör, er kommt fogleih. Ich 
meld’ euch an. 
Schließer. 


Das thut. (Diener ab) Ich frag' ihn nochmals, 
Was er beſchließt; vielleicht doch zeigt er Gnade. 
Cr hat ja nur als wie im Traum geſündigt. 
Der Fehl färbt jede Sekt' und jedes Alter, 
Und er d'rum flerben! — — 
(Angelo tritt auf) 
Angelo. 
Nun, was wollt ihr, Schließer? 
Schließer. 
Befehlt ihr, Herr, daß Claudio morgen ſterbe? 
Angelo. 
Sagt’ ich dir nieht ſchon ja? befahl ichs nicht? 
Was fragft du denn? 
Schließer. 
Aus Furcht, zu raſch zu ſeyn; 


Maaß für Maaß. I,2. 191 


Verzeiht, mein gnäd'ger Herr, ich weiß den Fall, 
Daß nach vollzog'nem Urtheil das Gericht 
Bereute feinen Spruch. 
Angel». 
Mein fei die Sorge! — 
Thut eure Pflicht, ſonſt fucht ein ander Amt, 
Man wird euch leicht entbehren. 
Schließer. 
Herr, verzeiht! 
Was ſoll mit Julien, die ſchon leidet, werden? 
Denn ihre Stunde rückt heran. 
Angelo. 
Die ſchafft mir 
In ein bequem'res Haus, und das ſogleich. 
(Diener fommt zurüd) 


Diener. 
Hier iſt die Schwefler des zum Tod Verdammten, 
Die euch zu fprechen wünfcht. 
Angelo. 
Hat er 'ne Schwefter? 
Schließer. 
Ya, gnäd'ger Herr; ein tugendhaftes Fräulein, 
Die bald nun eintritt in die Schwefterfchaft, 
Wenns nicht bereits gefchehn. 
Angelo. 
Führt fie herein; 
(Diener ab) 
Und die Gefhwächte fchafft fogleich hinweg; 
Reicht ihr nothdürft'ge Koft, nicht Ueberfluß. 
Ausfert’gen Lafj’ ich den Befehl. 
(Lucio und Sfabella treten auf) 
Schließer. 
Gott ſchütz' euch! 
(Will abgehr) 


. 192 Maaß für Maaß. II, 2. 


Angelo. 
Bleibt noch. — (Zu Iſabella) Ihr ſeid willlommen; was 
begehrt ihr? 
Iſabella. 
Bon Gram erfüllt möcht’ ih Eu'r Gnaden flehn, 
Wenn ihr mich hören wollt — — 
Angelo. 
Wohlan! was wünſcht ihr? 
Iſabella. 
Es giebt ein Laſter, mir verhaßt vor allen, 
Dem ich vor allen harte Strafe wünſche; 
Fürbitten möcht' ich nicht, allein ich muß — 
Fürbitten darf ich nicht, allein mich drängt 
Ein Kampf von Wollen und Nichtwollen. 
Angelo. 
Weiter! 
Iſabella. 
Mein Bruder ward verdammt, den Tod zu leiden; 
Ich fleh' euch an, laßt ſeine Sünde tilgen, 
Den Bender nicht! 
Schließer. 
Gott ſchenk' dir Kraft, zu rühren! 
Angelo. 
Ich ſoll die Schuld verdammen, nicht den Thäter? 
Verdammt iſt jede Schuld ſchon vor der That. 
Mein Amt zerfiele ja in wahres Nichts, 
Straft' ih die Schuld, wie dag Geſetz begehrt, 
Und Tieße frei den Thäter? 
Sfabella. 
D gerecht, Doch fireng! — 
So hatt’ ih einen Bruder. Gott befchirm’ euch 
(Will gehn) 
Lucio. (zn Sfabella) 
Gebts fo nicht auf! Noch einmal d'ran, und bittet; 
Kniet vor ihm nieder, hängt an feinem Mantel. 


Maaß für Maaß. II, 2. 193 


Ihr ſeid zu kalt; verlangtet ihr 'ne Nadel, 
Ihr könntet nicht mit zahm'rer Zunge bitten. — 
Noch einmal zu ihm, frifh!l — 
Iſabella. 
So muß er ſterben? — 
Angelo. 
Jungfrau, s iſt keine Rettung. 
Iſabella. 
O ja! Ich denk', ihr könntet ihm verzeihn, 
Und weder Gott noch Menſchen zürnten euch. 


| Angelo. 
Ich wills nicht thun. 
Iſabella. 
Doch könnt ihrs, wenn ihr wollt? 
Angelo. | 
Was ich zit will, das kann ich auch nicht thun. 
Sfabella. 
Doc Fönntet ihre ohn' Unrecht an der Welt, 
Wenn euer Herz die gleihe Rührung fühlte 
Wie meins? 
Angel». 
Er ward verurtheilt, 's iſt zu fpät. 


Lucio. (zu Sfabella) 
Ihr ſeid zu Kalt! 
Iſabella. 

Zu fpät? O nein doch! mein geſprochnes Wort, 
Ich kann es widerrufen! Seid gewiß, 
Kein Attribut das Mächtige verherrlicht, 
Nicht Königskrone, Schwert des Reichsverwefers, 
Des Marfhalls Stab, des Richters Amtsgewand, 
Keins ſchmückt fie Alle Halb mit folhem Glanz, 
Als Gnade thut. War er an eurer Stelle, 
An feiner ihr, ihr firaucheltet gleich ihm; 
Doch er im Amt wär’ nicht fo firengen Sinusl — 

X. 13 


194 Maaß für Maaß. II, 2. 


Angelo. 
Ich bitt' euch, geht. 
Iſabella. 


O gät'ger Gott, hätt’ ich nur eure Macht, 
Und ihr wär’t Sfabellal Ständ’ es ſo, 
Dann zeigt’ ich, was es heißt, ein Richter feyn, 
Was ein Gefangner. 
Lucio. (leife) 
Das iſt die rechte Weifel — 


Angelo. 
En’r Bruder iſt verfallen dem Geſetz, 
Und ihre verfchwenvet eure Worte. 


S$fabella. 
Weh mir! 

Ah! Alle Seelen waren einft verfallen, 
Und er, dem Fug und Macht zur Strafe war, 
Fand noch Vermittlung. Wie erging’ es euch, 
Wollt’ Er, das allerhöchſte Recht, euch richten 
Sp, wie ihr fen? D das erwäget, Herr, 
Und Gnade wird entfchweben euren Lippen 
Mit Kindes Unſchuld. 

Angelo. 

Faßt euch, fhönes Mädchen; 
Denn das Gefeß, nicht ich, flraft euern Bruder. 
Wär’ er mein Vetter, Bruder, ja mein Sohn, 
Es ging’ ihm fo: fein Haupt wirb morgen fallen. 

Iſabella. 
Schon Morgen! das iſt ſchnell! O ſchont ihn, ſchont ihn, 
Er iſt noch nicht bereit. Wir ſchlachten ja 
Geflügel nur, wenns Zeit iſt; dienten wir 
Gott ſelbſt mit mindrer Achtung, als wir ſorgen 
Für unſer grobes Ich? denkt, güt'ger, güt'ger Herr, 
Wer büßte ſchon für dieß Vergehn mit Top? 
So Manche doch begingens! — 


Maaß für Maaf. I, 2. 195 


Lucio. Cleife) 
Sp ifls recht. 
Angelo. 


Nicht todt war das Geſetz, obwohl es ſchlief. 
Die Vielen hätten nicht gewagt den Frevel, 
Wenn nur der Erſte, der die Vorſchrift brach, 
Für ſeine That gebüßt. Nun iſts erwacht, 
Forſcht, wag verübt ward, und Propheten gleich 
‚Sieht e8 im Spiegel, was für fünft’ge Sünden 
(Ob jest fhon, ob durch Nachficht nen erzeugt, _ 
Und ferner ausgebrütet und geboren) 
Hinfort fi finfenweif’ nicht mehr entwideln, 
Nein, flerben im Entflehn. 
$fabella. 
Zeigt dennoch Mitleid! — 
Angelo. 
Das thu' ich nur, zeig’ ich Gerechtigkeit. 
Denn dann erbarmen mich, die ich nicht kenne, 
Die jeb’ge Nachficht einft verwunden möchte; 
Und ihm wird Recht, der, ein Verbrechen büßend, 
Nicht Iebt, ein zweites zu begehn. Dieß g'nüge; — 
Claudio muß morgen ſterben; — feid zufrieden. 
Iſabella. 
So muß zuerſt von euch ſolch Urtheil tommen, 
Und er zuerſt es dulden? Ach, 's iſt groß, 
Des Riefen Kraft befitenz doch tyranniſch, 
Dem Riefen gleich fie brauchen. 
Lucio. (leife) 
Ha, vortrefflich! — 
Iſabella. 
Könnten die Großen donnern 
Wie Jupiter, ſie machten taub den Gott: 
Denn jeder winz'ge, kleinſte Richter brauchte 
Zum Donnern Jovis Aether; — nichts als Donnern! 
O gnadenreicher Himmel! 
13 * 


196 Maaß fürMaaf. IE 2 


Du mit dem zack'gen Felſenkeile fpalteft 
Den unzerleilbar knot'gen Eichenflamm, 
Nicht zarte Myrten: doch der Menfch, der ſtolze Menfch, 
Sn kleine, kurze Majeflät gefleibet, 
Bergeffend, was am mind’flen zu bezweifeln, 
Sein gläfern Element, — wie zorn'ge Affen, 
Spielt folhen Wahnſinn gaufelnd vor dem Himmel, 
Daß Engel weinen, die gelaunt wie wir, 
Sich alle flerblich Iachen würden. — 
Lucio. 
Nur weiter, weiter Kind; er giebt ſchon nad; 
Es wirft, ich feh’ es 
Schließer. 
Geb' ihr Gott Gelingen! — 
Iſabella. 
Miß nicht den Nächften nach dem eignen Maaß: 
She Starken ſcherzt mit Heil’gen. Witz an euch 
Sf, was am Kleinen nur Entweihung wär’. 
Lucio, 
Das ift die rechte Weiſe; immer mehr! — 
Sfabella. 
Was in des Feldherrn Mund ein zornig Wort, 
Wird beim Soldaten Gottesläfterung. 
Lucio, | 
Wo nimmfl du das nur ber? Fahr fort! — 
Angelo. 
Was überhäufft du mich mit aM’ den Sprühen? — 
Iſabella. 
Weil Hoheit, wenn ſie auch wie Andre irrt, 
Doch eine Art von Heilkraft in ſich trägt, 
Die Fehl’ und Wunden fchließt. Fragt euer Herz, 
Klopft an die eigne Bruft, ob nichts drin wohnt, 
Das meines Bruders Fehltritt gleicht: befennt fie 
Menfhlihe Schwachheit, wie.die feine war, 


Maaß für Maag. IL2. 197 


Sp fleig’ ans ihr Fein Lant auf eure Zunge 
Zu Claudios Tod. 
Argelo. 
Sie ſpricht ſo tiefen Sinns, 
Daß Sinn und Geiſt ihr folgen. — Lebt nun wohl! — 
Iſabella. 
O theurer Herr, kehrt um! — 
Angelo. 
Ich überleg' es noch. Kommt morgen wieder! — 
Iſabella. 
Hört, wie ich euch beſtechen willl Kehrt um, 
Mein güt'ger Herr! 
Angelo. 
Wiel mich beſtechen? 
| Iſabella. 
Ja, mit ſolchen Gaben, 
Wie fie der Himmel mit euch theilt! — 
Lucio. 
But, fonft verbarbfi du Alles! — 


S$fabella. 
Nicht eitle Sedel voll geprägten Goldes, 
Noch Steine, deren Werth bald reich, bald arın, 
Nachdem die Laun’ es ſchätzt: nein, fromm Gebet, 
Das auf zum Himmel fleigt, und zu ihm dringt 
Bor Sonnenaufgang; Bitten reiner Seelen, 
Faſtender Sungfraun, deren Herz nicht hängt 
An diefer Zeitlichkeit. 
Angeln. 
Gut, morgen Iommt 
Zu mir. 
Lucio. 
Jetzt geht nur; es gelingt euch. — Kommil — 
_ S$fabella. 
Der Himmel ſchütz' Eu'r Gnaden! — 


198 Mach für Maaß. I, 2. 


Angelo. (für fh) 
J Amen! denn 
Ich bin ſchon auf dem Wege der Berfuchung, 
Der die Gebete Freut. 
Sfabella. 
Um welde Stunde morgen 
Bart’ ih En'r Gnaden auf? 
Angelo. 
Zu jeder Zeit vor Mittag. 
S$fabella. 
Gott beſchütz' euch! 
(Lucio, Iſabella und Schließer gehn ab) 
Angelo. 
Bor dir! Bor deiner Tugend ſelbſt! — 
Was ift dieß? Was? Iſts ihre Schuld, iſts meine? 
Wer fündigt mehr? Iſts die Verfucherin, 
Iſts der Berfuher? Hal 
Nicht fie, nein, fie verfucht.auch nicht! Sch bin’s, 
Der bei dem Beilchen Liegt im Sonnenfchein, 
Und gleich dem Aafe, nicht der Blume gleich, 
Berweft in der balfam’fchen Luft. Iſts möglich, 
Daß Sittfamfeit mehr unfern Sinn empört, 
Als Leichtfinn? Da uns wüfler Raum nicht fehlt, 
Soll man die heil’gen Tempel nieberreißen, 
Den Frevel dort zu bau'n? O pfui, pfui, pfui! — 
Was thuft du! Ha, was bift du, Angelo! 
Du wünfcheft fie verderbt, um eben das, 
Was fie erhebt? D laß den Bruder leben! — 
Es hat der Dieb ein freies Recht zum Raub, 
Wenn erft der Richter ſtiehlt. Was! Tieb’ ich fie, 
Daß michs verlangt, fie wieder reden hören, 
An ihrem Blick mich weiden... Wovon tränm’ ich? 
O liſt'ger Erbfeind! Heil’ge dir zu fangen, 
Köderft du fie mit Heil’gen: höchſt gefährlich 
IR die Verfuchung, die durch Tugendliebe 


Maaß für Maaß. II, 8. 199 


Zur Sünde reizt. Nie konnte feile Wolluſt, 

Mit ihrer Doppelmacht, Natur und Kunſt, 

Mich je verlocken: doch dieß fromme Maͤdchen 

Beſiegt mich ganz. Bis heut begriff sch nie 

Die Liebesthorheit, fragte lachend, wie? — (ab) 


Dritte Scene. 
Zimmer im Gefängniß. 


(65 treten auf der Herzog (als Mönch gekleidet) und ber 
Stließer) 


Herzog. 
Heil euch, Freund Schließer! Denn das ſeid ihr, 
denk' ich. 
Schließer. 
Der Schließer bin ich, was begehrt ihr, Pater? 
Herzog. 
Nach Chriſtenlieb' und meiner heil'gen Regel, 
Komm' ich mit Zuſpruch zu den armen Seelen 
In dieſem Kerker. Laßt, ſo wie's der Brauch, 
Sie dort mich ſehn, und nennet mir den Grund 
Von ihrer Haft, daß ich, wie ſichs geziemt, 
Mein Amt verwalten mag. 
Schließer. 
Gern thät ich mehr, wenn ihr noch mehr bedürft. 
(Julia kommt) 
Blickt auf, dort kommt ein Fräulein, hier verhaftet, 
Die durch den Sturm ber eignen Jugend fiel, 
Und ihren Ruf befledt. Sie trägt ein Kind, 
Deß Bater flerben muß: ein junger Mann, 
Geeigneter den Fehl zu wiederholen, 
Als drum zu flerben. 
Derzog. 
Bann foll er ſterben? 


200 Maaß für Maaß. U, 8. 


Schließer. 

Morgen, wie ich glaube. 
(In Julia) Ich traf ſchon Anſtalt, wartet noch ein wenig, 
Dann führt man euch von bier. 


Herzog. 

Bereu'ſt du, Kind, was du gefünbigt haſt? — 
Julia. 

Ich thu's, und trage meine Schmach geduldig. 
Herzog. 

Ich lehr' euch, wie ihr eu'r Gewiſſen prüft, 

Und eure Ren’ erforſcht, ob fie aufrichtig, . 

Ob Hohl im Innern, 
Inlia. 
Freudig will ichs lernen. 
Herzog. 

Liebt ihr den Mann, der euch ins Unglück ſtürzte? 
Julia. 

Ja, wie das Weib, das ihn ins Unglück ſtürzte. 
Herzog. 


So ſeh' ich denn, daß beide ihr geſündig 
Im Einverſtaͤndniß ? 
Julia. 
Ja, im Einverſtändniß. 
Herzog. 
Dann iſt euer Unrecht ſchwerer noch als ſeins. 
Sulia. 
Ja, das befenn’ ih, Vater, und berem’ es, 
Herzog. 
Recht, Liebes Kind, nur darum nicht beren' es, 
Weil dich die Sünd’ in diefe Schmach geführt; 
Solch Leid fieht auf fich felbft, nicht auf den Himmel, 
Und zeigt, des Himmels denkt man nicht aus Liebe, 
Nein, nur aus Furcht. 
Julia. 
Ich fühle Reu', weil es ein Unrecht war, 
Und trage gern die Schmach. 


Maaß für Maaf. I, 4, 201 


Herzog. 
Beharrt dabei. 
En’r Schuldgenoß muß morgen, hör’ ich, ſterben: 
Ich geh’ zu ihm, und fpend’ ihm Troft und Rath. — 
Gnade geleit’ euch! Benedicite! — 
(Geht ab) 
S$ulia. 
Muß morgen fterben! O graufame Milde, 
Die mir ein Leben fchont, das immerdar 
Rur Orau’n des Todes beut flatt Troſt! 
Schließer. 
S iſt ſchad⸗ um ihn! — 
(Gehn ab) 


Vierte Scene. 
Zimmer in Angelo's Hauſe. 
(Angelo tritt auf) 


Angelo. 
Bet’ ich, und denk' ich, geht Gedank' und Beten 
Verſchiednen Weg. Gott hat mein hohles Wort, 
Indeß mein Tichten, nicht die Zunge hörend, 
An Iſabellen ankert. Gott im Munde — 
Als prägten nur die Tippen feinen Namen; 
Im Herzen wohnt die giftig ſchwell'nde Sünde 
Des böfen Trachtens. — Der Staat, mein Studium 

einſt, 

Iſt wie ein gutes Buch, zu oft geleſen, 
Schaal und verhaßt: ja ſelbſt mein Tugendruhm, 
Der ſonſt — o hör' es Niemand! — all' mein Stolz, 
Ich gäb' ihn für ein Federchen mit Freuden, 
Das müßig ſpielt im Wind. O Rang! O Würbel 
Wie oft durch aͤußre Schal' und Form erzwingſt du 
Ehrfurcht von Thoren; lockſt die Beſſern ſelbſt 


202 Maaß für Maaß. I, 4. 


Durch falfhen Schein! — — Blut, du behältft dein 
Recht; 
Schreibt „guter Engel!“ auf des Teufels Hörner, 
So ſind ſie nicht ſein Zeichen mehr. 
(Gin Diener kommt) 
Was giebts? 
Diener. 
Eine Nonn’ iſt draußen, Iſabella heißt ſie, 
Die Zutritt wünſcht. 
Angelo. 
Führt ſie zu mir herein. 
(Diener geht) 
D Himmel! 
Wie fih mein Blunt im Sturm zum Herzen drängt, 
Dort alle Kraft und Regſamkeit erſtickend, 
Und allen meinen andern Gliedern raubend 
Den nöth’gen Geiſt! — 
Sp zum Ohnmächt'gen drängt die thör’ge Menge, 
Bereit zu helfen, und entzieht die Luft, 
Die ihn beleben follte: eben ſo 
Der Bollsdrang, zeigt firh ein geliebter König, 
Läuft vom Gewerb’ und ſchwärmt in Yäfl’gem Eifer 
Um feine Gegenwart, wo ungezogne Liebe 
Beleid'gung fcheinen muß. 
(Iſabella tritt auf) 
Nun, fihöne Jungfrau? 
Sfabella. 
Ich kam, zu hören, was euch wohl gefällig. 
Angelo. 
Biel mehr gefiele mir, wenn du es wüßteft, 
Als dag du mich drum fragf. — Dein Bruder kann 
nicht Teben! — 
Iſabella. 
Das ware? — Gott ſchütz' euch, Herr! 
(Bill gehn) 





Maaß für Maaß. I, 4. 208 


Angelo. 
Zwar könnt’ er wohl noch leben, und vieleicht 
Sp lang' als ihr und ich; doch muß er flerben. 
Sfabella. 
Durch euer Urtheit? 
Angelo. 
‘a. 
S$fabella. 
Sch bitt! euch: Wann? — Damit in feiner Friſt — 
Lang oder kurz — er fich bereiten mag, 
Daß er niht Schaden nehm’ an feiner Seele! — 
Angelo. 
Ha! Pfni dem ſchnöden Fehl! Mit gleichem Recht 
Berzieh ich dem, der aus der Welt entwandt 
Ein ſchon geformtes Wefen, als willfahrt' ich 
Unreiner Luft, des Himmels Bild zu prägen 
Mit unerlanbtem Stempel. Ganz fo Teicht, 
Ein ächt gefchaffnes Leben falſch vernichten, 
Als Saat zu fireuen wider das Gebot, 
Ein falfches zu erzeugen. 
Iſabella. 
So ſtehts im Himmel feſt, doch nicht auf Erden. 
Angelo. 
Ah, meinſt du? dann biſt du mir ſchuell gefangen! — 
Was wählſt du jetzt? Daß höchſt gerechtem Spruch 
Dein Bruder fällt; wo nicht, ihn zu erlöfen, 
Du felbft ven Leib fo füßer Schmach dahingäbft, 
Als fie, die er entehrt? 
Iſabella. 
Herr, glaubt es mir, 
Eh geb' ich meinen Leib hin als die Seele. 
Angelo. 
Nicht ſprech' ich von der Seel'. Erzwungne Sünden, 
Sie werden nur gezählt, nicht angerechnet. 


204 Maaß für Maaß. I, 4 


Sfabella. 
Wie meint ihr, Herr? — 

Angelo. 
Nun, nicht verbürg’ ich das; denn ich darf fprecdhen 
Auch gegen meine Worte. Doc erwäge: 
Sch, jest der Mund des anerfannten Rechts, 
Falle das Todesurtheil deinem Bruder: 
Bär’ etwa nicht Erbarmung in ber Sünde, 
Die ihn befreite? 

S$fabella. 

Sp begeht fie demn, 
Ich nehm’ auf meine Seele die Gefahr. 
Durchaus nicht Sünde wär’ es, nur Erbarmungl — 
| Angelo. 

Begingt ihr fie, und nähmt auf euch die That, 
Gleich fehwer dann wögen Sünde wie Erbarmung. 

S$fabella. 
Wenn ich fein Leben bitt', iſt Sünde dag, 
Die laß mich tragen, Gott! gewährt ihr es, 
SR Sünde das, — dann fel’s mein Frühgebet, 
Daß fie zu meinem Unrecht fer gezählt, 
Und ihre fie nicht vertretet. 

Angelo. 

Nein doch, Hört mich: — 
Dein Sinn erfaßt mich nicht, fprichft du's in Einfalt? 
Steffi du dich liſtig ſo? Das ift nicht guil — 

S$fabella. 
Sei ich einfältig dann und gut in Nichts, 
Als daß ich fromm erfenn’, ich ſei nicht beffer. 

Angelo. 
So ftrebt die Weisheit nur nach hellſtem Glanz, 
Setzt fie ſich ſelbſt herab, wie ſchwarze Masten 
Verdeckte Schönheit zehnmal mehr erheben, 
Als Reiz, zur Schau getragen. Doch merkt auf; 


Maaß für Maaß. U, 4 208 


Daß ihr mich ganz begreift, red’ ich beflimmter: — 
Eu'r Bruder Tann nicht Leben. 
Sfabelle , 
Wohl! — 
Angelo. 
Und fein Vergehn if fo, daß offenbar 
Nah dem Geſetz ihn diefe Strafe trifft. 
Iſabella. 
Wahr! — 


Angelo. 
Nehmt an, kein Mittel gäb's, ihn zu erretten — 
(Zwar nicht verbürg' ich dieſes, noch ein andres, 
Und feße nur den Fall) — ihr, feine Schwefter, 
Würdet begehrt von einem Mächtigen, 
Deß hoher Rang und Einfluß auf den Richter 
Den Bruder Fönnt’ erlöfen aus den Feſſeln 
Allbindender Geſetze; und es gäbe 
Den einz’gen Ausweg nur, ihn zu befrein, 
Daß ihr den Reihthum eurer Schönheit ſchenktet 
Dem Mächtigen, — wo nicht, — flürh’ euer Bruder: — 
Bas thätet ihr? — 

Iſabella. 
So viel für meinen Bruder, als für michz 
Das heißt: wär’ über mich der Tod verhängt, 
Der Geißel Striemen trüg’ ich als Rubinen, 
Und zög’ mich aus zum Tode, wie zum Schlaf, 
Den ich mir längſt erfehnt, eh ich den Leib 
Der Schmach hingäbe. | 

Angelo. 

Dann müßt’ euer Bruder flerben. 

Iſabella. 
Und beſſer wär’s gewiß. 
Biel lieber mag ein Bruder einmal erben, 
Als dag die Schwefter, um ihn frei zu Taufen, 
Auf ewig ſterben follte. 


206 Maaß für Maaß. II, 4 


Angelo. 
Wärt ihr dann nicht ſo grauſam, als der Spruch, 
Auf den ihr ſo geſchmäht? — 
Iſabella. 
Die Schand' im Loskauf und ein frei Verzeihn, 
Sind nicht Geſchwiſter: des Geſetzes Gnade 
War nie verwandt mit ſchmaͤhlichem Erkauf! 
Angelo. 
Noch eben ſchien das Recht euch ein Tyrann, 
Und eures Bruders Fehltritt dünkt euch mehr 
Ein Scherz als ein Verbrechen. 
Sfabella. 
O gnäd’ger Herr, verzeiht! Dft ift der Fall, 
Zu haben, was man wünfcht, fpricht man nicht, wie 
| mans meint. 
Sp mocht' ich das Verhaßte wohl entſchuld'gen 
Zum Bortheil deffen, der mir theuer iſt. 
Angeln. 
Schwach find wir Alle. 
Iſabella. 
Sonſt möcht' er immer ſterben, 
Wenn kein Vaſall als er allein der Schwachheit — 
O wir find Alle der Verſuchung Erben! — 
Angelo. 
Nun, auch das Weib iſt ſchwach! — 
Iſabella. 
Ja, wie der Spiegel, d'rin ſie ſich beſchant, 
So leicht zerbricht, als er Geſtalten prägt. 
Das Weib! Hilf Gott! Der Mann entweih’t ihr Edles, 
Wenn ers mißbraucht. Nennt mich denn zehnmal ſchwach, 
Denn wir find fanft, wie unfre Bildung ifl, 
Nachgiebig falfhem Einprud. 
Angelo. 
Ja, fo iſts: 
Und auf eu'r eignes Zeugniß eurer Schwäche, 





Maaß für Maaß. U, 4. 207 


(Denn auch wir Männer, mein’ ich, find nicht ſtärker, 
Als daß uns Fehler fchütteln) dreift nun fprech’ ich: 
Ich Halte dich beim Wort: ſei, was du bift, 
Ein Weib; willft mehr du feyn, fo biſt du keins; 
Und bift du eins (wie all’ dein äußrer Reiz 
Sp holde Bürgſchaft giebt), fo zeig’ es jetzt, 
Und Heide dich in die beflimmte Farbe. 

Iſabella. 
Ich hab' nur eine Zunge: theurer Herr, 
Ich fleh' euch an, ſprecht enre vor'ge Sprache. 

Angelo. 
Ich fag’ es frei und Har, ich Liebe Dich. 

Iſabella. 
Mein Bruder liebte Julien, und ihr ſagt: 
Er müſſe dafür. ſterben. 

Angelo. 
Liebſt du mich, Iſabella, ſoll er nicht. 

Iſabella. 
Ich weiß es, eurer Würde ward dieß Vorrecht, 
Sie ſcheint ein wenig ſchlimmer, als ſie iſt, 
Und prüft uns Andre. 

Angelo. 

Glaub auf meine Ehre, 
Mein Wort ſpricht meinen Vorſatz. 

Iſabella. 
O kleine Ehre, ſo viel ihr zu glauben! 
Und Gott verhaßter Vorſatzl Schein, o Schein! — 
Ich werde dich verkünden, ſieh dich vor: 
Gleich unterzeichne mir des Bruders Gnade, 
Sonſt ruf' ichs aller Welt mit lautem Schrei, 
Was für ein Mann du biſt. 

Angelo. 

Wer glaubt dirs, Iſabella? 

Mein unbefleckter Ruf, des Lebens Strenge, 
Mein Zeugniß gegen dich, mein Rang im Staat 


208 Naaß für Maaß. I, 4. 


Wird alfo dein Beſchuld'gen überbieten, 

Daß du erſticken wirft am eignen Wort, 

Und nach Berläumbung ſchmecken. Ich begann; 
Und nun, entzügelt, nehmt den Lauf, ihr Sinne: 
Ergieb dich meiner glübenden Begier, 

Weg fpröbes Weigern, zögerndes Erröthen, 

Das abweif’t, was es wünfchtz kauf deinen Bruber, 
Indem du meinem Willen dich ergiebft, 

Sonſt muß er nicht allein des Todes fterben, 

Ya, deine Härte foll den Tod ihm dehnen 

Durch lange Martern. Antwort gieb mir morgen; 
Denn, bei der Leidenſchaft, die mich beherrfcht, 
Ich werd’ ihm ein Tyrann! Und dir fei Mar, 


Sprich, was du fannft; mein Falſch befiegt dein Wahr. 


(Geht ab) 
Sfabella, 

Wem ſollt' ichs Magen? Wem ich dieß erzäßlte, 

Wer glaubte mis? O gleißnerifcher Mund, 

Der mit der einen und berfelben Zunge 

Verdammuiß fpricht und Billigung zugleich | 

Der das Geſetz nah Willkür ſchweigen heißt, 

Und Trammt nach feinen Lüften Recht und Unrecht, 

Sih ihm zu fihmiegen! Hin zum Bruder eil’ ich, 

Und fiel er au durch allzu heißes Blut, 

Doch Lebt in ihm fo großer Geift der Ehre, 

Daß, hätt’ er zwanzig Hänpter hinzuſtrecken 

Auf zwanzig blut'ge Blöc®, ex böte fie, 

CH feine Schwefter ihren Leib entheiligt 

In fo abſcheulicher Entweihung. 

Sa, Claudio, flirb, ich bleibe keuſch uud rein; 

Mehr als ein Bruder muß mir Keufchheit feyn: 

Ih fag’ ihm noch, was Angelo befchieden, _ 

Dann geh er durch den Tod zum ew’gen Frieden. 
(Geht ab) 


[4 





Dritter Aufzug. 


. Erfte Scene, 
Im Gefängniß. 
(88 treten auf der Herzog, Claudio und ber Schließer) 


Herzog. 
So hofft ihr Gnade von Lord Angelo? 
Claudio. 
Im Elend bleibt Fein andres Heilungsmittel, 
Als Hoffnung nur: N 
Ich Hoffe Leben, bin gefaßt auf Tod. 
Herzog. 
Sei's unbedingt auf Tod! Tod fo wie Leben, 
Wird dadurch füßer. Sprich zum Leben fo: 
Berlier’ ich dich, fo geb’ ich Hin, was nur 
Ein Thor feſthielte. Sprich: du bift ein Hauch, 
Abhängig jedem Wechfel in der Luft, 
Der diefe Wohnung, die bir angewiefen, 
Stündlich bedroht; du bift nur Narr des Todes, 
Denn durch die Flucht firebft du ihm zu entgehn, 
Und rennft ihm ewig zu. Du bift nicht edel; 
Denn alles Angenehme, das dich freut, 
Erwuhs ans Nieverm. Tapfer bift du nicht; 
Du fürchtefl ja die zartgefpaltne Zunge 
Des armen Wurms: — bein befles Ruhn iſt Schlaf, 
Den rufſt du oft, und zitterft vor dem Tod, 
Der doch nichts weiter. Du bift nicht du ſelbſt; 
Denn du beftehft durch taufende von Körnern, 
X. 14 


210 Maaf für Maag. II, 1. 
Aus Staub entfproffen. Glücklich biſt du nicht: 
Was du nicht Haft, dem jagft du ewig nad, 
Bergeflend, was du Hafl. Du bift nicht fletig, 
Denn dein Befinden wechfelt feltfam launiſch 
Mit jedem Mond. Reich, bift du dennoch arm; 
Dem Efel gleich, der unter Golo ſich krümmt, 
Trägft- du den ſchweren Schag nur einen Tag, 
Und Tod entlaftet dich. Freunde haft du Feine; 
Denn ſelbſt dein Blut, das Vater dich begrüßt, 
Die Wirkung deiner eignen innern Kraft, 
Flucht deiner Gicht, dem Ausſatz und der Lähmung, 
Daß fie nicht fehneller mit dir enden. 
Du Haft zu eigen Jugend nicht noch Alter, 
Nein, gleihfam nur 'nen Schlaf am Nachmittag, 
Der beides träumt; denn all’ bein Jugendglanz 
Lebt wie bejahrt, und fleht vom welfen Alter 
Die Zehrung fi: und bift du alt und reich, 
Haft du nicht Glut noch Triebe, Mark noch Schönheit, 
Der Güter froh zu ſeyn. Was bleibt nun noch, 
Das man ein Leben nennt? und dennoch birgt 
Die Leben tanfend Tode; dennoch ſcheu'n wir 
Den Tod, der all’ die Widerfprüce löſt. 
Claudio. 
Habt Dank, mein Vater! 
Ich ſeh', nach Leben ſtrebend, ſuch' ich Sterben, 
us fuchend, find’ ich Leben. Nun, er komme! — 
(Sfabella fommt) 
S$fabella. 
Macht aufl Heil ſei mit euch, und Gnad' und Frieden! 
Schließer. 
Wer da? Herein! der Wunſch verdient Willkommen! 
Herzog. 
Bald, Lieber Sohn, werd' ich euch wiederſehn. 
Claudio, 
Ehrwürb’ger Herr, ich dank’ euch. 


® 





Maaß für Maag. IT. 211 


Iſabella. 
Ich wünſche nur ein kurzes Wort mit Claudio. 
Schließer. 
Bon Herzen gern; Herr, eure Schweſter iſts. 
Herzog. (beifeit) 
Schließer, ein Wort mit euch. 
Schließer. 
So viel ihr wollt. 
Herzog. 
Verbergt mich, Freund, wo ich ſie ſprechen hoͤre. 
(Der Herzog und der Schließer ab) 
Claudio. 
Nun, Schwefter, was für Troſt? — 
Iſabella. 
Nun ja, wie aller Troſt iſt; gut, ſehr gut! — 
Lord Angelo hat ein Geſchäft im Himmel, 
Und ſucht dich aus als ſchnellen Abgeſandten, 
Wo du ihm bleibſt als ew'ger Stellvertreter. 
Drum ſchick dich an zur Wandrung ungefäumtz 
Auf morgen reiſeſt du. 
Claudio. _ 
Iſt denn fein Mittel? 
Iſabella. 
Nein, nur ein Mittel, das, ein Haupt zu retten, 
Zerfpalten würd’ ein Herz. 
Claudio. 
So giebt es Eins? — 
Iſabella. 
Ja, Bruder, du kannſt leben. — 
In dieſem Richter wohnt ein teufliſch Mitleid: 
Willſt du dieß anflehn, wird dein Leben frei, 
Dich aber feſſelt er bis in dein Grab. 
Claudio, 
Wie! Em’ge Haft? 


14 * 


212 Maaß für Maag. I, 1. 


Sfabella. 
Sa, nenn’ es ew’ge Haft; es wär’ ein Zwang, 
Der, flünd’ auch offen dir ver weite Weltraum, 
Di band’ an Eine Dual. 
Claudio. 
Von welcher Art? 
Iſabella. | 
Bon folder Art, daß, wenn du eingewilligt, 
- Du fohälteft ab die Ehre deinem Stamm, 
Und bliebeft nadt. 
Claudio. 
Laß. mich die Sache wiſſen! 
Iſabella. 
O Mandio, ich fürchte dich, und zittre, 
Du möcht'ſt ein fiebernd Leben dehnen wollen; 
Sechs oder ſieben Winter theurer achten, 
Als ew'ge Ehre. Haſt du Muth zum Tod? — 
Des Todes Schmerz liegt in der Vorſtellung; 
Der arme Käfer, den bein Fuß zertritt, 
Fühlt Törperlich ein Leiden, ganz fo groß, 
Als wenn ein Riefe flirbt. 
Claudio. 
Weßhalb befhämft du mich? 
Meinft du, ich fuche mir entſchloßnen Muth 
Aus zartem Blumenfhmelz;? Nein, muß ich flerben, 
Grüß’ ich die Finſterniß als meine Braut, 
Und drücke fie ans Herz! 
Sfabella. 
Das fprach mein Bruder: 
Das war wie eine Stimme 
Aus meines Baters Grab. Ja, du mußt flerben! — 
Du biſt zu groß, ein Leben zu erfaufen 
Durch niedre Schmach! — Der anfenheil’ge Richter — 
Det finftre Stirn und tiefbenachtes Wort 
Die Jugend ängfligt und die Thorheit ſchencht, 


Mack für Naaß. II, 1. 213 


Sp wie der Fall die Taub' — iſt doch ein Teufel: 
Sein innrer Schlamm hinweggefchöpft, erfhien er 
Ein Pfuhl, tief wie die Hölle. 
Claudio. 
Der fromme Angelo? 
Iſabella. 
Das iſt die liſt'ge Ausſtattung der Hölle, 
Den frechſten Schalk verkleidend einzuhüllen 
In fromme Tracht. Glaubſt du wohl, Claudio, 
Wenn ich ihm meine Unſchuld opfern wollte, 
Du würdeſt frei? 
Claudio. 
O Himmel! Iſt es moͤglich? 
Iſabella. 
Ja, er vergönnte dirs, für ſolche Sünde 
Noch mehr hinfort zu fünd’gen. Dieſe Nacht 
Sol das geſchehn, was ih mit Abfchen nenne, 
Sonſt flirbft du morgen. 
Claudio. 
Das ſollſt du nie. 
Iſabella. 
O wär’ es nur mein Leben, 
Ich würf es Teicht für deine Freiheit Hin, 
Wie eine Nadel! 
Claudio. | 
Dank dir, theure Schwefter! 
Iſabella. 
Bereite dich auf morgen denn zum Tod! — 
Claudio. 
Ja. — — Fühlt auch er Begierden, 
Für die er das Geſetz mit Füßen tritt, 
Indem ers ſchaͤrfen will? Dann iſts nicht Sünde, 
Die kleinſte mindſtens von den Todesfünden! — 
Iſabella. 
Welch' iſt die kleinſte?. 


214 Mach für Maag. Ul, J. 


Claudio, 
Wär’ fie verbammlich: ein fo weifer Mann, 
Wie könnt’ er Eines Angenblids Genuß 
Mit Ewigkeiten büßen? Sfabellal.... 
Iſabella. 
Was ſagt mein Bruder? 
Claudio. 
Sterben iſt entſetzlich! 
Iſabella. 
Und leben ohne Ehre haſſenswerth! 


Claudio. 
Sal Aber erben! Gehn, wer weiß, wohin, 
Da liegen, Talt, eng eingefperrt, und faulen; 
Dieß Iebenswarme, fühlende Bewegen 
Berfehrumpft zum Kloß; und der entzücdte Geift 
Getaucht in Feuerfiuten, oder ſchaudernd 
Umftarrt von Wüſten ew’ger Eiſesmaſſen; 
Gekerkert feyn in unfichtbare Stürme, 
Und mit raftlofer Wuth gejagt ringe um 
Die fihwebende Erd’; oder Schlimm’res werden, 
Als ſelbſt das Schlimmfte, 
Was Fantaſie wild fihwärmend, zügellog, 
Heulend erfindet: das iſt zu entfeglih! — 
Das ſchwerſte, jammeroolifte, ird’fche Leben, 
Das Alter, Meineid, Schmerz, Gefangenfchaft 
Dem Menfchen auflegt, — ift ein Paradies 
Gegen das, was wir vom Tode fürchten! 
Sfabella. . 
Al — 
Claudio. 
O Liebſte, laß mich leben! — 
Was du auch thuſt, den Bruder dir zu retten, 
Natur tilgt dieſe Sünde ſo hinweg, 
Daß fie zur Tugend wird, 





Maaß für Naaß. Ul, J. 215 


Iſabella. 
O Thier! 
O feige Memm'! o treulos Ehrvergeſſ'ner, 
Soll meine Sünde dich zum Mann erſchaffen? — 
Iſts nicht blutſchändriſch, Leben zu empfahn 
Durch deiner Schweſter Schmach? Was muß ich glauben? 
Hilf Gott! War meine Mutter falfch dem Vater? 
Denn ſolch entartet wildes Unkraut fproß 
Niemals aus feinem Blute. Dir enfag’ ich, 
Stirb, fahre Hin! Wenn auch mein Fußfall nur 
Dein Schidlfal wenden möcht’, ich ließ es walten: 
Sch bete tanfendmal für deinen Tod, 
Kein Wort zur Rettung. 
Claudio. 
Schweſter, hör' mich an. 
Iſabella. 
O pfui, pfui, pfuil — 
Dein Sünd'gen war kein Fall, war ſchon Gewerbe, 
Und Gnade würd’ an dir zur Kupplerin: 
Am beften ftirbft du gleich. (Will abgehn) 
Claudio. 
O hör mih Schwefter! — 


(Der Herzog kommt zurück) 


Herzog. 
Vergönnt ein Wort, junge Schweſter, nur ein ein- 
ziges Wort. 
S$fabella. 
Was ift euer Wunſch? 
. Herzog. 

Wenn eure Zeit es zuliefe, hätte ich gern eine kurze 
Unterrevung mit euch; diefe Gewährung meiner Bitte 
würde zugleich zu euerm Frommen feyn. 

Iſabella. 
Ich habe keine überflüſſige Zeit; mein Verweilen 


216 | Maaf für Maaß. II, 1. 


muß ich anderen Gefchäften fehlen; doch will ich noch 
etwas verweilen. 
Herzog. Cbeifeit zu Claudio) 

Mein Sohn, ich Habe mit angehört , was zwiſchen 
euch und eurer Schweſter vorging. Angelo hatte nie 
bie Abficht, fie zu verführen; er hat nur einen Verſuch 
auf ihre Tugend gemacht, um fein Urtheil über das 
menſchliche Gemüth zu ſchärfen. Sie, im wahren Ge- 
fühl ächter Ehre, entgegnete ihm die fromme Weigerung, 
die er mit höchfler Freude vernahm. Ich bin Angelo's 
Beichtiger, und weiß, daß biefes wahr ifl. Bereitet 
euch deßhalb auf den Tod; fihmeichelt eurer Stanphaf- 
tigfeit nicht durch trügliche Hoffnungen; morgen müßt 
ihr flerben. Fallt auf eure Kniee und macht euch fertig. 

Claudio. 

Laßt mich meine Schweſter um Berzeißung bitten. 
Die Liebe zum Leben ift mir ſo vergangen, daß ich bit- 
ten werbe, davon befreit zu feyn. , 

Herzog. 
Dabei bleibts. Lebt wohl! — 
(Elandio ab) 
(Der Schlieger kommt zurüd) 
Schließer, ein Wort mit euch. 
Schließer. 
Was wünſcht ihr, Pater? 
Her 

Daß ihr, wie ihr Famt, jet wieder geht. Laßt mich 
ein wenig allein mit dieſem Fräulein; meine Gefinnung 
und mein Kleid find euch Bürge, daß fie von meiner 
Geſellſchaſt nichts zu fürchten hat. 

Schließer. 
Es ſei fü. — - (Seht ab) 
Herzog. 

Diefelbe Hand, die euch ſchön erfchuf, hat euch auch 

gut erichaffen. Güte, von der Schönheit gering geach- 





Mack für Maag. Ul, 1. | 217 


tet, Laßt auch der Schönheit nicht Tange ihre Güte; aber 
Sittfamkeit, die Seele eurer Züge, wird euch auch im⸗ 
mer fhön erhalten. Bon den Angriff, den Angelo auf 
euch verfucht, Hat mich der Zufall in Kenntniß gefebt, 
und böte nicht die menfhlihe Schwachheit Beifpiele für 
fein Straucheln, ich würde mich über Angelo wundern. 
Wie wollt ihre nun machen, diefen Statthalter zufrieden 
zu flellen, und enren Bruder zu reiten? — 
$fabella. 

Ich gehe gleich, ihm meinen Entfchlug zu fagen: ich 
wolle lieber, daß mir ein Bruder nach dem Geſetz ſterbe, 
als dag mir ein Sohn wider das Geſetz geboren werde. 
Aber, o wie irrt fich der gute Herzog in biefem Angelo! 
Wenn er je zurüd fommt, und ich kann zu ihm gelan- 
gen, fo will ich meine Tippen nie wieder Öffnen, oder 
diefe Verwaltung enthüllen. 

Herzog. 

Das würde nicht unrecht gethan feyn. Indeß wie 
die Sache nun fleht, wird er eurer Anflage entgegnen, 
er babe euch nur prüfen wollen. Darum leihet euer 
Ohr meinem Rath; denn meinem Wunſch, Gutes zu 
ſtiften, bietet fih ein Mittel dar. Ich bin überzeugt, 
ihr Eönnt mit aller Rechtfchaffenheit einem armen ge= 
Tränften Fräulein eine verbiente Wohlthat erzeigenz 
euern Bruder dem’ firengen Geſetz entreißen; eure eigne 
fromme Seele rein erhalten und DAR Abweſenden Herzog 
fehr erfreuen, wenn er vielleicht dereinſt zurücfehren und 
von dieſer Sache hören follte. 

Sfabella. 

Fahrt fort, mein Vater. Ich Habe Herz, Alles zu 

thun, was meinem Herzen nicht verwerflich erfcheint. 
Herzog. 

Tugend iſt fühn, und Güte ohne Furcht. Hörtet 
ihr nie von Marianen, der Schwefter Friedrichs, des 
tapfern Helden, der auf der See verunglädte? 


218 Maaß für Maaß. ILL. 


Iſabella. 

Ich hoͤrte von dem Fräulein, und nichts als lauter 
Gutes. 

Herzog. 

Eben die ſollte dieſer Angelo heirathen: mit dieſer 
war er feierlich verlobt und die Hochzeit feſtgeſetzt. Zwi⸗ 
ſchen der Zeit des Verlöbniſſes aber und dem Trauungs- 
tage ging das Schiff ihres Bruders Friedrich unter, und 
mit ihm das Heirathsgut der Schweſter. Nun denkt 
euch, wie hart das arme Fräulein hiedurch getroffen 
ward. Sie verlor einen edeln und berühmten Bruder, 
deſſen Liebe für fie von jeher die zärtlichſte und brüder⸗ 
lichſte geweſen; mit ihm ihr Erbtheil und den Nerv ih- 
res Glücks, ihr Heirathsgut: mit beiden zugleich ben 
ihr beftimmten Bräutigam, diefen veblich fcheinenden 
Angelo! — ’ 

S$fabella. 
Iſt es möglih? Und Angelo verließ fie wirklich? 


Herzog. 

Berließ fie in ihren Thränen, und trocknete nicht 
Eine durch feinen Troſt; widerrief fein Treuwort, in- 
dem er Entdedungen über ihre verlette Ehre vorgab; 
furz, überließ fie ihrem —— eK noch immer 
um feinetwilfen ergeben iſt; und ®r, ein Fels gegen ihre 
Thränen, wird vom songs beneßt, Aber nicht erweicht. — 


Iſabella. 

Wie verdienſtlich vom Tode, wenn er dieſes arme 
Mädchen aus der Welt nähme! Welcher Frevel von 
dieſem Leben, daß es dieſen Mann leben läßt! Aber 
wie ſoll ihr hieraus Hülfe werden? 


Herzog. 
Es iſt eine Wunde, die ihr leicht heilen könnt; und 
dieſe Kur rettet nicht allein euren Bruder, ſondern ſchützt 
euch vor Schande, wenn ihr fie unternehnt, 


Maaß für Maag. lIII, I. 219 


Iſabella. 
Zeigt mir an, wie? ehrwürdiger Vater. 
Herzog. 

Jenes Mädchen hegt noch immer ihre erſte Neigung; 
feine ungerechte Lieblofigkeit, die nach Vernunftgründen 
ihre Zärtlichkeit ausgelöſcht haben follte, bat fie wie eine 
Hemmung im Strom nur heftiger und unaufhaltfamer 
gemacht. — Geht ihr zu Angelo, erwiedert auf fein Be- 
gehren mit ſcheinbarem Gehorfam; bewilligt ihm die 
Hauptſache, nur bebaltet euch dieſe Bedingungen vor: 
erftlih, daß ihr nicht lange kei ihm verweilen dürft; 
dann, daß für die Zeit alle Begünfltigung der Dunfel- 
beit und Stiffe feiz und daß der Ort den Umſtänden 
entfpreche. Geſteht er dieß zu, dann gelingt Alles, Wir 
bereden das gefränfte Mädchen, fich an eurer Statt zur 
beflimmten Berabredung einzufinden. Wenn die Zu- 
fammenfunft hernach befannt wird, fo muß ihn das zu 
einem Erfah zwingen, und dann wird auf diefe Weife 
euer Öruder gerettet, eure Ehre bewahrt, die arme Ma- 
riane beglüdt und der böfe Statthalter entlarut. Das 
Mädchen will ich unterrichten und zu dem Verſuch über- 
reden. Willigt ihr ein, dieß Alles auszuführen, fo ſchützt 
die doppelte Wohlthat diefen Trug vor Tadel, Was 
dünkt euch davon? — 


Sfabella. 

Der Gedanfe daran beruhigt mich ſchon, und ich 

hoffe, e8 wird zum glüdlichften Erfolg gedeihn. 
Herzog. 

Es kommt Alles auf ener Betragen an. Eilt un- 
gefäumt zu Angelo. Wenn er euch um dieſe Nacht bit« 
tet, fo fagt ibm Gewährung zu. Sch gehe fogleich nach 
Sanet Lucas — dort in der einfamen Hütte wohnt biefe 
verfioßene Mariane — dort fucht mich aufs und mit 
Angelo macht es ab, damit die Sache fich ſchnell entſcheide. 


0 Maaß für Maaß. MI, 8. 


Iſabella. 
Ich danke euch für dieſen Beiſtand — lebt wohl, 
ehrwürdiger Vater! 
(Sie gehn ab zu verſchiednen Seiten) 


Zweite Scene 
Strafe vor dem Gefängniß. 


(88 treten auf der Herzog, Elbogen, Bompeins und 

Gerichtsdiener) 

Elbogen. 

Nun wahrhaftig, wenn da kein Einhalt geſchieht, 
und ihr wollt mit aller Gewalt Manns- und Frauens- 
leute wie das Tiebe Vieh verfaufen, fo wird noch bie 
ganze Welt braunen und weißen Baſtard trinken. 

Herzog. 
O Himmel! Was Haben wir hier für Zeug! — 
Bompejus. 

Mit der Iufligen Welt iſts zu Ende, feit fie von 
zwei Wucherern dem Iuftigften fein Handwerk gelegt 
hat, und dem ſchlimmſten von Gerichts wegen einen 
Belzro zuerkannt, um fih warm zu halten; und noch 
dazu gefüttert mit Rämmerfell, und verbrämt mit Fuchs, 
um anzudeuten, daß Lift beffer fortlommt, als Unſchuld. 

Elbogen. 

Geht eurer Wege, Freund, Gott grüß euch, guter 
Bater Bruder. 

Herzog. 

Und euch, werther Bruder Vater, Was bat euch 
diefer Dann zu Leide gethan, Herr? — 

Elbogen. 

Dem Geſetze hat er etwas zu Leide gethan, Herr; 
und obendrein, Herr, halten wir ihn für einen Dieb; 
denn wir haben einen ganz beſondern Dietrich bei ihm 





Maaß für Maaf. IN, 2. 221 


gefunden, Herr, den wir an ben Statthalter eingefchickt 
Saben. 
Herzog. 
Hai, Schaft, ein Kuppler, ein verruchter Kuppler! — 
“ Die Sünde, die dein Beiftand förbern hilft, 
Berfchafft dir Unterhalt. Denk, was bag heißt, 
Den Wanft fich füllen, fih ven Nüden Heiden 
Mit fo unfauberm Laſter! Sprich zu bir: 
Bon ihrem ſchaͤndlich viehifchen Verkehr 
Trink' ich und eſſe, kleide mich und lebe: — — 
Und glaubft du wohl, dein Leben fei ein Leben, 
Wenn es fo fiinft zum Himmel? Geh! Thun Buße! — 
Pompeijus. 

Freilich, auf gewiſſe Weiſe ſtinkt es, Herr; aber doch, 

Herr, könnt' ich beweifen, ... 
Herzog. 

Ja, giebt der Teufel dir Beweis für Sünde, 
Biſt du ihm überwieſen. — Führt ihn fort; 
Zucht und Ermahnung müſſen wirkſam ſeyn, 
Eh ſolch ein ſtörrig Vieh ſich beſſert. 


Elbogen. 

Er muß vor den Statthalter, Herr, der hat ih ge⸗ 
warnt; der Statthalter fann ſolch Hurenvolk nicht aus⸗ 
ſtehn; wenn er dergleichen Hurenhändlerhandwerk treibt, 
und kommt vor ihn, da wäre ihm beffer eine Meile 
weiter. 

Herzog. 
Sp mancher foheint von allen Fehlern rein; 
D wär ers auch! und jeder Fehl vom Schein! — 


(Lucio fommt) 


Elbogen. 
Sein Hals wirds nun bald machen wie euer Leib, 
Herr: ein Strick darum. 


2 Maaß für Maaß. I, 2 


Pompejus. 

Da wittre ich Rettung — ich rufe mie einen Bür- 

gen; hier fommt ein Edelmann, ein Freund von mir. 
Lucio, 

Was macht mein edler Pompeius? Was, an Eä- 
fars Ferfen? Wirſt du im Triumph aufgeführt? Was? 
Wo find nun deine Pygmalionsbilder, deine neugebad- 
nen Weiber, die einem eine Hand in die Tafche ſtecken 
und fie als Fauſt wieder heraus ziehn? Was haft du 
für eine Replif, bet Wie gefällt dir diefe Melodie, 
Manier und Methode? Iſt fie nicht im Iebten Regen 
erfoffen? Nun, was fagft du, Pflaftertreter? Iſt die 
Welt no, wie fie war, mein Guter? Wie heißt nun 
bein Lied? Gehts betrübt und einſylbig? Oder wie? 
Was ift der Humor davon? — 

Herzog. 
Immer fo und wieder fo! Immer ſchlimmer! 
Lucio. 

Wie gehts meinem niedlichen Schätzchen, deiner 

Frau? Verſchafft ſie noch immer Kunden, he? 
Bompejus. 

J nun, Herr, fie war mit ihrem Vorrath von ge- 
ſalznem Fleisch zu Ende, nun Hat fie fich felbft in die 
Deize begeben. - 

Lucio. 

Ei, recht fo; fo gehört ſichs; fo muß es ſeyn: eure 
Fiſche Immer frifch, eure Höferin in der Lange: fo iſts 
der Welt Lauf, fo muß es ſeyn. Begiebſt du dich ins 
Gefaͤngniß, Pompejus? 

Pompeius. 

Sa, mein Seel, Herr. 

Lucio, 

Ei, das läßt fich hören, Pompejus! Glück zul — 
Geh, fag, ich hätte dich hingeſchickt; Schulden halber, 
Pompejus; oder vielleicht — — — 


Mach für Maag. I, 2. 233 


Elbogen. 
Weil er ein Kuppler iſt, weil er ein Rayyler ift. 


Lucio. 

Schön! darum ins Gefängniß mit ihm; wenn fich 
das Gefähgniß für einen Kuppler gehört, dann gefchieht 
ihm ja fein Recht; ein Kuppler iſt er unläugbar, und 
zwar von Alters her: ein geborner Kuppler. Leb wohl, 
theurer Pompejus, empfehlt mich dem Gefängniß; ihr 
werbet wohl nun ein guter Haushalter werben, benn 
man wird euch zu Haufe halten. 


Bompejus, 

Ich Hoffe doch, Euer Hochgeboren wird für mid‘ 
Bürge ſeyn? — 

Lucio. 

Nein, wahrhaftig, das werd’ ich nicht, Pompejus; 
das ift jet nicht Mode. Sch will mich für dich ver- 
wenden, dag man dich noch länger fißen läßt; wenn du 
dann die Geduld verlierft, fo zeigft du, daß bu Haare 
auf den Zähnen Haft. Leb wohl, beberzter Pompejus! — 
Guten Abend, Pater! — 


Herzog. 
Gleichfalls. 
Lucio. 
Schminkt ſich Brigittchen noch immer, Pompejus? 
Elbogen. 
Fort mit euch! Kommt jetzt! — 
. Pompejus. 
Ihr wollt alſo dann nicht Bürge ſeyn, Herr? 
Lucio. 


Weder dann noch jetzt. — Was giebts auswärts 
Neues, Pater? — Was giebts Neues? — 
Ellbogen. 
Sort mit euch! Kommt jept! — 


224 Maaß für Maaß. MI, 2. 


“ Lucio. 
Fort, ins Hunbeloch, Pompeins! Fort! — 
(Elbogen, Bompejns und Gerichtspiener gehn ab) 
Was giebts Neues vom Herzog, Pater ? 
Herzog 0 
Sch weiß nichts; könnt ihr mir etwas mittheilen? 
Lucio. 

Einige fagen, er fei beim Kaifer von Rußland; 
Andre, er-fei nah Rom gereifl. Wo meint ihr, daß 
er fei? ’ 

Herzog. 

Ich weiß es nicht, aber wo er ſeyn mag, wünſch' 
ich ihm Gutes. 

Lucio. 

Das war ein toller, fantaſtiſcher Einfall von ihm, 
fh aus dem Staat wegzuſtehlen und ſich auf die Bet- 
telei zu werfen, zu der er nun einmal nicht geboren tft. 
Lord Angelo berzogt indeß recht tapfer in feiner Abwe- 
ſenheit; er nimmt das galante Wefen rechtfchaffen ins 
Gebet. 

Herzog. _ 

Daran thut er wohl. 

Lucio. 

Ein wenig mehr Milde für die Lüderlichkeit könnte 
ihm nicht fehaden, Pater; etwas zu fauertöpfifch in dem 
Punkt, Pater. | 

Herzog. 

Es iſt ein zu allgemeines Laſter, und nur Strenge 
kann es heilen. 

Lucio. 

Freilich, das Laſter iſt von großer Familie und vor⸗ 
nehmer Verwandtſchaft; aber es iſt unmöglich, es ganz 
auszurotten, Pater, man müßte denn Eſſen und Triufen 
abſchaffen. Dan fagt, der Angelo fei gar nicht auf dem 
orbentlichen Wege der Natur von Mann und Weib er- 
zeugt. Sollte das wohl wahr feyn? Was meint ihr? 


— — — — — 


Maaß für Maaß. II, 2. 225 


Herzog. 

Wie wäre er denn erzeugt? 

Lucio. 

Einige erzählen, eine Meernixe babe ihn gelaichtz 
Andre, er fei von zwei Stodfifchen in die Welt gefebt: 
aber das ift gewiß, daß, wenn er fein Waſſer abfchlägt, 
der Urin gleich zu Eis gefriert; daran ift nicht der min- 
defte Zweifel. Er iſt eine Marionette ohne Zeugungs- 
Traft, das Tann nicht in Abrede geſtellt werden. 

Herzog. 
Ihr feherzt, mein Herr, und führt Iofe Reden. 
Lucio. 

Zum Henfer, ift denn das nicht eine unbarmher- 
zige Manier, um eines rebellifhen Hofenlates willen 
einem Dann das Leben zu nehmen? Hätte der Herzog, 
der jetzt abweſend ift, das wohl je getban? Che ver 
Einen hätte hängen laſſen um hundert Baſtarde, hätte 
er das Koſtgeld für ein ganzes Taufend aus feiner Ta- 
fche bezahlt. Er war fein Koflverächter, er verſtand ben 
Dienft, und das machte ihn nachfichtig. 

Herzog. 

Ich habe nie gehört, daß man ben abwefenden Her- 
309 eben mit Weibern in Verdacht gehabt hätte; er hatte 
dazu feinen Hang. 


Lucio. 
D Herr, da feid ihr im Irrthum! — 
Herzog. 
Unmöglich ! 
Lucio. 


Was? der Herzog nicht? Ya doch! fragt nur euer 
altes funfzigjähriges Bettelweib; er pflegte ihr immer 
einen Ducaten in ihre Klapperbüchſe zu fleden. Der 
Herzog hatte feine Nüden; er war auch gern beirunfen: 
das glaubt mir auf mein Wort. 

X. 15 





226 Maaß für Maaß. II, 2. 


Herzog. 
Ganz gewiß, ihr thut dm Unredt. 
Lucio, 

Herr, ih war fein vertranter Freund; ein Tuck— 
mänfer war der Herzog, und ich glaube, ich weiß, warum 
er davon gegangen ift. 

Herzog. 
Run, fagt mir doch, warum denn? 
Lucio. 

Nein, um Vergebung, das ift ein Geheimnig, das 
man zwifchen Zähnen und Tippen verfchließen muß. Aber 
fo viel kann ich euch doch zu verftehn geben: der größte 
Theil feiner Unterthanen hielt den Herzog für einem 
verfländigen Mann. 

Herzog. 
Verſtändig? Nun, das war er auch ohne Frage! 
Lucio. 

Ein fehr oberflächlicher, unwiffender, unbrauchbarer 

Geſell! 
Herzog. 

Entweder iſt dieß Neid, oder Narrheit von euch, 
oder Irrthum; der ganze Lauf ſeines Lebens, die Art, 
wie er das Staatsruder geführt, würden, wenn es der 
Bürgschaft bedürfte, ein beſſeres Zengniß von ihm ab- 
legen. Laßt ihn nur nach dem beurtheilt werden, wie 
er ſich gezeigt hat, und er wird dem Neide ſelbſt als 
ein Gelehrter, ein Staatsmann und ein Soldat erſchei⸗ 
nen. Deßhalb redet ihr ohne Einfiht; oder wenn ihr 
mehr Berfland Habt, wird er fehr von eurer Bosheit 
verfinftert. 

Lucio, 

Herr, ich Tenne ihn und Liebe ihn. 

Herzog. 

Liebe fpricht mit beff’rer Einficht, und Einſi cht mit 

mehr Liebe. 


Man für Maag. IT, 8. 227 


Lucio. 
Ei was, Herr, ich weiß, was ich weiß. 
Herzog. 

Das Tann ich kaum glauben, da ihr nicht wißt, was 
ihr ſprecht. Aber wenn der Herzog je zurückkehrt (wie 
wir Alle beten, daß es gefchehn möge), fo laßt mich euch 
erfuchen, euch vor ihm zu verantworten. Habt ihr ber 
Wahrheit gemäß gefprochen, fü habt ihr Muth, es zu 
vertreten. Meine Pflicht iſt, euch dazu aufzufordernz 
und deßhalb bitt' ich euch, wie ift euer Name? 

Lneio. 
Herr, mein Name iſt Lucio; der Herzog kennt mich. 
Herzog. 

Er wird euch. noch beſſer kennen lernen, wenn ich 
f9 lange Iebe, daß ich ihm Nachricht von euch geben kaun. 
Lucio. 

Ich fürchte euch nicht. 

Herzog. 

O ihe hofft, der Herzog werde nicht zurückkehren, 
ober ihr haltet mich für einen zu unbeventenden Gegner. 
Und in der That, ich Tann euch wenig ſchaden: ihr wer- 
det dieß Alles wieder abſchwoͤren. 

Lucio. 

Ehe will ich mich hängen laſſen; bu irrſt dich in 
mir, Pater. Doc genug hievon. Kannſt du mir jagen, 
ob Claudio morgen flerben muß ober nicht? 

Herzog. 

Warum follte er flerben, Gere? 

Lueio. 

Nun, weil er eine Flaſche mit einem Trichter ge- 
füllt. Ich wollte, der Herzog, von dem wir reden, wäre 
wieder da; diefer unvermögende Machthaber wird bie 
Provinz durch Enthaltſamkeit entvölfern: nicht einmal 
die Sperlinge dürfen an feiner Dachtraufe bauen, weil 
fie verbußlt find. Der Herzog hätte gewiß, was im 

15 * 


228 Maaß für Maag. IM, 2. 


Dunkeln geſchah auch im Dunkeln gelaffen; er hätte es 
nimmermehr ans Licht gebracht; ich wollte, er wäre wie- 
der dal Wahrhaftig, diefer Claudio wird verdammt, 
weil er eine Schleife aufgefnüpft! Leb wohl, guter Pa- 
ter! ich bitte dich, fehließ mich in dein Gebet. Der Her- 
308, ſage ich dir, verihmäht auch Fleiih am Freitag 
nicht. Er ift jetzt über die Zeit hinaus, und doch fag? 
ich dir, er würde eine Bettlerin ſchnäbeln, und röche fie 
nah Schwarzbrod und Knoblauch. Sag nur, ich hätte 
dire gefagt! Leb wohl! — (ab) 
Herzog. 
Nichts rettet Macht und Größe vor dem Gift 
Der Schmähſucht; auch die reinfte Unſchuld trifft 
Berläumdung hinterrüds; ja felbft ven Thron 
Erreicht der tück'ſchen Läflerzunge Hohn. — 
Doch wer kommt hier? 
(Escalns, ver Schließer, vie Kupplerin und Ge⸗ 
rictsdiener treten auf) 
Escalus. 
Fort, bringt fie ins Gefängnißl — 
Rupplerim. 

Liebfter, gnäbiger Herr, habt Mitleid mit mir; Euer 
Gnaden gilt für einen fanftmüthigen Herren — liebſter, 
gnädiger Herr! — 

Escalus,. 

Doppelt und dreifach gewarnt, und immer bag nänt- 
liche Verbrechen! — das Tönnte die Gnade felbft in Wuth 
bringen und zum Tyrannen machen, 

Schließer. 

Eine Kupplerin, die es ſeit elf Jahren treibt, mit 
Ener Gnaden Vergunſtl — 

Kupplerin. | 

Gnädiger Herr, das hat ein gewiffer Lucio mir 
eingerührt. Jungfer Käthchen Strerling war ſchwanger 
von ihm zu des Herzogs Zeit, er verſprach ihr vie Ehe; 


- 


Maaß für Maaß. II, 2. 229 


ſein Kind iſt fünfviertel Jahr alt auf nächſten Philippi 
und Jacobi; ich habe es ſelbſt aufgefüttert, und ſeht 
nun, wie er mit mir umſpringen will. 

Escalus. 

Dieß iſt ein Menſch von ſehr ſchlechter Aufführung: 
ruft ihn vor uns. Fort mit ihr ins Gefängniß — kein 
Wort mehr weiter! — (Kupplerin und Gerichtsdiener ab) 
Schließer, mein Bruder Angelo läßt fich nicht überreden; 
Claudio muß morgen ſterben. Beforgt ihm geiftlichen 
Zuſpruch, und was er zu chriftlicher Erbauung bedarf. 
Wenn mein Bruder gleiches Mitleid wie ich empfänbe, 
fo fände es nicht fo um Claudio. 

Schließer. 

Gnädiger Herr, dieſer Pater iſt bei ihm geweſen, 
und hat ihm mit Rath beigeſtanden, dem Tode entgegen 
zu gehn. 

Escalus. 
Guten Abend, guter Pater. 
Herzog. 
Gnade und Segen über euch! — 
Escalus. 
Von wannen ſeid ihr? 
Herzog. 
Nicht dieſem Land gehör' ich, wo mich Zufall 
Für eine Zeit lang hält. Ich bin ein Bruder 
Aus frommem Orden, über See gekommen 
Mit wicht'gem Auftrag ſeiner Heiligkeit. 
Escalus. 
Was giebts Neues im Auslande? 
Herzog. 

Nichts; außer daß Rechtſchaffenheit an einem ſo 
ſtarken Fieber leidet, daß ihre Auflöſung ſie heilen muß. 
Nur dem Neuen wird nachgefragt, und es iſt eben ſo 
gefährlich geworden, in irgend einer Lebensbahn alt zu 
werden, als es ſchon eine Tugend iſt, in irgend einem 


230 Maaß für Maag. 1,2. 


Unternefmen ſtandhaft zu bleiben. Raum iſt noch fo viel 
Bertrauen wirffam, um der Gefellfhaft Sicherheit zu 
serbürgen; aber Bürgfehaft fo überlei, dag man allen 
Umgang verwünfhen möchte. Um biefe Räthfel dreht 
fih die ganze Weisheit der Welt; dieß Neue ifk alt ge- 
ang, und dennoch das Neue bes Tages. Ich bitt’ euch, 
Herr, von welcher Gefinnung war euer Herzog? 
Escalus. 
Bon der, daß er vorzüglich dahin firebte, fih ge— 
nau felbft kennen zu Iernen. 
Herzog. 
Welchen Vergnügungen war er ergeben? 
Escalns. 

Mehr erfreut, Andre froh zu fehn,. als froh über 
irgend etwas, das ihn felbft vergnügt hätte; ein Herr, 
der in allen Dingen mäßig war. Dod überlaffen wir 
ihn feinem Schidfal, mit einem Gebet für fein Wohl⸗ 
ergehn, und vergönnt mir die Frage, wie ihr Claudio 
vorbereitet fandet? Wie ich höre, habt ihr ihm euren 
Beſuch gegönnt. 

Herzog. 

Er befennt, fein Richter habe ihn nicht mit zu firen- 
gem Maaß gemeffen; vielmeßr demüthigt er ſich mit 
großer Ergebung vor dem Ausſpruch der Gerechtigkeit. 
Doch hatte er fi, der Eingebung feiner Schwachheit fol= 
.. gend, manche täufchende lebenshoffnung gebildet, die ich afl= 
mählig herabgeflimmt babe; und jebtift er gefaßt zu flerben. 

Escalus. 

Ihr habt dem Himmel euer Gelübde, und gegen 
den Gefangenen alle Pflichten eures Berufs erfüllt. Ich 
Habe mich für den armen jungen Dann bis an die än— 
Berfie Grenze meiner Zurüdhaltung verwendetz aber 
meines Mitbruders Gerechtigfeitsfinn zeigte ſich fo ſtrenge, 
daß er mich zwang, ihm zu fagen, er fei in der That 
Die Gerechtigkeit ſelbſt. 





Maag für Maaß. II, 2 231 


Herzog. 

Wenn ſein eigner Wandel dieſer Schroffheit ſeines 
Verfahrens entſpricht, ſo wird ſie ihm wohl anſtehn; 
ſollte er aber fehlen, ſo hat er ſich ſein eignes Urtheil 
geſprochen. 

Escalus. 
Ich gehe, den Gefangnen zu beſuchen. Lebt wohl! — 
Derzog. 

Friede fer mit euchl — 

(Escalus und der Schlieger gehn ab) 
Wem Gott vertraut des Himmels Schwert, 
Muß Heilig feyn und ernſt bewährt; 
Selbſt ein Muſter, uns zu leiten, 
Sp feftzuftehn, wie fortzufihreiten; 
Gleiches Maaß den fremden Fehlen, 
Wie dem eignen Frevel wählen. 
Schande dem, der tödtlich fchlägt 
Unrecht, das er felber hegt! 
Schmach, Angelo, Schmach deinem Richten, 
Der fremde Spreu nur weiß zu fichten! 
Wie oft birgt inn’re, ſchwere Schuld, 
Der außen Engel fiheint an Huld; 
Wie oft hat Schein, in Sünd' erzogen, 
Der Zeiten Auge ſchon betrogen, 
Daß er mit dünnen Spinneweben 
Das Schwerſte, Gröbfle mag erheben! — 
Liſt gegen Bosheit wend' ich nun: 
Lord Angelo foll heute ruhn 
Bei der Berlobten, erft Verfchmähten: 
So fol der Trug den Trug vertreten, 
Falſchheit die Falſchheit überwinden, 
Und neu der alte Bund fich gründen. (ab) 

a 





Pierter Aufzug. 


Erfte Scene. 


Simmer in Marianens Haufe. 
(Mariane figend; ein Knabe fingt) 


Lied. 
Bleibt, o bleibt ihr Lippen ferne, 
Die ſo lieblich falſch geſchworen; 
Und ihr Augen, Morgenſterne, 
Die mir feinen Tag geboren! 
Doch den Kuß gieb mir zurüd, 
Gieb zurüd, 
Falſches Siegel falfhem Glück, 
Falſchem Glück! — 
Mariaue. 
Brich ab dein Lied, und eile ſchnell hinweg; 
Hier kommt ein Mann des Troſtes, deſſen Rath 
Oft meinen wildempörten Gram geſtillt. ( Knabe aby 
(Der Herzog tritt auf) 
O lieber Herr, verzeibt! Ich wünfchte fafl, 
Ihr hättet nicht fo fangreich mich gefunden. 
Entſchuldigt mich und glaubt, wie ichs euch fage, 
Es war nicht Luft, nur Mildrung meiner Plage. 
Herzog. 
Recht wohl; doch üben Töne Zauberfraft, 
Die Schlimmes gut, aus Gutem Schlimmes ſchafft. — 
IH bitt' euch, fagt mir, hat hier Jemand heut nach mir 





Maaß für Maaß. IV, 1. 233 


gefragt? Eben um diefe Stunde verfprach ich, ihn hier 
zu treffen. 
Mariane. 

Es hat Niemand nach euch gefragt; ich habe hier 
den ganzen Tag geſeſſen. 

(Iſabella kommt) 
Herzog. 

Ich glaube euch zuverſichtlich; die Zeit iſt da: eben 
jetzt. Ich muß euch bitten, euch auf einen Augenblick 
zu entfernen; ich denke, wir ſprechen uns gleich wieder, 
um für euch etwas Gutes einznleiten. 

Mariane. 
Ich bin euch ſtets verpflichtet. (ab) 
Herzog. 
Seid höchlich mir willfommen! — 
Wie ifls mit diefem trefflichen Negenten % 
Sfabella. 
Sein Garten iſt umringt von einer Mauer, 
Die gegen Weft an einen Weinberg lehnt; 
Und zu dem Weinberg führt ein Lattenthor, 
Das diefer größre Schlüffel öffnen wird; 
Der andre ſchließt ein Feines Pförtchen auf, 
Das aus dem Weinberg in den Garten führt: 
Dort hab’ ich zugefagt mich einzuftellen, 
Grad’ in der Stunde ernfler Mitternacht. 
Herzog. 
Doch feid ihr auch gewiß, den Weg zu finden? 
Iſabella. 
Ich merkte Alles ſorglich und genau; 
Mit flüfternd und Höchft fündenvollem Eifer 
Genau vorzeichnend Alles, wies er mir 
Zwei Mal den Weg. 
Herzog. 
Sind keine andre Zeichen 
Von euch beſtimmt, die ſie zu merken hat? 


234 Maaß für Maaß. IV,1. 


Sfabella, 
Rein; nur das wir im Dunkel uns begegnen, 
Und ich ihm eingefchärft, nur furze Zeit 
Koönn' ich verweilen; denn, fo fagt’ ich ihm, 
Begleiten werd’ ein Mädchen mich bahın, 
Die auf mi wart’, und deren Meinung fei, 
Ich Tomm’ des Bruders halber. 
Herzog. 
Wohl erdacht; 
Ich habe von dem Allen noch kein Wort 
Marianen mitgetheilt. — Hel Fräulein, kommt! — 
(Mariane kommt wieder) 
Ich bitt' euch, macht Bekanntſchaft mit der Jungfrau, 
Sie kommt, euch zu verpflichten. 
Iſabella. 


Ja, ſo wünſch' ichs. 
Herzog. 


Vertraut ihr mir, daß ich euch lieb' und achte? 
Mariane. 

Ich weiß, ihr thuts, und hab' es ſchon erfahren. 
Herzog. 

So nehmt denn dieſe Freundin an der Hand, 

Und hört, was fie euch jetzt erzählen wird. 

Ich werd’ euch hier erwarten. — Eilt indeß, 

Die feuchte Nacht iſt nah. 
Marianne. 

Gefällts euch, mitzugehn? (Mariane und Iſabella ab) 
Herzog. 

O Größ' und Hoheit, tauſend falſcher Augen 

Haften auf dir! In Bänden voll Geſchwaätz 

Rennt falſches Spähn, mit fih in Widerſpruch 

Dein Handeln anz des Witzes Fehlgeburt 

Macht dich zum Bater ihrer müß’gen Träume, 

Und zwängt dich ihren Grillen em. — Willkommen! 

Seid ihr ganz einig? 


Maaß für Maas. IV, 2. 235 


(Mariane und Iſabella kommen zurüd) 
Iſabella. 
Sie will die Unternehmung wagen, Vater, 
Wenn ihr ſie billigt. 
Herzog. 
Nicht ermahn' ich nur, 
Ich fordre, daß ſie's thut. | 
Sfabella. 
Zu fagen habt ihr wenig; 
Nur, wenn ihr von ihm ſcheidet, leiſ' und ſchwach: — 
„Gedenkt jebt meines Brudersl —“ 
Mariane, 
Fürchtet nicht. 
Herzog. 
Auch ihr, geliebte Tochter, fürchtet nichts. 
Er ift mit euch vermählt durch fein Verlöbniß: 
Euch fo zufammenfügen iſt nicht Sünde, 
Weil eures Anfpruchs unbeftrittnes Recht 
Den Trug zur Wohlthat macht, Kommt, geht hinein; 
Wer ernten will, muß exft den Saamen firew’n. 
(Gehn ab) 


Zweite Scene. 
Ein Simmer im Gefängniß. 
(Der Schließer und Pompejus treten auf) 
Schließer. 

Kommt einmal her, Burſch; könnt ihr wohl einem 

Menſchen den Kopf abſchlagen? 
Pompeijus. 

Wenn der Menſch ein Junggeſell iſt, Herr, ſo kann 
ichs; iſts aber ein verheiratheter Mann, ſo iſt er ſeines 
Weibes Haupt; und ich kann unmöglich einen Weiber- 
Sopf abfchlagen. 


236 Maaß für Maaß. IV, 2. 


Schließer. 

Hört, Freund, laßt die Narrenspoſſen, und antwor- 
tet mir geradezu. Morgen früh follen Claudio und 
Bernardino flerben;z wir haben hier im Gefängniß un- 
fern gewöhnlichen Scharfrichter, der einen Gehülfen im 
Dienft braucht: wenn ihres übernehmen wollt, ibm bei- 
zuftehn, fo follt ihr von euern Außfchellen Iosfommen ; 
wo nicht, fo habt ihr enre volle Zeit im Gefängniß aus- 
zubalten, und beim Abfchted noch ein unbarmberziges 
Auspeitſchen; denn ihr feid ein fladtfündiger Kuppler 
geweien. 

Pompeius. 

Herr, ich bin feit undenflicher Zeit ein unzünftiger 
Kuppler gewefen, aber jegt will ich mirs gefallen laffen, 
ein zünftiger Henfer zu werden. Es foll mir ein Ver— 
gnügen feyn, einigen Unterricht von meinem Amtobruder 
zu erhalten. 

Schließer. 
Heda, Grauslich! wo ſteckſt du, Grauslich? 


(Grauslich kommt) 


Grauslich. 

Ruft ihr, Herr? — 

Schließer. 

Seht einmal, hier iſt ein Burſch, der euch morgen 
bei der Hinrichtung helfen ſoll; wenns euch recht iſt, fo 
nehmt ihn an auf ein Jahr, und behaltet ihn hier bei 
euch; wo nicht, fo braucht ihn für diesmal, und laßt ihn 
gehn. Ihr Eönnt euch wegen der Ehre nicht unter ein- 
ander zanfen, denn er ift ein Kuppler gewefen. 

Grauslich. 
Ein Kuppler? Pfui, da verunehrt er unfre Kunſt. 
Schließer. 

Ach, geht nur! Ihr wiegt gleich viel; eine Feder 

wird auf der Wage den Ausſchlag geben. (ab) 





Mach für Maaß. IV,2. 237 


Pompejus. 

Wollt ihr nicht eine Ausnahme mit mir machen? 
Denn bis auf eure hängenden Augen nehmt ihr euch 
fehr gut ans. Ihr nennt alfo eure Handtirung eine 
Kunſt? 

Grauslich. 

Ja, Herr, eine Kunſt. 

Pompejus. 

Das Malen, Herr, habe ich ſagen hören, ſei eine 
Kunſt; und da die Huren, Herr, unter deren Regiment 
ich gedient habe, ſich aufs Malen verſtehn, ſo folgt, daß 
meine Handtirung eine Kunſt ſei: aber was für eine 
Kunſt im Hängen ſeyn ſollte — und wenn ihr mich hän- 
gen wolltet — das kann ich nicht einfehn. 


Grauslid. 
Herr, e8 iſt eine Kunſt. 

Pompejus. 
Beweis? 

Grauslich. 


Jedes ehrlichen Mannes Anzug muß für einen Dieb 
paſſen. 

Pompeijus. 

Freilich; denn ſind Anzug und Halsſchmuck ihm auch 
zu eng, der ehrliche Mann hält fie doch für weit genug; 
und findet euer Dieb fie zu vollfländig und derb, der 
ehrlihe Mann hält fie für eng genug. Auf die Weiſe 
muß jedes ehrlichen Mannes Anzug für den Dieb an- 
paſſend feyn. 

(Der Schließer fommt zurück) 
Schließer. 

Nun, ſeid ihr einig. 

Pompejus. 

Herr, ich will ihm dienen; denn ich ſehe, ſo ein 
Henker hat doch ein bußfertigeres Gewerbe, als ſo ein 
Kuppler; er bittet öfter um Vergebung. 


238 Maaß für Maaß. IV, 2. 


Schließer. 
Ihr da, haltet euer Beil und euern Block anf mor⸗ 
gen um vier Uhr in Bereitfchaft. 


Grauslich. 


Komm mit, Kuppler, ich will dich in meiner Hanb- 

tirung unterrichten; folge mir. 
Dompejus,. 

Sch bin fehr wißbegierig, Herr, und ich hoffe, wenn 
ihr einmal Gelegenheit habt, mich für euch ſelbſt zu 
brauchen, ihr ſollt mich rührig finden; und wahrhaftig, 
Herr, ihr habt fo viel Güte für mich, Haß ich euch wie- 
der gefällig feyn möchte. 

Schließer. 
Ruft mir jetzt Bernardin und Claudio her. — 
(Grauslich und Pompejus gehn ab) 
Der thut mir leid, doch jener Mörder nicht, 
Und wärs mein Sohn, verfiel, er dem Gericht. 
(Claudio tritt auf) 
Hier ift dein Todesurtheil, Claudio, lies. 
est iſt es Mitternaht; um acht Uhr früh 
Gehft du zur Ewigkeit. — Wo ift Bernardin? 
Claudio. 
So feſt im Schlafe, wie ſchuldloſe Arbeit, 
Wenn fie des Wandrers Glieder ſchwer belaſtet; 
Er wird nicht wach. 
Schließer. 
Ihm kann auch keiner helfen. 
Nun geht, bereitet euch. — Horcht, welch Geraͤuſch? 
(Man hoͤrt klopfen. Claudio geht ab) 
Gott woll' euch Troſt verleihn! Schon gut, ich komme! — 
Ich hoff’, es iſt Begnad'gung oder Auffchub 
Für unfern guten Claudio. — Willkommen, Bater! — 


Mach für Maag. IV,2. 239 


(Der Herzog tritt auf) 
Herzog. 
Der Nacht heilfamfte, beſte Geiſterſchaar 
Umgeb’ euch, guter Schließer! War hier Niemand? 
Schließer. 
Seitdem die Abendglock' ertönte, Niemand. 
Herzog. 
Nicht Iſabella? 
»Schließer. 
Nein. 
Herzog. 
Dann kommen fie. 
Schließer. 
Iſt Troſt für Claudio? 
Herzog. 
Ein'ge Hoffnung bleibt. 
Schließer. 
Das iſt ein harter Richter! — 
Herzog. 
Das nicht! das nicht! Sein Leben folgt genau 
Der ſtrengen Richtſchnur ſeines ernſten Rechts. 
In heiliger Enthaltſamkeit bezwingt er 
An ſich, was ſeine Herrſchermacht mit Nachdruck 
In Andern ſtrebt zu dämpfen. Schwaͤrzt' ihn ſelbſt, 
Was er beſtraft, dann wär’ er ein Tyrann; 
Doch fo iſt er gerecht. — Jetzt find fie da, — 
(88 wird geklopft. Schließer ab) 
Der Mann ift mild! Und felten, daß geneigt 
Der harte Schließer fih dem Menfchen zeigt! 
Bas giebts? Wer pocht? Das ift ein hafl’ger Geift, 
Der fo mit Klopfen fchlägt ans flile Thor! — 
(Der Schlieger fommt zurüd, und fpricht zn Einem draußen) 
Schließer. 
Laßt ihn noch warten, bis der Pförtner kommt 
Ihn einzulaſſen; er iſt unterwegs. 


240 Maaß für Maag. IV, 2. 


Herzog. 
Ward der Befehl noch nicht zurückgenommen? 
Muß Claudio morgen fterben? 
Schließer. 
Keine Aendrung! 
Herzog. 
Wie nah die Dämm'rung, Schließer, dennoch hoff' ich, 
Vor Tagesanbruch hört ihr mehr. 
Schließer. 
Vielleicht 
Wißt ihr etwas. Doch fürcht' ich ſehr, ihm wird 
Begnad'gung nicht. Nie ward ſolch Beiſpiel kund; 
Und überdieß hat ſelbſt vom Richterſtuhl 
Lord Angelo dem Ohr des ganzen Volks 
Das Gegentheil erklärt. 


(Ein Bote kemmt) 


Herzog. 
Ein Diener des Regenten. 
Schließer. 
Der bringt für Claudio die Begnadigung. 
Bote. 

Mein Herr ſendet euch dieſe Zeilen, und durch mich 
den mündlichen Auftrag, daß ihr nicht von dem kleinſten 
Punkt derſelben abweichen ſollt, weder in Zeit, Inhalt, 
noch ſonſt einem Umſtand. — Guten Morgen, denn ich 
denke, der Tag bricht ſchon an. (Bote geht ab) 

Schließer. 

Ich werde gehorchen. 


Herzog. 
Sein Gnadenbrief! Erkauft durch ſolche Sünden, 
Die den Begnad'ger ſelbſt als Frevler künden! 
Da blüht den Laſtern ſchnell und leicht Gedeihn, 
Wo Macht und Hoheit ihnen Schutz verleihn. 
Wirkt Sünde Huld, wird zuviel Huld geübt, 


Maaß für Maaß. IV,2. 241 


Weil fie des Frevels halb den Frevel liebt. — 
Nun Herr? Was fchreibt er euch? 
Schließer. 

Wie geſagt, Lord Angelo, der mich vermuthlich nach- 
Läſſig im Dienft glaubt, ermuntert mich durch dieß um- 
gewöhnliche Treiben. Mir ſcheint dieß feltfam, denn es 
war früher nie feine Gewohnheit. 

Herzog. 
Ich bitt' euch, laßt doch hören. 
Schließer. (lieſt) 

„Was ihr auch immer vom Gegentheil hören mögt, 
„laßt Claudio um vier Uhr hinrichten, und Nachmittags 
„den Bernardin. Zu beſſerer Verſicherung ſchickt mir 
„Claudio's Kopf um fünf. Laßt dieß genau vollzogen 
„werden, und ſeid eingedenk, daß mehr hieran liegt, als 
„wir euch für jetzt mittheilen dürfen. Verfehlt daher 
„nicht, eure Pflicht zu thun, indem ihr auf eigne Gefahr 
„dafür ſtehen müßt.” — Was ſagt ihr dazu, Hear? — 

Herzog. 

Wer iſt der Bernardin, der dieſen Nachmittag ent⸗ 
hauptet werden ſoll? 

Schließer. 

Ein Zigeuner von Geburt, doch hier im Lande er⸗ 
z0gen und groß geworben; er fißt ſchon feit neun Jahren 
gefangen. — 

Herzog. 

Wie fommt es, daß ihn der abwefende Herzog nicht 
entweber in Freiheit feste, ober hinrichten ließ? Wie 
ich höre, pflegte er immer fo zu verfahren. 

Schließer. 

Seine Freunde wirkten beftändig Aufſchub für ihn 
aus, und in der That warb fein Verbrechen erft unter 
Lord Angelo’s Regierung unzweifelhaft erwiefen. 

Herzog. 

Iſt es jetzt dargethan? — 

X. 16 


242 Maaß für Maaß. IV,2. 


Schließer. 
Ganz offenbar, und von ihm ſelbſt eingeſtanden. 
Herzog. 

Hat er Reue im Gefängniß an den Tag gelegt? 

Scheint er gerührt zu ſeyn? 
Schließer. 

Ein Menſch, dem der Tod nicht fürchterlicher vor⸗ 
kommt, als ein Weinrauſch; ſorglos, unbefümmert, furdht- 
. 108 vor Vergangenheit, Gegenwart und Zufunft; ohne 
Shen vor dem Tod, und ein ruchlofer Mörder, 

Derzog. Ä 

Ihm fehlt Belehrung. 

Schließer. 

Die hört er nicht an; er hat jederzeit viel Freiheit 
im Gefaͤngniß gehabt; man könnte ihm freiſtellen zu ent=- 
fliehen, er würbe es nicht thun. Er beraufcht fich mehr- 
mals am Tage; oft iſt er mehrere Tage hinter einander 
betrunfen. Mehr als einmal haben wir ihn gewedt, ale 
wollten wir ihn zur Hinrichtung führen, und ihm einen 
oorgeblichen Befehl dafür gezeigt: es hat nicht den min- 
deften Eindruck auf ihn gemacht. 

Herzog. 

Hernach mehr von ihm, Auf eurer Stimm, RKerfer- 
meifter, ftehn Redlichkeit und Entfchloffenbeit gefchriebenz 
lefe ich nicht recht, fo täufcht mich meine alte Erfahrung. 
Indeß, im Vertrauen auf mein fichres Urtheil will ichs 
drauf wagen. Claudio, für deſſen Hinrichtung ihr jest 
den Befehl Habt, iſt dem Geſetz nicht mehr verfallen, als 
Angelo, der ihn verurtheilt hat. Euch davon durch eine 
angenfcheinliche Probe zu verfichern, bedarf es nur eines 
Aufſchubs von vier Tagen, während deffen ihr mir eine 
augenblickliche und gewagte Gefälligkeit erzeigen follt. 

Schließer. 

Und worin, ehrwürdiger Herr? 





Man für Maaf. IV, 2. 243 


Herzog. 

Indem ihr feinen Tod verfchiebt! 

Schließer. 

Ach, wie kann ich das? da mir die Stunde beſtimmt, 
and der ausdrückliche Befehl zugeſandt iſt, bei Todes. 
firafe feinen Kopf dem Angelo vor Augen zu bringen? 
Ich würde mir Claudio's Schidfal zuziehn, wollte ich 
nur im’ Geringflen hievon abweichen. 

Derzog. 

Bei meinem Ordensgelübde will ich euch für alles 
einftehn, wenn ihr meiner Leitung zu folgen wagt. Laßt 
diefen Bernardin heut Morgen Hinrichten, und ſchickt fei- 
nen Kopf dem Angelo. 

Schließer. 

Angelo ſah fie beide, und würde das Geſicht er- 
fennen. 

Herzog. 

D, der Tod iſt Meifter im Entflellen, und ihr könnt 
ihm zu Hülfe kommen. Scheert ihm das Haupt, fürzt 
ihm den Bart, und fagt, der reuige Sünder habe dieß 
vor feinem Tode fo verlangt: Ihr wißt, daß der Fall 
häufig vorkommt. Wenn euch irgend etwas hieraus er- 
wähft, als Dank und gutes Glück: bei dem Heiligen, 
dem ich mich geweiht, fo will ichs mit meinem Leben 
vertreten, 

Schließer. 
Verzeiht mir, guter Pater, es iſt gegen meinen Eid. 
Herzog. 

Schwurt ihr dem Herzog oder feinem Statthalter? 

| Schließer. 

Dem Herzog und ſeinem Stellvertreter. 

Herzog. 

Ihr würdet nicht glauben, euch vergangen zu haben, 

wenn der Herzog dieß Verfahren billigte? 
16 ® 


244 Maaß für Man. IV,2. 


Schließer. 
Aber welche Wahrſcheinlichkeit Hätte ich dafür? 
Herzog. 

Nicht nur eine Möglichkeit, nein, eine Gewißheit. 
Doch weil ich euch furchtfam fehe, und weder meine Or- 
denstracht, meine Kautre Gefinnung, noch meine Ueber- 
redung euch gewinnen Fönnen, fo will ich weiter gehn, 
als ich mirs vorgefeßt, um alle Furcht in euch zu ver⸗ 
nichten. Seht her, Freund! bier ıfl des Herzogs Hand- 
fchrift und Siegel. Ihr kennt die Schrift ohne Zweifel, 
und das Petfchaft wird euch nicht fremd feyn. 

Schließer. 

Ich kenne ſie beide. 

Herzog. 

Dieſer Brief meldet des Herzogs Rückkehr; ihr ſollt 
ihn ſogleich nach Gefallen durchleſen, und werdet ſehn, 
daß er binnen zwei Tagen hier ſeyn wird. Dieß iſt ein 
Umſtand, den Angelo nicht weiß; denn eben heut erhaͤlt 
er Briefe von fonderbarem Inhalt: vielleicht daß der 
Herzog geftorben, vielleicht daß er in ein Klofler gegan- 
gen fei; aber wohl nichts von dem, was hier gefchrieben 
ſteht. Seht, der Morgenftern macht den Schäfer ſchon 
munter. Staunt nicht zu fehr, wie alles dieß zufammen- 
hängt; alle Schwierigkeiten find Teichter, wenn man fie 
kennt. — Ruft eure Scharfrichter, und herab mit Ber- 
nardino’s Haupt; ich will fogleich feine Beichte hören, 
und ihn für ein beff’ces Leben vorbereiten. Ich ehe, 
ihr feid noch erflaunt; aber dieß muß euch durchaus zur 
Entfihliegung bringen. Kommt mit, es ift ſchon lichte 
Dämmerung. (Beite ab) 


Maaß für Maaß. IV, 8. 245 


Dritte Seene. 
(Pompejus tritt auf) 


Pompejus. 

Ich bin Bier fo befannt, als ichs in unferm eignen 
Haufe war; man follte meinen, es wäre das Haus ber 
Frau Ueberley, denn hier Tommen eine Menge von ihren 
alten Kunden zufammen. Fürs Erfte ift hier der junge 
Herr Raſch; der ſitzt Hier für eine Proviſion von Pad- 
papier und altem Ingwer, Hundert fieben und neunzig 
Pfund zufammen, woraus er fünf Mark baares Geld 
gemacht; freilih muß der Ingwer eben nicht ſehr ge— 
ſucht gewefen ſeyn, und bie alten Weiber waren wohl 
eben alle geftorben. Dann ift hier ein Herr Capriole, 
den Meifter Dreihaar, der Seidenhändler, eingeflagt hat: 
für ein drei oder vier Stüd ſchwarzen Atlas hat er ihn 
in unfre Gefellfhaft eingefihwärzt. Dann haben wir 
bier den jungen Schwinblich, und den jungen Herrn Fluch⸗ 
maul, und Herrn Kupferfporn, und Herrn Hungerbarım, 
den Dolch- und Degenmann, und den jungen Fegefad, 
ber den Iufligen Pudding tobt ſchlug; und Junker Stich- 
feft, den Klopffechter, und den ſchmucken Herrn Schuh- 
riem, den weitgereiften; und den wilden Halbnöfel, der 
dem Krug den Garaus machte, und ich glaube ihrer 
vierzig mehr; lauter tapfre Leute in unfrer Handtirung, 
und werben jebt heimgefucht um des Herrn willen. 


(Grauslich fommt) 


Grauslich. 
Fort Kerl Hol’ uns Bernardin her! — 
Bompejus. 
Meifter Bernardin! Ihr müßt wach werben und 
euch hängen laſſen! Meiſter Bernardin! — 


246 Waaß für Maaf. IV, 8. 


Grauslich. 

He, Hollal Bernardin! — 

Bernardin. 

Daß euch das Donnerwetter übern Hals kämel Wer 

macht den Lärm da? Wer fein ihr? 
DBompeins. 

Ener guter Freund, mein Herr, ber Henker! ihr 
müßt fo gut feyn, mein Herr, und anffiehn, und euch 
Sinrichten laſſen! 

Bernardin. 

Fort du Schurke, fort ſag' ich, ich will ſchlafen. 
Grauslich. 

Sag' ihm, er muß wach werden, und das gleich. 
Pompeius. 

Bitt' euch, Meiſter Bernardin, werdet nur wach, 
bis man euch hingerichtet Hat, nachher fönnt ihr weiter 


ſchlafen. 
Grauslich. 
Geh hinein, und hol' ihn heraus. 
Pompejus. 
Er kommt ſchon, Herr, er kommt ſchon; ich höre ſein 
Stroh raſcheln. 
(Bernardin tritt auf) 
Grauslich. 
Iſt das Beil auf dem Block, du? 
Pompejus. 
Fix und fertig, Herr. 
Bernardin. 
Nun, Grauslich? Was habt ihr vor? 
Grauslich. 

Im Ernſt, Freund, macht euch dran, und haſpelt 
ener Gebet herunter; denn, ſeht ihr, der Befehl iſt da. 
Bernardin. 

Ihr Schurke, ich habe die ganze Nacht durch ge- 
foffen; es iſt mir ungelegen. 





Maaß für Maaß. IV, 8. 247 


Pompeius. 
Ei defto beffer; wenn er die ganze Nacht burch ge- 
foffen Hat, und man hängt ihn den Morgen früh, da hat 
er den andern Tag, um auszufchlafen. 


(Der Herzog fommt) 


Grauslich. 

Seht Freund, da kommt euer Beichtvater. Meint 

ihr noch, es fei Spaß? hei 
Herzog. 

Mein Freund, ich hörte, wie bald ihr bie Welt ver- 
laſſen müßt, und fam aus chrifllicher Nächftenliebe euch 
zu ermahnen, zu tröften und mit euch zu beten. 

Bernardin. 

Pater, daraus wird nichts. Ich habe die ganze 
Nacht ſcharf geſoffen, und muß mehr Zeit haben mich zu 
befinnen, fonft follen fie mir das Hirn mit Keulen her- 
ansfchlagen. Ich thu's nicht, daß ich mich heut Hinrich“ 
ten laſſe; dabei bleibts. \ 

Herzog. 

D Freund, ihr müßt; und darum bit’ ich euch, 

Schaut vorwärts auf den Weg, der euch bevorſteht. 
Bernarbim. 

Ich ſchwöre aber, daß Fein Menſch mich dazu brin⸗ 
gen fol heut zu flerben. 

Derzog. 

Sp hört nur! . 

Bernardin. 

Nicht ein Wort! Wenn ihr mir was zu fagen habt, 
tommt in mein Gefängniß, denn ich will heut feinen 
Schritt heransthun. - (ab) 


(Der Schließer kommt zurüd) 


Herzog. 
Ganz unbereit 


248 Maaß für Maaß. IV, 8. 


Zum Leben wie zum Tod. O fleinern Herz! — 
Ihm nach, Gefellen, führt ihn Hin zum Block! 
(Grauslich und Pompejus ab) 
Schließer. 
Nun, Herr, wie fandet ihr den Delinquenten? 
| Herzog. 
Durchaus verftoct, unfertig für den Tod; 
In der Berfaffung ihn hinauszuführen 
Wäre verbammlic. 
Schließer. 
Hier im Kerker, Vater, 
Starb dieſen Morgen grad' am hitz'gen Fieber 
Ragozyn, ein berüchtigter Pirat, 
Ein Mann von Claudio's Alter: Bart und Haare 
Genau von gleicher Farbe. Sagt, wie wär's, 
Wenn wir dem Moͤrder Zeit zur Buße gönnten, 
Und täufchten den Regenten mit dem Kopf 
Des Ragozyn, der mehr dem Claudio gleicht? — 


Herzog. 
Das ift ein Glücksfall, den der Himmel fendet, 
Verfügt es augenblicks; es naht die Zeit, 
Die Angelo beſtimmt. Mit Pünktlichkeit 
Bollzieht den Auftrag, während ich durch Lehre 
Den Rohen dort zu reu'gem Tod befehre. 

Schließer. 

Das ſoll geſchehn, Ehrwürd'ger, unverzüglich; 
Doch Bernardin muß dieſer Abend ſterben. 
Und wie verfährt man weiter nun mit Claudio, 
Und wendet die Gefahr, die mich bedroht, 
Wird es befannt, daß er noch lebt? 

Derzog. 
Berfügt es fo: bringt in geheime Haft 
Bernarbin fo wie Claudio; eh die Sonne 
Zweimal in ihrem Tageslauf gegrüßt 


Maaß für Maaß. IV, 8. 249 


Die untern Erdbewohner, findet ihr 
Vollkommne Sicherflellung. 
Schließer. 
Ich thu' mit Freuden, wie ihr ſagt. 
Herzog. 
So eilt, 
Beſorgts, und ſchickt das Haupt dem Angelo. 
(Schlieger ab) . 
Nun fchreib’ ich Briefe gleich dem Angelo 
(Der Schließer bringt fie ihm), nach deren Juhalt 
Ihm Meldung wird, ich fei der Heimath nah, 
Und dag ein wicht’ger Anlaß mich beflimmt 
Zu Öffentlihem Einzug. Ihn entbiet’ ich 
Mir zu begegnen am geweihten Duell, 
Zwei Stunden vor der Stadt; von dort aus dann, 
Durch ruhig Steigern der gewicht’gen Schalen, 
Berfahren wir mit Angelo. 
(Der Schlieger fommt) 
Schließer. 
Hier iſt der Kopf, ich trag' ihn ſelber hin. 
Herzog. 
So iſts am ſicherſten. Kehrt bald zurück, 
Denn Manches muß ich euch vertraun, das ſonſt 
Rein Ohr vernehmen darf. 
Schließer. 
Ich will mich eilen. 
(Schließer ab) 
Iſabella. (draußen) 
Friede mich euch! Macht auf! Iſt Keiner da? 
Herzog. 
'S iſt Iſabellen's Ruf: fie kommt, zu hören, 
Ob ihrem Bruder Gnade ſei gewährt; 
Do bleib’ ihr feine Rettung noch verbehlt, 
Daß aus Verzweiflung Himmelstroft ihr werde, 
Wenn fies am mind’ften hofft. 


250 Manag für Maag. 1V,3. 


(Sfabella tritt auf) 
Iſabella. 
Bergönnt, o Herr! — 
Herzog. 
Seid mir gegrüßt, mein ſchönes, frommes Kind! 
Iſabella. 
Ein lieber Gruß von ſolchem heil'gen Mund! — 
Hat ſchon der Bruder Freiheit vom Regenten? — 
Herzog. 
Er hat ihn, Tochter, von der Welt erlöſt; 
Das abgefchlagne Hanpt warb ihm gefanbt. 
Iſabella. 
Nein doch! es iſt nicht fol 
Herzog. 
Es iſt nicht anders! — 
Zeigt eure Weisheit, Yungfrau, durch Ergebung. 
Iſabella. 
Ich will zu ihm, ausreißen ihm die Augen! — 
Herzog. 
Er wird gewiß den Zutritt euch verweigern. 
Iſabella. 
Weh, armer Claudio! Weh dir, Iſabellal — 
Grauſame Welt! verdammter Angelo! — 
Herzog. 
So ſchadet ihr ihm nicht, noch helft ihr euch; 
Seid ruhig dann, ſtellt Gott die Sach' anheim. 
Merkt, was ich ſage: jede Sylbe ſollt ihr 
Glaubwürdig, zuverläßig wahrhaft finden. 
Der Fürſt kehrt morgen heim: — nein, weint nicht fo! 
Ein Bruder unfers Ordens, und fein Beicht’ger 
Gab mir die Nachricht; auch gelangte ſchon 
An Escalus und Angelo die Runde: 
Sie follen ihm am Thor entgegen ziehn, 
Ihr Amt zurüd dort geben. Könnt ihre, wandelt 
Mit Klugheit auf dem Pfad, den ich euch zeige, 





Maag für Maag. IV, 8. 


Und ihr kühlt euern Sinn an dem Verworfnen, 
Euch wird des Fürften Huld, dem Herzen Rache, 
Und allgemeines Lob. 
Sfabelle. 
Ich folg’ euch gern. 
Herzog. 
So gebt dem Bruder Peter diefen Brief, 
Er ifls, der mir des Herzogs Heimkehr fchrieb, 
Sagt, auf dieß Zeichen lad’ ich ihn heut Nacht 
In Marianen’s Wohnung. Ihre Sach’ und eure 
Leg’ ich in feine Hand; er bringt euch vor 
Den Fürften,; dann dem Angelo ins Antlitz 
Klagt lauter ihn und lauter an. Ich Armer 
Din durch ein heiliges Gelübd' gebunden, 
Das fern mid) Hält. Nun geht mit diefem Brief, 
Erleichtert euer Herz, und bannt vom Aug’ 
Dieß berbe Naß — traut meinem beil’gen Orden, 
Sch rath' eu'r Beftes. — Wer da? 
(e ucio fommt) 
Lucio. 


Mönch, Sag, wo iſt der Schließer? 
Herzog. 


Nicht zugegen. 


Lucio. 


251 


Guten Abend! 


O ſchöne Iſabella, mein ganzes Herz erblaßt, deine 
Augen fo roth zu fehn! du mußt dich in Geduld faffen. 
Ich muß mid auch drin finden, Mittags und Abends 
mit Waſſer und Brod zufrieden zu ſeyn; fo lieb mein 
Kopf mir ift, darf ich meinen Bauch nicht füllenz eine 


einzige derbe Mahlzeit, und ich wäre geliefert. 
wie es heißt, fommt der Herzog morgen wieder. 


Aber 


Ber 


meiner Seele, Iſabella, ich Tiebte deinen Bruder; hätte 
nur der alte phantaftifche Herzog, der Winfelfriecher zu 
Haufe gejeflen, er lebte noch! ( Iſabella geht ab) 


252 Maag für Maaß. IV, 3. 


Herzog. 

Herr, der Herzog ift enern Reden über ihn außer⸗ 
ordentlich wenig Dank ſchuldigz das Beſte iſt nur, daß 
eure Schildrung ihm nicht gleicht. 

Rucio. 

Geh nur, Mönch, du fennft den Herzog nicht fo, wie 

ich; er iſt ein beff’rer Wildſchütz, als du denkſt. 
Herzog. 

Nun, ihr werbet dieß einmal zu verantworten haben. 
Lebt wohl! 

Lucio. 

Nein, wart’ noch, ich gehe mit dir; ich kann bir 
hübſche Sefchichten von dem Herzog erzählen. 

Herzog. 

Ihr Habt mir ſchon zu viele erzählt, wenn fie wahr 
find; und find fies nicht, fo wäre eine einzige zu viel. 
Lucio. 

Sch mußte einmal vor ifm erfcheinen, weil eine Dirne 
von mir fhwanger geworden war. 

Herzog. 

Iſt euch fo etwas begegnet? 

Lucio. 

Nun freilich war fies von mir; aber ich ſchwur die 
Geſchichte ab; ich Hätte ſonſt die faule Mispel heirathen 
müflen. 

Herzog. 

Herr, eure Gefellfchaft ift mehr unterhaltend als 

anftändig; ſchlaft wohl! 
Lucio. 

Mein Seel, ich bringe dich noch bis an bie Ede. 
Wenn dir Zotengefchichten zuwider find, fo wollen wir 
die nicht zu viel anftifchen — ja, Mönch, ich bin eine 
Art von Klette, ich hänge mich an. (Gehn ab) 





Maaß für Maag. IV, 4 253 


Bierte Scene 
- &in Zimmer in Angelo's Haufe. 
(Angelo und Escalus treten auf) 


Escalus. 

Jeder Brief, den er ſchreibt, widerfpricht dem vor⸗ 
hergehenden. 

Angelo. 

Auf die ungleichſte und widerſinnigſte Weiſe. Seine 
Handlungen erſcheinen faſt wie Wahnſinn; der Himmel 
gebe, daß fein Verſtand nicht gelitten habel Und warum 
ihm vor dem Thore entgegen fommen und unfre Aemter 
dort nieberlegen? — 

Escalus. 

Ich errathe es nicht. 

Angelo. 

Und warum ſollen wir eben in der Stunde ſeiner 
Ankunft ausrufen laſſen, daß wenn Jemand über Unrecht 
zu Hagen bat, er fein Geſuch auf offener Straße an- 
bringen möge? 

Escalus. 

Hierfür giebt er Gründe an: er will alle Klagen 
auf einmal abthun, und ung’ für die Zukunft vor Strei«- 
tigfeiten ficher fteflen, die alsbann Feine Kraft mehr ge- 
gen uns haben follen. 

Angelo. 
Wohl; ich erſuch' euch, machts der Stadt befannt. 
Auf naͤchſten Morgen früh hol’ ich euch ab; 
Und theilt es allen mit, die Rang und Amt 
Defugt, ihn einzuholen. 

Escalus. 
Das will ich, Herr; fo lebt denn wohl! 


254 Maaß für Maag. IV, 5 


Augelo. 
Ent Naht! — 
(Escalus geht ab) 
Die That nimmt allen Halt mir, flumpft den Sinn 
Und lähmt mein Handeln. — Ein entehrtes Mädchen! — 
Und dur den höchften Richter, der die Strafe 
Geſchärft! Wenn zarte Scheu ihr nicht verwehrte 
Den jungfräulichen Raub befannt zu machen, 
Wie fönnte fie mich zeichnen! Doch Vernunft 
Zwingt fie zum Schweigen. Denn des Zutrauns Wucht 
Folgt fo gewaltig meiner Würd’ und Hoheit, 
Daß, wagt der Fäftrer einzeln dran zu rühren, 
Er fih vernichtet. — Mocht’ er Ieben bleiben! 
Doch feiner wilden Jugend hitzig Blut 
Konnt' einft in Zukunft wohl auf Rache denken, 
Wenn ihm ein fo entehrtes Leben ward 
Erfauft durch folhe Schmach. — Lebt’ er doch lieber! — 
Ah, wenn ung erft erlofch der Gnade Licht, 
Nichts geht dann recht, wir wollen, wollen nicht! — 
(Geht ab) 


Sünfte Scene, 
Feld vor der Stadt. 


(Es treten auf der Herzog in eigner Tracht, und Bruder 
Peter) 
Herzog. 

Die Briefe bringt mir zur gelegnen Zeitz 

(giebt ihm Briefe) 
Der Schließer weiß um unfern Zwed und Plan. 
Die Sach’ ift nun im Gang; folgt eurer Borfchrift, . 
Und fchreitet feft zum vorgefeßten Ziel, 
Wenn ihr auch manchmal ablenft hier und bort, 
Wie fich der Anlaß beut. Geht vor beim Flavins, 
Und fagt ihm, wo ich ſei; das Gleiche meldet 


Maaß für Maaf. IV,6. 255 


Dem Balentin, dem Roland und dem Eraffus, 
Und heißt zum Thor fie die Trompeten ſenden; 
Doch Flavius ſchickt zuerſt. 

Peter. 
Ich werd' es ſchnell beſorgen. (Geht ab) 

(Barrius tritt auf) 

Derzog. 
Danf, Barrius, daß du kamſt in folcher Eil; 
Komm, gehn wir, denn es giebt noch andre Freunde, 
Die uns begrüßen wollen, lieber Varrius. 

(Alle gehn ab) 


Sehste Scene. 


Straße beim Thor. 
(Sfabella und Mariane treten auf) 


Sfabella. 
Die unbeftimmte Reden fällt mir fchwer; 
Gern fpräch ich wahr; doch fo ihn anzuflagen 
Sf enre Rolle. — Dennoch muß ichs thun, 
Um unfern Plan zu bergen, wie er fagt. 

Mariane, 
Folgt ihm nur ganz. 

Iſabella. 
Und ferner warnt er, daß, wenn allenfalls 
Er ſpräche wider mich für meinen Feind, 
Michs nicht befremden ſoll: es ſei Arznei, 
Bitter, doch heilſam. 

Mariane. 

Wenn nur Bruder Peter..... 

Iſabella. 

O ſtill, da kommt er ſchon. 
(Bruder Peter tritt auf) 
Peter. 

Kommt, Fräulein, einen böchft gelegnen Platz 


256 Maaß für Naaß. V, J. 


Fand ich, wo euch der Herzog nicht entgeht. 
Zwei Mal gab die Trompete ſchon das Zeichen; 
Die Edeln nebſt den Würdigſten der Stadt 
Sind ſchon am Thor verſammelt, und alsbald 
Beginnt des Herzogs Einzug. Darum eilt! — 
(Sie gehn ab) 


Sünfter Aufzug. 


Erſte Scene. 
Gin öffentlicher Plag am Thor. 


(Ben der einen Seite treten auf Mariane, verfchleiert; 
Sfabella und Bruder Peter; — von ber andern ber 
Herzog, Barrius, Herren vom Hofe, Angelo, 
a Lucio, der Schließer und Bürger aus der 

ta ‘ 


Herzog. 
Seid mir willfommen, mein fer würb’ger Better; 
Ans freuts, zu fehn euch, alter, treuer Freund, 
Angelo und Escalus, 
Deglüdt fei Eurer Hoheit Wiederkehr! 
Herzog. 
Euch Beiden herzlichen, vielfachen Danf. 
Wir haben uns erfundigt, und vernehmen 
So trefflih Lob von eurer Staatsverwaltung, 
Wie’s öffentlichen Danf von uns erheifcht, 
Dis auf vollfommnern Lohn. 
Angelo. 
Euch um fo mehr verpflichtet! 


Maaß für Maag. V,1. ‘ 257 


Herzog. 
O1! ſolch Verdienft fpricht laut; ich thät' ihm Unrecht, 
Schlöſſ' ichs in meiner Bruſt verfchwiegne Haft, 
Da es verbient, mit erzuer Schrift bewahrt 
Unwandelbar dem Zahn der Zeit zu trotzen, 
Und des Bergeffens Sichel. Reicht die Hand, 
Zeigt euch dem Volk, damit es fo erfahre, 
Wie änfre Höflichkeit gern laut verfündet 
Des Bufens innre Liebe. Escalus, 
Kommt herz fleht Hier zu meiner andern Hand — 
Sa, ihr feid wackre Stüben! — 


(Binder Peter und Ifabella treten auf) 


Peter. 
Nun iſt es Zeit; ſprecht laut, und kniet vor ihm! 
Iſabella. 
Gerechtigkeit, mein Fürſt! Lenkt eunern Blick 
Auf die gekraͤnkte — ach! gern ſagt' ich, Jungfraul — 
O edler Fürſt, entehrt nicht euer Auge, 
Auf irgend einen andern Gegenſtand es wendend, 
Bis ihr vernommen die gerechte Klage, 
Und Recht mir zugeſprochen! Recht, Recht, Recht! — 
Herzog. 
Gekraͤnkt? Worin? Bon wem? Erzählt es kurz: 
Hier ift Lord Angelo, der fihafft euch Recht; 
Entdeckt ihm euern Fall. 
S$fabella. 
D edler Herzog, 
Ihr Heißt Srlöfung mich beim Teufel flehn! 
Hört felbft mich an; denn was ich reden muß, 
Heifcht Strafe gegen mich, glaubt ihr eg nicht; 
Sonſt ſchreits um Rache. Hört! o Hört mich hier! — 
Angelo. 
Mein Fürft, ich forg’, es bat ihr Kopf gelitten. 
X. 17 


258 Mach für Maag. V, J. 


Sie bat um Gnade mich für ihren Bruder, 
Der flarb im Lanf des Nechts, 


Iſabella. 
Im Lauf des Rechts? — 
Angelo. 
Und bitter wird ſie nun und ſeltſam reden. 


Iſabella. 
Höhft ſeltſam, doch höchſt wahrhaft werd' ich reden. 
Daß Angelo meineibig ift; wie feltfam! 
Daß Angelo ein Mörder iſt; wie feltfam! 
Daß Angelo ein dieb’fcher Ehebrecher, 
Ein Heuchler und ein Jungfrau’nfchänver ifl, 
Iſt das nicht feltfam? ſeltſam? 


Herzog. 
Zehnfach ſeltſam! 
Iſabella. 

Nicht wahrer iſts daß Augelo er ſei, 
Als daß dieß Alles ganz ſo wahr, als ſeltſam; 
Ja, zehufach wahrer; Wahrheit bleibt ja Wahrheit, 
Wie wir die Summe ziehn! 

Herzog. 

Fort mit ihr! Aermſte, 

In ihrem Wahnſinn ſpricht fie fol 

Iſabella. 
Fürſt, ich beſchwöre dich (ſo wahr du glaubſt, 
Es ſei noch andres Heil, als hier auf Erden), 
Verwirf mich nicht im Wahn, ich ſei geſtört 
Durch Tollheit. Mach' nicht zur Unmöglichkeit, 
Was nur unglaublich ſcheint: 's iſt nicht unmöglich! 
3a, der verruchtfie Frevler auf der Welt 
Kann ſtreng erfcheinen, fromm, verfhämt, vollkommen, 
Wie Angelo: fo mag auch Angelo 
In aller Haltung, Würde, Hoheit, Form, 


Maaß für Maaß. V, J. 239 


Doch ein Erz- Schurfe feyn: glaub’, wär’ er wen’ger, 
Sp wär’ er nichts, mein Fürfl: doch er iſt mehr; 
Hätte ich mehr Namen nur für Schändlichkeit! — 


Herzog. 
Bei meiner Ehre! 
Iſt ſie verrückt, — und anders glaub ich nicht, — 
Sp hat ihr Unfinn feltne Form von Sinnz 
Sp viel Zufammendang von Wort zu Wort, 
Als ich bei Tollheit nie gehört. 
Iſabella. 
O Fürſt, 
Nicht dieſes Wort! Verbanne nicht Vernunft 
Als widerſprechend; nein, laß deine dienen, 
Wahrheit hervorzurufen, die verhüllt 
Das Laſter birgt, das tugendgleich erſcheint. 
Herzog. 
Manchem Gefunden fehlt wohl mehr Verſtand. — 
Was wohtft du fagen? — 
Iſabella. 
Ich bin die Schweſter jenes Claudio, Herr, 
Der wegen Unzucht ward verdammt zu büßen 
Mit ſeinem Haupt; verdammt von Angelo. 
Zu mir, — Novize einer Schweſterſchaft, 
Schickte mein Bruder: ein gewiſſer Lucio 
Ram mit der Nachricht ..... 
Lucio. | 
Das bin ich, mit Gunſt. 
Ich Fam, gefandt von Claudio, und bewog fie, 
Ihr rührend Fürwort bei Lord Angelo 
Für ihren armen Bruder zu verſuchen. 


Iſabella. 
Herzog. (zu Lucio) 


Euch hieß man nicht zu reden. 
17.* 


Ja, diefer iſts. 


260 Naaß für Maag. V, 1. 


Lucio, 
Nein, gnäb’ger Herr, 
Doch auch zu fchweigen nicht. 
Herzog. 
Sp thu' ichs jetzt; 
Ich bitt' euch, merkt euch das, und habt ihr einſt 
Zu ſprechen für euch ſelbſt, dann fleht zum Himmel, 
Daß ihr nicht ſtecken bleibt. 
Lucio. 
Herr, dafür ſteh' ich. 
Herzog. 
Steht für euch ſelber! Nehmt euch wohl in Acht! 
Iſabella. 
Der Herr erzählte den Beginn der Sache. 


Lucio. 
Recht! 
Herzog. 


Recht mags ſeyn; doch ihr ſeid ſehr im Unrecht, 
Zu ſprechen vor der Zeit. — Fahrt fort. 


Iſabella. 
Ich kam 
Zu dieſem gottlos ſchändlichen Regenten, ..... 
Herzog. 
Das ſieht faſt aus, wie Wahnſinn! 
Iſabella. 


Herr, verzeiht, 
Das Wort paßt für die Sache. 


Herzog. 

Kann ſeyn! — Zur Sache denn: fahrt fort, ich bitt' euch. 
Iſabella. 

Kurz denn, um zu verſchweigen, was nicht Noth: 

Wie ich ihm zuſprach, wie ich bat und kniete, 

Wie er mich abwies, was er drauf erwiedert — 


Maaß für Maaß. V,1. 261 


Denn fo verging viel Zeit, — beginn’ ich gleich 
Den fchnöden Schluß mit Schmerz; und Scham zu 
Magen. 
Nur für das Opfer meiner Keufchheit ſelbſt 
An feine lüflern ungezähmte Gier, 
Sprach er den Brurer frei. Nach Iangem Kampf 
Siegt fhwefterlihes Mitleid über Ehre, 
Und ich ergab mich ihm; doch nächſten Morgens, 
Im Uebermaaß der Bosheit, fordert er 
Des armen Bruders Haupt. 
Herzog. 
Traun, höchſt wahrfcheinlich! 
Iſabella. 
O wär’ es fo wahrſcheinlich, als es wahr iſt! 
Herzog. 
Ha, thöricht Ding, du weißt nicht, was du ſprichſt, 
Oder biſt zur Verläumdung angeſtiftet 
Durch gift gen Haß. Zuerſt iſt ſeine Tugend rein 
Und fleckenlos; dann wär’ es widerſinnig, 
Mit folcher Tyrannei den Fehl zu ſtrafen, 
In den er ſelber fiel. Sündigt' er alſo, 
Dann wägt’ er deinen Bruder nach ſich ſelbſt, 
Und nicht vertifgt’ er ihn. Nein, du bift angeftiftetz 
Geſteh' es frei, und fag, auf weſſen Rath 
Du diefe Klage vorbringft? 
Iſabella. 
Iſt dieß Alles? 
Dann, o ihr gnadenreichen Engel droben, 
Stärkt mit Geduld mich, und zu reifer Zeit 
Entdeckt die Unthat, die ſich hier verhüllt 
In höherm Schutz! Gott hüt' euch ſo vor Wehe, 
Wie ich gekränkt, geſchmäht von hinnen gehe. 
Herzog. 
Ich weiß, ihr gingt wohl gern — ruft einen Häfcher, 


262 Maag für Maag. V,1. 


Dringt fie in Haft. Wiel ſollt' ichs ruhig anfehn, 
Daß Gift und Laͤſt'rung treffe ſolchen Freund, 
Der uns fo nah? Gewiß! Hier waltet Trug. 
Wer weiß von euerm Plan? und dag ihr Famt? 


Sfabella. 
Einer, den ich her wünfchte: Pater Ludwig. 
Herzog. 
Ihr Beicht’ger wohl. — Kennt Jemand diefen Ludwig? 
Lucio. 
Sch fenn’ ihn, Herr: in Alles mengt er fich, 
Mir tft er widrig; ſchützt' ihn nicht die Kutte, 
Um feine Reden wider Eure Hoheit, 
Als ihr entfernt, hätt’ ich ihn derb gebläut. 
Herzog. 
Was, Reden wider mich? welch faubrer Minh! — 
Und hier dieß arme Mädchen anzuhetzen 
Auf unfern Stellvertreter! Schafft ven Mönch. — 
Lucio. 
Noch geſtern Abend ſah ich ihn, mein Fürſt, 
Mit ihr im Kerker; 's iſt ein frecher Burſch, 
Ein ſchäbichter Geſell. 
Peter. 
Gott ſchütz' Eu'r Hoheit! 
Ich war zugegen, gnäd'ger Fürſt, und hörte 
Eu'r fürſtlich Ohr gemißbraucht. Den Regenten 
Beſchuldigt dieſes Mädchen höchſt verläumdriſch; 
Der iſt ſo frei von Sünd' und Schuld mit ihr, 
Als ſie mit einem, der noch nicht geboren. 
Herzog. 
Nicht Mindres glaubten wir. — 
Kennt ihr den Pater Ludwig, den ſie nannte? 
Peter. 
Ich kenn' ihn als 'nen frommen, heil'gen Mann, 
Nicht frech, noch je in Weltliches ſich mengend, 


Maaß für Maaf. V,1. 965 


Wie viefer Herr von ihm vermeldete; 
Und auf mein Wort, ein Mann, der nimmermehr, 
Wie er behauptet, Eure Hoheit ſchmähte. 


Lucio. 
Mein gnäd'ger Fürft, höchſt ehrlos, glaubt mir das. 
Peter. 


Gut, mit der Zeit rechtfertigt er ſich wohl; 
Doch eben jetzo liegt er krank, mein Fürſt, 
An heft'gem Fieber. Nur auf ſein Geſuch 
(Weil ex erfuhr, Daß eine Klage hier 
Lord Angelo bedrohe), Fam ich Her, 
Zu zeugen, was er weiß, in feinem Namen, 
Mas wahr, was falfch; und was mit einem Eib 
Und gültigem Beweis er darthun wird, 
Nuft man ihn auf. Zuerft, dieß Mädchen hier — 
Den würb’gen Herrn Statthalter Ioszufprechen, 
So öffentlich und tödtlich angeklagt — 
Will ich der Lüge zeifn vor ihren Augen, 
Daß fie es ſelbſt geftehn fol. (Sfabella wird weggeführt) 
Herzog. 

Wohl! laßt hören. 
Belächelt ihr dieß nicht, Lord Angelo? 
Ueber die Eitelfeit der armen Thoren! — 
Reicht Seffel der. Kommt, Better Angelo; 
Sch will nur Hörer feyn, forecht ihe als Richter 
In eurer eignen Sache. — ft dieß die Zeugin? 

(Mariane tritt vor) 

Sie zeig’ uns ihr Geficht und rede dann. 


Mariane. 
Berzeiht, mein Fürft, nicht zeig’ ich mein Geficht, 
Bis mein Gemahl befiehlt. 


Herzog. 
Seid ihr vermählt? 


264 Maag für Maag. V,1. 


Mariane, 
Nein, gnäb’ger Herr. 
Herzog. 
Seid ihr ein Mädchen? 
Mariane. 
Rein, 
Herzog. 
So feid ihr Wittwe? 
Mariane. 
Auch nicht. 


Herzog. 
Nun, dann feib ihr 
Gar nichts; nicht Mädchen, Wittwe nicht, noch Fran. 
Lucio. 

Gnädiger Herr, es wird wohl ein Schägichen feyn, 
denn die find gewöhnlich weder Mädchen, Wittwen, noch 
Frauen. 

Herzog. 
Schweigt doch den Menfchen! Hätt’ er Urfach nur, 
Zu ſchwatzen für fih ſelbſt! — - 
Lucio, 
Gut, gnäb’ger Herr. 
Mariane. 
Ich muß geftehn, ich war niemals vermäßlt, 
Und ich gefteh’ es auch, ich bin fein Mädchen. 
Ich hab' erfannt ihn, doch mein Mann erfennt nicht, 
Daß er mich je erfannt, 
Lucio, 
So war er .alfo beirunfen, gnädiger Herr; es Tann 
nicht anders feyn, 
Herzog. 
Ich wollt’, du wärft es auch, fo ſchwiegſt du endlich. 
Lucio. 
Gut, mein Fürft.. 





Maaß für Maaß. V, 1. 265 


Herzog. 
Dieß iſt kein Zeugniß für Lord Angelo. 
Mariane. 
Nun komm' ich drauf, mein Fürſt. 
Sie, die ihn anklagt um verletzte Zucht, 
Dadurch zugleich verklagt ſie meinen Gatten, 
Und zwar erwähnt fie ſolcher Zeit, mein Fürſt, 
Wo ich bezeng’, ich felbft umarmt' ihn damals 
In Lieb’ und Zärtlichkeit. 
Angelo. 
Meint fie wen fonft, als mich? 


Mariane. 
Nicht daß ich wüßtel 
Herzog. 
Nicht? 
Ihr fagtet euer Gatte? — | 
| Mariane, 
Sa wohl, mein Fürft: und das ift Angelo, 
Der glaubt, daß er mich niemals bat berührt, 
Und wähnt, daß Yfabella ihn umarmt. 
Angelo. 
Das geht zu weit! Laß dein Geficht uns fehn, 
Mariane, 
Mein Oatte forderts, dann entfchleir’ ich mich. 
(Sie nimmt den Schleier ab) 
Sieh dieß Geficht, granfamer Angelo, 
Dem einft du ſchwurſt, es fei des Anblicks werth: 
Sieh diefe Hand, die durch geweihten Bund 
Sich feft in deine fügte: ſieh mich felbft, 
Die dich von Sfabellen Iosgefauft, 
Und in dem Gartenhaufe dir begegnet, 
Als wär’ es jene. 
Herzog. 
Kennt ihr dieſes Mädchen? 


266 Maaß für Maaß. V,1. 


Luecio. 
Ja, fleiſchlich, ſagt fie. 
Herzog. 
Still doch, Menſch! 
Lucio. 
Schon gut! — 
Angelo. 


Mein Fürſt, ich läugn' es nicht, ich kenne ſie; 
Fünf Jahre ſinds, da war von Heirath wohl 
Die Rede zwiſchen uns; doch brach ichs ab, 
Theils, weil das feflgefegte Heirathsgut 
Nicht dem Vertrag entſprach; theils, und zumeift, 
Weil ich erfuhr, fie fchavde ihrem Ruf 
Durch Leichtfinn. Seit der Zeit, fünf Fahre finds, 
Sprach ich fie nicht, noch fah und hört’ ich fie, 
Dei meiner Treu’ und Ehre. 
Mariane, 

Hoher Herr, 
Wie Licht vom Himmel kommt, vom Hand das Wort, 
Die Sinn in Wahrheit ift, Wahrheit in Tugend: 
Ich bin fein anverlobtes Weib, fo feft 
Ein Treugelübbe bindet; ja, mein Fürft, 
Erft Dienflag Nacht in feinem Gartenhaus 
Erfannt er mich als Weib. Wie dieß die Wahrheit, 
Sp mög’ ich ungelränft vom Knien erflehn; 
Wo nicht, — auf ewig feflgebannt hier haften, 
Ein marmorn Monument! — 


Angelo. 
Bisher Hört’ sche mit Lächeln; 
Jetzt, gnäd’ger Fürft, laßt meinem Recht den Lauf; 
Hier bricht mir die Geduld. Ich feh’ es wohl, 
Die armen Klägerinnen find durchaus 
Werkzeuge nur in eines Mächt’gen Hand, 


Maaß für Maaß. V,1. 267 


Der fie regiert. Gebt Freiheit mir, mein Fürft, 
Die Ränfe zu entlarven. 
Herzog. 
Ya, von Herzen; 
Und flraft fie nur, fo wies euch wohlgefällt. 
Einfält’ger Mönch, und bu, boshaftes Weib, 
Im Bund mit der, die ging: glaubfl du, dein Schwur, 
Und zwäng’ er alle Heil’gen her vom Himmel, 
Sei Zeugniß gegen fol Verdienſt und Anfehn, 
Das unfer Zutraun flemvelt? Ihr Lord Escalus, 
Setzt euch zu meinem Better; ſteht ihm bei, 
Die Duelle diefes Unfugs zu erfpähn. 
Noch wars ein andrer Mönch, der fie gehetzt, 
Den fchafft herbei. 
Peter. 
Sch wünſcht', er wär’ fchon bier; denn allerdings 
War ers, der diefe Weiber trieb zur Klage. 
Eu’r Schließer weiß den Ort, wo er verweilt, 
Und kann ihn Holen. 
| Herzog. 
Thut es ungeſäumt. 
(Schließer ab) 
Und ihr, mein würd'ger, wohlerprobter Vetter, 
Dem daran liegt, die Sache zu durchforſchen, 
Verfahrt mit dieſer Schmähung, wie ihr mögt, 
Und wählt die Strafe. Ich verlaſſ' euch jetzt 
Auf kurze Zeit; ihr bleibt, bis ihr durchaus 
Mit den Verläumdern Alles abgethan. 
Escalus. 
Mein Fürft, es fol an ung nicht fehlen. — 
' (Der Herzog geht ab) 
Signor Lucio, fagtet ihr nicht, ihr Fenntet jenen Pater 
Ludwig als einen Menfchen von unehrbarem Wandel? 
Ä Lucio. 
Cucullus non facit monachum: ehrbar in nichts, als 


268 Man für Maaß. V,1. 


in feinem Habit; und hat Höchft nieberträchtig von un- 
ferm Herzog gefprochen. 
Escalus. 

Seid fo gut, und wartet hier, bis er Tommt, um 
dieß gegen ihn zu behaupten. Es wird fich ergeben, daß 
diefer Mönch ein ſchlimmer Geſell if. 

Lucio, 
Sp fehr, als irgend einer in Wien, auf mein Wort, 
Escalus,. 

Ruft befagte Iſabella wieder her, ih will mit ihr 
reden. Erlaubt mir, gnädiger Herr, fie zu vernehmen. 
Ihr ſollt ſehen, wie ich ihr zuſetzen werbe. 


Lucio. 
Nicht beffer als der, nach ihrer eigenen Ausfage. 
Wie war dag? 

Lucio. 


Ei, gnädiger Herr, ich meine nur, wenn ihr ins Ge- 
heim ihr zuſetzt, fo wird fie eher beichten; vielleicht ſchämt 
fie fih, es fo vor der Welt zu thun. 


(Gerichtsdiener führen Iſabella herein; es fommen der 
Herzog, als Mönch verkleidet, und der Schließer) 


Escalus. 
Es liegt mir dran, recht bald alles Dunkle zu er- 
klären. 
Lucio. 
Recht fo, erklaͤrt ihr euer Anliegen im Dunkeln. 
Escalus. 
Tretet näher, junges Mädchen; hier dieſes Frauen- 
zimmer wiberfpricht Allem, was ihr gefagt habt. 
Lucio. 
Gnädiger Herr, hier fommt der Schurfe, von dem 
ih ſprach — hier, mit dem Schließer. 





Maaß für Maag. V,1. 269 


Escalns. 
Ehen recht; redet ihr jedoch nicht zu ihm, bis wir 
euch aufrufen. 
Lucio. 
Mum. 
Es calus. 
Näher, guter Freund! Habt ihr dieſe Weiber an- 
geftiftet, Lord Angelo zu verläumden? Sie haben be- 
kannt, daß ihr es thatet. 


erzog. 

Das iſt falſch. Derzos | 
Escalns, 

Was? Wißt ihr, wo ihr fein ? 
Herzog. 


Ehrfurcht vor eurer Würdel Selbft den Teufel 
Ehrt mancher wohl um feinen Flammenthron. — 
Wo ift der Fürſt? Ihm will ich Rede ſtehn. 
Escalns. 
Er iſt in ung; ihr follt uns Rede flehn; 
Geht Acht, und redet ziemlich. 
Herzog. 
Kühnlich gewiß. Doch ach! ihr armen Kinder! 
Kamt ihr, das Lamm beim Fuchſe hier zu fordern? 
Nun, gute Naht, Erſatzl Der Herzog ging? 
Dann geht auch ihr zu Grundel Euer Herzog 
Iſt ungerecht, daß er von ſich zurüdweif’t 
Eu'r Iaut geworbenes Rechtgeſuch an ihn, 
Und in des Schurfen Mund eu’r Urtheil Legt, 
Den ihr bier angeflagt! — 
Lucio. 
Dieß iſt der Schuftl Der iſts, von dem ich ſprach. 
Escalus. 
Wie, du unheil'ger, unehrwürd'ger Mönch, 
Wars nicht genug, die Frau'n hier anzuſtiften 


270 Maaß für Man. V,1. 


Wider den würd’gen Herrn? Noch jetzt mit Läflrung, — 

Sa hier, vor feinem eignen Ohre — wagſt du's, 

Und nemnft ihn Schurke? 

Und ſchielſt von ihm fogar noch auf den Fürften, 

Und ſchiltſt ihn ungerecht? Führt ihn hinweg! — 

Fort, auf die Folter! Zerrt ihm Glied für Glied, 

Bis er den Plan befennt! Was, ungerehtl — 
Herzog. ' 

Seid nicht fo Hißig! Euer Herzog 

Wagt nicht, mir nur ben Finger anzurühren, 

Nicht mehr, als er den eignen foltern wird. 

Auch bin ich ihm nicht unterthan, 

Noch Hier vom Sprengel. Meiner Sendung Amt 

Ließ manches mich erleben hier in Wien: 

Sch ſah, wie hier Verderbniß dampft und fiedet, 

Und überfohäumt: Gefeb für jede Sünde; 

Doch Sünden fo befhüht, daß eure Satzung 

Wie Warnungstafeln in des Babers Stube 

Da fteht, und was verpönt nur wird verhößnt. 
Escalus. 

Den Staat geſchmäht? Fort, bringt ihn in den Kerker! 
Angelo. 

Weß könnt ihr ihn verflagen, Signor Lucio? 

Sf dieß der Mann, von dem ihr ung gefagt? 

Lucio, 

Derfelbige, gnädiger Herr. Rommt heran, Gevat- 

ter Kahlkopf, Fennt ihr mich? 
Herzog. 

Ich erinnere mich eurer, Herr, an dem Ton eurer 
Stimme; ich traf euch während des Herzogs Abwefen- 
heit im Kerker. — 

Lucio 

Sp? traft ihr mih? und erinnert ihr euch noch, 

was ihr vom Herzog fagtet? 





Maaß für Maaß. V,ı. 271 


Herzog. 

Bollfommen, Sigupr. 

Lucio. 

Wirklich, Herr? Und läuft der Herzog den Dir- 
nen nah? und iſt er ein Geck und eine Memme, wie 
ihr von ihm fagtet? 

Herzog. 

hr müßt erſt unfre Rollen tauſchen, Herr, eh ihr 
mich das fagen laßt; ihr allerdings fpracht fo von ihm, 
und viel mehr, viel fchlimmer. 

Lucio. 

Ei du läſterlicher Burfch, z0g ich Dich nicht bei der 

Nafe, wie du fo ſprachſt? 


Herzog. 
Ich verfichre, daß ich ven Herzog fo fehr liebe, als 
mich ſelbſt. 
Angelo. 


Hört doch, wie der Schurke jett abbrechen möchte, 

nachdem er verrätherifche Läfterungen ausgeftoßen! — 
Escalus. 

Mit folhem Kerl muß man fein Wort verlieren: 
fort mit ihm ins Gefängniß! Wo ift der Schließer? 
fort mit ihm ins Gefängniß! — Legt ihm Eifen genug 
an, laßt ihn nicht weiter reden; und nun auch fort mit 
den Teichtfertigen Dirnen und ihren andern Spießgefellen, 

(Der Schließer legt Hand an ten Herzog) 


Herzog. 
Halt dal Haltet ein! — 
Angeln. 
Was! er widerſetzt fih? Helft ihm, Lucio. 
Lucio. 
Wartet nur, wartet nur, wartet nur; pfui doch! 
Was, ihr kahlköpfiger, lügneriſcher Schuft, ihr müßt euch 


272 Maak für Naaß. V, J. 


den Kopf fo vermummen? Müßt ihr? Zeigt einmal 
euer Schelmengeficht, und an den Galgen mit euch. Zeigt 
euer Strauchdiebsgeficht, und Laßt euch frifch bangen! 
Will die Kapuze nicht herunter? 

(Reipt ihm die Mönchsfappe ab und erkennt den Herzog) 


Herzog. 
Du bift der erfte Bube, 
Der je ’nen Herzog machte! 
Erſt, Schließer, meine Bürgfchaft diefen Drei'n. — 
— Schleicht euch nicht weg, Freund. Denn der Mönch 
’ und ihr . 
Sind noch nicht fertig; haltet mir ihn feft. 


Lucio. 
Das kann noch ſchlimmer werben, als hängen. 
Herzog. (zu Escalus) 


Was ihr gefagt, will ich verzeifn. Sekt euch! 

(zu Angelo) Wir borgen dieſen Plad, — mit eurer 
unfl. — 

— Haft du noch Wort und Wis, haſt du noch Frechheit, 

Die zu Gebot dir ſtehn? Wenn du fie haft, 

So halt? fie feft, bis ich zu End’ erzählt, 

Und zittre dann! — 


Angelo. 


D mein furchtbarer Fürſt! 
Ich wäre fchuld’ger wohl, als meine Schuld, 
Dächt' ich, ich könnt' euch irgend noch entfchlüpfen, 
Da ich erkannt, wie ihr mein Thun durchfchaut, 
Dem ew’gen Richter gleih. Drum, gnäd’ger Fürſt, 
Nicht längre Sitzung prüfe meine Schande; 
Statt des Verhörs nehmt mein Geſtändniß anz 
Unmittelbarer Spruch und ſchneller Tod 
Iſt Alles, was ich flehe. 


Maaß für Maaß. VL 273 


Herzog. 
Kommt, Marianel — 
Sprich, warft du je verlobt mit diefem Fraͤulein? 


Angelo. 
Das war ich, Herr. 
Herzog. 
Sp geh, vollzieh' die Trauung ungefäumt: 
Ihr, Mönch, vermählt fie; wenn ihr das vollbracht, 
Bringt ihn zurück hieher. — Geh, folg’ ihm, Schließer, 
(Angelo, Mariane, Beter und Schlieger ab) 
Escalus. 
O Herr! Mehr noch entſetzt mich feine Schande, 
Als diefes Handels Seltfamfeit! 
Herzog. 
Kommt näher, Sfabella: 
Eu'r Mönch ift nun eu'r Fürſt. Wie ich vorhin 
Als Freund mit treuem Rath mich euch geweiht, 
Nicht wechfelnd Sinn mit Kleidung, bin ich noch 
Gewidmet eurem Dienft. 
Sfabella. 
D Fürft, verzeiht, 
Daß die Bafallın mit Gefhäft und Müh’n 
Die ungelannte Majeftät befchwert! — 
Herzog. 
Euch. iſt verzieh’n. 
Und nun, du Theure, ſei auch mir ſo mild. 
Des Bruders Tod, ich weiß, drückt dir das Herz. 
Und flaunen magft du, daß ich nur verhüfft 
Geſtrebt, ihn dir zu retten, nicht vielmehr 
Mich raſch hervorhob ans verborgner Macht, 
Statt ihn dahin zu geben. Liebreich Weſen! 
Es war ber fihnelle Hergang feines Tode, 
Der, wie ich wähnte, trägern Fußes käme, 
Was meinen Plan zerfiört. Doch ruf’ er fanftl — . 
X. 18 


274 Maaß für Maaß. v, 1. 


Glüdfel’ger dort, der Todesfurcht entrafft, 
Als Hier in fleter Furcht. Nimm das zum Troft: 
Dieb Glück warb deinem Bruder. 


(Angelo, Mariane, Peter und Schließer kommen zurüd) 


Iſabella. 
Wohl, mein Fürſt. 

Herzog. 
Hier dieſem Neuvermählten, der uns naht, 
Deß üpp'ge Lüſternheit dich kraͤnken wollte 
An deiner wohlgeſchirmten Ehr' und Tugend, 
Möcht'ſt du verzeihn um Marianen’s willen — 
Doc weil er deinem Bruder gab den Tod 
(Cr, ſchuldig felbft der doppelten Verlegung 
Geweihter Keufchheit und gelobten Schwurs, 
- Mit dem er dir des Bruders Rettung bürgte), — 
Ruft des Geſetzes Gnade felber nun 
Vernehmlich, ja felbft aus des Schulb’gen Munde: 
„Ein Ungelo für Claudio, Tod für Tod: 
„Liebe für Liebe, bittern Haß für Haß, 
„BSleihes mit Gleichem zahl’ ih, Maaß für 

Man.“ 

Drum Angelo, da bein Vergehn am Tage, 
Sp klar, daß felbft Fein Läugnen Hülfe böte, 
Sei nun verurtheilt zu Demfelben Blod 
Wo Claudio fiel, und zwar mit gleicher Haft. 
Dinweg mit ihm. 

Mariane, 

O gnatenreicher Fürft! 

Ich hoff', ihr gabt zum Spott mir nicht den Gatten? 

Herzog. 
Der Gatte ſelbſt gab euch zum Spott den Gatten. 


Nur zur Beſchützung eurer Ehre hielt ich 
Den Eh'bund nöthig, daß Fein Vorwurf je, 


Maag für Maaf. V,1. 275 


Weil ihre die Eeine wart, ew’r Leben treffe 

Und hemme fünft'ges Glück. AN’ feine Güter, 
Obwohl nach tem Gefeß an ung verfallen, 

Eind euch als Witthum und Beſitz verliehn; 
Kauft damit einen beffern Mann. 


Mariane, 

D Herr, _ 

Ih wünfche feinen andern je, noch beffern. 
Herzog. 


Bergeblich wünfcht ihr, wir find feft entfchloffen. 
Mariane. (fniet) 
Huldreichſter Fürfl, — — 
Herzog. 
Umfonft ift eure Müh'. 
Fort, führt ihn Hin zum Tod! — Nun, Herr, zu euch! 
(Zu Lucio) 
Mariane, 
D milder Fürft, Hilf, ſüße Iſabella, 
Leih mir dein Knie, mein ganzes Leben will ich, 
AN’ meine Zufunft teinem Dienſte leihn. 


Herzog. 
Ganz wider allen Sinn bevrängft du fiel 
Wenn fie für diefe That um Gnade fniete, 
Zerfprengte Claudio's Geift fein fleinern Bett, 
Und riß fie hin in Schredniß. 
Mariane. 
Sfabella, 
D Herzens Freundin, dennoch Fniet nur mit, 
Die Händ’ erhebt, fprecht nichts, ich red’ allein. 
Durch Fehler, fagt man, find die beflen Menfchen 
Gebildet, werden meift um fo viel beffer, 
Weil fie vorher ein wenig fehlimm; fo gehts 
18* 


276 Maag für Maaß. V,1 


Bielleicht auch meinem Gatten. Sfabelle, 
Willſt du nicht mit mir Inien? 

Herzog. 
Er ſtirbt für Claudio's Tod. 


Iſabella. 
Huldreicher Fürſt, 

Ich fleh' euch, ſchaut auf dieſen Mann der Schuld, 
Als lebte Claudio noch. Faſt muß ich denken, 
Aufricht'ge Pflicht hat all' ſein Thun regiert, 
Bis er mich ſah. Wenn es ſich fo verhält, 
Laßt ihn nicht fterben! Claudio ward fein Recht, 
Weil er den Fehl beging, für den er farb. 
Doch Angelo, — 
Sein Thun kam nicht dem fünd’gen Vorſatz gleich, 
And muß begraben ruhn als eitler Vorſatz, 
Der flarb entſtehend. — Gedanken find nicht Thaten; 
Borfäge nur Gedanken. 

Mariane. 

Nur Gedanfen! — 

Herzog. 
Eu'r Flehn erweicht mich nicht; fleht aufs ich wills, 
— Noch kommt ein neu Vergehn mir in den Sinn: 
Schließer, wie kams, daß Claudio ward enthauptet 
Zu ungewohnter Stunde? 


Schließer. 
Alſo ward mirs 
Geboten. 
Herzog. 
Ward euch ſchriftlicher Befehl? — 
Schließer. 
Nein, gnaäd'ger Fürſt, es war ein mündlich Wort. 
Herzog. 
Und dafür ſeid ihr eures Amts entſetzt: — 
Gebt eure Schlüſſel ab. 





Maaß für Maaß. V,1. 277 


Schließer. 
Verzeihung, gnaͤd'ger Fürſt: 

Mir ahnt', es ſei ein Fehl, doch wußt' ichs nicht, 
Und als ich überlegt, hab' ichs bereut. 
Deß zum Beweis blieb Einer im Verhaft, 
Dem gleichfalls mündlich Wort den Tod erkannt, 
Und den ich leben ließ. 

Herzog. 

Wer? 


Sch ließer. 
Bernardino. 


Herzog. 
O haͤtt'ſt du doch an Claudio das gethan! 
Geh, Hol’ ihn her, ich will ihn ſehn. (ESchließer geht 
Escalus. 
Mich ſchmerzt, 
Daß ein ſo weiſer, ſo gelehrter Mann, 
Als ihr, Lord Angelo, mir ſtets erſchient, 
So gröblich fehlte — erſt durch heißes Blut, 
Und Mangel richt'gen Urtheils hinterher. 
Angelo. 
Mich ſchmerzt, daß ich euch dieſen Schmerz bereitet, 
Und ſolche Reu' durchdringt mein wundes Herz, 
Daß mir der Tod willkommner ſcheint als Gnade. 
Ich hab’ ihn wohl verbient und bitte drum! — 


(Der Schlieger, Bernardino, Claudio und Sulia 
fommen zurück) 


Herzog. 
Welcher iſt Bernarbin? 
Schließer. 
Der, gnäb’ger Herr. 


278 Maaß für Maaß. V, J. 


Herzog. 
Ein Mönch erzählte mir von dieſem Mann. 
— Hör’ an! man fagt, du fer’ft verfiocdten Herzens, 
Du fürchteft nichts jenfeit des Irdiſchen, 
Und dem entfpricht dein Thun. Du bift verurtheilt; 
Doch deine Schuld auf Erden fei verzießn: 
So firebe nun, daß ſolche Huld dich leite 
Auf beff’re Zukunft. Pater, unterweift ihn, 
Sch Laff’ ihn euch. — Wer ift der Eingebüllte? 
Schließer. 
Noch ein Gefangner iſts, den ich gerettet, 
Der ſterben ſollt', als Claudio ward enthauptet, 
Und faſt dem Claudio gleich, als wie ſich ſelbſt. 
Herzog. (zu Iſabella) 
Wenn er ihm ähnlich fieht, — um feinethalb 
Sei ihm verziehn; und eurer Anmuth Halb 
Gebt mir die Hand, und fagt, ihr fein die Meine: 
Er ift mein Bruter dann. Doc dieß für fünftig. 
Lord Angelo fieht alfo, daß ex lebt; 
Mir fcheint, fein Aug’ erglänzt in neuer Hoffnung. 
Nun! eure Sünte zahlt euch noch fo ziemlich. 
Liebt ja eu’r Weib; ihr Werth giebt Werth tem euern. — 
Ich fühle Neigung, Allen zu: verzeibhn; 
Do jenem ta, ihm kann ich nicht vergeben. 
Ihr frecher Menſch, der weiß, ich fei ein Narr, 
Und feig und Lüderlih, ein Thor, ein Toller: 
Womit, fagt an, hab’ ichs um euch verbient, 
Daß ihr mich fo erhobt? 
Lucio. 

Meiner Treu, gnädigſter Herr, ich ſagte das nur fo 
nach) bergebrachter Mode; wollt ihe mich dafür hängen 
laffen, fo mags gefchehn; aber ich fäh’ es Lieber, wenn 
{hr geruhen wollte, mich durchpeitfchen zu Yaffen. 





⸗ 


Maaß für Naaß. V, J. 279 


Herzog. 

Zuerſt gepeitſcht, Herr, dann gehängt. 
Laßt es ausrufen, Schließer, durch ganz Wien: 
Hat wo ein Mädchen Klag' auf dieſen Burſchen. 
(Wie er mir ſelber ſchwor, daß Eine ſei, 
Die ihm ein Kind gebar), ſo melde ſie's, 
Dann ſoll er ſie heirathen: — nach der Hochzeit 
Stänpt ihn und hängt ihn anf. 

| Lucio. 

Ich bit? Euer Hoheit um Alles, verheirathet mich 
doch nicht an eine Metze! Eu’r Hoheit: fagte noch eben, 
ich hätte euch zum Herzoge gemacht: Tiebfter, gnädiger 
Herr, Iohnt mir nun nicht damit, daß ihr mich zum 
Hahnrei macht. 

Herzog. 
Bei meinem Wort, heirathen ſollſt du ſie. 
Dein Schmähn vergeb' ich, und was weitres du 
Verwirkt haft, gleichfalls. Führt ihn ins Gefängniß, 
Und forgt, daß mein Befehl vollzogen wird. 

Lucio. 

Solch einen Tüderlihen Fiſch Heirathen, gnäbiger 
Herr, ift erdrückt, erftickt, gepeitfcht und gehängt werden. 


Derzog. 
Den Fürften ſchmähn, verdients. 
Claudio, die ihr gefränft, bringt fie zu Ehren; 
Glück euh, Mariane! Liebt fie, Angelo, 
Ich war ihre Beicht’ger, ihre Tugend kenn’ ich. 
Dir, Escalus, fei Danf für alles Gute; 
Ich bin auf beffern Glückwunſch noch bedacht. 
Dank, Schließer, weil du treu und forglich ſchwiegſt; 
Wir ftellen dich auf einen würd'gern Plab. 
Bergebt ihn, Angelo, daß er den Kopf 
Des Ragozyn flatt Claudio's euch gebracht; 


20 Maas für Maaß. V,1. 


Der Fehl iſt Teiner. — Theure Iſabella, 
Noch Hab’ ich eine Bitt’, auch euch zum Beſten: 
Und wollt ihr freundliches Gehör mir leihn, 
So wird das Meine eu’r, das Eure mein. 
Zum Palafl dann; und hört ans meinem Munde 
Bon dem, was noch zu jagen bleibt, die Kunde. 
. (Alle gehn ab) 


Timon don Athen, 


Perfonen 


Timon, ein ebler Aihenienfer. 

Lucius, 

Lucullus, 

Sempronius, 

Ventidius, 

Apemantus, Philoſoph. 

Alcibiades, Feldherr. 

Slavins, Timon's Haushofmeiſter. 

Flaminius, 

Lucilius, Timon's Diener. 

Servilius, 

Caphis, 

Philotus, 

Titus, Diener von Timon's Glaͤubigern. 

Lucius, 

Hortenſius, 

Zwei Diener des Varrus. 

Ein Diener des Iſidor. 

Cupido und andre Masken. Zwei Fremde. 

Ein Dichter, ein Maler, ein Kaufmann und ein Ju⸗ 
welier. 

Ein alter Athenienfer, ein Page, ein Narr. 


Phrynia, 
Timandra, Courtiſanen. 


ſeine Freunde. 


Senatoren, Hauptleute, Krieger, Diebe, Gefolge. 
Die Scene’ iſt in Athen und dem nahen Malde, 





Erfter Aufzug. 


Erſte Scene, 
Athen. Borfaal in Timon’s Haufe. 
(Der Dichter und der Maler treten auf) 


Dichter. 
Guten Tag! 
Maler. 
Mich freuts, euch wohl zu ſehn. 
Dichter. 
Ich ſah euch lange nicht. Wie geht die Welt? 
Maler. 
Sie traͤgt ſich ab im Lauf. 
Dichter. 
Das iſt bekannt. 
Doch welch beſonder Seltnes, Fremdes, das 
Vielfach Erzählen noch nicht kennt? — Doch feht — 
(Der Kanfmann, der Juwelier und mehrere Andre tre⸗ 
ten auf) 


Magie des Reichthums! Diefe Geifter alle 
Beſchwor dein Zauber her zum Dienft. Ich kenne 
Den Kaufmann. 

Maler. 
Sch Beides; jener iſt ein Juwelier. 


284 Timon von Athen. I, J. 


Kaufmann. 
Höchſt würdig iſt der Lord. 
$umelier. 
Senfeit des Zweifels. 
Kaufmann. 
Ein Mann, höchſt unvergleichbar; fo zu fagen 
Geſchult zu unermüblich fleter Güte: 
Ein Muſterbild. 
S$uwelier. 
Hier hab’ ich ein Juwel, 
Kaufmann. 
D bitte, zeigt: für den Lord Timon wohl? 
Juwelier. 
Traut er der Schaͤtzung — doch was das betrifft — 
Dichter. (recitivend) . 
Wenn wir um Lohn den Schaͤndlichen gepriefen, 
Dämpft es den Glanz des wohlgelungnen Reimes, 
Dep Kunſt den Edeln fingt. 


Kaufmann. (ven Stein betrachtend) 
Hal hun gefchnitten. 
Juwelier. 
Und reich; das iſt ein Waſſer, ſeht nur felbſt. 
Maler. 
Ihr ſeid verzückt. Ein Werk, wohl eine Huld'gung 
Dem großen Lord? 
Dichter. 
Ein Ding, mir leicht entſchlüpft. 
Wie ein Gewand iſt unſre Poeſie, 
Heilſam, wo man es hegt; das Feu'r im Stein 
Glänzt nur, ſchlaͤgt mans heraus; von ſelbſt erregt 
Sich unſre edle Flamm', flieht, gleich dem Strom, 
Zurück von jeder Hemmung. — Was iſt das? 
Maler. 
Ein Bild, Herr. Wann tritt euer Buch hervor? 


Timon von Athen. I, 1. 285 


Dichter. 
Es folgt der Meberreihung auf dem Fuß. 
Zeigt mir das Stüd. 
Maler. 
Es iſt ein gutes Stüd, 
\ Dichter. 
Gewiß, dieß hebt ſich trefflich, herrlich ab. 


Maler. 
So ziemlich. 

Dichter. 

Unvergleihlih! Wie die Grazie 

Sich durch ſich felbft ausfpricht! wie geift’ge Kraft 
Aus diefem Auge blitt! wie Phantafie 
Sich auf der Kippe regt! ſtumme Geberbung, 
Die jeder möcht’ in Worten deuten. 

Maler. 
Wohl leidlich hübſch das Leben nachgeäfft; 
Hier iſt ein Zug, der ſpricht! 

Dichter. 

Ich möchte fagen, 

Er meiftert die Natur: kunſtreiches Streben 
Lebt in der Farb’ Iebend’ger als das Leben, 


(Einige Senatoren treten ein und gehn nad) den innern 
Semädern) 
Maler. 


Wie viele Freunde hat der Edle! 
Dichter. 
Athen'ſche Senatoren! — Die Beglückten! 
Maler. 
Schaut, mehr noch! 
Dichter. 
Seht den Zuſammenfluß, den Schwall der Freundel — 
In dieſem rohen Werk zeichn' ich 'nen Mann, 
Den dieſe ird'ſche Welt umfängt und hegt 
Mit reihfler Gunſt; mein freier Zug wirb nirgend 


286 Simon von Athen. L1. 


Gehemmt durch Einzelnes, nein, fegelt fort 
In weiter, Harer See: Fein boshaft Zielen 
Bergiftet eine Sylbe meiner Fahrt; 
Sie fliegt den Adlerfing, kühn, flets gradaus, 
Rein Wölkchen Hinter fid. 
Maler. 
Wie fol ich euch verſtehn? 


Dichter. 
Ich will e8 euch entriegeln. 
Ihr feht, wie alle Ständ’ und alle Menſchen, 
Sowohl von Leicht geſchmeid'gem Sinn, als auf 
Don firenger, erufler Art, dem Timon weihn 
In Demuth ihren Dienfl. Sein großer Reichthum, 
Umkleidend feinen adlich, güt'gen Simn, 
Bezwingt und kauft für ſeine Lieb' und Herrſchaft 
Ein jeglich Herz. Ja, von des Schmeichlers Spiegel- 

| antlig, 

Zu Apemantus felbft, der nichts fo Tiebt, 
Als er ſich felber habt: auch er beugt ihm 
Sein Knie, und kehrt in Frieden heim, bereichert 
Vom Nicken Timon’s. 

Maler. 

Ich ſahs, er ſprach mit ihm. 


Dichter. 


Ich fielle dar anf Lieblich grünem Hügel, 


Fortuna thronend; an dem Fuß des Berges 
Gedrängte Rein von jedem Stand und Wefen, 
Die auf der Wölbung diefer Sphäre ftreben, 
Ihr Glück zu fleigernz unter allen diefen, 

Die auf die Königin den Blick geheftet, 

Stell ich den einen dar in Timon’s Bildung, 
Den zu ſich winkt Fortuna’s elfne Hand; 

Die volle Gunft verkehrt in Sclaven völlig, 
Die eben Mitbewerber waren. 


Timon von Athen I,1. 287 


Maler. 
j Herrlich! 
Fortuna und der Thron der Hügel, dünkt mich, 
Der Ein', herauf gewinkt von Allen unten, 
Sein Haupt geneigt zum ſteilen Berg hinan, 
Sein Glück erklimmend, wär' ein ſchöner Vorwurf 
Für unſre Kunſt. 
Dichter. 
Nein, hört nur weiter, Freund: 
All' jene (die noch eben ihm Kam'raden, 
Ja, manch' ihm vorzuziehn), von dem Moment 
Folgend nur ſeinem Pfad; Vorplatz und Hof 
Mit Dienſt belagernd; 
Vergötternd Flüſtern gießend in ſein Ohr, 
Selbſt ſeinen Bügel heil'gend, trinken ſie 
Die freie Luft durch ihn. 
Maler. 
Nun, und was weiter? 
Dichter, 
Wenn nun Fortum’, in Laun’ und Wanfelmuth, 
Herab ſtößt ihren Günftling: al’ fein Troß, 
Der Hinter ihm den Berg binanf fich mühte, 
Auf Knien und Händen felbft, läßt hin ihm flürzen, 
Nicht Einer, der ihm folgt in feinem Fall. 
Maler, 
Das ift gewöhnlich, 
Ich kann der Art euch taufend Bilder weifen, 
Die auch des Glückes fihnellen Wandel malen, 
Lebend’ger als das Wort. Doch thut ihr wohl, 
Zeigt ihre Lord Timon, daß geringe Augen 
Den Fuß ſchon höher als das Haupt gefehn. 
(Timon tritt anf mit Begleitung, ein Diener des Ventidius 
fpricht mit ihm) 
Timon. 
Verhaftet ift er, fagft du? 


288 Timon von Athen. L, 1. 


Diener, 
Sa, Herr, und fünf Talent’ iſt feine Schuld, 
Klein fein Vermögen, feine Gläub’ger hart; 
En’r edles Fürwort fpricht er an, bei benen, 
Die ihn gefangen ſetzten; fehlt ihm dieß, 
So flirbt fein Troft. 
Timon. 
Edler Bentivins! Gut! 
Nicht meine Weif iſts, abzufchütteln Freunde, 
Wenn meiner fie bedürfen. Weiß ich doch, 
Sein edler Sinn tft folcher Hülfe werth, 
. Die wird ihm: denn ich zahl’ und er. fei frei. 
Diener. 
Euer Gnaben wirb anf ewig ihn verbinden. 
Timon. 
Empfiehl mich ihm! gleich fend’ ich feine Löſung; 
Nachdem er frei, bitt’ ihn, zu mir zu kommen — 
Denn nit genug, dem Schwachen aufzubelfen, 
Auch fügen muß man ihn — fo fahre wohl] 
Diener. 
Sei alles Glück mit meinem gnäd'gen Herrn! 
(Diener geht ab) 
(Ein alter Athenienfer tritt auf) 
Athenienfer. 
Lord Timon, hör’ mich an. 
Timon. 
Sprich, guter Alter. 
Athenienſer. 
Du haſt 'nen Diener, der Lueilius heißt? 
Timon. 
So ifts: Was foll er? | 
Athenienfer. 
Höchſt edler Timon, Taf? ihn vor dich kommen. 
Timon. 
Iſt er bier im Gefolge? — He, Lucilius! 


Timon von Athen IL]1. 289 


Lucilins. (vortretend) 
Hier, zu Euer Gnaden Dienft! 
Athenienfer. 
Der Menſch Hier, edler Timon, er, dein Knecht, 
Kommt Abends oft zu mir. Ich bin ein Mann, 
Der von früh auf was vor ſich bringen wollte, 
Und etwas höher fucht mein Gut den Erben, 
Als der mit Tellern läuft, 
Timon. 
Nun gut, was weiter? 
Athenienfer. 
Ich Hab’ nur eine Tochter, nichts Verwandtes, 
Und ihre will ich mein ganzes Gut vermachen. 
Schön ift das Mädchen, alt genug zur Braut, 
Und ihr Erziehen hat mich viel gefoftet, 
Kein Lehrer war zu theuer. Er, dein Diener, 
Geht ihr in Liebe nach: nun, edler Lord, 
Weiſ' ihn mit mir aus meinem Haufe fort; 
Was ich ſprach, war umfonft. 
Timon. 
Der Mann ift redlich. 
Athenienfer. 
Sp wird ers hier beweifen, würb’ger Timon; 
Es wird fein redlich Thun fich felbft belohnen, 
Es muß nicht meine- Tochter jufl gewinnen. 
Timon. 
Und Tiebt fie ihn? 
Athenienfer. 
Jung ift fie, leicht gereizt; 
Uns lehrt der Irrthum unfrer eignen Jugend, 
Wie unbebacht fie fei. 
Timon. 
Liebſt du das Mädchen? 
Luecilius. 
Ja, theurer Herr, und mir ward Gegenliebe. 
X. 19 


209 Timon von Athen. I, 1. 


Athenienfer. 
Fehlt meine Zuflimmung bei diefer Ehe, 
Die Götter fein mir Zeugen, fo erwaͤhl' ich 
Mir aus den Straßenbettlern einen Erben, 
Und nehm’ ihr Alles, 
Timon. J 
Was beſtimmſt du ihr, 
Wird fie vermählt dem Gatten gleichen Standes? 
Athenienfer. 
Nun, drei Talente jest; in Zukunft Alles, 
Timon. 
Der gut erzogne Süngling dient mir lange; 
Sein Glück zu baun'n thu' ich ein Uebriges, 
Denn das it Menfchenpfliht. Schenk ihm dein Kind; 
Was du ihre giebt, ſoll ex von mir erhalten, 
Und fo nicht Teichter wiegen. 
Athenienfer. 
Edler Lord, 
Zum Pfande deine Chr’, und fie iſt fen. 
Timon. 
Schlag’ ein, ich halte Wort, bei meiner Ehre! 
Lueilius. 
In Demuth dank' ich euch, mein gnäd'ger Lord; 
Und nimmer mög' ich Glück und Gut genießen, 
Das euch nicht angehört! 
(Lucilius und der alte Athenienſer gehn ab) 
Dichter. 
Nehmt huldreich auf dieß Werk: lebt lang' und glücklich! 
Timon. 

Ich dank' euch ſehr; bald ſollt ihr von mir hören: 
Entfernt euch nicht, — Was habt ihr da, mein Freund? 
Maler. 

Ein Heines Bilb: gerah’, mein Gnäd'ger, nicht 
Es zu verſchmaͤhn. 





Zimon von Athen I,1 201 


Timon. 

Erfreulich iſt ein Bild. 
Das Bildwerk iſt beinah der wahre Menſch; 
Denn ſeit Ehrloſigkeit mit Menſchheit ſchachert, 
Iſt er nur Außenſeite: dieſe Färbung 
Iſt, was ſie vorgiebt. Mir gefällt dieß Werk; 
Und du erfährſt, wie mirs gefällt; komm wieder 
Zur Aufwartung, und du wirſt von mir hören. 


Maler. 
Der Himmel ſchütz' euch! 


Timon. 
Lebt wohl, ihr Freunde! gebt mir eure Hand, 
Wir ſpeiſen heut zuſammen. — Euer Stein 
Litt unter ſeiner Schätzung. 


Juwelier. 
Wie, Herr, fo wär’ er unterſchätzt? 


Timon. 
Nein, Ueberfülle alferhöchften Lobes. 
Bezahlt' ich ihn, fo wie er angepriefen, 
Würd’ es mich ganz entfleiden. 
Juwelier. 
Seine Schätzung 
Iſt, wie Verkäufer zahlen würden: doch 
Ein Ding, von gleichem Werth, den Eigner tauſchend, 
Wird, wie ihr wißt, nach ſeinem Herrn geſchätzt: 
Daß ihr ihn tragt, erhöht den Werth des Steins. 
Timon. 
Ein guter Spott. 
Kaufmann. 
Nein, edler Herr, er ſpricht gemeine Rede, 
Die Jeder ſpricht gleich ihm. 
Timon. 
Seht, wer hier kommt. Wollt ihr euch ſchelten laſſen? 
19 * 


> 


292 Timon von Athen. 1,1. 


(Apemantus tritt auf) 

Inwelier. 

Wir theilen mit Eu'r Gnaden. 
Kaufmann. 
Er ſchont Keinen. 

Timon. 

Sei mir willkommen, edler Apemantus. 
Apemantus. 

Spar', bis ich edel werde, deinen Willkomm', 

Dann biſt du Timons Hund, die Schuft' hier ehrlich. 


Timon. 
Was nennſt du Schufte fie, du kenuſt fie nicht. 
Apemantus. 
Sind ſie keine Athener? 
Timon. 
Ja. 
Apemantus. 
So widerruf' ich nicht. 
Inwelier. 
Ihr kennt mich, Apemantus. 
Apemantus. 
Du weißt, ich thu's; ich nannte dich bei Namen. 
Timon. 
Du biſt ſtolz, Apemantus. 
Apemantus. 
Auf nichts ſo ſehr, als daß ich nicht wie Timon bin. 
Timon. ‚ 
Wohin gehft du? 
Apemantus. 
Einem ehrlihen Athener das Gehirn auszufchlagen. 
Timon. 
Das ift eine That, für die du flerben mußt. 
Apemantus. 


Ja, wenn Nichtsthun den Tod durch das Gefek 
verdient. . 


Timon von Athen. L1. 293 


Timon. 
Wie gefällt dir dieß Gemälve, Apemantus ? 
Apemantus. 
Gut, weil es nichts Böſes thut. 
Timon. 
Richtete der nicht viel aus, der es malte? 
Apemantus. 
Der noch mehr, der den Maler hervorbrachte; und 
doch iſt der ſelbſt nur ein ſchmutziges Stück. 
Maler. 
Du biſt ein Hund. 
Apemantus.— | 
Deine Mutter iſt von meinem Stamm; was iſt fie, 
wenn ich ein Hund bin? 
Timon. 
Willſt du mit mir zu Mittag fpeifen, Apemantus? 
Apemantus. 
Nein, ich effe Feine große Herren. 
Timon. 
Thäteft du das, fo würdeſt du die Frauen erzürnen. 
Apemantus, 
D, die effen große Herren, und dadurch nehmen 
fie zu. 
Timon. 
Das iſt eine unanfländige Andeutung. 
Apemantus. 
Wenn du fie deuteft, nimm fie für deine Mühe. 
Ä Timon. | 
Wie gefällt dir diefer Evelftein, Apemantus? 
Apemantus. 
Nicht fo gut, als Aufrichtigkeit, die doch keinem Dien- 
fhen einen Heller Tofet. 
Timon. 
Wie viel denkſt du, daß er werth ſei? 


294 Timon von Athen. I,1. 


Apemantns. 


Nicht meines Denkens werth. — Wie ſtehts Poet? 
Dichter. 
Wie ſtehts, Philoſoph? 
Apemantus. 
Du lügſt. 
Dichter. 
Biſt du keiner? 
Apemantus. 
Ja. | 
Dichter. 
So lüg' ich nicht. 
Apemantus. 
Biſt du nicht ein Poet? 
Dichter. 
Ja. 
Apemantus. 


So lügſt du: ſieh nur in dein neueſtes Werk, wo 
bu erſinnſt, er ſei ein würd'ger Menſch. 
Dichter. 
Das it nicht erfonnen, er iſt es wirklich. 
Upemantus. 

Ja, er iſt beiner werth, um dich für deine Arbeit 
zu bezahlen: wer die Schmeichelei Liebt, iſt des Schmeich⸗ 
lers würdig. Himmel, wäre ich doch ein Lord! 

Timon. 
Was wollteft du dann thun, Apemantus ? 
Apemantus. 

Daffelbe, was Apemantus jetzt thut, einen Lord von 

Herzen haffen. 


Timon. 

Wie, dich ſelbſt? | 
Apemantus. 

Ja. 

Timon. 


Weßhalb. 





Timon von Athen IK. 295 


Apemantus. | 
Daß mir aller grimmige Wit fehlte, um Lorb zu 
bleiben. — Biſt du nicht ein Kaufmann? 
Kaufmann. 


Sa, Apemantus. 
Apemantus. 


Der Handel richte dich zu Grunde, wenn es die 
Götter nicht thun! 
Kaufmann. 
Wenn es der Handel thut, ſo thun es die Götter. 
Ayemantns. 
Der Handel iſt dein Gott, und dein Gott richte dich 
zu Grunde! 
(Trompeten. Es tritt ein Diener auf) 


Timon. 
Was für Trompeten? 
| Diener. 


‚ Alcibiades, 
Mit zwanzig Rittern, feinen Rriegsgefährten, 
Timon. 
Geht, führt fie ein, geleitet fie zu ung, 
(Einige aus dem Gefolge gehn ab) 
Ahr müßt heut mit mir fpeifen: — geht nicht fort, 
Bis ich euch dankte; nach der Mahlzeit dann 
Zeigt uns das Bild. — Erfreut, euch bier zu fehn. 
(Alcibiades und feine Gefährten treten auf) 
Willkommen, Freund! (Sie begrüßen fi) 
Apemantus. 
So, ſo, nun geht es los! — 
Gicht lähm' und dörr' euch die gefchmeid’gen Glieder! — 
Bon Liebe nichts in al’ den füßen Schuften, 
Und lauter Höflichkeit! Die Menfchenbrut > 
Renkt fih iu Aff' und Pavian noch hinein. 
Alcibiades. 
Ihr flilitet meine Sehnſucht, und ich ſchwelge 
In Gier an eurem Anblick. 


296 Simon von Alten. I, 1. | 


Timon. 
Sehr willfommen! 
Und eh wir ſcheiden, eint uns manche Stunde 
In Freud’ und Luſt. Sch bitte, tretet ein. 
(Alle gehn ab, außer Apemantus) 





(Zwei Lords treten auf) 


Erfier Lord, 
Bas ift die Zeit am Tage, Apemantus? 
Apemantus. 
Zeit, daß man ehrlich iſt. 
Erſter Lord. 
Die Zeit iſt immer. 
Apemantus. 
Am fo verruchter du, fie nie zu nutzen. 
"Zweiter Lord, 
Gehſt zu Lord Timons Feft? 
Apyemantus. 
Ja, um zu fehn, wie Scharfen Speife nährt, 
Und Narren Wein erhibt. 
Zweiter Lord. 
Leb' wohl, leb' wohl! 
Apemantus. 
Du biſt ein Narr, daß du mirs zweimal ſagſt. 
Zweiter Lord. 
Warum, Apemantus? 


Ap emantus. 
Du hatteſt das eine für dich behalten ſollen, denn 
ich denke dir keines zu geben. 


Erſter Lord. 
Geh, Hang’ dich auf. 
Apemantus. 
Nein, sch thue nichts auf deinen Befehl: bring beine 
Gefuche bei deinem Freunde an. 


Zimon von Athen. 1,2. 297 


Zweiter Lord. 
Fort, du zänkifher Hund, ober ich foße dich mit 
dem Fuß hinaus. 
Apemantus. 
Ich will, wie der Hund, bie Hufen des Eſels fliehen, 
(Apemantus geht ab) 
Erfier Lord. 
Er ift ein Widerfpiel der Menſchheit. Kommt hinein, 
Laßt Timons Güt' ung koſten, fie ift reicher, 
Als felbft das Herz der Milde. 
Zweiter Lord. 
Er ſtrömt fie aus; Plutus, der Gott des Goldes, 
Iſt fein Verwalter nur: wer ihn befchenft, 
Wird fiebenfach belohnt; und Feine Gabe, 
Die nicht Vergeltung ihrem Geber bringt, 
Weit über alles Maaß. 
Erfter Lord. 
Das edelfte 
Gemüth Hat er, das je im Menſchen herrſchte. 
Zweiter Lord. 
Er Iebe lang' und glücklich! Woll'n wir gehn? 
Erfter Lord, 
Ja, ich begleite euch. 
(Sie gehn ab) 


Zweite Scene 
PBrunffaalin Timon’s Haufe 


(Hobom, laute Muſik. Ein großes Banquet wird angerich⸗ 
tet. Flavius und andre Diener. Dann treten auf: 
Timon, Alcibiades, Lucius, Sempronius, Lu— 
cullus, Bentidiug und andre Senatoren und Ge 
folge. Zulegt Apemantus) 


Ventidius. 
Erlauchter Timon, Götterrathſchluß ſandte 
Zur langen Ruh' den greiſen Vater hin. 


298 Timon von Athen. I, 2% 


Er fchied beglückt und hinterließ mich reich: 
Drum, wie mich Lieb' und Dankbarkeit verpflichten, 
Erftatt? ich deiner Großmuth die Talente, 
Zugleich dir dienſtergeben, der durch fie 
Mir Freiheit Tchuf. 
Timon. 
O nimmermehr, Ventidius. 
Rechtſchaffner Mann, da kränkt ihr meine Liebe; 
Ich gab fie weg auf immer. Wer zurüd nimmt, 
Kann nicht mit Recht behaupten, daß er giebt: 
Wenn fo der Große thut, nicht ziemt ung, nachzufpielen, 
Weil an den Reichen flets die Fehler felbft gefielen. 
(Sie ftehn Alle mit Ehrfurcht um Timon her) 

Ventidius. 
Welch edler Geiſt! 

Timon. 

Nein, Lords, die Ceremonie 
Ward nur erfunden, einen Glanz zu leihn 
Verſtellter Freundlichkeit und hohlem Gruß, 
Gutthun vernichtend, um nicht zu gewähren; 
Doch wahre Freundſchaft kann ſie ganz entbehren. 
Setzt euch; ihre ſeid willkommner meinem Glück, 
Als mir mein Reichthum iſt. (Sie ſetzen ſich) 

Erſter Lord. 
Mylord, das war ſtets unſer Eingeſtändniß. 


Apemantus. 
Ho! Eingeftändnig? folgt nicht Hängen drauf? 
Timon. 
D, Apemantus! — fei willflommen! 
Apemantus, 
Nein, 


Sch will nicht, daß du mich willkommen heißeſt; 

Ich kam, damit du aus der Thür mich werfeſt. 
Timon. 

Pfui, du bift rauf, und einer Laune eigen, 


Timon von Athen. 1,2. 299 


Dem Menfchen ungeziemend, tabelnswürbig; 
Sonſt fagt man: ira furor hrevis est, 
Doch jener Mann iſt immerfort ergrimmt. 
Du ba, bereit’ ihm feinen eignen Tiſch, 
Denn er fucht weder die Geſellſchaft auf, 
Noch paßt er für fie irgend. 
Ayemantus. 
Auf dein’ Gefahr bleib?’ ich denn, Timon, bier; 
Sch kam, um aufzumerken; fei gewarnt. 
Timon. 

Das kümmert mich nicht; du biſt ein Athener, und 
mir deßhalb willfommen; ich möchte bier nichts zu be= 
fehlen haben: bitte, laß mein Mahl dich zum Schweigen 
bringen. 

Apemantns, 
Dein Mahl verfchmäh’ ich; es erwürgt mich, denn 
Nie würd’ ich fshmeicheln. — Götter! welche Schaar 
Berzehrt den Timon, und er fieht fie nicht! 
Mich quält es, daß fo Biel ihr Brod eintauchen 
In Eines Mannes Blut; und größre Tollheit, 
Er muntert fie noch auf. 
Dich wundert, wie doch Menfch dem Menfchen traut: 
Sie foliten nur fi laden ohne Meſſer; 
Gut für das Mahl, und für das Leben beffer: 
Das zeigt ſich oft; der Burſche ihm zunächſt, 
Der mit ihm Brod bricht, ihm Gefundheit bringt, 
Mit feinem Athem im getheilten Trunf, 
Er ift der nächfl’, ihn zu ermorden. So 
Geſchahs ſchon oft; wär’ ich ein großer He, 
Ich wagte bei der Mahlzeit nicht zu trinken, 
Sonſt Tönnte man erfpähn der Kehle Schwächenz 
Nur halsgepanzert follten Große zechen. 

Timon. 

Bon Herzen, Herr; und rundum geh’ es weiter. 


& 


300 Zimon von Athen 1,2. 


Zweiter Lord. 
Laß ihn von dieſer Seite wandeln, edler Lord. 


Apemantus. 
Von dieſer Seite! 
Ein herz'ger Menſch! — das Wandeln iſt fein Handwerk. 
O Timon! du und dein Beſitz 
Wird Frank von dem Gefundheitstrinfen noch. 
Hier hab’ ich, was zu ſchwach ift, um zu fünd’gen, 
Chrlihes Waffer, was noch Keinen binwarf: 
Dieg Mag mit meiner Koft fih gut vertragen; 
Schmaus iſt zu ſtolz, den Göttern Dank zu ſagen. 

(Des Apemantus gratias) 
Sr Götter, nicht um Geld bitt?’ ich, 
Für Niemand bet’ ich, als für mich; 
Gebt, daß ich nie fo thöricht fei, 
Zu trau’n der Menfchen Schwur und Treu'; 
Noch der Dirne, wenn fie weint, 
Noch dem Hund, der fihlafend fiheint, 
Noch dem Schließer im Gefängniß, 
Noch dem Freunde in Bebrängniß, 
- Amen. Sp greife zu; 
Der Reiche fündigt, Wurzeln fpeife du. 
(Sr ißt und trinkt) 

Und wohl bekomm' es deinem guten Herzen, Apemantug, 


Timon. 
General Alcibiades, euer Herz ift in dieſen Augen⸗ 
blick im Felde. 
Aleibiades. 
Mein Herz iſt immer zu enren, Dienſten, Mylord. 
Timon, 
Ihr wäret lieber bei einem. Frühſtück von Feinden, 
als bei einem Mittagseffen von Freunden. 
Aleibiades. 
Wenn ſie friſchblutend ſind, ſo kommt kein Schmaus 








Timon von Athen. 1,2. 301 


ihnen gleich, und sch möchte meinem beſten Freund ein 
ſolches Feſt wünſchen. 
Apemantus. 

So wollt' ich, alle dieſe Schmeichler wären deine 
Feinde, damit du fie alle tödten könnteſt, und mich dann 
darauf einladen. 

Erfter Lord. 

Würde uns nur das Glüd zu Theil, edler Lord, 
daß ihr einft unſrer Liebe bebürftet, damit wir euch ei- 
nigermaßen unfern Eifer zeigen könnten, dann würben 
wir ung auf immer für beglückt halten, 

Timon. 

D, zweifelt nicht, meine theuern Freunde, die Göt- 
ter felbft Haben gewiß dafür geforgt, daß ihr mir noch 
dereinſt fehr nüslich werben könnt: wie wäret ihr auch 
fonft meine Freunde? Weßhalb führtet ihr vor taufend 
Andern biefen liebevollen Namen, wenn ihr meinem Der- 
zen nicht die Nächften wäret? Sch babe mir felbft mehr 
von euch gefagt, als ihr mit Befcheidenheit zu eurem 
Deften fagen könnt, und das ſteht feft bei mir. O, ihr 
Götter, denk’ ich, was bedürfen wir irgend der Freunde, 
wenn wir ihrer niemals bebürften? fie wären ja die un- 
nübeften Geſchöpfe auf der Welt, wenn wir fie nie ge- 
brauchten, und glichen Tieblichen Inſtrumenten, bie in 
ihren Kaften an der Wand hängen und ihre Töne für 
fih felbft behalten. Wahrlih, ich Habe oft gewänfcht, 
ärmer zu feyn, um euch näher zu fiehn. Wir find dazu 
geboren, wohlthätig zu feyn, und was fünnen wir wohl 
mit befferm Anfpruch unfer eigen nennen, als den Reich— 
thum unfrer Freunde? O, welch ein teöftlicher Gedanke 
ift es, daß fo Biele, Brüdern gleich, einer über des an- 
dern Vermögen gebieten kann! O Freude, die ſchon 
ftirbt, ehe fie geboren wird! Meine Augen Tönnen die 
Thränen nicht zurück halten: um ihren Fehl vergeffen 
zu machen, trinfe ich euch zu. 


308 Timon von Athen L,8. 


Apemantus. 
Du weinſt, daß ſie trinken mögen, Timon. 
Zweiter Lord. 
Sp warb die Freud’ auch ung im Aug’ empfangen, 
Und fprang fogleih ale weinend Kind hervor. 
Apemantus, 
Sch Iache, daß es wohl ein Baflarb war. 
Dritter Lord, 
Wahrlich, Mylord, ihr habt mich ganz erfchüttert. 
Apemantus. 
Gans! 


(Trompeten hinter der Scene) 


Timon. 
Was bedeutet die Trompete? — he? 


(Sin Diener tritt auf) 


Diener. 
Mit eurer Genehmigung, Mylord, es find einige 
Damen da, die fehnlich den Einlaß wünfchen. 
Timon. 
Damen? was begehren fie? 
Diener. 
Sie haben einen Borläufer bei fih, Mylord, ver 
ben Auftrag hat, ihren Willen fund zu thun. 
Timon. 
Wohl, fo laß fie ein. 


(Eupido tritt auf) 


Cupido. 
Dem würd'gen Timon Heil und all' den Andern, 
Die ſeiner Huld genießen! — Die fünf Sinne 
Erkennen dich als ihren Herrn, und nahn 
Glückwünſchend deinem edlen Haus: Geſchmack, 
Gefühl fand hier an deinem Tiſch Erquicken; 
Sie kommen nur, dein Auge zu entzücken. 








Timon von Athen IL 2. 3083 
Timon. “ 
Sie find Alte willkommen; man empfange fie freund⸗ 
lich: Muſik, heiße fie willkommen. 
( Cupido geht ab) 
Erfter Lord. 
Ihr feht, wie ihr von Allen feid geliebt. 

(Mufif. Eupido tritt wierer auf, Masferade von Damen 
ale Amazonen verkleidet; fie haben Lauten, und tanzen 
und jpielen) 

Apemantus. 
Heiſa, ein Schwarm von Eitelkeit bricht ein! 
Sie tanzen, ha! wahnſinn'ge Weiber ſinds. 
Ganz ſolcher Wahnſinn iſt die Pracht des Lebens, 
Wie dieſer Pomp ſich zeigt bei dieſer Wurzel. 
Selbſt machen wir zu Narr'n uns, uns zu freun; 
Vergenden Schmeicheln, aufzutrinken Menſchen, 
Auf deren Alter wir es wieder ſpeien, 
Mit Haß und Hohn vergiftet. Wer lebt, der nicht 
Gekraͤnkt iſt oder kraͤnkt? Wer ſtirbt, und nimmt 
Nicht eine Wund' ins Grab von Freundeshand? 
Die vor mir tanzen jetzt, ich wuͤrde fürchten, 
Sie flampfen einft auf mi: es kam ſchon vor; 
Man fchließt beim Sonnenuntergang das Thor. 


"(Die Lords ſtehn vom Tiſch auf, indem fie dem Timon die 
größte Ehrfurcht beweiſen; und, um ihm ihre Liebe zu zei— 
gen, wählt jeder eine Amazone zum Tanz; nad) einer hei⸗ 
tern Muſik fchließt der Tanz) 


Timon. 
Ihr ſchönen Frau'n lieh't Aumuth unfrer Luft, 
Und ſchmücktet unſer Feſt mit ſchönerm Glanz, 
Das halb ſo reich und hold vorher nicht ſtrahlte; 
Ihr gabt ihm höhern Werth und freundlich Schimmern, 
Und unterhieltet mich, wie ichs erſann; 
Noch bleib' ich Dank euch ſchuldig. 


304 Timon von Athen. I, 2. 


Erſte Dame. 
Ihr nehmt uns, Mylord, von der beften Seite. 
Avemantus, 
Wahrlich, denn die ſchlimmſte iſt ſchmutzig, und 
würde wohl kaum das Nehmen vertragen, denk' ich. 
Timon. 
Ihr Frauen, dort findet ihr ein leicht Banket: 
Sp gütig ſeid, euch ſelber zu bedienen. 
Die Damen. 
Euch höchſt ergeb’nen Dank, Mylord. 
(Cupido und die Damen gehn ab) 
Timon. 
Flavius, — 
Flavius. 
Mylord. 
Timon. 
Bring’ mir das Heine Kaäſtchen. 
Flavius. 
Sogleich, Mylord. — 
(beiſei Noch immer mehr JInwelen! 
Man darf ihn nicht in feiner Laune kreuzen; 
Sonſt wärb’ ih — Gut — wenn Alles iſt geſchwunden, 
Wünſcht er, ex hätte ſich gefreuzt gefunden. 
D Sammer! möchte Milde rüdwärts fehn, 
Daß nicht an Großmuth Edle untergehn. 
(&r geht ab und fommt mit dem Käflchen wieder) 
Erfier Lord. 
Sind unfre Leute da? 
Diener. 
Euch zu Befehl, Mylord. 
Zweiter Lord. 
Die Pferde vor! 
Timon. 
Ihr Freunde, noch ein Wort 
Erlaubt mir: — Seht, mein guter Lord, ich muß 


Timon von Athen. I, 2. 305 


Euch bitten, daß ihr mir bie Ehr' erweiſt, 
Hier dieß Inwel zu abeln: 
Empfangt und tragt e8, güt’ger Herr. 
Erfier Lord. 
Doch bin ich ſchon fo fehr in eurer Schuld — 
Alle. 
Das find wir Ale, 
(Ein Diener tritt auf) 
Zweiter Diener. 
Mylord, es Reigen ein’ge Senatoren 
Bom Pferde eben, um euch zu befuchen. 
Timon. 
Höchlich willfommen. 
’ Flavius. 
Ich erfuh’ Eu'r Gnaden, 
Erlaubt ein Wort mir: es betrifft euch nah. 
Timon. 
Mich ſelbſt? ſo hör' ich dich ein ander Mal: 
Ich bitte, laß uns wohl bereitet ſeyn, 
Sie ziemend aufzunehmen. 
Flaviug, (beiſeit) 
Kaum noch weiß ich, wie. 
(Ein Diener tritt auf) 
Dritter Diener. 
Erlaubt mir, gnäd'ger Herr, Lord Lacius ſendet 
Aus freier Liebe, ale Geſchenk euch, vier 
Milchweiße Roffe, aufgefchirrt mit Silber, 
Timon. 
Ich nehme ſie mit Dank; ſorgt, daß die Gabe 
Würdig erwiedert wird. — Wie nun, was giebts? 
(Ein Diener tritt auf) 
Bierter Diener. 
Mit Euer Gnaden Erlaubniß, der edle Lord Lucul⸗ 
Ins wünfht eure Gefellfehaft, um morgen mit ihm zu 
jagen, und fendet Euer Gnaden zwei Kuppel Windhunde. 
X. 20 


306 Simon von Athen. I, 2. 


Timon. 
Ich Tage zu. — Laß in Empfang fie nehmen, 
Nicht ohne reichen Lohn. 
Flavins. (beiſeit) 
Was fol draus werben? 
Bewirthen ſollen wir und reich beſchenken, 
Und alles das aus einem leeren Kaſten. — 
Er rechnet nimmer nach, und heißt mich immer ſchweigen, 
Wenn ich ſein Herz als Bettler ihm will zeigen, 
Da ſeine Macht nicht ſeinem Wunſch genügt; 
Ihn überfliegt ſo ſehr, was er verſpricht, 
Daß, was er redet, Schuld iſt: ja verpflichtet 
Für jedes Wort, iſt er ſo mild, daß Zins 
Er dafür zahlt. All' feine Güter ſtehn 
In ihren Büchern. — 
Wär’ ich nur freundlich meines Dienftes los, 
Bevor ich ihn gewaltfam Laffen muß! 
Biel beffer freundlos, feinem Speife bieten, 
Als Vielen, die mehr noch als Feinde wüthen. 
Es blutet mir das Herz um meinen Herrn. 
(Sr geht ab) 
Timon. 
Ihr thut euch ſelbſt groß Unrecht, 
Schätzt ihr ſo wenig euren eignen Werth: — 
Hier, nehmt die kleine Gabe meiner Liebe. 
Zweiter Lord. 
Ich nehm's, mit nicht gemeiner Dankbarkeit. 
Dritter Lord. 
Ja wohl iſt er der Großmuth wahre Seele! 
Timon. 
Und jetzt entfinn' ich mich, Mylord, ihr gabt 
Jüngſt ſchönes Lob dem Braunen, den ich ritt: 
Er iſt der Eure, da er euch gefällt. 
Zweiter Lord. 
Ich bitt' euch, edler Herr, entſchuldigt mich. 


"Simon vonAtben 1,2. 307 


Timon. 
Glaubt meinem Wort, mein Freund, ich weiß, man kann 
Nur nach Verdienſt das loben, was man liebt: 
Der Freunde Neigung waͤg' ich nach der eignen; 
Ich ſpreche aus der Seel. Ich ſuch' euch auf. 
Alle Lords. 
Wer wäre fo willkommen! 
Timon. 
Beſuch der Freund’, und eurer insbefondre, 
Iſt mir fo werth, ich kann genug nicht geben; 
Den Freunden möcht’ ich Königreiche fchenfen, 
Und nie ermüden. — Alcibiades, 
Du bift ein Rrieger, darum felten reich, 
Du braudft es wohl: dein Lebensunterhalt 
ft bei den Todten, deine Ländereien 
Das Schlachtfelv. 
Alcıbiades. 
Unfruchtbares Land, Mylord. 
Erfter Lord. 
Wir find unendlich euch verpflichtet. — 
Timon. 
Und 
So bin ih euch. 
Zweiter Lord, 
Auf ewig ganz ergeben. 
. Timon. 
Nicht minder ih. — He, Lichter, noch mehr Lichter! 
j Erfter Lord. 
Das höchſte Glück, 
Reichthum und Ehre bleib' euch, edler Timon. 
Timon. 
Zum Dienſt der Freunde. 
(Alcibiades und die Lords gehn ab) 
Apemantus. 
Welch ein Lärm iſt das! 
20 * 


308 Timon von Alten. L 2. 


Grinſend Geſicht, den Steig heraus gelehrt! 

Ob wohl die Deine jene Summen werth, 

Die fie gekoſtet? Freundſchaft iſt voll Rahmen: 

Der Falſchheit Knochen follten immer lahmen. 
Kniebengen macht treuherz'gen Narrn banfrut. 

Timon. 
Nun, Apemantus, wärſt du nicht fo mürriſch, 
Wollt' ih dir Gutes thun. 
Apemantus. 
Nein, ich will nichts: 

Würd' ich beſtochen auch, ſo bliebe Keiner 

Auf dich zu ſchmähn; dann ſündigt'ſt dus noch ſchneller. 
Du giebſt fo viel, Timon, daß, wie ich fürchte, 

Du in Papier dich bald hinweggefchentt, 

Wozu die Schmäuf’ und Aufzüg', eitles Großthun? 

Timon. 

Nein, wenn du felbft Geſelligkeit willſt ſchmähen, 

Sp will ih wahrlich deiner gar nicht achten. 

Fahr wohl und komm' in beff’rer Stimmung. 

(Timon geht ab) 
Apemantus. 
j Soz — 
Du willſt nicht Hören, — ſollſt auch nicht; — verſchloſſen 
Set dir dieß Glück. O Menſch, wie fo bethört! 
\Taub iſt das Ohr dem Rath, das Schmeichler Hört. 
. (Seht ab) 





Zweiter Aufzug. 


Erſte Secene. 


Zimmer in dem Hauſe eines Senators. 
(Der Senator tritt auf mit Papieren in der Hand) 


Senator. 
Funftauſend kürzlich erſt dem Varro; Iſidor 
Iſt er neuntauſend ſchuldig; meins dazu, 
Macht fünfundzwanzig. — Immer raſcher taumelt 
Verſchwendung ſo? Es kann, es wird nicht dauern. 
Fehlts mir an Geld, ſtehl' ich 'nes Beltlers Hund 
Und geb’ ihn Timonz gut, der Hund münzt Gelb. 
Will ich flatt meines Pferdes zwanzig Taufen, 
Und beff’re: nun, mein Pferd ſchenk' ich dem Timon, 
Nicht fordernd geb’ ichs ihm, gleich fohlt mirs Roſſe, 
Und trefflihe: Fein Pförtner flieht am Thor, 
Nein, einer nur, der Lächelnd Alles ladet, 
Was dort vorbei gebt. Dauern kann es nit; 
Kein Sinn Tann feinen Zuftand ficher finden. 
He, Caphis! Caphis, ſag' ich. 
(Caphis tritt auf) 
Caphis. 
Was befehlt ihr? 
Senator. 
Den Mantel um, und zu Lord Timon gleich; 
Sei dringend um mein Geld, und nicht begütigt 
Durch leichte Ausflucht; ſchweig nicht, wenn es heißt — 
Empfiehl mich deinem Herrn — man mit der Kappe 


310 Timon von Athen. II, 2. 


Spielt in der rechten Hand, fo: — Rein, fig’ ihm, 
Man drängt mich felbft, und ich muß fie befihwicht’gen, 
Aus meinen Mitteln. Seme Friſt if um, 
Und mein Credit, da er nicht Stundung hielt, 
Iſt ſchon beſchmitzt: ich Tieb’ ihn und verehr’ ihn; 
Doch wag’ ich nicht den Hals für feinen Finger; 
Ich brauch’ es augenblicks, und was mich rettet, 
Map nicht unfichre, ſchwanke Rede feyn, 
Nur fchleunigfte Befried'gung. Mach dich auf; 
Nimm auch höchſt ungeflümes Wefen an, 
Ein Angefiht des Mahners; denn ich fürchte, 
Stedt jede Feder in der rechten Schwinge, 
Bleibt Timon als ein nackter Gauch zurüd, 
Der jebt als Phönix leuchtet. Mach dich fort! 
Caphis. 
Ich gehe, Herr. 
Senator. 
Ich gehe, Herr? — Nimm die Verſchreibung mit 
Und merke die Verfallzeit. 
Caphis. 
Gut. 
Senator. 


So geh! 
(Gehn ab) 


Zweite Scene. 
Vorhalle in Timon's Hauſe. 
(Flavius tritt auf mit vielen Rechnungen in der Hand) 


Flavius. 
Nachdenken, Einhalt nicht! Wirthſchaft ganz ſinnlos, 
Daß er ſie weder ſo kann weiter führen, 
Noch die Verſchwendung hemmt: ſich nicht drum kümmert, 
Wo Alles hin geht, noch ein Mittel ſucht, 
Woraus es fortzuführen; nie verband 








Timon von Athen. U, 2. 311 


Sich ſo viel Milde ſolchem Unverſtand. 
Was wird noch draus? Er Hört nicht, bis er fühlt; 
Ich ſchenk' ihm reinen Wein, kommt er vom Jagen. 
Pfui, pfuil 
(Caphis tritt auf und die Diener des Iſidor und Varro) 
Caphis. 
Ei, Varro, guten Abend: 
Kommſt du nach Geld? 
Varro's Diener. 
Iſts nicht auch dein Geſchäft? 
Caphis. 
So iſts; — und deins auch, Iſidor? 
Iſidor's Diener. 
Ja wohl. 
Caphis. 
Waͤr'n wir nur Alle ſchon bezahlt! 
Varro's Diener. 
Hm, ſchwerlich. 
Caphis. 
Hier kommt der gnäb’ge Herr. 
(E86 treten auf Timon, Alcibiades und Lords) 
Timon. 
Gleich nach der Mahlzeit gehn wir wieder bran, 
Mein Alcibiades. — Zu mir? Was siebte? 
Caphis 
Hier, dieſe Schulbverfhreibung, edler Herr — 
Timon, 
Schul? Woher bift du? 
| Caphis. 
Gnäd'ger, aus Athen. 
Timon. 
Zu meinem Hausverwalter geh. 
Caphis. 
Verzeiht mir, gnäd'ger Herr, ſeit einem Monat 
Verweiſt er mich von einem Tag zum andern; 


312 Timon von Athen. II, 2. 


Mein Herr, jet ſelbſt in Roth und Hart bedrängt, 
Muß mahnen an die Schulv, und fleht in Demuth, 
Daß Ihe, mit enerm edlen Thun im Einklang, 
Sein Recht ihm thut. 
Timon. 
Mein guter Freund, ich bitte, 
Komm wieder zu mir morgen früh. 
Caphis. 
Nein, edler Herr. 
Timon. 
Vergiß dich nicht, mein Guter. 
Varro's Diener. 
Des Varro Diener, Lord — 
Iſidor's Diener. 
Von Iſidor; 
In Demuth bittet er um ſchnelle Zahlung. 
Caphis. 
Wäaͤr' euch bekannt, wie ſehr mein Herr es braucht — 
Varro's Diener. 
Schon vor ſechs Wochen fällig, Herr, und drüber. 
Iſidor's Diener. 
Mylord, eu'r Hausverwalter weiſt mich ab, 
Ausdrücklich ſchickkt man mich zu Euer Gnaden. 
Timon. 
Nur Heine Ruh'! — 
Sch bitt' euch, edle Lords, geht mir voran; 
(Alcibiades und die Lords dehn ab) 
Ich folg’ euch augenblicks. — (zu Flavius) Komm Ber, 
und fprich: 
Wie, um die Welt, daß man mich fo umbrängt 
Mit Mahngeſchrei um Schuld, verfallnen Scheinen 
Und rüdgehaltnen Summen, zahlbar längſt, 
Zum Nachtheil meiner Ehre? 
Flavius. 
Hört, ihr Herrn, 








Timon von Athen. II, 2. 313 


Die Zeit iſt für Geſchaͤfte nicht geeignet; 
Stift euren Ungeflüm bis nach der Mahlzeit, 
Anf dag ich Seiner Gnaden fagen möge, 
Weßhalb ihr nicht bezahlt ſeid. 


Timon. 
Thut das, Freundel 
Und laß fie gut bewirthen. '(Timon geht ab) 
Flavius. 
Bitte, kommt. 


( Flavius geht ab) 
(Apemantus and ein Narr Sreten auf) 
Caphis. 
Wartet, hier kommt Apemantus mit dem Narren; 
wir wollen noch etwas Spaß mit ihnen treiben. 
Varro's Diener. 
An den Galgen mit ihm, er wird uns ſchlecht be⸗ 
gegnen. 
Iſidor's Diener. 
Die Peſt über den Hund! 
Varro's Diener. 
Was machſt du, Narr? 
Apemantus. 
Führſt du Geſpräch mit deinem Schatten? 
Varro's Diener. 
Ich ſpreche nicht mit dir. 
Apemantus. 
Nein, mit dir ſelbſt. — (zum Narren) Komm fort. 
Iſidor's Diener. (zu Varro's Diener) 
Da hängt dir der Narr ſchon am Halſe. 
Apemantus. 
Nein, du ſtehſt allein, und hängſt nicht an iym. 
Caphis. 
Wo iſt der Narr nun? 
Apemantus. 
Der die letzte Frage that. — Arme Schufte und 


314 Timon von Athen. II, 2. 


Diener von Wucherern | Kuppler zwiſchen Gold und 
Mangel! 
Alle Diener. 
Was find wir, Apemantus? 
Apemantus. 
Efel. 
Alle Diener. 
Warum? 
Apemantus, 

Weil ihre mich fragt, was ihr ſeid, und euch felhk 

nicht Tennt. — Sprich mit ihnen, Narr. 
Narr. 

Wie gehts euch, ihre Herren? 

Alle Diener. | 

Großen Dank, Narr! wie geht es deiner Gebieterin? 

Narr. 

Sie fett eben Waffer bei, um ſolche Küchlein, wie 
ihr ſeid, zu brühen. Sch wollte, wir ſähen euch in 
Corinth. 

Apemantus,. 
Gut! ih danke bir. 
(Sin Bage tritt auf) 
Narr. 
Seht, hier kommt der Page meiner Gebieterin. 
Page. (zum Rarın) 

Nun, wie gehts, Kapitän? was machſt du im diefer 

weifen Geſellſchaft? — Wie gehts dir, Apemdntus ? 
Apemantus. 

Ich wollte, ich hätte eine Ruthe in meinem Munde, 

um dir eine beilfame Antwort geben zu können. 


Page. 
Ich bitte dich, Apemantus, Yies mir die Auffchrift 
diefer Briefe, ich weiß nicht, an wen jeder ift. 
Apemantus. 
Kanuſt du nicht Iefen? 


| 





Timon von Athen. II, 2. 215 


Page. 

Nein. 

Ayemantus. 

Sp wird alfo an dem Tage, wo du gehängt wirft, 
feine große Gelehrſamkeit flerben. Diefer ift am Lord 
Timon; diefer an Alcibiades, Geh! du wurbeft als 
Baſtard geboren und wirft als Kuppler ſterben. 

Page. 

Und du wurdeſt als Hund geworfen, und wirſt ver⸗ 
hungern, den Tod des Hundes. Antworte nicht, denn 
ich bin ſchon fort. ( Der Page geht ab) 

Apemantus. 

Eben fo entfliehft du der Gnade. Narr, ich will 

mit dir zu Lord Timon gehen. 
Narr. 
Und willſt du mid dort Laffen? 


Apemantus. 
Wenn Timon zu Haufe bleibt. — Ihr Drei bedient 
drei Wucherer. 
Alle Diener. 
Jaz bedienten fie Lieber ung! 


Ayemantus. 
Das wollte ich auch, — und fo gut, wie jeder Hen- 
fer den Dieb bedient. 
Narr. 
Seid ihr die Diener von drei Wucherern? 


Alle Diener. 
Sa, Narr. 
Narr. " 

Ich glaube, es giebt feinen Wucherer, der nicht einen 
Narren zum Diener bat. Meine Gebieterin iſt es auch, 
und ich bin ihr Narr. Wenn die Lente von euren Herren 
borgen wollen, fo fommen fie traurig, und gehen fröh- 
lich wieder weg; aber in das Haus meiner Gebieterin 


316 Timon von Athen. I, 2 
fommen fie fröhlich und gehn traurig wieber weg: bie 


Urſach? 
Varro's Diener. 

Ich könnte fie nennen. 

Apemantus. 

Sp thu es denn, damit wir dich als Verbuhlten und 
Schelm kennen lernen, wofür du nichts deſto weniger gel- 
ten ſollſt. 

Varro's Diener, 

Was ift ein Verbußlter, Narr? 

Narr. 

Ein Narr in guten Kleidern, und bir etwas ahnlich. 
Ein Geiſt iſt es, denn zuweilen erſcheint er als. ein vor⸗ 
nehmer Herr, zuweilen als ein Rechtsgelehrter, zuweilen 
als ein Philoſoph, zuweilen gleicht er auch einem Ritter: 
und, furz und gut, in allen Geflalten, worin die Men- 
fen von achtzig bis zu dreizehn Jahren umher wan- 
deln, geht dieſer Geiſt um. 

Varro's Diener. 

Du biſt nicht ganz ein Narr. 

Narr. 

Und du nicht ganz ein Weiſer; ſo viel Narrheit, als 

ich beſitze, ſo viel Witz mangelt dir. 
Apemantus. 

Dieſer Antwort hätte ſich Apemantus nicht ſchämen 
dürfen. 

Alle Diener. 

Platz, Platz! Hier kommt Lord Timon. 

(Timon und Flavius treten auf) 
Apemantus. 

Komm mit mir, Narr, komm. 

Narr. | 

Ich folge nicht immer dem Liebhaber, dem älteſten 
Bruder und der Franz manchmal dem Philoſophen. 

(Apemantus und der Rarr gehn ab) 








— — — — ww (nm 


Timon von Athen. IL'2. 317 


Flavius. 


Ich bitt' euch, gebt; gleich will ich mit euch reden. 


(Die Diener gehn alle ab) 
Timon, 
Du machſt mich ſtaunen. Warum früher nicht 
Haft du mir mein Vermögen Har berechnet? 
Daß ich vermocht, den. Haushalt einzurichten, 
Wie's mir vergönnt. 
Flavius. 
Ihr wolltet nimmer hören, 
So oft ichs vorſchlug eurer Muße. 


Timon. 
Was! 
Einmal ergriffſt du wohl den Augenblick, 
Wenn üble Laune dich zurück gewieſen: 
Und die Verſtimmung ſoll nun jetzt dir helfen, 
Dich zu entſchuld'gen. 
Flavius. 

O, mein theurer Herr, 
Oft hab' ich meine Rechnung euch gebracht, 
Sie hingelegt; ihr aber ſchobt ſie weg 
Und ſpracht: ſie lieg' in meiner Redlichkeit. 
Befahlt ihr, für ein klein Geſchenk ſo viel 
Zu geben, ſchüttelt' ich den Kopf und weinte; 
Ja, bat euch, gegen das Gebot der Sitte, 
Mehr enre Hand zu ſchließen; ich ertrug 
Nicht feltnen und nicht milden Vorwurf, wagt’ ich, 
An eures Reichthums Ebbe euch zu mahnen, 
Und eurer Schulden Flut, geliebter Herr, 
Sept Hört ihr mich, — zu fpat! — doch muß ichs fagen, 
Daß euer ganz Vermögen halb zu wenig 
Die gegenwärf’gen Schulden nur zu tilgen. 


Tımon, 
Laß all’ mein Land verfaufen, 


318 Timon von Athen. m, 2. 


Flavins. 
Alles iſt 

Berpfändet; viel verfallen und dahin; 
Und was noch bleibt, kann kaum den Riß verflopfen 
Des jeb’gen Drangs: Termin folgt auf Termin: 
Was nun vertritt die Zwifchenzeit? und endlich, 
Wie ftehts um unfre Rechnung? 

Timon. 
Bis Lacedämon reichten meine Güter. 

Flavius. 
O, thenrer Herr, die Welt iſt nur Ein Wort: 
Und wär’ fie eu’r, wie ſchnell wär’ fie dahın, 
Wenn fie Ein Laut verfchenkte! 

Timon. 

Du haft Recht. 

Flavius. 
Mißtraut ihr meinem Haushalt, meiner Ehre, 
So laßt mich vor den ſtrengſten Richtern ſtehn 
Zur Rechenſchaft. Die Götter ſind mir Zeugen; 
Wenn Vorſaal, Küch' und Keller voll gedrängt 
Schwelgender Diener, die Gewölbe weinten 
Dom Weinguß Irunfner, und wenn jeder Saal 
Bon Kerzen flammt’, und von Mufif erbraufte: 
Saß ih beim fleten Fluß des Brunnens einfam, 
Und ließ mein Auge firömen. 

Timon. 

Bitte, nichts mehr. 

Flavius. 
Ihr Götter, rief ich, dieſer Herr ſo mild! 
Wie manchen reichen Biſſen Sclaven heut 
Verſchluckten! Wer iſt Timon nicht ergeben? 
Welch Haupt, Herz, Schwert, Gold, Gut gehört nicht ihm, 
Dem großen, edeln, föniglichen Timon? 
Ah! ſchwand der Reichthum, der dieß Lob gekauft, 
Sp ſchwand ber Athem, der dieß Lob gebilbet: 


Timon von Athen I, 2. 319 


Was Schmaus gewann, verlor das Faflen wieder; 
Ein Wintertag, und tobt find dieſe Fliegen. 
Timon, 
Stil, pred’ge mir nicht mehr: — 
Doch Tennt mein Herz Fein Iafterhaft Verſchwenden; 
Unweiſ' und nicht unedel gab ich weg. 
Was weinft du doch? Denkſt dur, ganz gottlos, denn, 
Ich werde freundlos feyn? Beruh'ge dich; 
Wollt' ich anzapfen allen Wein der Liebe, 
Durch Borg der Herzen Inhalt mir erpräfen, 
Könnt ich ihr aller Gut fo frei gebrauchen, 
Wie ich dich reden heiße. 
Flavius. 
Es mög' Erfüllung euren Glauben ſegnen. 
Timon. 
Und in gewiſſer Art freut mich mein Mangel, 
Daß ich ihn Segen achte, denn durch ihn 
Prüf' ich die Freund': dann ſiehſt du deinen Irrthum, 
Wie überreich ich in den Freunden bin. 
He, drinnen dal — Flaminius! Servilius! 
(Blaminins, Servilius und andre Diener treten auf) 
Die Diener. 
Mylord, Mylord — 
Timon. 
Verſchicken will ich euch, — dich zu Lord Lucius, — 
. Zu Lord Lucullus dich; noch Heut?’ jagt’ ich 
Mit ihm; — dich zu Semproniug; 
Empfehlt mich ihrer Lieb’, und ich fer ſtolz, 
Daß die Gelegenheit fih fand, um Darlehn 
An Geld fie anzufprechen; mein Erfuchen: 
Funfzig Talent. ‚ 
Flaminius 
Wie ihr befehlt, Mylord. 
Flavins. (vbeiſeit) 
Lord Lucius und Luenlius? Hm! — 


320 Timon von Athen. I, 2. 


Timon. (zu einem andern Diener) 
Und du, geh zu den Senatoren flugs, 
Die Thon, weil ich dem Staate Dienft gethan, 
Gewähren mögen, daß fie gleich mir taufend 
Talente fenden. 
Flavius. 
Ich war ſchon ſo kühn 
(Denn dieß geſchieht ja oft fo, wie ih weiß), 
Dein Petſchaft dort und Namen zu gebrauden; 
Doch ſchütteln fie den Kopf, und ich Fam wieder, 
Nicht reicher als ich ging. 
Timon. 
Hal wirklich? Tann es ſeyn! 
Flavius. 
Einſtimmig ſprechen Alle — keiner anders — 
Daß ihre Kaffen leer, Fein Geld im Schatz, 
Nicht könnten, wie ſie wollten, — thäte leid — 
Höchſt würdig ihr — doch wünſchten ſie — nicht wüßten — 
Es konnte manches beſſer — edler Sinn 
Kann wauken — wär’ nur Alles gut — doch Schade! 
Und ſo, zu andern wicht’gen Dingen ſchreitend, 
Mit fcheelem Blick und dieſen Redebrocken 
Halb abgezogner Mütz', kalt trocknem Niden, 
Bereiften fie das Wort mir auf der Zunge. 
| Timon. 
Gebts ihnen heim, ihr Götter! — 
Ich bitte, Mann, blick froh; den Altgeſellen 
Sf nun der Undank einmal’ einverleibt; 
Ihr Blut iſt Gallert, Talt, und fließt nur dünn, 
Es iſt nicht friſch und warm, fie fühlen nichts; 
Und die Natur, der Erd’ entgegen wachfend, 
Sf, wie das Reifeziel, ſchon dumpf und ſchwer. — 
( Zu einem Diener) Geh zu Ventidius. (Zu Flavius) Bitte, 
ſei nicht traurig, 
Treu bift du, redlich; frei und offen fag’ ichs, 


Timon von Athen. II, I. 321 


Kein Tadel trifft did. — (Zum Diener) Kürzlich erft 
begrub 
Bentivins feinen Baterz er ward Erbe 
Don großen Schäten: als er arm noch war, 
Gefangen, und fein Freund ihn anerlannte, 
Loͤſt' ich ihn aus mit fünf Talenten. Grüß’ ihn: 
Bermuthen mög’ er, dringliches Bedürfniß 
Derühre feinen Freund, Erinnerung weckend 
An jene fünf Talent? — (zu Zlavius) den Burfchen 
gieb fie, 
Die jebt drauf drängen. Fort mit dem Gedanken, 
Dei Freunden könne Timon’s Glück erkranken! 
Flavins, 
Wohl will mein Zweifel mit der Großmuth rechten: 
Die Milde Halt für milde auch die Schlechten. 
(Gehn ab) 


Dritter Aufzug. 


Erſte Scene 
Zimmer in Lucullue Haufe 
(Slaminius; ein Diener fommt zu Ihm) 


Diener, 
Ich habe dich bei meinem Herrn gemeldet, er wird gleich 
zu dir herunter kommen. 
Flaminius. 
Ich danke dir. 
X. 21 





322 Timon von Athen. I,1. 


(Lucnllus tritt auf) 


Diener. 

Hier iſt mein Herr. 

Lucullus. (beiſeit) 

Einer von Timon's Dienern? gewiß ein Geſchenk. 
Ha ha, das trifft ein; mir traͤumte heute Nacht von Sil- 
ber = Beden und Kanne. (Laut) Flaminius, ehrlicher 
Flaminins; du bift ganz ausnehmend fehr willfommen, 
— (Zum Diener) Geh, bring Wein. (Diener geht ab) 
Und was macht der hochachtbare, unübertrefflihe, groß- 
müthige Ehrenmann Athens, dein höchſt gütiger Derr 
und Gebieter? 

Flaminius. 

Seine Geſundheit iſt gut, Herr. 

Lucullus. 

Das frent mich recht, daß feine Geſundheit gut iſt. 
Und was Haft du da unter deinem Mantel, mein artiger 
Flaminius? 

Flaminius. 

Wahrlich, Mylord, nichts als eine leere Büchſe, Die 
ich Euer Gnaden für meinen Herrn zu füllen erſuche; 
er iſt in den Fall gekommen dringend und augenblicklich 
funfzig Talente zu brauchen, und ſchickt zu Euer Gna- 
den ihm damit auszuhelfen; indem er durchaus nicht an 
eurer fihnellen Bereitwilligfeit zweifelt. 

Lucullus. 

La, la, er zweifelt nicht, ſagſt du? ach, der gute 
Lord! er iſt ein edler Mann, wollte er nur nicht ein ſo 
großes Haus machen. Viel und oftmals habe ich bei 
ihm zu Mittag geſpeiſt, und es ihm geſagt; und bin zum 
Abendeſſen wieder gekommen, bloß in der Abſicht ihn zur 
Sparſamkeit zu bewegen: aber er wollte keinen Rath 
annehmen, und ſich durch mein wiederholtes Kommen 
nicht warnen laſſen. Jeder Menſch hat ſeinen Fehler, 





Timon von Athen 11,1. 3233 


und Großmuth iſt der ſeinige; das habe ich ihm gefagt,. 
aber ich konnte ihn nicht Davon zurücd bringen, 
(Der Diener fommt mit Wein) 
Diener.. 
Gnädiger Herr, hier ift der Wein. 
Lucullus. 
Flaminins, ich babe dich immer für einen klugen 
Mann gehalten. Ich trinke dir zu. 
Flaminius. 
Euer Gnaden beliebt es ſo zu ſagen. 
Lucullus. 

Ich habe an dir immer einen raſchen, auffaſſenden 
Geiſt bemerkt, — nein, es iſt wirklich ſo — und du weißt 
wohl, was vernünftiges Betragen iſt; du biſt der Zeit 
willfährig, wenn die Zeit dir willfährig iſt: Alles gute 
Eigenſchaften. — Mach dich davon, Menſch (zum Diener 
der abgeht). — Tritt näher, ehrlicher Flaminius. Dein 
Herr iſt ein wohlthätiger Mann; aber du biſt klug, und 
weißt recht wohl, obgleich du zu mir kommſt, daß jetzt 
keine Zeit iſt, um Geld auszuleihen; beſonders auf bloße 
Freundſchaft, ohne Sicherheit. Hier haſt du drei Gold— 
flüde für dich, guter Junge, drück' ein Auge zu, und fage, 
du habeft mich nicht getroffen. Lebe wohl! 

Flaminius. 
Iſts möglich? hat die Welt ſich ſo verwandelt, 
Und wir dieſelben lebend? — Niederträchtige 
Gemeinheit, bleibe dem, der dich verehrt! 
(Indem er das Geld hinwirft) 


Lucullus. 
Ha, ha! Nun ſehe ich, du biſt ein Narr, und ſchickſt 
dich gut für deinen Herrn. (Lucullus geht ab) 
Flaminius. 


Nimm dieß zu jenem Gold, das einſt dich brennt! 
Gefchmolznes Gold fei dein Verdammungsſpruch, 
Du Krankheit eines Freunds, doch nicht ein Freund! 


21” 


324 Timon von Athen. II, 2 


Hat Freundfchaft folh ein ſchwaches Herz von Milch, 
Das in zwei Nächten umfchlägt? D, ihr Götter! 
Sch fühle meines Herren Zorn! der Sclav 

Hat noch in fih zur Stunde Timon’s Mahl: 

Wie fol es ihm gedeihn, und Nahrung werben, 
Wenn er fich felbft in Gift verwandelt hat? 

D, möge Krankheit nur fich draus erzeugen! 

Und, liegt er auf den Tod, der Nahrungsftoff, 

Für den mein Herr bezahlte, o entart’ erl 

Bermehre Krankheit, und die Todesmarter | 


(Geht ab) 
Zweite Scene 
Straße. 
(Lucius fommt mit drei Fremden) 
Lucius. 


Wer, Lord Timon? er ift mein fehr guter Freund, 

und ein ausgezeichneter Ehrenmann. 
Erfter Fremder. 

Wir Fennen ihn nicht anders, obwohl wir ihm fremd 
find. Aber ich kann euch etwas fagen, Mylord, was ich 
durch das allgemeine Gerücht gehört Habe: Timon’s glück- 
Iihe Tage find vergangen und verfihwunden, und fein 
Beſitzthum wird ihm ungetren. 

Lucius. 

Nein, glanbt das nicht; um Geld Tann er nie in 
Verlegenheit feyn. 

Zweiter Tremder. 

Aber glaubt mir dieß, gnäbiger Herr, daß vor Fur- 
zem einer feiner Diener bei Lord Lucullus war, um, ich 
weiß nicht wie viele Talente, zu borgenz ja, und noch 
mehr, fehr in ihn drang, und die Nothwendigfeit zeigte, 
bie ihn zu dieſem Schritt bewog, und bach abgewiefen 
ward, 








‚Timon von Athen. II, 2. 325 


Lucius. 
Vie? | 
Zweiter Fremder. f 
Ich fage euch, abgewiefen. 
Lucius. 


Wie feltfam ein folches Beginnen! Nun, bei den 
Göttern, ich muß mich deffen fchämen. Den würbigen 
Mann abzumweifen! darin zeigte er wenig Gefühl für 
Ehre. Was mich betrifft, ich muß befennen, ich habe 
einige Heine Tiebeszeichen von ihm erhalten, Geld, Sil- 
bergeſchirr, Edelſteine und vergleichen Kleinigfeiten, nichts 
in Vergleich mit jenem; doch, hätte er ihn übergangen, 
und zu mir gefendet, ich hätte feinem Bedürfniß dieſe 
Talente nicht geweigert. 


(Servilius teitt auf) 


Servilius. 

Ei ſieh, zum guten Glück, da iſt ja der edle Lucius; 
ich habe ſchwitzen müſſen ihn zu finden. — Verehrter 
Herr. — 

Lucius. 

Servilius! gut getroffen. Lebe wohl! — Empfiehl 
mich deinem edlen, tugenphaften Herrn, meinem aller⸗ 
thenerſten Freunde. 

Servilins. 
Mit Euer Gnaden Erlaubnif, mein Herr fendet — 
Lucius. 

Was fendet er? Ich bin deinem Herrn fchon fo 
ſehr verpflichtet; er fendet immer. O fage mir, wie 
kann ich ihm wohl danken? Und was fendet er mir jeht? 

Servilins,. 

Nur fein augenblicliches Erſuchen ſendet er euch 
jedt, mein gnädiger Here; und bittet euch ihm fogleich 
mit fo vielen Talenten auszuhelfen, als bier gefchrieben 


ſtehen. 





326 Timon von Athen. HI, 2. 


Lucius. 
Ich weiß, der gnäd'ge Lord feherzt nur mit mirz 
Nicht funfzig, Hundert fehlen ihm Talente, 


Servilius. 
Doch fehlt ihm jetzt die weit geringre Summe. 
Bedürft' ers nicht zum Aeußerſten, Mylord, 
Würd’ ich nicht halb fo eifrig in euch dringen. 


Lucius. 
Sprichſt du im Ernſt, Seroilins? 


Servilius. 
Bei meiner Seele, Herr, es ift wahr. 
Lucius. 

Welch ein gottvergeflenes Thier war ich, mich eben 
vor einer fo gelegenen Zeit vom Gelde zu entblößen, ba 
ich mich Hätte als einen Dann von Ehre zeigen fönnen! 
Wie unglüdtich trifft es fich, daß ich Durch einen kleinen 
Einkauf am Tage zuvor, nun einen großen Theil meiner 
Ehre einbüßen muß! — Servilius, ich rufe die Götter 
zu Zeugen, ich bin nicht im Stande es zu thun; um fo 
mehr Bieh, fage ich noch einmal! — Ich wollte fo eben 
felbft Timon anfprechen, das können diefe Herren bezeu⸗ 
gen; aber jetzt möchte ih um alle Schätze von Athen 
nicht, daß ich es gethan Hätte, Empfiehl mich angele- 
gentlih deinem liebevollen Gebteter; ich hoffe, fein Edel⸗ 
muth wird das Beſte von mir denken, da es nicht in 
meiner Macht ſteht mich ihm freunnlich zu bezeigen. — 
Und fage ihm von mir, ich halte es für einen der größ- 
ten Unglücesfälle, die mich treffen konnten, daß ich fol- 
chem edlen Mann nicht dienen kann. Guter Serviliug, 
willſt du mir fo viele Liebe erzeigen, meine eigenen Worte 
gegen ihn zu gebrauchen? 


Servilius. 
Ja, Herr, das werde ich. 





Timon von Ather. III, 2. 327 


ur a 141 u8.. . t. XF 
Ich werde daran denken dir einen Gefallen. zu thun, 
Serviliug. Svilus geht ab) 


Grad' wie ihr fagt: mit Timon il ſichs neigen; 
Wem man nicht trant, der kann nie wieder fleigen. 
(Lucius geht ab) 
Erſter Fremder. 
Bemerkt ihr dieß, Hoſtilius? 
Zweiter Fremder. 
Nur zu gut. 
Erſter Fremder. 
Dieß iſt J 
Der Geiſt der Welt; und grad’ aus ſolchem Eu 
Iſt jedes Schmeichlers Witz. Iſt der noch Freund, 
Der mit uns in diefelbe Schüffel taucht ? 
Timon, ich weiß, war dieſes Mannes Bater, 
Es rettete fein Beutel ihn vom Fall; 
Hielt fein Vermögen, ja, mit Timon’s Geld 
Bezahlt er feiner Diener Lohn; nie trinkt er, 
Daß Timon’s Silber nicht die Tipp’ ihm rührt; 
Und doch (o feht, wie fcheußlich iſt der Menſch, 
Wenn er des Undanks Bildung an ſich trägt!) 
Verſagt er nun, verglichen dem Empfangnen, 
Was ein barmherz'ger Mann dem Bettler giebt. 
Dritter Fremder. 
Die Froͤmmigkeit ſeufzt leidend. 
Erſter Fremder. 
Was mich betrifft, 
Ich Habe nie von Timon wag genoffen, 
Noch theilte mir fih feine Güte mit, 
Als Freund ‚mich zu bezeichnen; doch. betheur’ ich, 
Um feines edlen Sinns exlquchter Tugend, 
Und feines adelichen Weſens halb, 
Wenn er in feiner Noth mich angegangen, 
Mein ganz Befisthum hätt?’ ich hingeopfert, 


3283 Timon von Athen. 1, 3. 


Daß ihm die größte Hälfte wieberfehrte, 
So Lieb’ ich fein Gemüt. Doc mer ich wohl, 
Man muß mit zartem Sinn zu geben willen; 
Denn Klugheit thront noch höher als Gewiſſen. 
(Sie gehn ab) 


Dritte Scene, 
Zimmer in Sempronius Haufe. 
(Sempronius tritt auf mit einem Diener Timon’s) 


Sempyronius. 
Beſtürmen muß er mich vor allen andern? 
Den Lucius und Lucullus konnt' er angehn; 
Und auch Ventidius iſt nun reich geworben, 
Den er vom Kerfer Iosgefauft!l Sie alle 
Verdanken ihren Wohlſtand ihm. 
Diener. 

Muylord, 
Geprüft ſind ſie, und falſches Gold gefunden; 
Sie weigerten ihm alle. 

Sempronius. 
Weigern ihm? 

Ventidius und Lucullus weigern ihm? 
Nun ſchickt er Her zu mir? Und ſie? Hm, hm! — 
Das zeigt in ihm nur wenig Lieb' und Urtheil. 
Ih, letzter Troſt? Die Freunde find wie Aerzte 
Beſchenkt, und Laffen ihn: Ich ſoll ihn Heilen? 
Sehr hat er mich gekränkt; ich bin ihm böfe, 
Daß er mich fo verfennt: Kein Grund und Sinn, 
Weßhalb er mic, zuerft nicht angefprochen, 
Denn ih, auf mein Gewiffen, war der erfle, 
Der Gaben je von ihm empfangen hat: 
Und flellt er mich nun in den Hintergrund, 
Daß er zulegt mir traute? Nein, dieß würbe 


— 





Timon von Athen. II, 4. 329 
Nur Gegenfland bes Spotis für al’ die Andern, 
Ein Thor nur fländ’ ich da vor all! den Lords, 
Dreimal die ganze Summe gäb’ ich Tieber, 
War ich der Exfl’, nur um mein Zartgefühl; 
Sp ſchwoll mein Herz ihm Gutes zu erweifen! 
Zum Nein der Andern fei das Wort gefellt: 
Wer meine Ehre fränft, fieht nie mein Geld. 
(Geht ab) 
Diener. 

"Ganz unvergleihlihl Euer Gnaden iſt ein vet 
frommer Schurfe. Der Teufel wußte nicht, was er that, 
als er den Menfchen politifh machte; er fand fich felbft 
im Lichte: und ich kann nichts anders glauben, als daß 
durch fo nichtswürbige Klugheit der Sünder fi noch 
zum Heiligen bifputirt. Wie tugendhaft firebte der Lord, 
um niederträchtig zu erfcheinen? Frommen Borwand 
nimmt er, um gottlos zu ſeyn; denen gleich, die mit in- 
brünftigem Religiongeifer ganze Königreihe in Brand 
fterfen möchten. 

Der Art ift feine überkluge Liebe. 

Er Timon’s befle Hoffnung; all’ entweichen, 

Nur die Götter niht: Die Freunde al’ find Leichen. 
Die Thür, die niemals ihren Riegel kannte, 

Durch mauch gaftfreies Jahr, muß jest fich fchließen, 
Um fihern Wahrfam ihrem Herrn zu leihn. 

Sp end't der Lauf von al zu freien Jahrenz ' 

Das Hans bewahrt, wer nicht fein Geld Tann wahren. 


( Geht ab) 
Vierte Scene. 
Vorhalle in Timon's Hauſe. 


(Es treten auf zwei Diener des Varro und ein Diener 
des Lucius; Titus, Hortenſius und andere Diener 
von Timon’s Gläubigern) 

Varro's Diener. 


Recht! Guten Morgen, Titus and Hortenfins. 


330 , <imon von Athen. II, 4. 


en Titus. 
Euch gleichfalls, guter Varro. 
Hortenſius. 
| Lucius | 
Wie treffen wir uns hier? 
Lucius Diener. 
Und, wie ich glaube, 
Führt Ein Geſchäft uns Alle ber; benn meins 
Iſt Gelb. 
Titus, 
Und fo iſt ihre und unfers. 
(Philotus tritt auf) 
Lucins Diener. 
_ Ei! 
Philotus auch. 
Philotus. 
Guten Morgen. 
Lucius Diener. 
Freund, willkommen! 
Was iſts wohl an der Zeit? 
Philotus. 
Nicht weit von neun. 
Lucius Diener, 
So fpät? 
Philotus. 
War Mylord noch nicht ſichtbar? 
Lucius Diener. 
Nein. 
| Philotus. 
Mich wunderts; ſchon um ſieben ſtrahlt' er ſonſt. 
Lucius Diener. 
3a, doch fein Tag ift fürzer jest geworben. 
Seht, Freunde, des Verſchwenders Lauf ift gleich 
Der Sonne; doch erneut fich nicht, wie fie. 
Ich fürht’, in Timon’s Beutel iſt es Winter; 


Timon von Athen. TI, 4. 391 


Das heißt, ſteckt man die Hand auch tief hinein, 
"Man findet wenig. 
Philotus. 
Ya, das fürcht' ich auch. 
ı Titus. 
Jetzt merkt mal auf ein höchſt feltfames Ding. 
Euer Herr ſchickt euch nach Geld? 
Hortenſius. 
Gewiß, das thut er. 
Titus. | 
Und trägt Juwelen, die ihm Timon ſchenkte, 
Für die ich Geld erwarte. 
| Hortenfius. 
'S iſt gegen mein Gemüt. 
Lucius Diener. 
Ya, wunderfam, 
Timon bezahlt was niemals er befam: 
Als wenn dein Herr, weil er Juwelen trägt, 
Sich dafür Geld von Timon geben Tiefe. 
Hortenfius. 
Ich bin des Auftrags fatt, die Götter wiffens: 
Sehr viel erhielt mein Herr, als Timon reich; 
Sein Undanf macht dieß jebt dem Diebflahl gleich. 
Varro's Diener. 
Meins ift dreitaufend Kronen; und das beine? 
Lucius Diener. 
Fünftaufend. 
Barro’s erfter Diener. 
Das ift fehr viel, und nah der Summe fcheints, 
Dein Herr war ihm vertrauter als der meine; 
Sonft wäre fiber auch die Fordrung gleich. 


(Tlaminius tritt auf) 


Titus. 
Einer von Timon's Dienern. 


332 Timon von Athen. IH, 4. 





Lucius Diener. 

Flaminins! auf ein Wort: Ich bitte Dich, ift dein 

Herr bereit, heraus zu kommen 7 
Flaminius. 

Nein, gewiß nicht. 

Titus. 

Wir erwarten Seine Gnaden; und ich bitte did, 
tn’ ihm das zu wiſſen. 

Flaminius. 

Ich habe nicht nöthig, es ihm zu ſagen; er weiß 
wohl, daß ihr nur zu befliſſen ſeid. 
( Flaminius geht ab) 

(Flavius tritt auf, in einen Mantel verhüllt) 
Lucius Diener. 
Sf der Verhüllte nicht fein Hausverwalter ? 
Er geht in einer Wolfe fort. He! ruft ihn. 
| Titng. 
Hört ihr nicht, Freund! 
Barro’s erfter Diener. 
Mit eurer Erlaubniß, Herr — 

Flavıns, 

Was wollt ihr von mir haben, meine Freunde? 
Titus. 

Wir warten auf gewiffe Gelder. 

Tlavıns. 

Ja, 

Wär’ Geld fo ſicher nur als euer Warten, 
Wär's euch gewiß. Weßhalb nicht brachtet ihr 
Die Schulobrief’, als die falfchen Herren ſchwelgten 
An Timon’s Tiſch? Sie koſ'ten, mahnten nicht, 
Und Tächelten, und nahmen noch den Zins 
In gierrgen Schlund. Ihr tut euch felbfi zu nah, 
Daß ihr mich reizt; laßt ruhig mich von binnen; 
Mein Herr Tann jebt nebfl mir den Haushalt enden: 
Ich bin mit Rechnen fertig, ex mit Spenden. 


’ 
’ 


Timon von Athen. IT, 4. 333 


Lucius Diener. 
Sa, doch die Antwort dient nicht. 
Flavius. 
Dient ſie nicht, 
Iſt beſſer ſie als ihr; denn ihr dient Schelmen. 
- (Blavius geht ab) 
Varro's erfier Diener. 
Was murmelt da der abgedankte gnädige Herr? 
Varro's zweiter Diener. 

Das ift einerlei; er iſt arm, und das iſt Strafe ge- 
nug für ihn. Wer kann freier fprechen, als der, der fein 
Hans hat, den Kopf hinein zu thun? folche Leute bür- 
fen auf große Gebäude fihelten. 

(Servilius tritt auf) 
| Titus. 

Hier iſt Servilius; nun werden wir wohl irgend 
eine Antwort bekommen. 

Servilius. 
Wenn ich euch bitten darf, ihr guten Herren, 
So kommt zu einer andern Stunde, ſehr 
Will ichs euch danken; denn, glaubt meinem Wort, 
Mein Herr iſt außerordentlich verſtimmt. 
Sein heitrer Sinn hat gänzlich. ihn verlaffen; 
Denn er ift Franf, und muß fein Zimmer hüten. 
Lucius Diener 
Das Zimmer hütet mancher, der nicht Frank iſt; 
Und, ift ex fo fehr leidend, follt’ ex, mein’ ich, 
Um fo viel eher feine Schulden zahlen, 
Und fih den Weg frei machen zu den Göttern. 
Servilius. 
Ihr Götter! 
Titus, 
Dieß Fönnen wir für feine Antwort nehmen. 
Flaminius. (orinnen) 
Servilius! fomm und Hilf! Mylord, Mylord! 


334 Timon von Alben. IU, 4. 


(Timon tritt auf in einem Anfall von Wuth, Flaminius 
folgt ihn) 
Timon 
Was, fperrt die eigne Thür den Durchgang mir? 
Bar ich ftets frei, und mng mein eigen Hang 
Mein Feind feyn, ber mich feffelt, und mein Kerker? 
Der Platz, der Luft geweiht, zeigt er nun auch, 
Wie alle Menfchen, mir ein eifern Herz? 
Lucins Diener. 
Mach dich an ihn, Titus. 
Titus. 
Mylord, Hier ift meine Verſchreibung. 
Lucius Diener. 
Und meine. 
Hortenfins. 
Und meine. 
Die beiden Diener des Varro. 
Und unfre, Herr. 
Philotus. 
Alle unſre Verſchreibungen. 
Timon. 
So haut mich nieder, ſpaltet mich zum Gürtel! 
Lucius Diener. 
Ach! Herr — 
Timon. 
Zertheilt mein Herz. 
Titus. 
Funfzig Talente hier. 
Timon, 
Nehmt denn mein Blut. 
Lucius Diener, 
FZünftaufend Kronen, Herr. 
Tımon . 
Fünftaufend Tropfen zahlen die. Und ihr? — 
Und ihr? 


Timon von Athen. IH, 4. 335. 


i Barro’s erfler Diener. 
Herr! 
Varro's zweiter Diener. 
ı Herr! | 
Timon. 
BE Reißt mich in Stück' und tödten euch die Götter! 
| (Er gebt ab) 
Hortenfins. 
Nun ich ſehe wohl, unfre Herren mögen ihre Müben 
nach ihrem Gelde ſchmeißen; diefe Schulden kann man 
wohl verzweifelte nennen, da ein Raſender fie bezahlen 
Toll. | (Sie gehn Alle ab) 
(Timon fommt zurüd mit Flavius) 
Timon. 
Es nahmen Luft und Athem mir die Sclaven. 
©läubiger! — Teufel! — 
Flavıus, 
Mein theurer Herr! 
Timon. 
Und könnt's nicht fo geſchehn? 
Flavius. 
Mein gnädiger Herr. 
Timon. 
So ſoll es ſeyn: — Mein Hausverwalter! 


Flavius. 
Hier, Herr. 
Timon. 
So ſchnell? Geh, lade mir die Freunde wieder, 
Lucius, Lucullus und Sempronius, Alle; 
Ich will die Schufte noch einmal bewirthen. 
Flavius. 
O theurer Herr, 
Das ſprecht ihr nur aus tief zerſtörtem Sinn: 
Es ift nicht fo viel übrig, auszurichten 
Ein mäß’ges Mahl. 


336 Timon von Athen. II, 5. 





Timon. 
Still, lade AM, befehl' ich: 
Daß noch einmal herein die Schelmzucht breche; 
Mein Koch und ich beſorgen ſchon die Zeche. 
j (Sie gehn ab) 


Sünfte Scene. 


Das Hand bes Seuate. 
(Der Senat if verfammelt) 


Erfier Senator. _ 
Mylord, fo ſtimm' auch ich; die Schul iſt blutig: 
Er muß nothwendig mit dem Tode büßen; 
Die Sünde wird durch Gnade frecher nur. 
Zweiter Senator. 

Sehr wahr; vernichten fol ihn das Geſetz. 

(Alcibiades tritt auf mit Gefolge) 

Alcibiades. 
Heil fei, und Chr’ und Milde dem Senat! 
Erſter Senator. 
Was wollt ihr, Feldherr? 
Alcıbiabes, 

Bor eure Tugend tret’ ich als ein Fleh'nder; 
Denn Mitleid iſt die Tugend des Geſetzes, 
Nur Tyrannei braucht es zur Graufamfeit. 
Die Laune wars von Zeit und Schickſal, ſchwer 
Zu brüden einen Freund, der, beißen Bluts, 
Schritt ins Vergehn, wo pfablos deſſen Tiefe 
Für jenen, der hineinſtürzt unbebacht, 
Er ift ein Mann, den Fehl bei Seit’ gefeht, 
Bon milden Tugenden; | 
Auch nicht befledte Keigheit fein Beginnen 
(Ein Ruhm, der wohl des Fehltritts Schuld bezahlt), 
Nein, heldenmüth'gen Sinne und edeln Zorns, 


Timon von Athen. III, 5. 337 


Da er zum Tod' die Ehre ſah verletzt, 

Begegnet' er dem Feind: 

Und fo gemäßigt mit verhaltnem Grimm, 

Hielt er den Zorn bis an das End’ in Schranfen, 

Als fritt ex mit Beweifen und Gedanken. 
Erſter Senator. 

Du unternimmft zu herben Widerfpruch, Ä 

Wink du die ſchnöde That in. Schönheit Heiben. 

Faſt fchien Sein künſtlich Wort dahin zu fireben, 

Den Menfchenmord zu abeln, Rauferlaune 

Bor Tapferkeit zu ehren; die doch, wahrlich, 

Nur mißerzeugter Muth, zur Welt gefommen, 

Als Serten und Partei'n geboren wurden. 

Nur der zeigt wahren Muth, der weislich duldet 

Das Schlimmfte, was der Gegner fpricht; dem Kränfung 

Gewand nur wird und Hüffe, leicht zu tragen; 

Der Unbill nie läßt bis zum Herzen dringen, 

Dieß zu vergiften. 

SR Unheil Schimpf und zwingt ung tobt zu ſchlagen, 

Wird nur der Thor um Unheil Leben wagen. | 

Alcibiades. 


Mylord, — 
Erfier Senator. 
Durch euch wird glorreich nicht ein hart Verſchulden; 
Sich rächen iſt nicht Tapferkeit, nein, dulden. 
Alcibiades. oo. 
Dann, mit Vergunſt, ihr edeln Herrn, verzeiht, 
Rev’ ich hier als Soldat: — 
Was wagen in der Schlacht fih dumme Dienfchen, 
Und dulden nicht das Dräun? und fohlafen fill, 
In Zuverfiht dem Feind die Kehle bietend, 
Ganz ohne Widerftand? iſt im Ertragen 
Sp großer Muth, was machen wir im Feld? 
Nun alfo, tapferer find dann die Frauen 
Sm Hausgefhäft, geht Dulden über Alles; 
X. 22 





338 Timon von Athen. II, 5. 


Mehr, als der Leu, ift dann Soldat der Efel; 
Der Dieb in Ketten weifer als der Richter, 
Liegt Weisheit nur im Leiden. Senatoren, 
Groß feid ihr ſchon, nun fein auch mild und gut; 
Rafchheit verdammt man Yeicht mit faltem Blut. 
Der Mord, ich geb’ es zu, iſt böſ' und fchlechtz 
Doch nennt Bertheiv’gung Gnade felbft gerecht. 
Der Zorn gehört wohl zu den größten Sünden; 
Dog ift Fein Menfch, der nie gezürnt, zu finden: 
Waͤgt daran feine Schuld. " 

Zweiter Senator. 

Ihr ſprecht umfonfl. 
Alcibiades. 

Umfonft? und alle Dienfle die er that, 
Zu Lacedämon und Byzantium, 
Sie könnten ihm das Leben wohl erfaufen! 


Erſter Senator. 

Was meint ihr? 
Alcibiades,. 

Ich fag’ euch, edlen Dienft hat er gethan, 
Und manchen eurer Feind’ im Feld getöbtet; 
Wie tapfer er noch Tämpft’ im letzten Treffen, 
Das künden al’ die Wunden, die er fehlug. 

Zweiter Senator, 
Ja, ihr Habt Recht, zu viele Wunden ſchlug er, 
Ein Schwelger if er: ſchon der eine Fehl 
Erfänft ihn, und raubt feinem Muth Beſinnung; 
Hätt' er nicht andre Feinde, der allein 
Könnt’ ihn beſiegen; oft warb ex geſehn, 
Daß er in vieh’fcher Wuth das Schnoͤde that, 
Und mit Empörern hielt. So viel iſt wahr, 
Sein Rauſch bringt Schande ihm, und uns Gefahr, 


Erfler Senator. 
Er ſtirbt. 


Timonvon Athen HI 5. 339 


Aleibiades. 
O hart Geſchick! daß er nicht fiel im Krieg! 
Nun wohl, wenn nicht um ſeiner Thaten willen 
(Kann gleich fein rechter Arm die Zeit ihm kaufen, 
Und niemand ſchuldig bleiben), euch zu rühren, 
Nehmt meine Thaten auch, vereint fie beide; 
Und, da ich weiß, es Lieb’ euer würb’ges Alter 
Die Sicherheit, verpfänd' ich meine Siege, 
All' meinen Ruhm, damit er zahl' und zinſe. 
Verlangt Geſetz für dieſen Fehl ſein Leben, 
Nun dann, im Krieg, in tapfern Schlachten ſterb' er; 
Iſt Satzung herb', ſo iſt der Krieg noch herber. 
Erſter Senator. 
Wir ſtehn hier fürs Geſetz: er ſtirbt; nichts weiter 
Ber unſerm Zorn. Sei's Bruder, Sohn, Genoß, 
Deß Blut verfiel, der fremdes Blut vergoß. 
Aleibiades. 
Muß es denn ſeyn? es muß nicht. Senatoren, 
Ich bitt' euch ſehr, erkennt mich wieder. 


Zweiter Senator. 


Wie? 
Alcibiades. 
Ruft mich zurück in eu'r Gedächtniß. 
Dritter Senator. 
Was? 


Alcibiades. 
Gewiß, euer Alter hat mich ganz vergeflenz 
Weßhalb fonft ſtaͤnd' ich fo verachtet hier, 
Und fäh’ die Meine Gunſt geweigert mir? 
Das ſchmerzt die Wunden! 
Erſter Senator. 
Trotzt ihr unſerm Zorn? 
‚Er iſt an Worten ſchwach, doch ſtark im Thun: 


Drum fei verbannt auf ewig. 
22 * 


340 . Zimon von Athen. IH, 6. 


Alcibiades. 
Ich verbannt? 
Bannt enre Thotheit, euren Wucher bannt, 
Der den Senat abfcheulich macht. 
Erfter Senator. 
Wenn nach zwei Tagen dich Athen noch faßt, 
Fürcht' unfer ſchwer Gericht. Eh unfer Geift 
Noch mehr entbrennt, fol jener ſchleunigſt flerben. 
(Die Senatoren gehn ab) 

Alcibiades. 
Sp werdet alt und greis; bis ihr nur lebt 
Noch als Gebein, verhaßt jedwedem Auge. 
Hal mi faßt Raferei: Ich ſchlug den Feind, 
Indeß ihe Gold fie zählten, ihre Münzen 
Ausliehn anf hoben Zins; und ich nur reich 
An tapfern Narben — Und dafür nun fo? 
Iſt Balfam die, den der Senat, der Wuch'rer, 
In feines Feldherrn Wunden giebt? Verbannung! 
Das ift nicht ſchlimm; willfommen ift Verbannung z 
Sp hat mein Zorn und Grimm denn guten Grund, 
Athen zu ſchlagen. Munter werb’ ich jetzt 
Mein mißvergnügtes Heer, nach Herzen wuchernd: 
'S ift ehrenvoll der Güter ſich entfchlagen; 
Gleich Göttern fol Fein Krieger Schmach ertragen. 

(Er geht ab) 


Sechste Scene 


(Timon’s Prunkfaal, Tafeln find gefegt, die Diener ſtehn um- 
Dt nt Sreunde Tommen von verfchiedenen Seiten 
Erſter Lord, . 
Ich wünſche euch einen guten Tag, Freund. 
Zweiter Lord. 
Ich euch gleichfalls. Ich glaube, dieſer würbige 
Mann wollte uns neulich nur auf die Probe ftellen. 





Timon von Athen. I, 6. al 


Erſter Lord. 
Ehen darauf waren meine Gedanken auch gerichtet, 
indem wir und begegneten. Sch hoffe, es ſteht nicht fo 
ſchlimm mit ihn, als er bei Prüfung feiner Freunde vorgab. 


Zweiter Lord. 

Nach dem, was dieß neue Gaftmahl uns verheißt, 
kann es wohl nicht feyn. 

Erfter Lord. 

Das glaube ich auch; er fandte mir eine bringenbe 
Einladung, welche abzulehnen mir ernſte Gefchäfte nahe 
genug legten; aber er befhwor mich, auch die wichtigfte 
Rückſicht fallen zu Iaffen, und fo mußte ich denn noth- 
wendig erfcheinen, 

Zweiter Lord. 

Auf gleihe Weife ward ich von fehr beventenden 
Gefchäften abgehalten, aber er wollte meine Entfchuldi- 
gung nicht hören. Es thut mir Leid, daß mein Vorrath 
ganz erfchöpft war, als er zu mir fchidte, Gelb auf- 
zunehmen. 

Erfter Lord. 

An derfelben Kränfung leide ich, da ich nun fehe, 
wie die Sachen ſtehen. 

Zweiter Lord. 

Jedem, der hier ift, geht es fo. Wie viel wollt’ er 
euch abborgen ? 

Erfier Lord, 

Tauſend Goldſtücke. 


Zweiter Lord. 
Tauſend Goldſtücke! 
Erſter Lord. 
Wie viel von euch? 


Zweiter Lord, 
Er ſchickte zu mir — doch Hier kommt er. 








342 Simon von Athen. II, 6. 


(Timon tritt auf mit Gefolge) 
Timon. 
Bon Herzen gegrüßt, ihr beiden edeln Männer! — 
Wie geht es euch? 
Erſter Lord. 
Immer fehr gut, wenn ih Euer Gnaden Wofl- 
ergeben erfahre. 
Zweiter Lord. 
Die Schwalbe folgt dem Sommer nicht freubiger, 
als wie Euer Gnaden. 


Timon. 

Und verläßt auch den Winter nicht freudiger; folde 
Sommervögel find die Menſchen. — Ihr Herren, unfer 
Mahl wird dieſes langen Wartens nicht werth feyn, 
weidet eure Ohren indeß an der Mufif, wenn Trompe- 
tenflang ihnen Feine zu harte Speife if. Wir wollen 


uns gleich ſetzen. 
Erfter Lord. 


Sch Hoffe, ihr erinnert euch deſſen nicht unfrennd- 
lich, mein gnädiger Herr, daß ich euch einen leeren Bo— 
ten zurück ſandte. 

Timon. 
Ei, laßt euch das nicht beunruhigen. 


Zweiter Lord. 
Mein edler Lord — 


Timon. 
Ah, guter Freund! Kommen die Speiſen? 
(Ein Banket wird hergerichtet) 
Zweiter Lord. 
Mein höchſt verehrter Herr, ich bin krank vor Scham, 
daß ich, als ihr neulich zu mir ſandtet, ein fo unglüd- 
licher Bettler war. 
Timon. 
Denkt nicht weiter daran. 


Timon von Athen. II, 6. 343 


Zweiter Lord. 
Hättet ihr nur zwei Stunden früher geſchickt — 
Timon. 
Stört damit nicht befiere Gedanken. — Kommt, 
bringt Alles zugleich. 
Zweiter Lord. 
Lauter verdeckte Schüffeln! 
Erfier Lord. 
Ein königliches Mahl, das glaubt mir. 
Dritter Lord. 
Daran zweifelt nicht, wie nur Geld und die Jah- 
reszeit es liefern Tann. 
Erfter Lord. 
Wie geht es euh? Was giebt es Neues? 
Dritter Lord. 
Alcibiaves ift verbannt; habt ihr Davon ſchon gehört? 
Erfter und zweiter Lord. 
Aleibiades verbannt? 
Dritter Lord. 
So ift es, zweifelt nicht. 
Erfter Lord. 
Wie denn? wie denn? 
Zweiter Lord. 
Ich bitte euch, aus welchem Grunde? 
Timon. 
Meine würdigen Freunde, wollt ihr näher treten? 
Dritter Lord, 
Ich will euch nachher mehr davon erzählen. Hier 
ſteht und ein herrlicher Schmaus bevor. 
Zweiter Lord. 
Diefer Dann ift noch ber alte, 
Dritter Lord. 
Wirds dauern? wirds dauern? 
Zweiter Lord. 
Es wird; doch fommt bie Zeit, und dann — 


344 Timon von Athen. IH, 6. 





Dritter Lord. 
Ich verſtehe euch. 
Timon. 


Ein Jeder an feinen’ Plad, mit der Gier, wie er 
zu den Lippen feiner Geliebten eilen würbe: au allem 
Platzen werdet ihr gleich bedient. Macht fein Cerimi- 
nien- Gaftmahl daraus, daß die Gerichte Falt werben, 
ehe wir über ven erften Platz einig find: ſetzt euch, ſeht 
euch! Die Götter fordern unfern Dank. 

„D ihr großen Wohlthäter! fprengt auf unfre Ge- 
ſellſchaft Dankbarkeit Herab. Theilt uns von euren Ga⸗ 
ben mit und erwerbt euch Preis; aber behaltet zuräd 





für künftige Gabe, damit eure Gottheiten nicht verachtet 


werben. Berleift einem ‘even genug, damit Keiner 
vom Andern zu leihen braucht: denn zwänge die Roth 
eure Gottheit, von den Menfchen zu borgen, fo würden 
die Menfchen die Götter verlaffen. Macht das Gafl- 
mahl beliebter, als den Mann, der es giebt. Laßt Feine 
Gefellfchaft von zwanzig ohne eine Stiege Böfewichter 
feyn; wenn zwölf Frauen an einem Tiſche ſitzen, fo laßt 
ein Dutend von ihnen feyn — wie fie find. — De 
Heft eures Zehntens, o ihr Götter! — die Senatoren 
von Athen, zufammt der gemeinen Hefe des Pöbels, — 
was in ihnen noch Hoffnung zuläßt, ihr Götter, macht 
zum Verderben reifl Was diefe meine gegenwärtigen 
Freunde betrifft, — da fie mir nichts find, fo fegnet fie 
in nichts, und fo find fie mir zu Nichts willkommen.“ 
Dedt auf. Run leckt, ihr Hunde! 


(Die Schüſſeln werden aufgedeckt, fie find alle voll warmen 
Waſſers) 
Mehrere zugleich. 
Bas meint der edle Herr? 
Andere. 
Ich weiß es nicht. 


- 


.-— — — — — 





Timon von Athen. IU, 6. 345 


Timon. 
Mögt ihr ein beff’res Gaſtmahl nimmer ſehn, 
Ihr Maulfreund'-Rotte! Dampf und lauwarm Waſſer 
Iſt eure Tugend. Dieß iſt Timon's Letztes; 
Der euch bis jetzt mit Schmeicheleien ſchminkte, 
Waͤſcht fo fie ab, euch eigne Bosheit rauchend 
Ins Auntlitz ſprüh'nd. (Er gießt ihnen Wafler ins Geſicht) 
Lebt lang' und gräuelooll, 
Stets laächelnde, abſcheuliche Schmaruger, 
Höfliche Mörder, fanfte Wölfe, freundliche Bären, 
Ihr Narr'n des Glücks, Tifchfreunde, Tagesfliegen, 
Scharrfüß'ge Sclaven, Wolfen, Wetterhähnel 
Bon Menſch und Vieh die unzählbare Krankheit 
Sie überfhupp’ euch ganz! — Was, gehft du fort? 
Nimm dein’ Arznei erfi mit, — auch du, und bu. 

(Er wirft ihnen die Schüſſeln nach und treibt fie binaus) 
Bleibt, ich will Geld euch Leihn, von euch nicht borgen. — 
Wie, AM im Lauf? Kein Mahl fei mehr genommen, 
An dem ein Schurfe nicht als Gaſt willfommen! 
BVerbrenne, Haus; verfin®, Athen! verhaßt nun ſeid 
Dem Timon Menſch und alle Menfchlichfeit! 

(Er geht ab) 
(Die Säfte kommen zurüd mit noch andern Lords und 
Senatoren) 


Erfler Lord. 
Wie nun, ihr Herren? 
Zweiter Lord, 
Wißt ihr was Näheres um Timon’s Raferei? 
Dritter Lord. 
Still! Habt ihr meine Kappe nicht geſehen? 
Bierter Lord. 
Ich habe meinen Rod verloren. 
Dritter Lord, 
Er iſt nichts weiter ale ein toller Lord, und nur 
Laune febt ihn in Bewegung. Neulich ſchenkte ex mir ei- 


346 Timon von Athen. III, 6. 


nen Edelſtein, und nun hat er ihn mir vom Hute her⸗ 
unter gefchlagen. Habt ihre meinen Evelftein nicht 
gefehen ? 
Bierter Lord. 
Habt ihr meine Kappe nicht gefehen? 
Zweiter Lord. 
Hier ift fie. 
Vierter Ford, 
Hier Tiegt mein Rod. 
Erfter Lord. 
Laßt uns nicht verweilen. 
Zweiter Lord. 
Lord Timon raft. 
Dritter Lord. 
Ich fühl’s in den Gebeinen. 
Bierter Lord. 
Suwelen ſchenkt' er geflern ung, heut wirft er ung mit 


Steinen. 
(Affe ab) 





Vierter Aufzug. 


Erfte Scene. 
Held. 
(Timon tritt auf) 


Timon. 
Laß mich noch einmal auf dich ſchaun, du Mauer, 
Die dieſe Wölf’ umſchließt! Tauch' in die Erde, 
Schü nicht Athen! Frau'n, werdet zügellos; 
Trobt euren Eitern, Rinder! Sclaven, Narren, 
Reißt von dem Sib die würb’gen Senatoren, 
Und haltet Rath flatt ihrer! Jungfrau’n- Reinheit 
Verkehre plötlich fich zu frecher Schande, 
Sn Gegenwart der Eltern! Banfrutierer, 
Halt feft, gieb nichts zurüd; heraus das Meſſer, 
Für deines Gläub’gers Hals! Stehlt, ihr Leibeignen! 
Langhänd’ge Räuber find ja eure Herrn, 
Und plündern durch Geſetz. Magd, in beines Herren 

Bett! 

Die Frau iſt im Bordel. Sohn, fechzehn alt, 
Die Krüde reiß' dem lahmen Bater weg, 
Und ſchlag' ihm aus das Hirn! Furcht, Frömmigkeit, 
Shen vor den Bdttern, Friede, Recht und Wahrheit, 
Zucht, Häuslichleit, Nachtruh' und Nachbartrene, 
Belehrung, Sitte, Religion, Gewerbe, 
Achtung und Brauch, Geſetz und Recht der Stände, 
Stürzt euch vernichtend in en'r Gegentheil, 





348 Simon von Athen. IV, 2. 


Bis nur Bernichtung lebt! — Pe, Menfhenwürger, 
Däuf’ deine mächt’gen, gifterfüllten Fieber 

AN auf Athen, zum Falle reif! Du Hüftweh, 

Die Settatoren frümm’, daß ihre Glieder 

Lahn, gleich den Sitten werben! Luſt und Frechheit, 
Schleid’ in das Mark und das Gemüth der Jugend, 
Daß fie, dem Tugendflrom entgegen ſchwimmend, 

In Wüſtheit fih ertränft! Mit Schwür’ und Beulen 
Sei ganz Athen befä’t, und ew’ger Ausfat 

Die Ernte; Athem flede Athem an; 

Daß ihre Näh’ gleich ihrer Freundfchaft fei: 

Gift durch und durch! Nichts nehm’ ich von bir mit, 
Als Nadtheit, du, des Abfcheus würb’ge Stabtl 
Nimm auch noch das, mit hundertfachen Flächen. 
Timon geht nun zum Wald; das wildſte Thier 

Zeigt Lieb’ ihm mehr, als je die Menſchen hier. 

Auf ganz Athen, hört, Götter insgefammt, 

Auf Stadt und Land zugleich die Blite flammt! 

Daß Timon’s Haß mit den Jahren wach], erfuch? ich, 
Und alle Menfchen, niedrig, hoch, verfluch' ich! 
Amen! (Geht ab) 


Zweite Scene, 
Sn TZimon’s Haufe 
(SFSlavius tritt anf und mehrere Diener Timon’e) 


Erfter Diener. 
Sprecht, Hausverwalter, wo ift unfer Herr? 
Sind wir vernichtet? abgebauft? bleibt nichts? 
Flavius. 

Gefährten, ach, was fol ich euch doch ſagen? 
Es ſei'n mir Zeugen die gerechten Götter, 
Ich bin fo arın wie ihr. 

Erfler Diener. 

Solch Haus gefallen! 


Zimon von Alben. IV, 2. 349 


Solch edler Herr verarmt! verloren Alles! 
Rein Freund, der bei der Hand fein Schidfal faßt 
Und mit ihm geht! 
Zweiter Diener. 
Wie wir den Rüden wenden 
Bon dem Gefährten, den das Grab verfchlang: 
So ſchleichen vom begrabnen Glück fih alle 
Die Freund’, Hinwerfend ihm die hohlen Schwüre, 
Gleich leeren Beuteln; und fein armes Selbft, 
Ein Bettler nur, der Luft anheim gefallen, 
Mit feiner Krankheit, allvermiedner Armuth, 
Geht nun, wie Schmach, allein. — Noch mehr Gefährten. 
(53 kommen noch andere Diener) 
Flavius. 
Zerbrochenes Geſchirr der Haus-Zerſtörung! 
Dritter Diener. 
Und doch trägt unſer Herz noch Timon's Kleid, 
Das zeigt eu'r Antlitz; wir ſind noch Kam'raden, 
All' in des Kummers Dienſt: leck iſt das Fahrzeng; 
Wir Schiffer ſtehn auf ſinkendem Verdeck 
Und ſehn die Wellen dräun: wir müſſen ſcheiden 
In dieſe See der Luft. 
Flavius. 
Ihr guten Freunde, 
Hier theil' ich unter euch mein letztes Gut. 
Laßt ung, wo wir ung ſehn, um Timon's willen, 
Kam'raden feyn; die Häupter fohütteln, fagen, 
Als Grabgeläut’ dem Glücke unfers Herrn: 
„Wir kannten beff’re Tage.” Jeder etwas. 
(Sr giebt ihnen Geld) 
Nein, Alle reicht die Hand. Und nun fein Wort! 
Sp gehn wir arm, doch reich an Kummer, fort. 
" (Die Diner gehn ab) 
D, furchtbar Elend, das uns Pracht bereitet! 
D, wer will wohl nach Glanz und Reichtum ringen, 





330 Timon von Athen IV, 3 


Wenn fie uns hin zu Schmach und Armuth zwingen? 


" Ber nähme fo die Pracht als Hohn? wer Iebte 


Wohl gern in einem Traum der Frenndſchaft nur? 

Anfehn und Pracht und Wohlſtand zu befiten, 

Gemalt nur, fo wie die gefchminkten Freunde? 

Du Redlicher, verarmt durch Herzensgüte, 

Durh Mild erwürgtl Wie iſt Natur verdreht, 

Wenn Allzugut als ſchlimmſte Sünde fleht; 

Wer hilft durch Tugenden noch Anderer Nöthen, 

Wenn fie nur Götter fohaffen, Menſchen tödten? 

O theurer Herr, — gefegnet, um verflucht, 

Reich, elend nur zu ſeyn, — dein groß Vermögen 

Iſt nun dein tieffles Leid. Ach, güt’ger Herr! 

Er brach in Wuth aus dem hartherz’gen Wohnfis 

Der vieh’fchen Freunde. Nichts hat er bei ſich 

Zur Friftung und Erleicht’rung feines Lebens. 

Sch will ihm nach, und, wo er ift, erforfchen; 

Sp gut ih kann, will ich für ihn noch falten, 

Was mir an Geld verblieb, für ifn verwalten. 
(Er geht ab) 


Dritte Scene, 
Wald. 
(Timon tritt auf) 


Timon. 
O Lichtgott, Segen zeugend, zieh hinauf 
Dunſtfaͤulniß; deiner Schweſter Luftbahn ſei 
Vergiftet! Zwillingsbrüder Eines Schooßes, — 
Deren Erzeugung, Wohnung und Geburt, 
Faſt ungetrennt, — trifft ſie verſchiednes Glück — 
Der Größre höhnt den Niedern; ja, Natur 
(Bon Wunden rings bevrängt), fie kann groß Glück 
Ertragen nur, wenn fie Natur verachtet. 





Timon von Athen. IV, 38. 351 


Heb' diefen Bettler und verfags dem Lord, — 

Folgt angeerbte Schmach dem Senatoren, 

Dem Bettler eingeborne Ehre. 

Beſitzthum fchwellt des Bruders Seiten auf, 

Der Mangel zeugt den Abfall. Wer, wer barf 

In reiner Mannheit aufrecht flehn und fagen: 

„Sin Schmeichler iſt der Menſch.“ Wenns Einer if, 
So find es AN’; denn jeder höhern Staffel 

Des Glücks ſchmiegt fih die untre: goldnem Dummkopf 
Dudt der gelehrte Schädel: ſchief iſt Altes; 

Nichts grad’ in unfrer fluchbelapnen DMenfchheit, 

Als Bosheit ungefrümmt. Drum feid verabfchent, 
Gelage al’, Geſellſchaft, Menfchendrang! 

Denn Timon haft die Gleichgeſchaffnen, ja, fih ſelbſt. 
Zernichtung dem Geflecht dee Menfchen! — Erbe, 
Gieb Wurzeln mir! (Er gräbt) 
Wer Beff’res in dir fucht, dem würz’ den Gaumen 
Mit veinem fohärfften Gift! Was find’ ich Hier? 
Gold? koſtbar, flimmernd, rothes Gold? Nein, Götter! 
Nicht eitel flieht? ih. Wurzeln, reiner Himmell . 

Sp viel hievon macht ſchwarz weiß, häßlich fhön, 
Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. 

Ihr Götter! warum dieß? warum dieß, Götter? 

Hal dieß lockt euch den Priefter vom Altar, 

Reißt Halbgeneſ'nen weg das Schlemmerfiffen. 

Sa, diefer rothe Sclave löſt und bindet 

Geweihte Bande; fegnet den Verfluchten. 

Er macht den Ausſatz Tieblich, ehrt den Dieb 

Und giebt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß 

Im Rath der Senatoren; diefer führt 

Der überjähr’gen Wittwe Freier zu; 

Gie, von Spital und Wunden giftig eiternd, 

Mit Ekel fortgefchickt, verfüngt balfamifch 

Zu Maienjugend dieß. Verdammt Metall, 

Gemeine Hure du der Menfchen, die 





352 Timon von Athen. IV, 3 : 


Die Böller thört. Komm, fei das was bu bifk. 
(Man hört von weitem einen Marfch) 
Ha! eine Trommel? 
Lebendig bift du, doch begrab’ ich dich. 
$a, laufen wirft du noch, du flarfer Dieb, 
Wenn dein gichtkranker Wärter nicht kann ſtehn — 
Doch fo viel bleib’ als Handgeld. 
(Er behält einiges Gold zurũück) 
(Alcibiades tritt auf mit Trommeln und Pfeifen, auf Eries 
geriſche Weiſe. Phrynia und Timandra) 
Alcıbiades. 
Wer bift du dorten? fprich! 
Timon. 
Ein Vieh, wie du. Mög’ doch dein Herz verfaulen, 
Weil du mir wieder Dienfchenantlit zeigft! 
Alcibiades, 
Wie nennft du dich? Iſt Menfch dir fo verhaßt, 
Und biſt doch ſelbſt ein Menſch? 
Timon. 
Miſanthropos bin ich, und haſſe Menfchheit. 
Waͤrſt du doch, beffer dran zu feyn, ein Hund, 
So liebt' ich etwas dich. 
Alcıbiades, 
Ich Tenne dich; 
Doc unbekannt und fremd iſi mir dein Schidkfal. 
Timon. 
Dich kenn' ich auch; mehr wünſch' ich nicht zu wiſſen, 
Als daß du mir bekannt. Folg' deiner Trommel, 
Bemal' mit Menſchenblut den Grund, roth, roth; 
Goͤttlich Gebot, menſchlich Geſetz iſt grauſam: 
Was ſoll der Krieg denn ſeyn? Hier deine Dirne 
Trägt mehr Zerſtörung in ſich, als bein Schwert, 
Trotz ihrem Engelsblick. 


Phrynia. 
Daß dir die Lippen fanlen! 





Timon von Athen. IV, 3. 353 


Timon. 
Nicht küffen will ich dich: fo bleibt Verweſung 
Dir an den Tippen bangen. 
Alcibiades,. 
Wie ward der edle Timon fo verwandelt? 
Timon. 
So wie der Mond, wenn Richt ihm fehlt zu geben; 
Doch konnt' ich nicht mich, wie der Mond, erneuen; 
Mir borgte feine Sonne. 
Alcibiades. 
Edler Timon, 
Kann ich die Freundfchaft zeigen? 
Timon. 
Eine nur, 
Beſtärke meinen Glauben. 
Alcibiades,. 
Velden, Timon? 
Timon. 
Berfprich mir Freundſchaft, aber halte nichts. 
Berfprihft du nicht, fo firafen Dich Die Götter, 
Denn du bit Menfh! und hältfk du, fo vernichten 
Die Götter dich, denn du bit Menſch! 
Alcibiades. 
Bon deinem Elend hörte ich fchon reden. 
Timon. 
Du fahft es damals, als das Glück mir lachte. 
Alcibiades. 
Ich feh’ es jebtz Damals war Freudenzeit. 
Timon 
Wie deine jebt: zwei Huren Flügen fie. 
Timandra. 
Iſt dieß die Zier Athens, von dem bie Welt 
Sp fhön und rühmlich fprach 
Timon. 
Bift du Timandra ? 
23 





354 Timon von Athen. IV, 3. 


Timandra. 


Ya. 
Timon. 
Bleib Hure flets! dich Tiebt nicht, wer dich braucht, 
Gieb Krankheit dem, der feine Luft dir läßt. 
Brauch’ deine würz’gen Stunden: deine Sclaven 
Berfrüpple für das Bad; zur Hungerfur 
Den blüh'nden Jüngling. 
Timandra. 
An den Galgen, Schenfal! 
Alcıbiades, 
Berzeih’ ihm, hold Gefchöpf, denn fein Verſtand 
Ertranf und ging in feinem Elend unter. — 
Nur wenig Gold befiß’ ich, wacdrer Timon, 
Und diefer Mangel bringt zum Aufftand täglich 
Mein darbend Heer. Mit Leid vernahm ich, wie 
Athen verrucht bat deines Werths vergeffen 
Und deines tapfern Streits, als Nachbarftaaten, 
Wenn nicht dein glüdlih Schwert war, es bewältigt. 
Timon. 
Ich bitte, fehlag’ die Trommel, mas bich fort. 
Alcıbiades. 
Ich bin dein Freund, beflag’ dich, theurer Timon. 
Timon 
Wie Tannft du den beflagen, den bu plagft? 
Ich wäre gern allein. 
Alcibiades. 
Nun, fo Ieb wohl! 
Nimm dieſes Gold. 
Timon. 
Behalt', ich kanns nicht effen. 
Alcibiades. 
Wenn ich Athen, das ftolze, umgeſtürzt — 
Timon. 
Befriegft Abend 





Timon von Athen. IV,8, 365 


Wleibiades. 
Ya, Timon, und mit Recht. 


Timon. 


Die Götter mögen A’ durch dich hinwürgen, 
Und dich nachher, wenn du fie AM’ erwürgt! 


Alcibiades. 
Weßhalb mich, Timon? 
Timon. 
Weil, die Schurken tödtend, 
Du wardſt erwählt, mein Vaterland zu tilgen. 
Nimm hin dein Gold; — geb, hier it Gold, — geh 
fort! 

Sei wie Planeten-Peſt, wenn Jupiter 
In kranker Luft, auf hochverruchte Stäbte, 
Sein Gift ausftreutz dein Schwert verfchone Keinen: 
Richt um fein Silberhaar den würb’gen reis, 
Ein Wuchrer iſts; hau die Matrone nieber, 
. Sie heuchelt, ihre Kleider nur find fittfam, 
Sie fuppelt frech; laß nicht der Zungfran Wange 
Stumpfen dein ſchneidend Schwert, denn dieſe Milchbruſt, 
Die durch die Fenſter Eirrt der Männer Augen, 
Steh’ auf des Mitleids Liſte nicht geſchrieben, 
Nein, zeichne fie als ſcheußliche Berrätfirm: 
Auch nicht des Säuglinge fchone, 
Deß Wangengrübhen Rarr'n zum Weinen Tächelt; 
Denf, 's ift ein Baftard, den Orakelſpruch 
Mit dunklem Wort als deinen Mörder nennt; 
Zerftü ihn mitleidslos: ſchwör' Tod dem Lebens 
Leg’ erzne Rüſtung die auf Ohr und Auge, 
So hart, daß Schrei von Mutter, Säugling, Jungfrau, 
Des Priefters felbft, in heil'gen Kleidern bintend, 
Dir nichts fei. Hier iſt Gold für Deine Krieger: 
Si’ aus Vernichtung; iſt dein Grimm erfchöpft, 
So fei vernichtet ſelbſt. Sprich nichts und geh! 

23 * 


356 Timon von Athen. IV, 3. 


Alcibiades. 

Haft du noch Gold ? fo nehm’ ich dein Gefchenf, 
Nicht deinen Rath. 

Timon. 
Thu's oder thu' es nicht, vom Himmel fei verfluchtl 

Phrynia und Timandra. 

Gold, guter Timon, gieb uns; haſt du mehr? 

Timon. 
"Genug, daß Huren ihren Stand verſchwören, 
Die Rupplerin nicht Huren feilfeht. Weit auf 
Die Schürzen, Nidel: — ihr fein nicht eivesfähig — 
Obwohl ich weiß, ihre würdet furchtbar fehwören, 
Daß, hörend euren Echwur, die ew’gen Götter 
Su Fieberfihauern bebten, — fpart die Eive, 
Ich trau’ eurer Natur: bleibt Huren flets, 
Und ihm, deB frommes Wort euch will befehren, 
Ihm zeigt euch Fark, verführt ihn, brennt ihn nieder, 
Befiegt mit eurem Feuer feinen Rauch. 
Abtrünnig nie; feid dann ſechs Mond' in Mühn, 
Dem ganz entgegen: fehindelt armes Dach 
Euch mit der Leichen Rand: — auch von Gehängten, 
Was thuts? — Tragt fie, betrügt mit ihnen, buhlt; 
Schminft, bis ein Pferd euch im Geficht bleibt ſtecken: 
Schad' mas um Runzeln! 

Phrynia und Timandra. 
Gut, mehr Gold; — was weiter? 

Glaub' nur, wir thun für Gold, was du verlangfl. 

Timon. 





Anszehrung fü't 

Sn hohl Gebein des Manns; lähmt Schenkelfnochen, 
Des Reiters Kraft zerbrecht; des Anwalts Stimme, 
Daß er nie mehr den falfchen Spruch vertrete, 

Und Unrecht Freifche laut. Umfchuppt mit Ausfag 
Den Priefter, der, auf Sinnenichwachheit läfternd, 
Sich ſelbſt nicht glaubt: fort mit der Nafe, fort, 





Timon von Athen. IV, 3. 957 


Glatt weg damit! vernichtet ganz bie Brüde 
Ihm, der, ſich eigne Jagd erfchnüffelnd, nicht 
Für Ale fpürt: frauslöpf’ge Ranfer, macht fie kahl; 
Dem unbenarbten Kriegespraßler gebt 
Gehör’ge Dual von euch: verpeftet Alles, 
Und eure Thätigfeit erftid’ und dörre 
Die Duelle aller Zengung. — Nehmt mehr Gold! — 
Berberbt die Andern, und verberb’ euch dieß, 
Und Schlamm begrab’ euch Alle! — 
Phrynia und Timandra. 
Mehr Rath mit noch mehr Geld, freigeb'ger Timon. 
Timon. 
Mehr Hur', mehr Unbeil erſt; dieß iſt nur Handgeld. 
| Alcibiades. 
Nun, Trommeln, nah Athen bin. Leb wohl! Timon. 
Gehts, wie ich hoffe, ſeh' ich bald Dich wieder. 
Timon. 
Gehts, wie ich wünfche, feh’ ich nie dich mehr. 
Alcibiades. 
Nichts Böfes that ich dir. 
Timon. 
Ja, du fprachfl gut von mir. 
Alcıbiades. 
Nennft du das böfe? 
| Timon. 
Erfahrung lehrt es täglich. 
Geh, mach dich fort, und deine Meute auch. 
Alcibiades. 
Wir find ihm nur zur Laſt, — fchlagt, Trommeln: fort! 
(Trommeln. Wicidiades, Bhrynia und Timanpra gehn ab) 
Timon. 
Mußt du, Natur, krank in der Menſchheit Abfall, 
Noch hungern! — (Er gräbt) Allgemeine Mutter du, 
Dein Schooß unmeßbar, deine Bruſt unendlich, 
Gebiert, nährt All'z derſelbe Stoff, aus dem 


368 Timon von Athen. IV, 3. 


Dein ſtolzes Kind, der freche Menſch, aufquillt, 

Erzeugt die ſchwarze Kröt’ und blaue Natter, 

Die goldne Eidechſ' und die gift'ge Schlange, 

Und jeglih Scheufal unterm Himmelsbogen, 

Auf das Hyperions Lebensfeuer flrahlt; 

Gieb ihm, der deine Menſchenkinder haft, 

Aus deinem güt'gen Schooß nur Eine Wurzel! 

Bertrodne deine fruchtbar ew’ge Kraft, 

Daß ihr Fein undankbarer Menſch entfpringe! 

Gebier nur Tiger, Drachen, Wölf’ und Bären; 

Wirf neue Unhold', die dein obrer Rand 

Der hohen Marmorwölbung nie gezeigt! — 

D, eine Wurzel, — inn’gen Danf dafür! 

Vertrockne, Mark des Weinberge, Fett der Aeder, 

Woraus der undankbare Menfch mit füßem Trank 

Und Lederbiß den reinen Sinn verfchlemmt, 

Daß ab ihm gleitet jegliche Betrachtung. 
(Apemantus tritt auf) 

Ein Menſch ſchon wieder? Ha, verflucht! 

Apemantus. 
Hieher ward ich gewieſen; man berichtet, 
Daß du mein Leben nachahmſt und mein Thun. 
Timon. 
So iſt es nur, weil feinen Hund du haͤltſt, 
Dem ich nachahmen möchte: dir die Peft! 
Apemantus. 

Dieß iſt in dir nur angenommne Weiſe, a 

Unmaͤnnlich, arme Schwermuth, die dem Wechſel 

Des Glücks entſprang. Was ſoll der Platz, der Spaten? 

Dieb Sklavenkleid und diefer Traneranblid? 

Noch Liegt dein Schmeichler weich, trinkt Wein, trägt 

Seide, 

Umarmt den kranken Wohlgernch vergeſſend, 

Daß je ein Timon war. Schmäh’ nicht ven Wald, 

Daß du den bitter Höhnenden bier fpielft. 





Timon von Athen. IV, 8. 389 


Sei du ein Schmeichler jest, ſuch' zu gebeihn 
Durch das, was dich geflürgt hat; beng’ bein Kuie, 
Der Athem ſchon deß, dem bein Auge dient, 
Blaf’ dir die Mütze ab; fein Laſter preiſe 
Und nenn’ es Tugend: fo ergings auch bir. 
Du nidteft, wie ein Bierzapf, jedem Grüßer, 
Schelmen, und wer es war: nun ifls gerecht, 
Daß du ein Schwft wirft; hatt’ du Geld genug, 
Sp gab’ dus Schuften. Nimm nicht au mein Wefen. 
Timon. 
Waͤr' ich dir gleich, ſo wollt' ich fort mich ſchleudern. 
Upemantus. 
Du warfft dich weg, da du bir felber glicheft; 
So lang’ ein Toller, nun em Narr! Wie, denkſt du, 
Die rauhe Luft, dein ſtürm'ſcher Kammerbiener, 
Wärmt dir dein Hemd? Folgt altbemoofter Baum, 
Der Adler überlebt, hier deinen Kerfen, 
Und fpringt fort jedem Wink? Neicht Falter Bad 
Mit Eifesrand den würz’gen Morgentruuk, 
Der Naht Erfohöpfung flärfenn? Ruf die Weſen, — 
Die nadt und bloß den Falten Sturm ausdauern 
Der rauhen Luftz die unbehanfte Schöpfung, 
Dem Kampf der Elemente hingegeben, 
Treu der Natur, — befiehl, daß fie dir fchmeicheln, 
Sp find’ ft du — 
Timon. 
Daß ein Narr du bift: Hinweg | 
Apemantus. 
Du biſt mir lieber jetzt, als ehemals. 
Timon. 
Verhaßter du. 
Apemantus. 
Weßhalb? 
Timon. 
Dem Elend ſchmeichelſt du. 


360 Timon von Athen. IV, 3. 


Apemantus. 
Ich ſchmeichle nicht, ich fag’, du biſt ein Lump. 
Timon. 
Doch weßhalb ſuchſt du mich? 
Apemantus. 
Um dich zu quälen. 
Timon. 
Stets eines Rarren oder Schuftes Amt. 
Gefaͤllſt du dir d’rin? 
Apemantus. 
‘a. 
Timon. 
Wiel Shut auch noch 
Apemantus. 
Legt’ du dieß bittre, kalte ⸗/Weſen an, 
Um deinen Stolz zu zücht’gen, wär’ es gut: 
Doch nur gezwungen thuſt du's: würbeft Höfling, 
Wenn du fein Bettler wärft. Freiwillig Elend 
Krönt ſelbſt ſich, überlebt unſichre Pracht: 
Die füllt fih felber an und wird nie voll; 
Doch jenes g’nügt fich ſelbſt: der höchſte Stand 
Iſt unzufrieden, Häglih und voll Jammer, 
Noch fchlimmer als der ſchlimmſte, der zufrieden. 
Du ſollſt zu flerben wünfchen, da du elend. 
Timon, 
Nicht, weil du's fagft, der weit elender ift. 
Du bit ein Sclav, den nie der Liebesarm 
Des Glücks umfing; ein Hund warbft du geboren. 
Hätt'ſt du, gleich ung, vom Säugling ber, erftiegen 
Die füße Kolg’, die ſchnell die Welt dem bietet, 
Der frei darf winken jenem Reiz, der ihm 
Gehorcht, du hätteft Dich geftürzt in Schwelgen, 
Ganz ohne Maaß; die Jugend ſchmelzen laſſen 
In mandhem Bett der Luft, und nie gehört 
Der Mahnung eifig Wort; du jagteft nach 





Zimon von Athen. IV,3. 361 


Dem ſüßen Wild vor dir. Dagegen ich, 
Der ich als Luſtgelag die Welt beſaß; 
Mund, Zungen, Augen, Herzen aller Menſchen 
Im Dienſt, mehr als ich Arbeit für ſie wußte, 
Die zahllos an mir hingen, ſo wie Blätter 
Am Eichbaum, ſind durch Einen Winterfroſt 
Vom Zweig gelöfetz — offen ſteh' ih, baar 
Für jeden Sturm, der bläſt; — ich, dieß zu tragen, 
Der nur das Beff’re Fannte, iſt faft ſchwer: 
Dein Leben fing mit Leiden an, gehärtet 
Hat dich die Zeit. Was folift du Menſchen haffen ? 
Sie fohmeichelten dir nie: was gabft du ihnen? 
Willſt fluchen du, — fo fluche deinem Bater, 
Dem armen Lump, der, in Verzweiflung, Stoff 
Gab irgend einer Bettlerin, dich formte, 
Armfeligfeit von Ahnen her. Hinweg! — 
MWär’ft du der Menfchheit Wegwurf nicht geboren, 
Du würd'ſt ein Schurke und ein Schmeichler ſeyn. 
Apemantus. 
Biſt du noch ſtolz? 
Timon. 
Ja, daß ich du nicht bin. 
Apemantus. 
Ich, weil ich kein Verſchwender war. 
Timon. | 
Und id, 
Weil ich es jett noch bin. 
Wär’ all mein Reichtum in dir eingefchloffen, 
Sp gäb’ ich dir Erlaubniß, dich zu hängen. 
Fort! — 
Wär’ alles Leben von Athen in dieſem, 
Sp äß’ ichs. (Er ißt eine Wurzel) . 
Apemantus. 
Hier, ich will dein Mahl verbeffern, 
(Er bietet ihm etwas an) - 


2 Simon von Athen. IV, 3. 


Timon. 
Erft beff’re meinen Umgang, ſchaff Dich fort! 
Apemantus. 
So befir’ ich meinen eignen, wenn bu fehlt. 
Timon. 
Gebeffert wär’ ex nicht, nein, nur geflict, 
Wo nicht, wollt’ sche. 
Apemantus. 
Was wünſcheſt du Athen? 
Timon. 
Dich, durch den Wirbelwind, dahin. Und willſt dm, 
So fage dort, ich babe Gold: fieh Hier. 
Apemantus. 
Hier kann kein Gold was nutzen. 
Timon. 
Ja, am meiſten; 
Hier ſchläfts und Täßt zum Unheil ſich nicht Dingen. 


| Apemantus. 
Wo liegſt die Nacht du, Timon? 
Timon. 
Unter dem, 
Was mich bedeckt. Wo fütterſt du am Tage? 
Apemantus. 


Wo mein Hunger Nahrung findet, oder vielmehr, 
wo ich fie verzehre. 
Timon. 
Ich wollte, Gift geborchte mir, und wüßte meine 
Meinung. 
Apemantus, 
Wohin wollteft du es ſenden? 
Timon. 
Dein Mahl zu würzen. 
Apemantus. 
Den Mittelweg der Menſchheit kannteſt du nie, ſon⸗ 
dern nur die beiden äußerſten Enden. Als du in Gold 





Timon von Athen. IV, 3. 363 


und Wohlgeruch lebteſt, wurdeſt du wegen zu gefuchter 
Feinheit verfpottet; in deinen Eumpen Tennfl du fie gar 
nicht mehr, und wirft, um ihres Gegeutheils willen, ver- 
abſchent. Hier haft du eine Mifpel, iß fie. 
Timon. 
Ich effe nicht, was ich haffe. 
Apemantns. 
Haffeft du Miſpeln? 
Timon. 
Ja, wenn ſie dir auch gleich ſehen. 
Apemantus. 

Hätteſt du die, dieſen Miſpeln ähnlichen, faulen 
Zwiſchentraͤger früher gehaßt, ſo würdeſt du dich jetzt 
mehr lieben. Kannteſt du je einen Verſchwender, der 
noch geliebt ward, wenn ſeine Mittel dahin waren? 

Timon. 

Wen, ohne dieſe Mittel, von denen du ſprichſt, ſaheſt 
du je geliebt? 

Apemantus. 

Mich ſelbſt. 

Timon. 

Ich verſtehe dich; du hatteſt einmal fo viel, daß du 
dir einen Hund halten konnteſt. 

Apemantus. 

Was auf der ganzen Welt kannſt du am beften mit 
deinen Schmeichlern vergleichen ? 


Timon. 

Die Frauen; aber die Männer, die Männer find 
das Ding ſelbſt. Was würdeſt du mit der Welt machen, 
Apemantus, wenn fie dir gehörte. 

Apemantus. 

Ich würde fie dem Vieh geben, um der Menſchen 

108 zu werben. 





364 Zimon von Athen. IV, 3. 


Timon. | 
Wollteſt du denn mit ben übrigen Menfchen zu Grunde 
gehen, und ein Vieh unter dem Vieh bleiben % 


Ayemantus. 

Ja, Timon. 

Timon. 

Ein viehifcher Wunſch, den ich die Götter bitte zu 
gewähren! Wärefi du der Löwe, fo würde der Fuchs 
dich betrügen; wäreft du das Lamm, fo würde der Fuchs 
dich freffen; wäreft du der Fuchs, fo würbeft du dem 
Löwen verdächtig werden, wenn dich der Eſel vielleicht 
verflagte; wäreft du der E&fel, fo würde deine Dumm- 
heit dich plagen, und du lebteſt doch nur als ein Früh— 
fü für den Wolf; wäreft du der Wolf, fo würde deine 
G©efräßigfeit dich quälen, und du müßteft dein Leben oft 
wegen deines Mittagseffens wagen; wäreſt du das Ein— 
horn, fo würde Stolz und Wuth dich zu Grunde rid- 
ten, und du wärbeft die Beute deines eigenen Grimmes; 
wäreft du der Bär, fo tödtete dich das Pferd; wäreft dan 
das Pferd, fo ergriffe dich der Leopard; wäreft bu ber 
Leopard, fo wäreft du des Löwen Bruder, und Deine 
eigenen Flecken würden fi) gegen dein Leben verfchwö- 
ren; deine ganze Sicherheit wäre, verftedt feyn, und deine 
BVertheidigung, Abwefenheit. Welch Vieh könnteſt du feyn, 
das nicht einem andern Vieh unterworfen wäre? und 
wel ein Vieh bift du ſchon, daß du nicht einſiehſt, wie 
viel du in der Verwandlung verlöreft? 

Apemantus. 

Könnteft du mir durch Reden gefallen, fo hätteft bu 
es biemit getroffen; der Staat von Athen iſt ein Wald 
von Vieh geworben. 
| Timon. 

Wie ift der Efel durch die Mauern gebrochen, daß 
du außer der Stadt biſt? 


Timon von Athen. IV, 3. 365 


Apemantus. 

Dort kommt ein Dichter und ein Maler: die Peſt 
der Gefellfchaft treffe dich! Aus Furcht, angeſteckt zu 
werben, gebe ich fort. Wenn ich einmal nicht weiß, was 
ich fonft thun fo, will ich Dich wieder befuchen. 

| Timon. 

Wenn es außer dir nichts Lebendiges mehr giebt, 
ſollſt da willkommen ſeyn. Ich möchte lieber eines Bett- 
lers Hund als Apemantus ſeyn. 


Apemantus. 
Du biſt das Haupt der Narr'n der ganzen Welt. 
Timon. 
Waͤr'ſt du doch rein genug, dich anzuſpein. 
Apemantns, 
Verwünſcht bift du, zu fohlecht, um dir zu fluchen. 
Timon. 
Mit dir gepaart iſt jeder Schuft ein Edler. 
Apemantus. 
Nicht andern Ausſatz giebts, als was du fprichft. 
Timon. 


Ya, nenn’ ich dich. — Ich ſchlüg' dich, doch das würde 
Die Hände mir vergiften, 
Apemantus. 
O, koͤnnte doch mein Mund fie faulen machen! 
Timon. 
Hinweg! du Sprößling eines raͤud'gen Hundes! 
Die Wuth erſtickt mich, daß du Leben haſt; 
Mir ſchwindelt, ſeh' ich dich! | 
Apemantus. 
O, mög’fi du berfien! 
. Timon. 
Fort, läͤſt'ger Schuft! mich dauerts, einen Stein 
An dich zu wenden! (Er wirft einen Stein nach ihm) 
Apemantus. 
Thier! 





366 Timon von Athen. IV, 8. 


Timon. 
Selav’ | 


Apemantus. 
Kröte! 
Timon. 
Schelm! 
(Apemantus zieht ſich zurück, als ob er gehen wollte) 
Mir efelt ob der falfchen Welt, und Tieben 
Will ich von ihr die kahle Nothdurft nur. 
Drum, Timon, grabe dir alsbald dein Grab, 
Leg’, wo der Seeſchaum täglich fehlagen mag 
Den Stein; dein Epitaph fchreib’ in der Grotte, 
Daß Tod ın mir bes Lebens Andrer fpotte, 
(Er betrachtet das Bol) 
Du füßer Königsmörder, edle Scheivung 
Des Sohns und Vaters! glängender Beſudler 
Bon Hymens reinſtem Lager! tapfree Mars! 
Du ewig blüh’nder, zartgeliebter Freier, 
Deß rother Schein den heil’gen Schnee zerfihmelzt 
Auf Diana’s reinem Schooß! fihtbare Gottheit, 
Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderſt, | 
Zum Kuß fie zwingft! du ſprichſt in jeder Sprache, 
Zu jedem Zweck! o du, der Herzen Prüfften | 
Denf, es empört dein Sclave fi, der Menfch; 
Bernichte deine Kraft fie AH’ verwirrend, 
Das Thieren wird die Herrfchaft dieſer Welt! 


Apemantus. 
D wär es fo! — 
Doch wenn ich tobt bin. — Daß du Gold haft, fag’ id: 
Bald drängt fih Alles zu dır. 
Timpn. 
Zu mir! 
Apemantus. 


Ja. 





Timon von Athen. IV, 8. 307 


Timon. 
Den Rücken zeig'! 
Apemantus. 
Dein Elend lieb’, und lebe! 

Timon. 
So lebe lang', und ſtirb fol — Wir find quitt. — 
(Apemantus geht ab) 

Mehr Menſchengleiches? — IE, und haſſe fie. 


( Es fommen mehrere Banditen) 


Erſter Bandit. 

Woher follte er Gold haben? Sp ein armer Reſt, 
ein Fleines Korn vom Geretteten; nur der Mangel an 
Gold und der Abfall feiner Freunde brachten ihn in diefe 
Schwermuth. 

Zweiter Bandit. 
Das Gerücht geht, er habe einen großen Schatz. 
Dritter Bandit. 

Wir wollen uns an ihn machen; wenn er nichts da⸗ 
nad) fragt, fo giebt er es ung gleich; wenn er es aber 
geizig hütet, wie follen wir es kriegen? 

Zweiter Bandit. 
Ja, denn er trägt es nicht bei fich, es iſt vergraben.. 
Erſter Bandit. 
Iſt er das nicht? 
Die anderen Banditen. 
Br? 


Zweiter Bandit. 
Nach der Befchreibung iſt ers. 

Dritter Bandit. 
Sa, ich Tenne ihn. 

Die Banditen. 
Buten Tag, Timon! 

Timon. 

Was, Diebe? 


268 Zimon von Athen IV, 3%. 


Die Banditen. 
Krieger, nicht Diebe. 
Timen. 
Beides, und von Weibern geboren. 
Die Banditen. 
Bir find nicht Diebe, Menſchen nur im Mangel. 
Timon. 
Eun'r größter Mangel iſt, euch mangelt Speiſe. 
Weßhalb ver Mangel? Wurzeln hat die Erbe; 
In Dieilenumfang fpringen hundert Quellen, 
Der Baum trägt Eicheln, Sträuche rothe Deeren; 
Natur, die güt’ge Hausfrau breitet ans 
Auf jedem Buſch ein volles Mahl. Was Mangel? 
Erfier Bandit. 
Bir Fönnen nicht von Kräutern, Beeren, Waſſer, 
Wie wildes Thier, wie Fiſch und Bogel leben. 
Timon. 
Roch von den Thieren, Fiſchen, Bögeln ſelbſt; 
Auch Menſchen müßt ihr zehren. Danken muß ich, 
Daß ihr ſeid offne Dieb', und waltet nicht 
In heil'germ Schein; unendlich iſt der Raub, 
Den jeder Stand mit Ehren treibt. Hier, Schufte, 
Nehmt Gold: geht, faugt das zarte Blut der Traube, 
Dis fiedend heiß das Blut vom Fieber ſchäumt, 
Und euch das Hängen ſpart. Traut Teinem Arzt; 
Sein Gegengift iſt Gift, und er erfchlägt, 
Schlimmer als ihr: raubt Gold zufammt dem Leben; 
Uebt Büberei, ihr übt fie im Beruf, 
Als zünftig. Alles, hört, treibt Dieberei: 
Die Sonn’ ift Dieb, beraubt durch zieh’nde Kraft 
Die weite See; ein Erzdieb iſt der ‘Mond, 
Da er wegfchnappt fein blaffes Licht der Sonne; 
Das Meer iſt Dieb, deß naſſe Wogen aufloſt 
Der Mond in ſalz'ge Thränen: Erd’ iſt Dieb, 
Sie zehrt und zeugt aus Schlamm nur, weggeflohlen 





Timon von Athen. IV, 3. 369 


Bon allgememenm Answurf: Dieb iſt Alles. 
Geſegt, euch Peitſch' und Zaum, fliehlt trotzig ſelbſt, 
Und ungeſtraft. Fort, liebt einander nicht, 
Beraubt einander ſelbſt. Hier, noch mehr Gold; 
Die Kehlen ſchneidet; was ihr ſeht, ſind Diebe. 
Fort, nach Athen, und brecht die Läden auf, 
Ihr fehlt nichts, was ihr nicht dem Dieb entreißts 
Stehlt minder nicht, weil ich euch dieß gefchenft, 
- Und Gold verberb’ euch jedenfalls! Amen. 
(Timon zieht fich in feine Höhle zurüd) 
Dritter Bandit. 

Cr hat mich faſt von meinem Gewerbe weg beſchwo— 

ren, indem er mich Dazu antrieb. 
Erfter Bandit. 

Es iſt nur aus Bosheit gegen das menſchliche Ge⸗ 
ſchlecht, daß er uns dieſen Rath giebt, nicht, damit wir 
in unſerm Beruf glücklich ſeyn ſollen. 

Zweiter Bandit. 

Ich will ihm, als einem Feinde, glauben, und mein 
Handwerk aufgeben. 

Erſter Bandit. 

Laßt uns erſt Athen wieder in Frieden ſehen; keine 
Zeit iſt ſo ſchlimm, wo man nicht ehrlich ſeyn könnte. 

( Die Banditen gehn ab) 
(Flavius tritt auf) 
Flavins. 

D, Götter ihr! iſt jener 
Schmachvolle und verfallne Dann mein Herr? 
Sp abgezehrt, in Lumpen? D du Denkmal 
Und Wunderwerf von Gutthat, fihlecht vergolten! 
Welch Gegenbild von Ehr’ und Pracht hat Hier 
Berzweiflungsvoller Mangel aufgeftellt! 
Giebts Niedrers auf der Welt, als Freunde fchändlich, 
Die edlen Sinn in Schmach fo flürzen endlich? Ä 
O, wohl ziemt das Gebot für unfre Zeit, 

X. 24 


310 Timon von Athen. IV, 3. 


Das auch den Feind zu Lieben uns gebent! 

Ihm, der mich haft, fer Liebe eh'r gefchenkt, 

Als dem, der Liebe heuchelt, Böfes denkt! 

Er faßte mich ins Aug’ — ih will ihm zeigen 

Den tiefen ram, und ihm, als meinem Herrn, 

Sp Iang’ ich Iebe, dienen. — Theurer Herr! 
(Timon fonmt aus feiner Höhle) 

Timon. 


Wer bift du? Fort! 


Flapius. 
Herr, habt ihr mich vergeffen? 
Timon. 
Was fragſt du? Ich vergaß die ganze Menſchheit; 
Und bift du Menſch, fo Hab’ ich dich vergeffen. 
Slapvins. 
Ich bin eu'r reblicher und armer Diener. 
Timon. 
So Tenn’ ich dich nicht, denn ein Redlicher 
War nie bei mir; all' meine Diener Schurken, 
Die Schufte nur bei Tiſch bedienten. 
Flavius. 
Götter, 
Bezeugt es, wie nie treuern Bram empfand - 
Ein Hausverwalter um bes Herren Sturz, 
Als ih um end. 
Timon. 
Wie, weinſt bu? — Komm heran; — fo lieb' ich dich, 
Weil du ein Weib bifl, und dich los hier fagft 
Bom DMeannsgefchlecht, deß Auge nimmer tropft, 
Als nur in Lachensluſt. Mitleid rührt Keinen: 
Im Lachen weinen, feltfam! nicht im Weinen! 
Flavins. 
Ich fleh’, mein guter Lord, verkennt mich nicht, 
Weift meinen Gram nicht ab, nehmt als Verwalter 
Mich an, fo lang' die Feine Summe währt. 





Timon von Athen. IV, 8. 371 


Timon, 
Hatt' ich ’nen Diener, fo gerecht, fo treu, 
Und nun fo troftreih? Hal das bringt zum Raſen 
Mein wild Gemüt. Laß mich dein Antlit fehn. — 
Gewig, vom Weib ift diefer Dann geboren. — 
Verzeiht den raſchen, allgemeinen Fluch, 
Ihr ewig mäß’gen Götter! Ach bekenn' eg, 
Ein Menſch ift redlich, — hört mich recht, — nur Einer; 
Nicht mehr, verfieht, — und der iſt Hausverwalter. — 
Wie gern möcht’ ich die ganze Menfchheit Haffen, 
Du kaufſt dich Ins; doch, außer dir, trifft Alle 
Mein wiederholter Fluch). 
Doch, dünkt mich, bift du reblich mehr als klug, 
Denn, wenn du mich verriethft und hintergingft, 
Sp hätteft du Leicht neuen Dienft gefunden; 
Denn mancher findet fo den zweiten Herrn, 
Der auf den erften tritt. Doch fprih mir wahr 
(Ich zweifle noch, bin ich gleich überzeugt), 
Iſt deine Freundlichkeit nicht Habfucht, Liſt, 
Des Wurhrers Liebe? Wie ein Reicher fchentt, 
Und hofft, daß zwanzig er für eins empfange. 


Flavins. 


Nein, theurer, liebſter Herr, in veffen Bruft 
Argwohn und Zweifel, ach, zu fpät nun wohnen: 
Hätt'ſt du im Glück die falſche Zeit erfannt! 
Entfpringt nur Argwohn, wo das Glück verſchwand? 
Beim Himmel! was ich zeig’, iſt lautre Liebe, 
Daß meine Trew’, euer ebles Herz erfennend, 
Für eure Nahrung forgen will; und glaubt, 
Mein höchſt verehrter Herr, 
Daß ich das allerhöchſte Glück nicht taufche, 
Das jest mir oder künftig winfen Fönnte, — 
Für diefen Wunſch: es fländ’ in eurer Macht, 
Durch euer eignes Glück mich zu belohnen. 

L} 24 . 


372 Timon von Athen. iv, 3. 


Timon. 
Nun ſieh, fo iſts! — Du einz'ger Redlicher, 
Hier, nimm: — aus meinem Elend ſenden dir 
Die Götter dieſen Schatz. Sei reich und glücklich! 
Doch nur mit dem Beding: zieh fern von Menſchen; 
Fluch Allen, Keinen laß Erbarmen finden, 
Das Fleiſch vor Hunger am Gebein verſchwinden, 
Eh du dem Bettler Hilf. Gieb Hunden, was 
Du Menfchen weigerfi; Kerker ſchling' fie ein, 
Laß Schulden fie zu Nichts verfchrumpfen, 
Verdorren fie, wie Froft die Wälder trifft, 
Und zehr? ihr falſches Blut des Fiebers Gift! 
Und fo: fahr’ wohl, fei glücklich | 
Flavius. | 
| Laßt mich bleiben, 
Zum Troft euch, Tiebfler Herr! 
Zimon. 
Liebſt du nicht Flüce, 
So mach dich fort; gefegnet, jet zu gehn: 
Die Menfchen flieh, laß dich mich nimmer fehn. 
(Sie gehn nach verſchiednen Seiten ab) 








Fünfter Aufzug. 


Erle Scene. 
Bor Timon’s Höhle. 


(E3 treten auf der Dichter und Maler, Timon im 
Hintergrund) 
Maler. 
So wie ich mir den Drt habe befchreiben laſſen, Tann 
fein Aufenthalt niht weit mehr feyn. 
Dichter. 

Was fol man von ihm denfen? Beftätigt fih das 

Gerücht, daß er fo viel Gold Hat? . 
Maler. 

Gewiß! Alcibiades fagt es; Phrynia und ZTiman- 
dra befamen Gold von ihm; er bereicherte auch arme, 
umberftreifende Soldaten mit einer großen Spende, und 
man fagt, daß er feinem Hanshofmeifter eine beträrht- 
liche Summe gab. 

Dichter. 

Ale war fein Banfıut nur eine Prüfung feiner 
Freunde, 

Maler. 

Weiter nichts; ihr werbet ihn wieber als einen Palm- 
baum in Athen erblicen, blühend bis zum Gipfel. Darum 
ift es nicht übel gethban, wenn wir ihm jest, in feinem 
vermeinten Unglücd, unfre Liebe bezeigen: es erfcheint im 


374 Timen von Athen. V, J. 


uns als Rechtlichleitz und wahrfcheinlich erhält unfer Bor- 
fat, was er erfirebt, wenn das Gerücht, das feinen Reid- 
tum verfünbet, wahr ift. 
Dichter. 
Was Habt ihr ihm denn jetzt zu bringen? 
Maler. 

Für den Augenblid nichts, als meinen Beſuch; ich 

will ihm aber ein herrliches Stück verfprechen. 
Dichter. 

Sch muß ihn auf diefelbe Art bedienen, ihm von 

einem Entwurf erzählen, der fih auf ihn bezieht. 
Maler. 

Bortrefflih! Verſprechen ift die Sitte der Zeit, es 
öffnet die Augen der Erwartung: Vollziehen erfcheint um 
fo dummer, wenn es eintritt; und, die einfältigen, ge- 
ringen Lente ausgenommen, ift die Bethätigung des Wor- 
tes völlig aus der Mode. Verſprechen iſt fehr Hofmän- 
nifch, und guter Ton. Bollziehen iſt eine Art von Tefla- 
ment, das von gefährlicher Krankheit des Verflandes bei 
dem zeugt, der es macht. 

Timon. 

Trefflicder Künſtler! du Tannft einen Menſchen nicht 
fo fchlecht malen, als du felbft biſt. 

| Dichter. 

Ich denke darüber nach, was ich vorgeben will, das 
ich für ihn angefangen habe; es muß eine Darfiellung 
von ihm felbft feyn: eine Satyre gegen die Weichlichkeit 
des Wohlſtandes; eine Enthüllung der unbegrenzten 
Schmeichelei, die der Jugend und dem Veberfluß folgt. 

Timon, 

Mußt du denn durchaus als Böfewicht in deinem 
eiguen Werf daſtehn? Willſt du deine Lafter in andern 
Menſchen geißeln? Thu's, ich Habe Gold für dich. 

Dichter, 
Kommt, fuchen wir ihn auf, 








Zimon von Athen V,1. 375 


Daß unfer Zögern ſich nicht ſchwer vergeht, 
Winkt uns Gewinn und Tämen wir zu fpät. 

Maler. 
Sehr wahr; 
Am heitern Tag eripähe, was dir fehlt, 
Eh e8 die Naht im dunkeln Schooß verhehlt. 
So fommt. 

Timon. 
Entgegen tret’ ih end. O, welch ein Gott 
Iſt Gold, das man ihm dient im fchlechtern Tempel, 
Als wo das Schwein hauſt! Du bifls, der dag Schiff 
Auftakelt, und den Schaum des Meere burchpflügt; 
Machſt, dag dem Knecht mit Ehrfurcht wird gehuldigt. 
Anbetung dir! den Heiligen zum Lohne, 
Die dir allein gedient, die Peſt als Krone 


Schnell tret’ ich auf fie zu. (&r fommt vor) 
Dichter. 

Heil, würd’ger Timon! 
Maler. 


Einft unfer edler Herr! 

Timon. 

Erleb' ichs doch noch, 
Zwei Rebliche zu fehn? 

Dichter. 
Wir hörten, die wir oft dein Wohlthun fühlten, 
Du feift vereinfamt, abgewandt die Freunde, 
Die, undankbaren Sinns — o, Scheufal’ ihr! 
Nicht ſcharf genug find alle Himmelsgeißeln — 
Wie! dich! deß flernengleiche Großmuth Leben 
Und Nahrung ihrem ganzen Weſen gab! 
Es macht mich toll, und nicht kann ich befleiden 
Die riefengroße Maffe diefes Undanks 
Mit noch fo großen Worten. 

Timon. 
So geh' er nackt, man ſieht ihn klarer dann. 





376 Timon von Athen. V, 1. 


Ihr Reblichen zeigt fo, durch euer Weſen, 
Die Andern um fo fhlechter. 
Maler. 
Er und id, 
Wir wandelten im Negen beiner Gaben, 
Der ung erquidend traf. 
Timon. 
Ja, ihr ſeid ehrlich. 
Maler. 
Wir kommen her, dir unſern Dienſt zu bieten. 
Timon. 
Ihr Redlichen! ei, wie vergelt' ichs euch? 
Nun, könnt ihr Wurzeln eſſen, Waſſer trinken? 
Beide. 
Was wir nur können, thun wir, dir zu dienen. 
Timon. 
Ihr Redlichen vernahmt, ich habe Gold; 
Gewiß, ihr habt: ſprecht wahr, denn ihr ſeid redlich. 
Maler. 
Man ſagt es, edler Lord; doch deßhalb nicht 
Kam ich zu euch, ſo wenig als mein Freund. 
Timon. 
Ehrliche Männer ihr: — du malſt Gemälde, 
Der Beſt' in ganz Athen biſt du, fürwahr! 
Malft nah dem Leben. 
Maler. 
Lieber Herr, fo fo. 


Timon. 
Ganz wie ih ſagte, iſts. (Sum Dichter) Und deine 
| Dichtung! 
Ha, fließt bein Vers nicht hin fo glatt und zart, 
Daß deine Kunſt natürlich wieder wird]! — 
Dei alle dem, ihr wohlgefinnten Freunde, 
Ich fag’ es frei, Habt ihr ’nen Fleinen Fehler: 


Timon von Athen. V,1. 377 


Freilich, nicht groß ift er an euch, noch wünſch' ich, 
Daß ihn zu beffern ihr euch mäht. 
Beide 
Geruht 
Ihn uns zu nennen. 
Timon. 
Doch ihr nehmt es übel, 
Beide. 
Wir nehmens dankbar an. 
Timon. 
Wollt ihr das wirklich? 
Beide. 
Nicht zweifelt, edler Lord. 
Timon. 
Ein jeder von euch Beiden traut 'nem Schurken, 
Der tüchtig euch betrügt. 
Beide. 
Herr, thun wir das? 
Timon. 
Ja, und ihr hört ihn lügen, ſeht ihn heucheln, 
Ihr kennt ſein grobes Flickwerk, liebt ihn, nährt ihn, 
Tragt ihn im Herzen; aber ſeid gewiß, 
Er iſt ein ausgemachter Schuft. 
Maler. 
Ich kenne keinen ſolchen, Herr. 
Dichter. 
Noch ich. 
Timon. 
Seht ihr, ich lieb' euch, ich will Gold euch geben, 
Verbannt die Schufte nur aus eurer Nähe; 
Hängt, flecht fie nieder, werft fie ins Kloak, 
Bernichtet fie, wie’s geht, und fommt zu mir, 
Ich geb’ euch Gold genug. 
Beide. 
Nennt ſie, verehrter Herr, macht ſie uns kenntlich. 


378 Timon von Athen. V, 2. 


Timon. 

Du hier, du dort Bin, Doch find zwei beifammen: — 
Steht jeder auch für ſich, einfam, allein, 
Iſt doch ein Erzſchuft flets mit ihm verbunden. 
Wenn, wo du ſtehſt, zwei Schufte nicht ſeyn follen, 
Komm ihm nicht nah. — Wenn du nicht haufen willſt, 
Als wo ein Schuft nur ift, fo meide ihn. 
Zort! Hier iſt Gold; ihr kamt nach Gold, ihr Sclaven; 
Kür eure Arbeit nehmt Bezahlung: fort! 
Du bift ein Alchymift, mad daraus Gold. 
Fort, Lumpenhunde! 

(Sr fchlägt fie und geht ab, indem er fie vor ſich Hertreibt) 


Zweite Scene. 
Bor Timon’s Höhle. 
(88 treten auf Slavius und zwei Senatoren) 


Flavius. 
Vergeblich, daß ihr Timon ſprechen wollt; 
Denn in ſich ſelbſt iſt er ſo ganz verfunken, 
Daß außer ihm nichts, was dem Menſchen gleicht, 
Freund mit ihm iſt. 
Erſter Senator. 

Führ' uns zu ſeiner Höhle. 
Wir ſind geſandt, verſprachen den Athenern, 
Mit ihm zu reden. 

Zweiter Senator. 

Nicht in allen Zeiten 
Iſt ſtets der Menſch ſich gleich. Zeit und ſein Gram 
Schuf ſo ihn um; wenn Zeit, mit mildrer Hand, 
Der vor'gen Tage Glück ihm wieder beut, 
Macht fie zum vor’gen Dann ihn. Führt uns zu ihm, 
Dann geh’ es, wie es Tann. 


Timon von Athen. V, 2. 379 


Flavius. 
Hier iſt die Höhle. — 
Sei Fried’ und Wohlſein Hier! Timon! Gebieter! 
Schaut ber, und fprecht mit Freunden: die Athener 
Degrüßen euch durch würd'ge Senatoren. 
D edler Timon, ſprecht mit ihnen. 
(Timon tritt auf) 
Timon. 
Du Sonne, heilſame, verbrennel — Sprecht 
Und ſeid gehängt. Für jedes wahre Wort 
Euch Blaſen auf der Zung', und jedes falſche 
Freſſ' als ein Krebs ſie mit der Wurzel weg, 
Im Sprechen fie vernichtend! 
Erſter Senator. 
Würd'ger Timon — 
Timon. 
Nur ſolcher werth als ihr, wie ihr des Timon. 
Zweiter Senator. 
Timon, es grüßt dich der Senat Athens. 
Timon. 
Ich dank' ihm; ſchickt' ihm gern die Peſt zurück, 
Koͤnnt' ich für ihn ſie greifen. 
Zweiter Senator. 
O, vergiß, 
Was für ung felbft wir deinethalb betrauern. 
Die Senatoren mit einflimm’ger Liebe 
Erfuchen dich, heim nach Athen zu Tehren; 
Dir hohe Würden bietenn, welche offen 
Doliegen, daß du dich mit ihnen ſchmückſt. 
Erſter Senator. 
Und fie geftehn, 
Zu gröblih wars, wie Alle dich vergaßen. 
Jetzt hat nun der gefammte Staat — der felten 
Nur widerruft, — gefühlt, wie fehr die Hülfe 
Ihm Timon’s fehlt, zu deutlich nur empfindend, 


380 Timon von Athen. V, 2. 


Daß felbfi er flürzt, dem Timon Hülfe weigernd; 
Er fendet ung, als Ausdrud feines Kummers, 
Zugleich mit der Belohnung, die ergieb’ger 
Als die Verlegung, noch fo ſcharf gewogen; 
So aufgehänfte Summen, Lieb’ und Gold, 
Daß fie auslöfchen ganz des Staates Schuld, 
Und dir einfchreiben ihrer Liebe Zahlen, 
Daß du fie flets als deine kannſt berechnen. 
Timon. 
Wie ihr mich bezanbert, 
Mich überrafeht, daß faſt die Thräne riunt; 
Leiht mir des Thoren Herz, des Weibes Auge, 
Dei eurem Trofl zu weinen, Senatoren. 
Zweiter Senator. 
Laß dirs gefallen, kehre heim mit uns; 
Nimm über unfer, dein Athen, die Herrichaft, 
Als Oberhaupt, und Dank ſoll dich belohnen, 
Bolllommne Macht dich Frönen, und dein Name 
Im Ruhm erblühn — wenn wir zurüd getrieben 
Das free Nahn des Alcibiades, 
Der, wildem Eher gleich, aufwühlt ven Frieden 
Des Baterlands. 
Erfter Senator. 
Und der die Thürm’ Athens 
Mit feinem Schwert bevränt. 
Zweiter Senator. 
Timon, darum — 
Timon. 
Gut, Herr, ih will; drum will ich, Freund; und fo — 
Fällt meine Landsleut' Alcibiades, 
Laßt Alcibiades von Timon wiffen, 
Daß Timon 
Nichts danach fragt. Schleift er die eble Stadt, 
Und zupft die frommen Greif’ an ihren Bärten, 
Giebt unfre heil’gen Jungfrau’n Preis der Schmach 





. Zimon von Athen. V, 2. 381 


Des thierifch wilden, frech vermeff’nen Kriegers; 
Dann laßt ihn wiffen, — fagt ihm, Timon ſprachs: 
Aus Mitleid für den:Greis und Süngling, muß ich 
Ihm melden, ja — ich frage nichts danach, 
Und zürn’ er drob; nichts fragt fein feindlich Meffer, 
So lang’ ihr Kehlen habt: von mir fag’ ich, 
Daß ich den ſchlechtſten Kneif im rohen Lager 
Sm Herzen höher ſtell', als aus Athen 
Die hochſchätzbarſte Gurgel. So verbleibt 
Dem Schuß der fegengreichen Götter, wie 
Der Dieb dem Schließer. 
Flavius. 
Geht, es iſt umſonſt. 
Timon. 
So eben ſchrieb ich hier mein Epitaph, 
Man ſieht es morgen. Nun beginnt zu heilen 
Mein langes Lebens- und Geſundheits-Leid, 
Und Nichts bringt Alles mir. Geht, lebt nur weiter; 
Sei Alcibiades euch Dual, ihr ihm, 
Und lange währ’s! 
Erfter Senator. 
Wir Sprechen nur vergeblich. 
Timon. 
Doch Lieb’ ich noch mein Vaterland, und nicht 
Erfreut der allgemeine Schiffbruch mic, 
Wie das Gerücht es fagt. 
Erfter Senator, 
| Sp ſprichſt du gut. 
Timon. 
Empfehlt mich meinen theuren Landsgenoſſen, — 
Erfier Senator. 
Dieß Wort ziert deinen Mund, indem ers fpricht. 
Zweiter Senator. 
Zieht in das Ohr, dem Triumphator gleich, 
Im Jubelſchall des Thors. 





382 Zimon von Athen. V, 2. 


Timon. 
Empfehlt mich ihnen, 

Und fagt, um ihren Kummer zu erleichtern, 
Die Furcht vor Feindesihlag, Verluſt und Schmerz, 
Der Liebe Dual und mannigfahes Web, 
Die der Natur zerbrechlich Fahrzeug trägt 
Auf ſchwankem Lebensweg, will ich fie tröften, 
Der Wuth des Alcibiades entraffen. 


Erfler Senator. 
Dieß dünkt mich gut, er kehrt gewiß zurüd. 
Timon. 
Mir wächft ein Baum, bier nah bei meiner Höhle, 
Mein eigner Nutzen treibt mich, ihn zu fällen, 
Ich baue bald ihn um; fagt meinen Freunden, 
Sagt ganz Athen, dem Adel wie dem Bolt, 
Dom Höchften zum Geringften, wems gefalle, 
Zu enden feine Noth, der möge eilen,. 
Hieher, eh noch mein Baum die Art gefühlt, 
Und fi dran Hängen: — bitte, grüßt fie Alle! 
Flavius. 
Stört ihn nicht mehr, ſo findet ihr ihn ſtets. 
Timon. 
Kommt nicht mehr zu mir, ſondern ſagt Athen, 
Timon hat hier ſein ew'ges Haus gebaut, 
Auf dem beſpülten Strand der ſalz'gen Flut, 
Das einmal Tags mit ihrem ſchwell'nden Schaum 
Die Wogen überfluten; dahin fommt, 
Laßt meinen Grabftein euch Drafel ſeyn. — 
Laßt, Lippen, bittre Wort’, und ende Laut; 
Des Schlimmen Beff’rung fei der Peſt vertraut! 
Kein Menfchenwerf, als Gräber; Tod ihr Lohn! 
Birg, Sonne, dich! vollbracht Hat Timon ſchon. 
(Er geht ab) 





Timon von Athen. V,8. 383 


Erfier Senator. 
Sein zorn’ger Sinn iſt feſt, und nnzertrennlich 
Bon feinem Wefen. 

Zweiter Senator. 
In ihm flarb unfre Hoffnung. Kehrt zurüd, 
Und denft, welch andre Rettung uns noch bleibt 
In diefer großen Roth. 

Erfter Senator. 

Wir müflen eilen. 
(Sie gehuab) 


- Dritte Scene. 
Sn Athen. 
(88 treten auf zwei Senatoren und ein Bote) 


Erfler Senator. 
Mit Sorgfalt forfhteft du; find feine Schaaren 
Sp zahlreich, wie du fagft? 
Bote. 
Das Mind’fle naunt' ich; 
Dabei erweift fein Eilen, daß er gleich 
Sich zeigen wird. 
Zweiter Senator. 
Kommt Timon nicht, fofind wir fehr gefährdet. 
Bote. 


Ich traf, als Boten, einen alten Freund; — 
Mit dem, obwohl jetzt durch Partei'n getrennt, 
Die alte Lieb’ ihr vor'ges Recht bewahrte, 

Und uns als Freunde fprechen ließ — er ging 
Bom Alcibiades zu Timon’s Hoͤhle, 

Und bracht’ ihm Briefe, die ihn dringend baten, 
Mit ihm den Krieg auf eure Stadt zu führen, 
Da feinethalb, zum Theil, er ihn begann. 





384 Timon von Athen V, 4. 


(Die Senatoren, welche von Timon zurüd kommen) 
Erfter Senator. 
Seht, unfre Brüder fommen. 
Dritter Senator. 
Sprecht nicht von Timon, nichts von ihm erwartet. — 
Des Feindes Trommel tönt, der große Zug 
Erfüllt die Luft mit Staub. Zu den Waffen Alle! 
Es legt der Feind für unfern Fuß die Falle. 
(Sie gehn Alle ab) 


Bierte Scene. 


Bor Zimon’s Höhle; man fieht einen Srabftein. 
(Sin Soldat tritt auf) 


Spldat. 
Nah der Befchreibung wäre dieß der Platz, 
Wer da? He, Feine Antwort! — Was’ ift das? 
Timon iſt todt, er zahlte der Natur; 
Dieß leſ' ein Thier! von Menfchen feine Spur. 
Ja, todt gewiß: und dieß bier ıft fein Grab. — 
Was auf dem Grabmal fteht, Tann ich nicht leſen; 
Sp drück' ich in dieß Wachs die Zeichen ab. 
Der Keldherr ift in Kenntniß jeder Schrift 
Ein alter Forſcher, obwohl jung an Jahren. 
Athen, die ftolze Stadt, bedroht er eben, 
Ihr Fall ift feiner Ehrſucht höchſtes Streben. 

(Er geht ab) 


Timon von Athen. V, 5. 385 


Sünfte Scene. 
Borden Thoren von Athen. 
( Trompeten. Alcibiabes tritt auf mit feinem Heer) 


Ulcibiades. 
Blaſt diefer feigen, ſchwelgeriſchen Stabt 
Ins Ohr mein ſchrecklich Nahe. 
(Trompeten. Die Senatoren erſcheinen auf den Mauern) 
Bis jetzt gelang es euch, die Zeit zu widmen 
Mit Maaß der Willkür; Satzung war allein, 
Was gut euch dünkte; ich und Andre ſchliefen 
Im Schatten eurer Macht, und wanderten 
Krenzweis die Arm’, und fenfzten unfer Leid 
Bergeblih nur. Nun ift die Zeit erwachfen, 
Das Laftthier darf im Dienft ſich Träftig fühlen, 
Und fihreit von ſelbſt: „Richt mehr!" In Polfterfühlen 
Wird jetzt bequem gefchmähte Kraͤnkung zufn, 
Und der goldſchwere Uebermuth wird Teuchen, 
In Furcht und graufer Flucht. 
u Erfier Senator. 
Als deine erfte Kraͤnkung noch Gedanke, 
Eh du Gewalt hattſt, und wir Grund zu fürchten, 
Kam Botfchaft dir, mit Balfam deine Wuth, 
Mit Liebe unfern Undank auszutilgen, 
Mehr zahlend als die Schuld. 
Zweiter Senator. 
Auch Inden wir 
Zu unfrer Stadt den umgefchaffnen Timon, 
Demüthig flehend, Liebevoll verſprechend. 
Richt Alle fehlten, drum verdienen Alle 
Des Krieges Geißel nicht, 
Erfier Senator, 
Hier diefe Mauern, 
X 25 





386 Timon von Athen. V, 5. 


‚Sie wurben nicht durch deren Hand gebaut, 
Die dich gekränkt; noch ift fo groß die Kränkung, 
Daß diefe Thürm' and Tempel fallen follten 
Um Schuld der Einzelnen, 
Zweiter Senator. 
Auch find fie tobt, 
Die Urſach waren, daß du dich ſchiedſt von hier; 
Scham über ihren Fehl, in Uebermaaß, 
Zerbrach ihr Herz. Sp zieh’ denn, edler Feldherr, 
Mit fliegendem Panier in unfre Stabt, 
Laß, durch das Loos beflimmt, ven Zehnten flerben;z 
Hungert dein Rachgefühl nach diefer Speife, 
Bor der Natur ergrant, nimm du ben Zehnten; 
Wie, durch Gefhid, des Würfels Flecken fallen, 
Sp falle der Befledte. 
Erfier Senator. 
Alle fehlten nicht; 
Nicht billig iſts, für die Verfiorbnen Rache 
An Lebenden zu nehmen: Sünde erbt 
Sich nit, wie Land und Gut. Drum, theurer Landg⸗ 
mann, 
Führ' ein bein Heer, doch laß die Wuth da draußen; - 
Schon’ deiner Wieg’, Athens, verwandten Bluts, 
Das deines Zornes Sturm vergießen würbe 
Mit dem der Schuldigen: gleich einem Schäfer 
Nah’ deiner Hürb’, und fondre das Erfranfte, 
Doch nicht erwärge Alles. 


Zweiter Senator. 
Was du forderft, 
Wirſt du mit deinem Lächeln eh erzwingen, 
Als mit dem Schwert erhaun. 
Erfier Senator. 
Seß nur den Fuß 
An dieß bollwerkte Thor, fo fpringt es auf, 





Timon von Athen. V, 5. 387 


Daft du dein mildes Herz voraus: gefandt 
Als Kreundesboten. 
Zweiter Senator. 
Wirf den Handſchuh herz 
Gieb jedes andre Unterpfand der Ehre, 
Daß du zur Herfiellung ven Krieg nur nußeft, 
Und nicht zu unferm Sturz, fo nimmt dein Heer 
Wohnung in unfrer Stadt, bis wir bewilligt 
Dein volleſtes Begehr. 
Alcıbiades. 
Hier ift mein Handfchuß: 
Thut auf das unbewehrte Thor, fleigt nieder! 
Die, welche Timon’s Feind’ und meine find, 
Und die ihr felbft zur Strafe ziehen follt, 
Die einzig fallen: eure Furcht foll tilgen 
Mein Ehrenwortz daß nicht Ein Dann verläßt 
Sein Stanbauartier, den Strom auch feiner trübe 
Des hergebrachten Rechts in eurer Stabt: 
Gefchiehts, fo zieh? ihn eure eigne Satzung 
Zur firengften Rechenfchaft. 
Beide. 
Ein edles Wort. 
. Aleibiades. 
So ſteigt herab und haltet das Verſprechen. 
(Die Senatoren ſteigen herab und öffnen die Thore) 
(Ein Soldat tritt auf) 
Soldat. 
Mein edler Feldherr, Timon ift geftorben, 
Und an des Meeres ödem Strand begraben. 
Aunf feinem Grabftein fand ich diefe Schrift; 
Ich prägte fie in Wachs, deß fanfte Form 
Die dente, was ich felbft nicht leſen Tann. 
Alcibiades. (Glieſt) 
„Hier liegt der traurige Leib, dem ber traur’ge Geiſt 
entfchwebt, 


25 * 





388 Timon von Athen. V, 5. 


Forſcht meinen Namen nicht: Fluch Allem, was va lebt! 

Hier Tieg’ ih, Timon: da ich lebt', Haft’ ich, was de 
ben begt: 

Geh, uch’ von Herzen, aber mad, daß fort dem Fuß 
dich trägt.” 

Wohl druckt dieß aus, was bu zuletzt gefühlt; 

Haft unfer menſchlich Leid du auch verachtet, 

Die Thränenflut, die Tropfen, welche Targ 

Die Rührung fallen läßt; doch lehrte dich 

Dein reicher Wit Neptunus felbft zu zwingen, 

Daß er nun ewig weint gefühnte Fehler 

Auf deinem nievern Grab. Geſtorben ift 

Der edle Timonz Fünftig mehr von ihm. — 

Führt mich in eure Stadt, und mit dem Schwert 

Dring’ ich den Delzweig: Krieg erzeuge Frieden, 

Und Frieden hemme Rrieg; jeber ertheile 

Dem Andern Rath, daß Eins das Andre heile. — 


Rührt eure Trommeln! 
(Alle gehn ob) 








. Anmerfungen. 


Antonius und Cleopatra. 


Diefe Tragödie wurde 1608—9 gefchrieben, unmittelbar 
nach dem Gäfer, und fie gewinnt an Verſtändniß, wenn man fie 
als die Fortfegung over als den zweiten Theil diefes Schaufpiels 
anſteht. Dann ift diefes Gedicht die gewaltige Vollendung jener 
Zerftörung, die im Gäfar gleichfam nur gelinde beginnt. Wie 
diefe Tragödie fih ruhig und einfach fortbewegt und der Held 
auch im Untergehn fich fanft feinem Schidfal ergiebt und mit 
der hohen Grazie eines edlen Geiftes ftirbt, fo ift Antonins hef⸗ 
tig und überfchreitet immerdar das Maag, im Glück übermüthig, 
im Unglüd verzweifelt und tollfühn. In dieſem Geift bewegt 
fh das Schaufpiel auch gewaltfam und fpringend. Es verbin- 
det ungleichartige Elemente und ſtimmt mehr wie einmal den 
Zon der Comödie an, Antonius geht in Uebermuth und Träg⸗ 
beit unter. Brutus, weil er eine Welt-Revolution mit Kurz⸗ 
fichtigfeit unternimmt, und Coriolan, weil er feinem heroifchen 
Egoismus nachgiebt. 


©. 78. 3.12. v. o. 


So wollt’ ich denn, du wärft der einz'ge Rachen! 
Man liefet nach Johnſon's Verbeſſerung: 


Then, world, thou hast a pair of chaps, no more; 

Die alte Lefeart: Then "would thou had’st etc. läßt fi wohl 
erklären, wenn man thou auf death bezieht, womit Eros feine 
Rede befchließt: all the food thou hast hat der Meberfeger durch 
„ganze Welt‘ gegeben. — Schwierig bleibt die Stelle Immer, 
man mag Johnſon's Aenderung, die man eine Umarbeitung nens 
nen Tann, annehmen cder nicht. Er Liefet nachher noch: They’ll 
grind the one the other, wenn das Original nur hat: They’ll 
grind the other. — 


390 Anmerkungen. 


Es ift zu beklagen, daß es von diefen drei Schanfpielen aus 
der römifchen Gefchichte Feine früheren Quartausgaben giebt; 
durch diefen Mangel Tann man fich bei einigen Stellen, die in 
der Folio als verdruckt erfcheinen, nur durch gewagte Emen⸗ 
dationen helfen. 


©. 102. Die erfte Rede des Antonius ift nach der Inter: 
punktion des Originals überfegt; die neuere Eintheilung giebt 
auch einen Sinn, doch iſt die Aenderung unnöthig. 


Maaß für Maaf. 


Auch von diefem merfwürdigen, tieffinnig gearbeiteten Schau: 
fpiele haben wir feine Ouart- Ausgabe, und der Kritif erwach- 
fen in ihm um fo fehwierigere Aufgaben, weil der Dichter viel 
leicht nirgend wieder fo feiner Laune gefolgt ,ift, die Sprache 
willkürlich zu gebrauchen und wuneigentlihe Ausdrüde, feltne 
Worte und überrafchende und ungewöhnliche Wendungen zu fu- 
hen. So ift die Gonftruftion oft ſchwer zu verſtehen, und ber 
Ders, zum Leidwefen der englifhen Editoren, vielmals entftellt 
und zerbrochen, die fich dann durch Flickwörtchen wie Auslaffuns 
gen bemühen, ihn wieder aufzuhelfen. Daß Shafspeare den her: 
gebrachten jambifchen Vers faſt ganz fallen läßt, oder ihn viel: 
mehr duch Paufen, Härten, überflüffige Sylben erft recht zum 
dramatifchen erhebt, charakterifirt alle feine fpätern Arbeiten, in 
welchen er feltener die Melodie und die Symmetrie des Verſes 
fucht, die mehr ein Kennzeichen feiner frühern Schaufpiele find. 
Die deutlichere Srörterung, wie er verfchiedenartig ten Vers ge⸗ 
nommen, was er im Drama ſeyn fünne, muß, wie die beftimm- 
tere Erklaͤrung einzelner fchwerer Stellen, eigenen Auffäben vor- 
behalten werben, weil fie in diefen Anmerkungen zu vielen Raum 
einnehmen, und für den Lefer doch nicht überzeugend feyn dürf⸗ 
. ten. Dem Kenner genügen vielleicht Winke. 


Die Schwierigkeiten, der herbe Styl, die fonderbare Sprache 
diefes finftern und tieffinnigen Schauſpiels deuten darauf Hin, 
daß es in den legten Jahren des Dichters gefchrieben feyn müſſe. 
Die Gründe, aus welchen es Malone ſchon dem Jahre 1603 zu⸗ 
figreibt, find alle fehr ungenügend und oberflählih. Ich würde 
es um bie Zeit von 1611—12 ſtellen. Da es erft in der Folio 
1623 erfohien und vorher nicht namentlich erwähnt wird, fo ha⸗ 
ben wir Eeine biftorifche Beſtimmung, welchem Jahre es angehört, 








Anmerkungen. 391 


- — Bon einem Schaufpiel-. Dichter, &. Whetſtone, giebt es ein 
Luſtſpiel in zwei Theilen Promos and Cassandra, fon 1578 
gebrudt, welches diefelbe Gefchichte, nicht ohne Witz und poeti- 
[ches Talent, darftellt. Es iſt ungewiß, ob es gefpielt wurde. 

©. 159. 3. 8. v. u. 

Wie euer Evelfinn und Werth verbient, 
Und laßt fie wirfen. j 
Die vielbeftrittne Stelle im Original lautet: 
Tben no more remains, 
But that to your sufficiency, as your worth is able, 
And let them work. 

That bezieht ſich auf das strenght des vorigen Berfes, your 
worth is able diefe strenght zu befommen, die ich euch gebe, 
let them work, worth nämlidy, sufficiency und strenght. Biefe 
kurze Erklärung dürfte die vielen Noten ber Herausgeber über- 
flüffig machen. 

©. 160. 3. 17. v. u. 

Es if 'ne Schrift in deiner Lebensweife, 

There is a kind of character in thy life. 

Life muß bier Lebensart, Lebensweiſe bedeuten, nicht Le⸗ 
ben. Auch kommt es in diefer Bedeutung öfter vor. 

3.9. v. u. Geiſter find fchön geprägt — Spirits are 
not finely touch’d; bier kann touch’d nicht, wie fonft, geprüft 
beveuten, fondern geeignet, gebildet, geprägt. In fo fern eine 
Sache geprüft, bewährt ift, ift fie dadurch auch geflempelt, ges 
prägt. — Diefe und ähnliche Erklärungen find für die Freunde 
des Dichters, die ihn in feiner Spracde lefen; denn bei ben 
Gommentatoren fo wie in Nares Gloffar finden fie nicht im- 
mer, was fie fuchen. 

©. 163. 3.15. v. n. Denn ih denke, du bift nie dabei 
gewefen, wo ein Gratias gefprochen warb. 


1. Edelmann. Nicht? Ein Dupend Mal wentgftens. 

2. Edelmann. Wie haft du's denn gehört? In Derfen? 
1. Edelmann. Sn allen Sylbenmaaßen und Sprachen. 
2. Edelmann. Und wohl auch in allen Confeffionen? — 


Diefe ganze Stelle, unbedeutend und dunfel im Original, 
und über welche die Editoren leicht Hingegangen find, lautet fo: 
L. Ithink, thou never wast where grace was said. 
2. G. _No? a dozen times at least. 
1. G. What? in metre? 
2. G. In any proportion, or in any language. 
1.G. I think, or in any religion. 
Ich vermuthe, daß der flache Scherz darin belebt, daß 
metre, mitre audgefprochen, neben Versmaß zugleich mitra, bie 
Biichofsmüge bedeutet, eine vornehme Taverne, die befonderd we⸗ 


392 Aunmerkungen. 





en ihres vorzüglichen Weines berühmt war. So wird fie (fiche 

hakspeare's Vorſchule, Bd. 2.) in den Heren von Lan 
cafhire erwähnt. Sie wird oft bei dem alten englifchen Drama 
tifern genannt. Der Schluß des berühmten Städes von B. 
Sonfon (Every man out of his Humour) fpielt größtentheils 
in diefer Taverne. Eben fo berühmt war die Sirene, oder Meer: 
fran, fo wie der Phönir. Ein Sammelplap oder Clubb für eine 
Anzahl Boeten und Schriftfteller war die Taverne St. Dunſtan. 
Ihr Zeichen war diefer fromme Abt, welchen der Tenfel über 
die Schulter ſah. Bon diefem Umſtande wurde fie oft, fpäter 
vorzüglich, des Teufeld (the devils) Taverne genannt. DB. Ion: 
fon war der Präfes dieſes Clubbs, den die Dichter Beaumont, 
Zletcher und manche Autoren und Freunde beſuchten, die fich je 
ner neueren Schule anſchloſſen. Daß Shafspeare, wie Die Eng⸗ 
Iäuber behanpten, ebenfalls ein Mitglied diefer Gefellfchaft ge 
wefen fei, ift durchaus unerwiefen und nicht wahrfcheinlich. “Der 
Saal, in weldhem fich die heiteren Literaturfreunde verfammel: 
ten, wurde von B. Sonfon der Apollo: Saal genannt; er did: 
tete Gefege in Inteinifchen Verſen, die auf einer Tafel geſchrie⸗ 
ben waren, und denen jedes Mitglied Folge leiften mußte. SR 
meine Vermuthung in Anfehung der Mitra gegründet, fo if 
auch wohl eine Anfpielung auf dieſen Teufel-, Apollo = ober 
Dunftan: Saal bier zu finden, und mit der Bifchofsmüge wa- 
ren denn hier allerhand Religionen anzutreffen. Mancher feichte 
Geift, oder mancher Leichtfinnige mochte fih von Zeit zu Seit 
jenen befjeren Humoriften anfchliegen, und es ift nicht ohne Bits 
terfeit, wenn Shaföpeare zu verfichen giebt, Lucio und feine Ge: 
fährten feien Theilnehmer jenes Clubbs, befien Unterhaltung, 
wie jede luftige Gefellfchaft zu Zeiten wohl in Geſpraͤche, wie bie 
bes Lucio, ausarten mochte. Man hat fo oft im B. Sonfon 
und Andern Ausfälle auf Shalspeare, zuweilen mühfam, geſucht, 
bier glaube ich einen Ausfall unfers Dichter auf den B. Son: 
fon gefunden zu Haben. Vielleicht erfcheint dem Kritiker die Ent: 
derung zweifelhaft, und die Erklaͤrung gefucht und Fünfttid. 


Aber man will doch lieber in einer fonderbaren Stelle einen Ge: ' 


danken als Nonfens finden, und etwas Andres wird es nicht, 
wenn man fich bei der Erflärung der Engländer beruhigt. Iſt 
die Suche richtig, fo beweift die Stelle auch, daß das Stüd, 
wie ich nach der Sprache vermuthe, um 1612 muß gefchrieben 
feyn, und nicht 1603, wie Malone glaubt. 
©. 172. 3.6. v. u. — mag treffen, 
Derweil ich ſelbſt vom Kampfe fern mich halte, 
Und frei vom Tadel bleibe. 
Nach der Folio: — never in the fight, to do in slander; — 
wofür die Neneren: never in the sight, to do it slander, lefen. 
S. 179. 3.10. v. o. Bom Eis, das bricht — nad der 





| 


- — — — — — —- 


Anmerkungen. 393 


Zolio: Some run from bakes of ice, — bie Neueren lefen vice, 
unnöthig. 

©. 187. 3. 6.0. 0. Au eurer Pumphoſe. — Um1550 
fing in Deutfchland und England die Mode der großen, runden, 
ausgeſtopften Beinfleiver an. Wie unfinnig weit bie Verſchwen⸗ 
dung von Seide und Tuch in den fogenannten Pluderhofen ges 
trieben wurde, ift befannt. Um 1612 (zur Zeit diefes Schau: 
fpiel8) war, nach vielfachen Wechfel der Mode, die runde, weite 
Hofe ein Abzeichen der niedern Stände. Sonſt war fie auch 
eine Tracht der gemeinen Irländer. ©. the Coxomd, von Flet⸗ 
cher (B. IX.), weiches Schanfpiel auch vielleicht In diefem Jahr 
gefpielt wurde. 

©. 198. 3.4. v. 0. Der die Gebete Ereuzt: — bie 
Folio: where prayers cross. — Cross wie öfter für cross’d, 
— where prayr's cross’d. 

S. 1%. 3.7.v. u. Die durch den Sturm der eignen 
Jugend fiel. — Die Neueren lefen fames, — die Folio: Who 
falling in the flaws of her own youth — ich finde diefe Aens 
derung unnöthig; wenn wir flaws behalten, fteht in, wie fo oft, 
für by; auch wir können fagen: fie fiel im Sturm der Jugend, 
Ratt durch den Sturm. . 

©. 201. 3.3. v. u. Das müffig fpielt im Wind, — 
which the air beats for vain: vain fteht hier für vanity, zum 

piel. 

©. 202. 3.15. v0. u. Der Bolfsprang, — the general 
subject, — etwas gezwungen, aber nicht ungewöhnlich; lieft 
man aber the general, subject to a well-wish’d king, und 
nimmt mit Recht general für Benennung des Volks, fo wird 
diefer Vers äuferfi matt. Das unnöthige Komma hat Steevens 
Hinzugefügt. 

©. 206. 3. 14. v. u. Denn fein Bafall als er allein der 

Schwachheit! 
O wir ſind Alle der Verſuchung Erben! — 

Eine ſchwierige und dunkle Stelle, der keine Erklaͤrung oder 
Emendation ganz aufhelfen kann, da wirklich etwas zu fehlen 
ſcheint. Im der Folio: 

Else let my brotlier die, 

lf not a fedarie but only he 

Owe, and succeed thy weaknesse. 
Schon Rowe änderte die Interpunftion, und fuchte dadurch ber 
Stelle einen Sinn zu geben, man lad nun und erflärte mit 
Warburton, der immer noch hier amı yerftändigften erklärt: 

if not a feodary, but only he, 

Owe, and succeed by weakness, 

Mein Bruder möge flerben, wenn er der einzige iſt, der fo 
fündigt, wir find alle Bafallen, die mit biefer Sünde belehnt 





394 Anmerkungen. 


worben, und einer übernimmt fie vom andern. Der Gedanke ik 
ſchön, doch widerfpricht die alte Lefeart thy und die Interpunk⸗ 
tion. Owe iſt vielleicht nicht Befig, muß vielleicht O we geleien 
werden, — und wenn eiwas fehlt, fo hieß der Vers vielleicht: 

O we are weak and succeed all thy weakness. 
In diefem Sinne fpricht die Ueberſetzung. 

©. 213. 3.5. v. o. Der fromme Angelo. Die Folio lie 
fet hier und drei Zeilen weiter prenzie, wofür man, da es gar 
fein Wort ifl, princely oder priesty lefen kann. Der Ueberfeger 
jet das legte vorgezogen. Vielleicht Tönnte man an beiden Stel: 
en precise lefen, ein Wort, wodurch man bie firengften Puri⸗ 
taner, die genauften Beobachter der Tugend und die Splitter 
rihter bezeichnete: fo fommt precise und precisian oft vor. 

©. 214. 3. 10. v. u. Das Alter, Meineid, — per- 
jury, die alte Lefeart, Schande des Meineids, die Neuern lejen 
penury, Armuth. 

&.220. 3.1. v. u. einen ganz befondern Dietrid 
— a strange pick-lock — ungewiß, was es bedeuten fell, 
Ichwerlich einen Diebesichlüfiel. 
©. 231. 3.13. v. o. Selbft ein Mufter, — dieſe höchſt 
fchwierige Stelle fuche ich fo zu erklären, indem ich ein Komma 
Hinzufüge: 

Pattern in himself, to know, 
Grace to stand, and virtue go; 

Pattern ift dann Subftautiv, nicht Verbum; er fei felbfl ein 
Mufter, to know, daß man in ihm erfenne, er habe Begnadi- 
gung genug, um ſtehn bleiben zu dürfen, grace to stand, und 
doch die Fähigkeit, in feiner Tugend, fo groß fie fei, fortzuſchrei⸗ 
ten, and virtue go. 

©. 237. 3.13. v. u. Pompeins. Diefe Rebe gehört, wie 
es auch die Folio zeigt, dem Clown und nicht dem Henker, wel 
chem fie die Editoren zugefrhrieben haben. Kvery true mans 
apparel fits your thief. — So füngt Granslich feinen Beweis 
an: Jedes Ehrlichen Kleid paßt für den Dieb, es ift ihm recht, 
fommt ihm zu ftatten. Sogleich unterbricht ihn Pompejus mit 
feinen Wortfpielen: If it be too litle for your thief, — iſt es 
zu Hein, zu eng für den Dieb (denn der Clown nimmt appa- 
rel für Halsſchmuck, Verband, Strid), your true man thinks 
it big enough — fo Hält der ehrlihe Mann den Strid immer 
nech für weit genug; if it be too big for your thief, ifl er zu 
die, zu würgend für den Dieb, — your thief thinks it little 
enough, — Hält ihn doch der Dieb für eng genug. — So 
verfuche ich dieſe fehwierige Stelle zu erflären. 








Anmerfungen. 395 


Timon von Athen. 


Ein Werk aus den reifften Sahren des Dichters, ein fragi- 
fer, tieffinniger Nachflang des Hamlet, Macbeth, Lear. Die 
tragifche Finfterniß jener heroifh=mythifchen Gedichte fenft ſich 
bier in die Scenen einer nahen bürgerlichen Gegenwart und ver: 
wandelt die Gewöhnlichkeit in ein furchtbares und philofophifches 
Mährchen. 

Das Erlebte dieſes hier geſchilderten Menſchenhaſſes giebt 
dieſem unpopulären Gedichte eine eigenthümliche Erhabenheit; 
jeder Gedanke und Ausdruck wiegt ſchwer; dieſe Präcifion, bie 
abgewogene Sprache, die Seltſamkeit der Wendung, das oft 
Wilde in Schilderung der Leidenſchaft, macht aber auch dieſes 
Stück zu einem der ſchwierigſten des Dichters. 

Wunderlich iſt es, daß die Ausleger und Gditoren wenig⸗ 
ftens eben fo viel gethan haben, um den Autor zu verbunfeln, 
als ihn aufzuhellen. Man fann nicht genug vor ihren Verbeſſe⸗ 
rungen warnen. Zu befannten Dingen fehlen die Anmerkungen 
nicht, zu zweideutigen werden Barallel: Stellen, pafiende und. 
unpafiende, herbei gefchleppt, die für den Liebhaber und Forfcher 
wenigfiend den Nutzen haben, dag mancher fonft nicht abzu⸗ 
reichende Ders befannter gemacht wird: bei den wirklich fchwie- 
rigen Reben aber laffen uns dieſe redſeligen Erinnerer gewöhnlich 
ganz der Gefahr des Berirrens preis gegeben, ja es fcheint oft, 
ald wenn fie vor vielem Grflären verlernt hätten, bie wahren 
Schwierigfeiten zu fehen. Ich erinnere daran nur, damit man fih 
nicht wundre, wenn wir in der Ueberſetzung faft niemals dieſen 
Emendationen gefolgt find. Es ift unmöglich, jedesmal nachzu⸗ 
weifen, warum unfer Tert vom newöhnliden abweicht; der Ken- 
ner oder Beurtheiler wird ja hoffentlich im Befiß einer fritifchen 
Ausgabe ſeyn, die ihm wenigftens die alten, weggeworfenen 2e: 
fearten meldet. Für diefe Kenner, nicht Lehrlinge, find die No⸗ 
ten, die er hier findet, die wenigftens weder dem Malone, noch 
Eteevens, oder Drafe und Nares nachfprechen. Keiner der 
Neuern (wie ich fchon fonft gefagt habe) verdient fo viel Auf: 
merffamfeit, als Gifford, deflen Ausgabe des B. Ionfon und 
Mafiinger höchlich zu loben find, wenn ich mich gleich bewogen 
fühle, bie und da auch von feinen Erklärungen abzuweichen. 

©. 284. 3.7. v. m. 

Dichter. Wie ein Gewand ift unfre Poeſie, 

Heilfam, wo man es hegt — 
Hier lefen die neuern Ausgaben: 
Our poesie is as a gum, which oozes 
From whence ’tis nourisbed; 


396 Anmerinngen. 


Die Follo bat die Stelle fo: 

Our poesie is as a gown, which uses 

From whence 'tis nourished ; 
Die Aenderung ift gewaltthätig und der Dichter fagt eiwas Un 
bedeutendes, jedenfalls aber das Entgegengejehte von dem, was 
ihm der Verf. in den Mund legt. Statt: unjre Poefle iſt wie 
ein Gummi, Harz, das da ausanillt, wo es im Stamm ober 
Baum genährt wird — alfo eine natürliche, unfreiwillige Er⸗ 
gießung — meint diefer Poet: feine Kunft, die ſchmeichelnde des 
Gelegenheits- Dichters , if einem Gewande zu vergleichen, das 
demjenigen, der es beftellt, bezahlt, müßlich it. Hart, gezwun⸗ 
gen und dunfel ausgedrückt, aber doch verfländlich. Freilich ganz 
im Widerſpruch mit dem, was er oben furz zuvor in affectirter 
Begeiftrung geäußert hat. Er vichtet alfo für Geld, er lobt, 
um belohnt zu werden. 

©. 286. 3.1.v. o. Didier. — nein, fegelt fort 

In weiter, ftarer See: — 
In a wide sea of wax. 

Es iſt nicht nöthig, hier an die Wachstaſeln der Alten zu 
denken. Wax ift bier für das Flüſſige, Nachgebende, nicht Wi: 
derſtrebende geſetzt. 

S. 302. 3.8. v. u. Cupido tritt auf. 

Eine Masferade und ein Tanz, welche Timon feinen Gäften 
veranftaltet hat. Er fpielt aber felbft ven Srflaunten, indem er 
fie überrafcht. „Un dem Timon ihre Liebe zu zeigen,‘ tanzt 
jeder der Anmwefenden mit den Tänzerinnen, weil die Bäfte fie 
als folche erfannt haben. Die alten Epitionen haben nur felten 
feenifche Nachweifungen, wo man fie findet, find fie gewöhnlich 
bedeutend und erflärend, deßhalb ift die Andeutung fo eingeführt, 
wie fle im Folio ſteht. Die Cditoren vernachläffigen fie oft oder 
erfinden zuweilen unnöthige; dieſe haben fie aber auch wörtlich 
aufgenommen. 

©. 324. 3.4.v.0. Flaminins Hat no in ſich zur 

Stunde Timon’d Mahl. 
Hier hat der Meberfeger auch bie Lefeart der Editoren: unto this 
hour, vorgezogen; die Folio hat unto his honour. 

&. 327. 3.14. v.0. Fremder. — „iſt jedes Schmeid: 
lers Witz — "sport, die alte Lefeart; die neuere spirit. 

S. 328. 3.1.9. 0. 1. Fremder. Daß ihm die größte 

Hälfte wiederkehrte. 

And the best half should have return’d to him. 

Ich hätte mein Eigenthum von mir gethan, und die befte Hälfte 
wäre mir für Timon dann zurüdgefehrt. Return’d Tann hier 
feine Schwierigfeit machen, wenn ber Gedanke gleich gezwuns 
gen ausgedrückt if. 





Anmerkungen. 397 


3.9 v. u. 


Sempronins. — Die Freunde find wie Aerzte 
Beſchenkt, und laſſen ihn: Ich ſoll ihn heilen? 
Dieſe und die vorige Stelle haben viele unnütze Noten der Eng⸗ 
laͤnder veranlaßt. — 
— His friends, like physicians, 
Thrive, give him over: Must I take the cure upon me? 
Hier ift eigentlich gar feine Schwierigfeit, wenn man den 
Gegenfag und die Bitterkeit, die in ihm liegt, richtig faßt: Müſ⸗ 
fen jene, wie Aerzte ihun, reich werben nnd ihn aufgeben? Und 
ich foll ihn kuriren? Steevens hat diefe Stelle auch ſchon ganz 
richtig erklärt. 


S. 329. 3.11. v. 0. Diener „Der Teufel wußte nicht, 
was er that,‘ u. ſ. w. 


Tbe devil knew not, what he did, when he made men 
politick; he cross’d himself by it; and 1 cannot think, but, 
in the end, the villainies of man will set him clear. — Nidt 
deu Teufel, fondern den Menfchen!: Ritfon’s Erklärung ift bier 
die einzig richtige: der Teufel ift ein Thor, daß er den Men: 
ſchen fo politiiy macht, er wird feinem eignen Lehrer dadurch 
zu Eng, und macht fi) von ihm frei. Doch ſcheint Ritfon nicht 
die ganze Bitterfeit aufgefaßt zu haben, indem der Diener fagen 
will, dag der Menfch auf diefem Klugheits-Wege der Schein: 
heiligkeit auch den Tenfel in Lüge und Heuchelei noch überbietet. 


S. 334. 3. 14. v. Timon. „So haut mich nieder,“ 
— bill, Rechnung, und zugleich Hellebarve; wie in as you like 
it, und an andern Orten. 


©. 350. 3.8. v. u. Diefer Monolog Timon’s ift, wegen 
der Zülle tiefer Gedanken, die. mit wunderbarer Kürze ansge- 
drückt find, eine der fchwerften Stellen in Shakspeare's Poeſien. 
Der Dichter fept voraus, daß Lefer und Zuhörer ganz auf feis 
nem Standpunkt fich befinden, um feinen Gedanken folgen zu 
können. Der verftändige Schaufpieler Tonnte durch feinen Vor⸗ 
trag und durch richtigen Accent dem Suhörer mehr, als das ge: 
druckte Bach, erklären. 


Timon hebt mit einer Verfluchung an, die Sonne foll Gift 
erzeugen; — unmittelbar, ohne Mebergang, knüpft er die Schilbe- 
rung der Verworfenheit der Menfchen an diefe Anrufung, be: 
fonders fchmäht er den Gigennug und bie blinde Verehrung, bie 
dem Reichthum gezollt wird. Auch der Eigennug, der Reich: 
thum fühlt ſich nur wahrhaft glüdlih, wenn er den Aermeren 
ſchmaͤhen und verhöhnen darf. Die findet felbft bei Zwillingen 
flatt. Der Bornehme, welcher geftärzt wird, ift wie cin gebor⸗ 








308 Anmerfungen. 


ner Bettler, der Bettler, wenn er reich wird, wie ein Vornehmer 
angefehn, dem feine Würde ſchon angeflammt war. 
Heb’ diefen Bettler und verfags dem Lord, — 
Raise me tlıis beggar, and deny’t that lord 
numlich die Grhebung, ungrammatifch, aber doch verſtändlich, und 
die Emendation Warburton's denude iſt darum überflüffig. — 
Folgt angeerbte Schmady dem Senatoren, 
Dem Bettler eingeborne Ehre. 
Beſitzthum fchwellt des Bruders Seiten auf, 
Der Mangel zeugt den Abfall. 

Timon kommt bier auf die Zwillinge zurüd, oder auf bie 

Brüder, die ungleich geerbt haben, oder arm und reich find. 
It is the pasture lards the brother's sides. 

Diefes Spiden, to lard, welches fo oft vorflommt, war 
damals nicht unebel, felbft „von mit Blumen geſchmückt,“ Kränze 
u. |. w. wird larding gebraudt, auch in der Tragödie; Hier 
ift zugleich ein halbes Wortfpiel mit lards und lords. 

The want that makes him leave, 

wofür die Neueren lean lefen; ich glaube nicht, daß hier ein 
Gegenfab zwijchen lards und lean flatt finden foll, fondern 
der Mangel, fagt Timon, ift es, welcher verurfaht, dag man 
den Armen verläßt, von ihm abfällt. — Nimmt man die Folge 
der Gedanken fo, fo wird alles natürlih, ift gleich die Spradye 
efucht und feltfam. Die Anmerkungen, die fich bier drängen, 
nd dann ziemlich überflüfftg, denn fie verwirren mehr, ale fie 
aufklären. 

©. 351. 3.6. v. u. — dieſer führt 

Der überjähr'gen Wittwe ꝛc. — 

Mer diefe Stelle mit dem Original vergleiht, wirb von 
feloft finden, welchen Erklärungen der Ueberfeger gefolgt if. 

©. 361. 3.18. v. u. — „Du würd’ ein Schurfe und ein 

Schmeichler ſeyn.“ 

Es iſt wohl unnoͤthig, auf die Erhabenheit dieſer Rebe aufs 
merkſam zu machen. 

S. 364. 3.6. v. Apemantus. „Koͤnnteſt du mir 
durch Reden gefallen” — Apemantus hat das Sublime in Ti- 
mon's Rede nicht gefaßt, er behandelt ihn wie einen unreifen 
Schüler, der gern ein Philoſoph ſeines Schlages werden möchte. 

S. 371. 3. 7. v. o. Timon. — Ich bekenn' es, 

Ein Menſch iſt redlich, — hört’ ich recht, — nur Einer; 
Nicht mehr, verſteht, — und der iſt Hausverwalter. 

Dieſe ſonderbare Stelle, wo durch die Pauſen und Accente 
die Aufmerkſamkeit ſo geſteigert wird, muß im Deutſchen nur 
lahm und ohnmaͤchtig ſcheinen. 

1 do proclaime 
One honest man, — mistake me not, — but one; 
No more, I pray, — and he is a steward. 





Anmerfungen. 399 


Eine wunderbare Schmeicdhelei für den König Jacob, den 
Stuart. Es fcheint, daß die Engländer diefe Abficht des Dich- 
ters nicht gefaßt Haben. 

©. 384. 3.9.9. u. Soldat. — Dieß lef ein Thier. — 
Some beast read this, — Nusdrud des Unwillens; er flieht 
das Grab, erkennt es als folches, fieht die Inſchrift, Tann nicht 
lefen, forfcht nach einem Menſchen, doch feiner zeigt ſich in der 
Einfamteit, und er ruft aus: dieß mag ein Thier lefen! Darum 
iſt es nicht nur überflüffig, fondern lächerlih, ſtatt read — 
reard zu lejen: ein Thier hat dieß aufgewworfen; das Grabmal?